Berichte

Fünf Ex-Wise Guys – Kein Comeback – 03.10.2022 – Bonn

Bonn, Oper

Im Sommer 2017 hatte es das letzte Konzert der Wise Guys gegeben. Nach vielen erfolgreichen Jahren war die Gemeinschaft auseinandergefallen und das war nicht entspannt verlaufen. Bis zum Abschiedskonzert lief auf der Bühne eine gute Show, hinter den Kulissen lief das Trennungsjahr vor der Scheidung. Es war wie bei einer langjährigen Ehe, bei der es mit viel Spaß und übermütiger Freude beginnen und manchmal mit gereizten Nerven, Sticheleien und unüberwindbaren Problemen enden konnte. Das Beenden des Erfolgsprojektes Wise Guys war in diesem Fall die richtige Entscheidung für die Gruppe. Für die Fans blieb eine Lücke und ein großes „Nie wieder“, das ein bisschen traurig machte.

Aus den Trümmern der Wise Guys waren neben Ex-Mitgliedern, die beruflich jetzt anders unterwegs waren, zwei Nachfolgeprojekte entstanden: Die „Alte Bekannte“, die wieder eine fünfstimmige A-cappella-Gruppe waren, und „Eddi“, der solo oder mit seinem musikalischen Partner Tobi, der am Klavier saß, unterwegs war. In beiden Formationen wurden im Konzertprogramm weiterhin einzelne Wise Guys Lieder angestimmt, die vom Publikum immer sehr umjubelt wurden. Auch wenn es sie nicht mehr gab, waren die Wise Guys noch sehr beliebt und wurden vermisst.

Umso schöner, dass sich fünf ehemalige Wise Guys jetzt wiederfanden, um ein gemeinsames Konzert in der Bonner Oper zu geben. Eddi, Sari und Clemens waren Gründungsmitglieder, Nils hatte Clemens nach dessen Ausstieg ersetzt, und Andrea war an die freie Stelle von Ferenc gekommen. Mit dabei am Konzertabend war auch Tobi, der aber nicht als Wise Guy galt und darum augenzwinkernd als Zusatz genannt wurde: „Fünf ehemalige Wise Guys – und Tobi“. Witzigerweise nahm der komplette Konzerttitel auf meiner Eintrittskarte so viel Platz ein, dass Tobi dort nur noch zu „Eingang E“ wurde.

Nicht beim Sonderkonzert dabei waren die ehemaligen Wise Guys Ferenc, Dän und Björn, ansonsten hätte das Konzert wohl „Acht ehemalige Wise Guys – und Tobi“ geheißen und bei mir Schnappatmung ausgelöst. Die Gedanken, wer warum nicht dabei war, ob alle angefragt wurden oder nicht, und ob jemand abgelehnt hatte oder nicht, waren weit weg von mir. Das waren alles erwachsene, eigenverantwortliche Menschen, die miteinander sprechen konnten, wenn sie wollten, die miteinander Musik machen konnten, wenn sie wollten und die die Entscheidungen für ihr Leben selber trafen. Jetzt wollten sich eben fünf der acht ehemalige Wise Guys zu einem gemeinsamen Abend treffen und das war schon sehr prima.

Eindringlich wurde schon im Vorfeld immer wieder erwähnt, dass das gemeinsame Konzert kein Comeback wäre. Es sollte nicht mal ein Wise Guys Konzert sein, sondern ein spaßiger, musikalischer Abend, an dem zum Teil mit instrumententaler Begleitung verschiedene Lieder in verschiedenen Konstellationen gesungen werden sollten. Vielleicht auch mal ein Wise Guys Lied, aber das war nicht sicher und darum ging es nicht. So die offizielle Aussage, aber natürlich kamen die meisten Besucher, weil es um die Wise Guys ging. Es kamen langjährige Fans wie ich – einige Besucher trugen sogar Wise Guys T-Shirts -, es kamen Fans von Eddi, Fans von den „Alte Bekannte“, Fans von Andrea und Tobi, und darunter auch Leute, die die Wise Guys nie live auf der Bühne erlebt hatten. Und vermutlich hofften alle, dass es im Verlauf des Konzertes doch ein bisschen von den früheren Wise Guys zu hören gab. Ich sah vor dem Konzert jedenfalls viele Gesichter, die ich aus früheren Zeiten kannte. Die Oper war ausverkauft und das Konzert wurde auch als Livestream angeboten, der ebenfalls gut gebucht war. 


Kurz vor Konzertbeginn wirkte die Atmosphäre in der Oper prickelnd. Das versprach ein besonderer Abend zu werden, auch wenn ich keine Ahnung hatte, was zu erwarten war. Qualitativ würde es wohl nicht herausragend werden, weil die Herren nicht ausgiebig zusammen proben konnten, aber ich versprach mir den Ausgleich in Spaß und musikalischen Schätzchen. Vor allem freute ich mich, sie mal wieder in einer Gruppe auf der Bühne zu erleben.

Rita Baus, die Organisatorin der Reihe „Quatsch keine Opern“, die die Wise Guys schon sehr früh ins Bonner Pantheon geholt hatte, kam auf die Bühne, freute sich über das ausverkaufte Haus und wünschte viel Spaß. Ehe sie ging, kündigte sie etwas geheimnisvoll eine „akustische Nachricht“ an. Die kam über die Lautsprecher vom Band. „Es war einmal …“ ertönte es und ich grinste breit, als ich Ferenc‘ Stimme hörte. Zumindest so war er an diesem Abend dabei und das fand ich sehr schön. Er sprach mit seiner normalen Sprechstimme, die nicht wie sein tiefer, dramatischer Bühnensprechbass klang, so dass ihn einige Leute witzigerweise gar nicht erkannten. In seiner kleinen, märchenhaften Einleitungserzählung ging es um sechs Ritter, die zu einem weisen König gingen und ihn fragten, ob er zum Feldzug mitkommen wolle. „Ach, das schafft ihr schon alleine“, antwortete der König und gab ihnen seinen königlichen Segen. „Streitet für das Gute!“, ermahnte er noch, dann ging es los.

Eddi kam alleine mit Gitarre auf die Bühne und sang eine zum Ritterthema passende Strophe, in der er sich vorstellte. Nach und nach kamen die anderen Ritter einzeln dazu und sangen jeweils eine Strophe über sich. Am Ende sangen sie gemeinsam, Eddi spielte Gitarre, Tobi spielte am Flügel, und die mehrfach eindringlich wiederholte Zeile „Kein Comeback!“ wurde dem Publikum in die Ohren gebrannt. Nach dem letzten Ton brach großer Jubel aus, der den sechs Leuten auf der Bühne galt und nicht ihrer gerade gesungenen Kein-Comeback!-Aussage. Sicherheitshalber hatten sie es aber nochmal klargestellt.

Ohne weitere Ansage ging es sofort mit Sansibar weiter, einem Lied aus Eddis Programm, das in diesem Fall Nils sang. Seine Stimme war immer noch so sanft und geschmeidig, wie ich sie in Erinnerung hatte. Überhaupt sah es beim Blick auf die Bühne aus wie früher. Figuren und Frisuren stimmten noch, vermutlich trugen sie noch ihre alten Jeans, und auch die Gesichter schienen fast unverändert. Es hatte niemals diese Fünfer-Konstellation der Wise Guys gegeben, aber sie wirkte trotzdem vertraut für mich. Da ich alle schon irgendwann auf der Wise Guys Bühne erlebt hatte, passten sie auch jetzt zusammen. Die Zeitsprünge dazwischen konnte ich einfach ausblenden. Auch Tobi fiel nicht störend auf, zumal er am Flügel saß, bewusst eine Nebenrolle einnahm und sich nicht als ehemaliger Wise Guy darstellte.

Nach dem Lied gab es einen Riesenapplaus. Er war laut, stark und lang. Die Herren auf der Bühne hatten den in dieser Heftigkeit wohl nicht erwartet und guckten fast ungläubig, aber hocherfreut und sehr berührt in den Lärm. Applaus und Jubel in dieser Größenordnung waren inzwischen nicht mehr alltäglich für sie. Als die Lautstärke endlich etwas abklang, sagte Clemens gespielt ernst zum Publikum: „Bitte beruhigen Sie sich!“ Eddi schickte die Kollegen in die seitlich auf der Bühne stehende Sitzecke. „Jetzt schon?“, fragte Clemens etwas verwirrt. Tobi kommentierte grinsend: „Die älteren Herren …“, und Sari jammerte über die fehlende Pause des Konzertprogrammes: „Ich bin über fünfzig. Ich hätte eine Pause gut brauchen können.“ Er warf entschieden hinterher: „Nach 120 Minuten BRAUCH ich eine Pause!“

Während die Sitzecke sich füllte, erklärte Eddi, dass das Konzert live gestreamt würde und wartete auf das Ergebnis einer Abstimmung, bei der die Zuschauer an den Computerbildschirmen eins von drei Lieder aus dem Eddi-Programm wählen konnten. Einer der angegebenen Titel, „Alles wird gut!“, wurde plötzlich laut aus dem Zuschauerraum reingerufen. Mir war nicht ganz klar, ob das nun wirklich das Ergebnis der Abstimmung oder ein einzelner Zuschauerwunsch war. Vielleicht saß ja auch der Auswerter der Stimmen mit seinem Computer mitten im Publikum. Wie auch immer, Eddi griff zur Gitarre, Tobi zur Ukulele – was etwas verwirrend war, weil er dabei hinter dem Keyboard saß – und Sari sang mit ihnen, während Andrea, Clemens und Nils in der Sofaecke saßen und zuhörten.

Danach erzählte Eddi, dass er zusammen mit Clemens und Sari vor 40 Jahren eingeschult wurde, nämlich 1981. Ich rechnete nach und war kurz verwundert, warum sie erst im Alter von zehn Jahren in die Schule gekommen waren. Aber dann dachte ich mit und ergänzte für mich: „Ins Gymnasium eingeschult“. Tobi war bei dem Zeitrahmen raus und kommentierte nur, dass er 1981 „minus Sieben“ gewesen wäre. Währenddessen kramte Eddi seine Brille hervor und fragte seine Kollegen: „Mit oder ohne Brille? Wenn ich die Brille ausziehe, sehe ich die Setlist nicht mehr.“ Er setzte sie auf und blickte erst auf die Setlist, dann zu Sari. Der kommentierte mit kritischem Blick zu ihm nur knapp: „Besser aus.“ Das machte Eddi aber nicht, sondern sang einfach mit Brille „Freunde„, ein Lied, das von ihm war, und das wohl auch für Sari und ihn gemacht war. Es war schön, die beiden so vertraut zu sehen, und das sanfte und liebevolle Lied gefiel mir auch.

Eddi kündigte im Anschluss Andrea als Leadsänger an, redete über Musiker, die wirklich Musiker sind, also aktiv, auch wenn die anderen auch Musiker wären, aber eben nicht so …, kam in immer mehr Windungen, bis Sari mahnend: „90 Minuten!“ rief und das Lied fast sofort losging.  

Andrea und Eddi hatten „Ein ganz normaler Dienstag“ zusammen geschrieben, und inhaltlich ging es um ein unerwartetes Aufeinandertreffen von einem Mann und einer Frau, das mitten im Alltag stattfand. Weiter ging es mit einer Fragerunde in der Sofaecke, bei der Tobi sehr souverän im Moderatorenton begann: „Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe von ‚Und Tobi‘!“ Das gab sofort Lacher. Überhaupt war Tobi sehr cool und passte gut in die Gruppe. Die Fragen hatten die Streamzuschauer gestellt, aber die Antworten waren auch für die Livezuschauer gedacht. „Habt ihr viel zusammen geübt?“ war die erste, bei der Sari zögerte und die er dann lieber erst nach dem Konzert beantworten wollte.

„Gibt es auch Saris Hüftschwung zu sehen?“ hieß es auf einem Fragezettel, woraufhin das Livepublikum laut losjubelte. Während Sari sich noch zierte, johlte das Publikum immer lauter. Tobi eilte zum Flügel und begann mit „You can leave your hat on“ als Stripteasebegleitung. Sari wollte immer noch nicht, lachte, sagte aber mit empörtem Unterton: „Das ist peinlich! Es ist eine Nachmittagsvorstellung für Kinder!“ Unter dem Gejohle des Publikums und dem Grinsen seiner Kollegen sah er aber keinen Ausweg mehr aus seiner Lage. Anscheinend peinlich berührt rutschte er aus dem Sessel und kroch auf allen Vieren in die Bühnenmitte. Dort hielt er den Blick abgewandt, richtete er seinen Oberkörper auf, hob die Arme und bewegte seine Körpermitte zur lasziven Musik zweimal kreisförmig.

Das Publikum flippte aus, und er kroch, fast auf dem Bauch rutschend, zurück zur Sitzecke. Seine Kollegen hatten großen Spaß. Das Publikum sowieso. So einfach konnte man alle erfreuen. Sari zog sich in seinen Sessel hoch, plumste hinein und Clemens seufzte: „Das krieg ich nie wieder aus dem Kopf, das Bild!“

Als sich alle endlich beruhigt hatten und die letzten glucksenden Lacher endeten, machte Eddi mit dem Programm weiter. „Heute wäre es ganz schön, einen alten Wise Guys Song zu hören.“ Das Publikum jubelte auf. „Aber es ist kein Comeback! Nicht zu früh aufregen!“, ermahnte Eddi und versprach eine Weltpremiere. „Zum ersten Mal spielt er vor Publikum Klavier!“ Clemens begab sich zum Flügel und erklärte, dass ihm dieses Lied „auf den Leib geschrieben wurde“, was schon ein vorfreudiges Jubeln auslöste. Er hätte aber noch nie vor so viel Publikum Klavier gespielt hat und wäre entsprechend aufgeregt. Dann sang er, sich selbst am Flügel begleitend, ganz alleine die „Romanze„.

Ach, es war so schön! Und erstaunlich anders als in der Wise Guys Version. Eher wie von einem Liedermacher, der mit sanfter, schöner Singstimme eine Geschichte erzählte. Das passte gut zusammen. Mir gefiel es sehr gut, auch weil es ohne die rhythmusgebenden Nebenstimmen ruhiger und nachdenklicher als in der Wise Guys Version wurde. Große Klasse! Nach dem letzten Ton brach heftiger Jubel aus und Clemens wischte sich mit einem „Puh!“ erleichtert über die Stirn.

Café am Baggersee“ wurde von Sari gesungen, während Andrea auf dem Sofa leise Mouthpercussion machte, Eddi die zweite Stimme sang und Nils an passender Stelle Vogelgezwitscher einwarf. Alles sehr schön lässig. Es war sowieso ganz wunderbar, dass es lockere, gute Laune auf der Bühne gab und alle sehr lachbereit waren. Die harmonische Grundstimmung und das freudige Miteinander strahlten bis ins Publikum aus und machten eine schöne Atmosphäre.

Danach war Andrea dran. Er machte seine Ansage komplett in italienischer Sprache und war sich sehr bewusst, dass die kaum einer im Saal verstand. Tobi saß spielbereit am Flügel und beobachtete Andrea aufmerksam. Nach einem Satzende rief er rein: „War das schon mein Einsatz?“ Vom Sofa aus rief Sari ihm grinsend zu: „Du hättest bei „Calzone“ schon loslegen müssen!“ Tobi begann, und mit italienischem Text und einer wirklich wunderschönen Stimme sang Andrea „Bella Ciao„. Das gefiel mir sehr. Der Refrain war mitreißend und sofort wurde im Publikum laut und fröhlich mitgeklatscht und zumindest die Refrainzeile auch mitgesungen. Die Strophen eher nicht.

Zum Ende des Liedes kamen die anderen Ex-Wise Guys dazu, stiegen singend ein, es wurde temperamentvoll „Bella, ciao, ciao, ciao!“ gesungen und der Saal tobte und sang mit. 

Nach einem furiosen letzten Ton setzte das Publikum laut jubelnd und klatschend mit Applaus ein. Erst danach erklärte Eddi, dass es ein Partisanenlied sei, bei dem ein Kämpfer Abschied von seiner Frau nahm. Ehe das die Stimmung drückte, wies Tobi darauf hin, dass es sich nicht um ein Parmesanlied handeln würde.

Die zweite Abstimmung des Abends, bei der die Streamzuschauer erneut über drei Eddi-Lieder abstimmen konnten, ergab das Ergebnis „Der Typ im blauen T-Shirt„. Wieder kam ein Zuruf von irgendwoher, aber diesmal wurde aus der Sofaecke bestätigt, dass es wirklich das Abstimmungsergebnis sei. Beim Lied ging es um Tobi, den Typ im blauen T-Shirt, der allerdings an diesem Abend ein schwarzes trug. Eddi pries ihn singend an, und seine Vorzüge und Fähigkeiten schienen weitaus bedeutender zu sein, als das herablassende „… und Tobi“ auf den Eddi-Plakaten vermuten ließ. Eddi sang schwärmerisch: „Was für ein Mann!“, und der coole Tobi grinste vom Flügel aus zufrieden ins Publikum und verkündete lässig: „Es geht um mich!“ In der Sofaecke und im Zuschauerraum wurde immer wieder fröhlich gelacht.

Eddi sah danach zu seinen Kollegen und sagte: „Wir kommen jetzt zur Nummer, wo wir von der Bühne gehen.“ „Häh?“ machte Clemens erstaunt, und auch die anderen guckten fragend. „Vertraut mir!“, beschwor sie Eddi. „Nur ein Mal!“ Ob sie ihm wirklich vertrauten oder nicht, sie gingen jedenfalls ab. Tobi blieb alleine am Keyboard zurück und verkündete: „Wir kommen jetzt zum Höhepunkt des Abends!“ Die Zuschauer lachten freudig und er verriet selbstbewusst: „Wenn man das Plakat in der Hälfte knickt, dann steht da nur ‚Tobi‘!“

Sehr witzig war „Ich war niemals bei den Wise Guys„, das Tobi sang und bei dem er im Stil eines früheren Wise Guys Liedes erzählte, dass er kein einziges Wise Guys Konzert erlebt hatte. Zwischendrin fragte er ins Publikum: „Gibt es hier irgendjemand außer mir, der noch niemals bei den Wise Guys war?“ Vermutlich meldeten sich tatsächlich ein paar Leute, aber die meisten hatten wohl während der Wise Guys Zeit mehr oder weniger Konzerte besucht. In meinem Falle eher mehr. 

Zum Ende des Liedes kamen die fünf früheren Wise Guys auf die Bühne und sangen mit ihm. Damit hatte Tobi dann tatsächlich doch eine Art Wise Guys Konzert erlebt. Und das sogar auf der Bühne und mittendrin. Das Publikum fand alles sehr schön und applaudierte sehr.

Eddi kündigte einen „etwas melancholischen Rückblick, nicht nur auf die Wise Guys Zeit“ an, und es kam „Weißt du noch„. Tobi begleitete am Flügel, Eddi an der Gitarre und das Lied war ruhig und tatsächlich ziemlich melancholisch. Sehr schön. In der letzten Strophe hörten die beiden Instrumente auf und es wurde zu sechst A-cappella gesungen. – Wow! Ich schmolz dahin. „Diesen Klang will ich haben, genau so!“, dachte ich sofort. Sechs Stimmen, die harmonisch und ungeheuer kraftvoll einen ganzen Saal mit Musik füllen. Als ganz am Ende die Gitarre und der Flügel wieder einsetzten, wurde es nicht gewaltiger und schöner, sondern flachte ab. Zumindest für meine Ohren. „Ach nee“, dachte ich traurig. Die instrumentale Begleitung hatte nicht die Kraft, Schönheit und Eindringlichkeit, die gut passende Stimmen in einer A-cappella-Version haben. Vielleicht sehen – oder hören – das andere Leute anders, aber mich berührt guter A-cappella-Gesang sehr. 

Die zweite Sofarunde war dran, es gab neue Fragen im „Talk-Slot“, wie es neudeutsch hieß. „Wie oft hört ihr noch: Du bist doch einer von den Wise Guys?“, war die Frage, zu der Clemens sofort eine Geschichte erzählen wollte. „Ich war in Köln beim Konzert von Jan Delay …“, begann er, woraufhin Sari einwarf: „Da hat sich mein Schwager Corona geholt.“ „Ehrlich!“, bestätigte er, damit das nicht wie ein Witz aussah. Clemens erzählte weiter, wie sich ihm nach dem Konzert ein riesiger, muskelbepackter Typ genähert und ihn angesprochen hatte. Er befürchtete, dass sich der Riese über einen Tritt auf den Fuß, der in der Enge passiert sein konnte, aufregen könnte, da sagte der: „Vielen Dank, dass du meinen Kindern und mir so viel Freude gemacht hast!“ Puh! Clemens ergänzte, dass ein Erkennen selten passieren würde. „Als Ex C- bis D-Prominenter freut man sich da.“ 

„Was ist mit dem Hüftschwung von Eddi?“ war eine weitere Frage. Das Publikum johlte sofort los und auch der Gatte brüllte erst wieder laut: „Wowowow!“, raunte mir dann aber zu: „Der müsste besser die Haare öffnen!“ Das stimmte. Hin und wieder hatte Eddi früher den Haargummi gelöst und anstatt mit Zopf mit wilder Mähne auf der Bühne gestanden. Inzwischen trug er einen Knoten am Hinterkopf. Jetzt ging es aber um den Hüftschwung. Unter dem Jubel der Zuschauer ging er in die Bühnenmitte, wackelte lässig mit den Hüften und fertig war er. Im Gegensatz zum eher peinlich verschämten Sari hatte er es locker absolviert. Wobei in beiden Fällen natürlich möglich gewesen wäre, klar „Nein“ zu sagen und im Programm weiterzumachen. Aber „kneifen gilt nicht“ hatten sie in ihrer Wise Guys Zeit schon durchgezogen. Die Frage: „Warum habt ihr euch für den ergänzenden Einsatz von Instrumenten entschieden?“ beantwortete Tobi mit: „Weil ich sonst nicht dabei wär“, und das Publikum lachte los und war zufrieden.

In der nächsten Nummer ging es um eine Improvisation. Clemens erklärte dem Italiener Andrea vorher, was ein „Adebar“ war, übersetzte das aber mit „Klapperstorch“, was ich für schwieriger als „Storch“ hielt. Andrea begriff es aber und wartete gespannt auf seinen Einsatz als kinderbringender Storch. Das Gedicht „Die Mauritius“ von Heinz Erhardt, das Clemens ausdrucksstark rezitierte, war die Grundlage der Improvisation. Während Clemens sprach und Tobi musikalisch sehr schön begleitete, stellten die Kollegen spontan in zugewiesenen Rollen die Geschichte nach. Eddi war ein Briefmarkensammler, Nils seine Braut und Andrea der flatternde Storch, der das Baby Sari brachte. Es war sehr witzig. Im Zuschauerraum wurde vor Vergnügen gekreischt und schnappatmend gelacht – und auch die Herren auf der Bühne hatten viel Spaß und lachten immer wieder los.

Am Ende der Gedicht-Improvisation musste das dann erwachsene Baby, das eine junge Frau war, textgemäß in eine Bar gehen. Tobi stimmte am Flügel sofort wieder „You can leave your hat on“ an, das Publikum johlte, und Sari begab sich zum Flügel, wo er schon wieder unter dem Gekreisch der Zuschauer einen Hüftschwung machen musste. Diesmal aber in seiner Rolle als junge Frau. Wunderbar!

Als nächste Nummer sang Eddi eins seiner Lieder, in dem er sich von Lärm gestört fühlte und vorschlug: „Komm, wir gehen auf den Friedhof„. Musikalisch hüpfend und leicht sang er über warme Krematorien und die Vorteile von Aufenthalten auf Friedhöfen, „weil jeder Gräber gerne mag“. Es war makaber und witzig und ich mochte den Text sofort. Die Kollegen auf dem Sofa hörten zunächst aufmerksam zu, mussten dann aber immer wieder loslachen.

Clemens guckte zunächst ungläubig, dann begann er zu grinsen und hielt sich schließlich die Hand vors Gesicht, um die Fassung zu wahren. Immer, wenn er nach einer Zeile wieder mit ungläubigem Blick kurz zu Eddi rüberblickte und dann lachen musste, konnte ich seinen Gedanken lesen: „Typisch Eddi!“ Zumindest meinte ich das aus seiner Haltung zu erkennen. Vielleicht dachte er auch: „Was bin ich froh, dass ich so ein Zeug nicht mehr mitsingen muss!“ Vielleicht aber auch: „Auf was für tolle, schräge Ideen der Eddi immer wieder kommt!“

Sari erwähnte danach: „Wir kommen nun zur Zielgeraden“, was natürlich mit einem lauten, traurigen: „Ohhhhhhh!“ vom Publikum kommentiert wurde. Schnell warf Sari nach: „Ihr könnt das ja mit den Händen verlängern!“, was Grund zur Freude war. Zunächst sangen Eddi und Sari gemeinsam „Dachdecker„, was mit den Zeilen um „Leila Lei“ schon wieder viel Gelächter bei Clemens und den Kollegen auf dem Sofa auslöste. Das war sowieso schön: Dass auch die Kollegen anscheinend nicht alle Lieder kannten und aufmerksam zuhörten, spontan eine leise Nebenstimme oder eine Mouthpercussion dazugaben oder überrascht loslachten. Ohne negative Anspannung trafen sich da sechs Leute auf der Bühne, die sich gegenseitig wertschätzten, ein bisschen aufgeregt waren, weil nicht alles perfekt durchgeprobt war, aber mit viel Spaß und viel Musik gemeinsam auf der Bühne standen. Oder saßen. Ein lockeres, schönes Konzept.

Es gab nach dem „Dachdecker“ viel Applaus, die Stimmung in der Oper war grandios und dass das Ende näherrückte, war kaum zu glauben. Die Zeit war blitzschnell vergangen. Ohne Ansage kam das Abschlusslied, das den Bogen zum Eröffnungslied schlug, und in dem schon wieder eindringlich im Refrain gesungen wurde, dass es „Kein Comeback!“ sei.

Auch wenn die Aussage vielleicht abbremsend rüberkommen sollte, hielt sie das Publikum nicht zurück, nach dem letzten Ton von den Stühlen zu schnellen und mit Riesenapplaus, Gejubel und Standing Ovation zu reagieren. Was für ein tobender Saal! Das kannte ich noch gut aus Wise Guys Zeiten und das passte auch zu diesem Abend, der eine wunderbare Stimmung hatte.

Die Exen und Tobi verbeugten sich freudig lachend und gingen unter Heldenmusik ab. Sechs Ritter hatten ihren Feldzug erfolgreich geschafft und konnten zufrieden abgehen. Sie kamen unter dem weiterhin euphorischen Geklatsche der Zuschauer aber recht bald zurück. War die Stimmung im Saal gerade laut und jubelnd gewesen, sollte es jetzt noch lauter und noch jubelnder werden. Ein „Wise Guys Medley“ begann, in dem in etwa drei Minuten 26 Titel angesungen wurden. Das war der Hammer! Fünf ehemalige Wise Guys plus Tobi sangen mehrstimmig und im genau richtigen Wise Guys Sound ein Medley von Wise Guys Liedern, das aus sehr kurzen Zeilen bestand, manchmal nur einem Intro, und sie wechselten dabei rasant von Lied zu Lied. Bei jedem neu erkannten Lied ging Jubel los oder Geschrei oder wildes Geklatsche. Die Zuschauer standen, klatschen mit, sangen mit, jubelten.

Es überrumpelte mich total. Ich hatte einen Flashback nach dem anderen. Gerade hatte ich das Lied erkannt, da begann schon das nächste. Es war wie ein Rausch und ich wurde emotional tief getroffen. Die Wise Guys Zeit war vorbei, und auch wenn ich viele Jahre lang intensiv und mit großer Freude dabei gewesen war, war es jetzt Vergangenheit. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass ich in meinem Leben nochmal Wise Guys Lieder live von den Wise Guys auf der Bühne höre. Es hörte sich an wie in den früheren Konzerten, es fühlte sich genauso an und die Stimmung ringsherum war so laut jubelnd, wie ich es bei früheren Wise Guys Konzerten miterlebt hatte. Unfassbar!

Auch wenn jetzt nicht „meine“ langjährige Original-Urbesetzung vor mir stand, hörte ich den vertrauten Klang. Der war wie früher. Selbst von den „Alte Bekannte“ wurde er nicht erreicht, wenn sie Wise Guys Klassiker sangen, weil es da zu viele andere Stimmfarben gab und es sich mehr nach Coverversionen, als nach dem Original anhörte. Um mich herum wurde geklatscht, gejubelt und mitgefeiert, und mich haute es um. Zumindest innerlich. Mir schossen die Tränen in die Augen und ich war so glücklich, dass ich das gerade erleben konnte und gleichzeitig so wehmütig, dass es das nicht mehr gab. In einer Liedlänge gab es im extremen Zeitraffer ein komplettes Wise Guys Konzert mit vielen Liedern und den begeisterten Publikumsreaktionen. Wenn ich je vergessen hätte, wie es damals war und warum es mich so mitgerissen hatte – spätestens jetzt hätte ich es wieder gewusst.

Das Medley bestand aus Minischnipseln von Tekkno – Jetzt ist Sommer – Achtung, ich will tanzen – Nein, nein, nein – Seemann – Es ist nicht immer leicht – Sonnencremeküsse – Mädchen, lach doch mal – Sägewerk – Buddy Biber – Ich will keine a-cappella – Sing mal wieder – Kinder – Facebook – Powerfrau – Meine heiße Liebe – Deutsche Bahn – Nur für dich – Schönen guten Morgen – Wo der Pfeffer wächst – Jetzt und Hier – Schiller – Ich bin aus Hürth – Root Beer Rag – Ruf doch mal an  und endete mit dem Ohrwurm. „Ausgerechnet der blöde Ohrwurm!“, dachte ich und sang währenddessen schon laut mit, lachte wehmütig und wischte die Tränen weg. Meine Güte, hatte mich das erwischt! Die Ex-Wise Guys und Tobi gingen ab, und das Publikum sang immer weiter den Ohrwurm, ich mittendrin. Die Sänger kamen zurück, stiegen wieder mit ein und brachten alles zu Ende. Wieder zog donnernder Applaus durch den Raum und das begeisterte Publikum war kaum zu beruhigen.

Natürlich hätte ich es ganz wunderbar gefunden, wenn auch Ferenc, Dän und Björn mit auf der Bühne gestanden und gesungen hätten. Aber fünf Ex-Wise Guys, die mit Spaß, Freude und Feuer miteinander sangen, waren viel, viel besser als gar kein Konzert. Mir ging es gar nicht um ein Comeback, mir ging es um ein Erlebnis mit ein bisschen Wise Guys Feeling, und davon hatte ich jetzt unerwartet eine Explosion bekommen. Wie klasse!

Mädchen, lach doch mal“ war auch klasse. Ich hätte mich aber gefreut, wenn Nils und Clemens sich bei jeder Strophe abgewechselt hätten, weil beide das Lied zu ihren jeweiligen Zeiten als Leadsänger gesungen hatten. Aber Nils machte es natürlich sehr schön. Für die Stimmung im Saal war egal, wer sang, denn das Publikum sang weitgehend mit und feierte den Moment.

Ein weiteres Wise Guys Highlight stand an. Clemens zog den Reißverschluss seiner Jacke langsam bis zum Kinn hoch, und die ersten Jubler gingen los. Dann griff er zur Wasserflasche, drehte sie auf und kippte sich Wasser über den Kopf. Ziemlich viel Wasser. Es hörte gar nicht mehr auf. Andrea begann zu lachen und hörte damit ebenfalls nicht mehr auf. Clemens strich sich die Haare glatt in die Stirn und schlurfte mit Leidensmiene an den Bühnenrand. Andrea brach zusammen, ging in die Hocke und konnte nicht mehr vor Lachen. Das schien er nicht erwartet zu haben.

Clemens blieb todernst. „Nur für dich“ war ein Klassiker, der von Clemens bis ins Detail wie früher gebracht wurde. Ich kannte jede Mimikänderung, jeden Schritt und jeden Gang über die Bühne. Als wäre keine Zeit vergangen. Ach, wie schön! Im Saal platzte die Stimmung schon wieder bis an die Decke. Das war originales Wise Guys Feeling und ich konnte es einfach nur genießen. Am Ende war der Jubel wieder riesengroß und hörte kaum noch auf.

Zum Abschluss des Abends gab es ein feines „Eine gute, geruhsame Nacht„, das A-cappella gesungen wurde und ein sentimentaler, herzberührender und sehr schöner Abschied war. 

Noch einmal standen die sechs Sänger danach im laut donnernden Jubel und Applaus, die nicht enden wollten, und guckten ihrerseits gerührt und ein bisschen überwältigt ins Publikum. Was für ein schöner Abend! Er war locker, machte Spaß und hat mich in einigen Teilen unerwartet sehr berührt.

Im Foyer gab es im Anschluss noch einen kleinen Afterglow. Gesungen wurde nichts mehr, aber Clemens rezitierte ein Heinz-Erhardt-Gedicht von „Ritter Fips“. Zum Teil wählte er einen rheinischen Einschlag in der Sprache, und während seine Kollegen im Hintergrund zuhörten und grinsten, wirkte Andrea manchmal etwas verwirrt. Für ihn war das vermutlich ähnlich unverständlich wie vorher seine italienische Anmoderation für das Publikum. Clemens setzte zum Vergnügen der Anwesenden noch einen zweiten „Ritter Fips“ hinterher, dann schwärmten die Ex-Wise Guys und Tobi aus, um Autogramme zu geben, Fotos machen zu lassen und Kommentare zum Konzert anzuhören.

Es war ein außergewöhnlicher Abend ohne Comeback, aber mit Wise Guys Feeling, bei dem ich mich freue, live dabei gewesen zu sein.