Berichte

Gayle Tufts – Some like it heiß – 13.06.2013 – Köln

Mit Marian Lux
Comedia, Köln

„Ich bin in den Wechseljahren.“ Kaum ein Satz könnte die Stimmung auf einer Party tiefer abkühlen lassen und jedes weitere lockere Plaudern verhindern. „Das ist der unsexieste Satz aller Zeiten!“, sagt Gayle Tufts, und besonders die Männer im Saal der Comedia wirken etwas verschreckt. Geht es hier jetzt jammernd und anklagend um Frauenprobleme?

Aber nein, bei Gayle Tufts doch nicht! Nach eigenen Angaben steckt sie selbst gerade in den Wechseljahren, aber von einer leidvoll verbitterten Miene ist nichts zu sehen. Sie scheint vor Optimismus und Energie fast zu platzen. Dem Publikum verspricht sie für diesen Abend in ihrem wunderbaren Denglish ein „hormonelles Happening for the ganze Familie“ und verkündet strahlend: „Wir diskutieren die Wechseljahre und haben Spaß dabei!“ Einige Zuschauer wissen noch nicht, ob sie erleichtert lachen sollen, aber es macht sich Hoffnung breit, dass der Abend doch ganz spaßig werden könnte.

Die tristen deutschen “Wechseljahre” heißen im Englischen „the change of life“, oder kurz „change“, und das bedeutet Veränderungen und damit auch neue Möglichkeiten. „We can make it!“ Optimismus ist angebracht, auch wenn Gayle Hitzewallungen, Vergesslichkeit und Bartwuchs aufzählt und beim eigenen Anblick fragt: „What’s my mother doing in the Spiegel??“ Sie geht einige Anzeichen für das Vorhandensein der Wechseljahre mit temperamentvollem Entsetzen und viel Humor durch, und das Publikum hat Spaß und lacht sehr locker und entspannt. Sogar die Männer. Kaum wird das Thema aus der Tabuecke geholt und genüßlich in seine Klischees zerpflückt, kann fröhlich darüber gelacht werden. Selbst wenn sich heraus stellt, dass die meisten Klischees stimmen.

Zwischendurch singt Gayle Tufts sehr schön amerikanisch geprägt – New York trifft Köln -, oft mit Temperament und großer Kraft, dann wieder sanft und schmelzend. Marian Lux, der die Lieder des Programmes komponiert und arrangiert hat, ist nicht nur „very, very ausgebildet“, sondern begleitet auch am Flügel und singt eine zweite Stimme. Sein Klavierspiel ist toll, mit perlenden Läufen und akzentuierten Rhythmen, und ich habe nicht nur das sichere Gefühl, dass er musikalisch alles im Griff hat, sondern manchmal auch die Vermutung, er habe drei Hände mehr, bei den vielen Tasten, die er in kurzer Zeit treffen kann. Wenn er nicht spielt, ist er lächelnder, sympathischer Zuhörer, der hin und wieder Kommentare einwirft oder über Gayles Bemerkungen lacht. Man merkt sofort, dass die beiden sich gut verstehen.

Eine „Hymne in der Tradition von Brecht und Eisler“, im typischen Gleichschritt-Kollektiv-Stil gesungen, erklärt das Ende der Tätigkeit der Eierstockarbeiterinnen. Pflichtbewusst und fleißig haben sie jahrzehntelang im Kampf für die Weiblichkeit gearbeitet, und jetzt ist plötzlich Schluss. „Wie bei Schlecker“, erklärt Gayle danach. Und obwohl sie immer wieder auch kurze Erklärungen einstreut, wird es trotz Testosteron, Östrogen und Klimakterium kein Infoabend. Dazu ist sie viel zu quicklebendig und voller Komik. Die letzte Regelblutung kann sie sich als Tarantino-Film vorstellen: „Inglourious Bleeders“, und sie erläutert anschaulich, wie der alte Hippokrates die Wechseljahre als „Hysterie“ bezeichnete und als Grund eine im Körper umherirrende und sich dann im Gehirn festbeißende Gebärmutter erkannte. Der meinte das damals ernst, das Publikum heute lacht laut los.

Gayle ist Entertainerin mit hoher Bühnenpräsenz. Sie unterhält, versprüht Energie, hat das perfekte Timing und in ihrer Show die richtige Mischung aus albernem Spaß, toller Musik und berührenden Momenten. Dabei wirkt sie immer ganz vertraut und persönlich. Sie ist nicht der distanzierte Showstar, sondern die herzliche Frau von nebenan, die zufällig auch noch singen, tanzen und steppen kann. Und deren strahlende Augen zeigen, wie viel Spaß sie auf der Bühne hat. Und netterweise werde ich immer wieder an Judy Garland erinnert, was vielleicht an der Frisur liegt, am etwas ähnlichen Aussehen oder einfach auch an der amerikanischen Atmosphäre des Abends, der mit Gesang und Erzählungen so locker und fröhlich wie die früheren Garland-Shows ist.

Es geht an diesem Abend nicht nur um Hitzewallungen, sondern auch um den “Change”, den Aufbruch, um Ziele, Wünsche, Michelle Obamas Oberarme, um Brockton/Massachusetts und grün glitzernde Highheels. Mitten im Programm setzt sich Gayle Tufts an einen kleinen Tisch und liest eine Geschichte aus ihrem Leben vor. Das ist äußerst lohnenswert. Lebendig und gefühlvoll berichtet sie über die Situation, als sie sich mit ihren Geschwistern traf, um die Asche ihrer verstorbenen Mutter ins Meer zu streuen. Bei kaltem, stürmischem Wetter. „Wir versuchten unsere Mutter gegen den Wind zu werfen, was nicht einfach war.“ Das Publikum hört berührt zu, lacht zwischendurch laut auf und bleibt wieder atemlos still. Es tut im Herzen weh und ist trotzdem lustig. Ganz nah, ganz berührend, wunderschön.

Amerikanisch, mitreißend, herzlich und sehr, sehr positiv läuft Gayle Tufts auf klackernden Highheels durchs Programm und nimmt die Zuschauer in ihrer Energie einfach mit. „Ja, Highheels führen zu orthopädischen Problemen“, gibt sie zu, und strahlt: „Aber they make you feel sexy!“ Und darum geht es: Sich gut fühlen. Veränderungen sind nicht immer leicht, aber nimm sie an, freu dich über den Change! We can make it!

Eine glühende Rede trifft den Punkt. “Leute, die dir sagen, wie du auszusehen hast: Fuck you! Die sagen, du bist zu alt: Fuck you! Nicht schön genug: Fuck you! Der Tod, der dir die Freunde nimmt: Fuck you!! Extremisten, Terroristen, Homophobe! Fuck you! Fuck you! Fuck you!!!”

Großer Applaus und viel Jubel am Ende für einen tollen Abend mit einer strahlenden, energiereichen und überschäumend positiv rüberkommenden Gayle Tufts. Und natürlich für Marian Lux, der so gute Musik macht. Das Fazit des Abends, das überzeugend beim Publikum ankommt, hat nur nebenbei mit den Wechseljahren zu tun. Es heißt: Lebe! Habe Spaß!! Mit, ohne oder trotz allem.