Tom van Hasselt – Jenseits von Tuten und Blasen – 21.03.2001 – Köln
Atelier-Theater
Endlich hatte ich es geschafft! Am Mittwochabend vor dem Atelier-Theater in Köln zu stehen, wo Tom van Hasselt alle zwei Wochen sein Kabarettprogramm zeigte. Seit ich einen Teil des Programmes im Januar bei dem gemeinsamen Abend mit den Wise Guys gesehen hatte, wollte ich es unbedingt mal komplett und von vorne bis hinten ansehen. Auch im Atelier-Theater war ich vorher noch nie, so dass dieser Abend doppelt interessant für mich war.
Logischerweise sah ich mir zuerst das Theater an. Vom kleinen Foyer aus ging es über eine schmale, ausgetretene Betontreppe nach unten in einen großen Heizungskeller. Das war der Theatersaal. Es gab etwa 30 Stühle mit etwas Platz drumherum und eine kleine, schwarze Bühne auf der ein schmales, glänzendes Klavier stand. Alles sehr gemütlich. Die Stühle wackelten beim Hinsetzen seltsam, so dass man denken konnte, man hätte ein Bruch-Exemplar erwischt, und über ein schnelles Austauschen mit dem Nachbarstuhl sinierte, aber es waren elastische Gelenke zum Wippen eingebaut. Super! Wir wackelten begeistert etwas hin- und her und ich überlegte, wofür das sinnvoll war. Wahrscheinlich nur, damit sich das Publikum schon vor der Vorstellung ein wenig beschäftigen konnte.
Bis zu 50 Zuschauer würden wahrscheinlich im Atelier-Theater Platz finden, und sehr eng gedrängt könnten noch einige mehr hereinpassen, aber an diesem Abend waren nur etwas über 30 da. Es wirkte trotzdem ziemlich voll. So ein Heizungskeller ist eben nicht besonders groß. Die meisten Zuschauer sahen altersmäßig wie Kommilitonen von Tom van Hasselt aus. Mit dieser Kleingruppe in einem Kellerraum vor einer kleinen Bühne zu sitzen, gab eine schöne, intime, private Atmosphäre.
Es wurde dunkel, und im schemenhaften Licht konnte man Tom van Hasselt am Klavier erkennen, der sehr virtuos die Eröffnung spielte. Nach den ersten Takten ging das Bühnenlicht an und er sang “Geh’n Sie doch mal wieder ins Kabarett!” Ein Ohrwurm, der mir seit dem ersten Hören im Januar – beim gemeinsamen Abend mit den Wise Guys – nicht mehr aus dem Kopf geht. Ich finde das Lied klasse, weil mir der Stil und auch der Text so gut gefällt. Außerdem geht es um Leute, die ins Kabarett gehen, und das waren ja wir, die wir alle dort saßen.
Tom van Hasselt sinnierte über “Tuten und Blasen”, spielte mit den Worten, verdrehte Bedeutungen und wir bekamen wunderbare Sprachspielereien um die Ohren gefeuert. Ich hörte fasziniert zu und hatte die meisten unmittelbar danach wieder vergessen. “Mist! Wie war das noch? Erst muss man blasen, damit es tuten tut …? Nee. Tuten tat? Mensch, das war doch so supergut!“ Ein Grund für mich, das Programm noch einmal anzusehen, damit ich mir die tollen Formulierungen merken kann.
Der ahnungslose Herr Meißner aus dem Publikum wurde berühmt gemacht, indem er vorgestellt wurde und bekannt gab, dass er zum Frühstück Milch, zum Mittagessen nichts und am Abend Alster getrunken hatte. Und da Tom van Hasselt auch berühmt werden wollte, berichtete er in seinem Programm, wie er das versuchte. Locker und lässig verband er Lieder mit Erzählungen und weiteren genialen Sprachspielereien. Das Publikum hörte fasziniert zu, war aber im ersten Teil noch sehr leise. Allerdings gab es auch wenig Gründe laut zu lachen, denn die Wortverdrehungen ließen eher staunend grinsen oder nur leise kichern, damit man den nächsten Satz nicht verpasste. Sehr witzig der “Globetrottel-Blues”, bei dem wir uns schon in der Pause nicht mehr sicher waren, ob es “Ich mecker’ in Chile und schiele in Mekka” oder “… schiele nach Mekka” hieß. “Nach” wäre richtiger, “in” schöner. Noch ein Grund, das Programm erneut zu hören.
Wunderschön auch “Hinter dem Mond”, mit teilweise leicht perlender Klavierbegleitung und ganz ruhiger Stimmung. Die Musik war sowieso sehr wichtig. Tom van Hasselt spielte außergewöhnlich gut, und auch der Aufbau der Lieder war sehr schön. Es waren nicht nur die wunderbaren Harmonien, sondern die Musik unterstütze die Geschichten, erzählte mit, drückte Gefühle aus, war sehr dynamisch, mal traurig, mal verträumt und dann wieder strahlend selbstbewusst. Zusammen mit dem originellen Textfeuerwerk ein wirklicher Hörgenuss. Als Abschluss des ersten Teils die “Philosoffen”, ein geistreiches und sehr lustiges Lied, das wahrscheinlich Ergebnis der Teilnahme an Philosophiestunden war. Superwitzig und vom Publikum lachend aufgenommen und mit viel Beifall belohnt. Tat irgendwie gut, die hochgeistigen Ideen auf den Boden zu holen und die Herren Philosophen sehr menschlich zu sehen.
Nachdem Tom van Hasselt im ersten Teil berichtet hatte, wie er sich auf den Weg gemacht hatte, um berühmt zu werden, war er im zweiten Teil an seinem Zielort angekommen und erzählte von seinen dortigen Erlebnissen. Das machte er übrigens das ganze Programm hindurch sehr souverän. Sicher verfolgte er dabei seinen roten Faden und nahm die Zuschauer ganz einfach mit. Es machte Spaß, ihm und seiner lockeren, charmanten Art zuzuhören. Das Präsentieren auf der Bühne gefiel ihm und das war zu merken. Im zweiten Teil wurde auch das Publikum lauter, denn das Programm wurde turbulenter und es gab mehr zu lachen.
Und dann durfte sogar das Publikum mitmachen. Es spielte die Rolle von berühmten Stars, die das Publikum waren und dem Auftritt von Tom van Hasselt zusahen. Die Rollen durften selbst ausgesucht werden und so gab es im Zuschauerraum Louis Armstrong, Humphrey Bogart, Marilyn Monroe und sogar zweimal Elvis. (Ist die Mehrzahl ‘Elvisse’?). Mitmachen, ohne sich lächerlich zu machen, ist immer gut, und es gab lockere Stimmung. Erst recht, als beim letzten Lied auch noch mitgesungen werden durfte. “Was wahr war, war wahr” wurde nach kurzer Übung kräftig als “Was-wa-wa-wa-waaaah!” mitgesungen und das machte richtig viel Spaß. War nur leider zu kurz. Wir hatten es so schön geübt, da hätte es ruhig am Ende nochmal vorkommen können! Na, egal. Die Geschichte war zu Ende und damit leider auch das Programm. Es gab viel Applaus und noch zwei schöne Zugaben.
Tom van Hasselt gab einen intelligenten, witzigen, geistreichen Abend, der Musik, Wortspielereien und kurzweilige Unterhaltung bot. Es gab geniale Wortverdrehungen und Sätze, deren Inhalt sich bei dem Tempo nur teilweise erschloss, aber glücklicherweise kein hochintellektuelles Geschwafel. Ich werde mir das Programm nochmal ansehen, um viele der kleinen, feinen Stellen, die ich mit Sicherheit überhört habe, doch noch zu erfassen. Die waren nicht zu schwierig, sondern so wunderbar verdreht präsentiert, dass ich nach jedem Satz eine kleine Pause gebraucht hätte, um sie sickern zu lassen und genießen zu können. Vielleicht merke ich mir dann auch mehr von diesen gelungen Wortspielen, die so supergut waren, und sich doch nur in unzureichenden Bruchstücken in meinem Hirn festsetzen konnten. “Ich weiß nicht mehr was er sagte, aber es war supergut!” Außerdem könnte ich mir sehr gut einen ganzen Abend mit gemischten Liedern, die nur mit kleinen Anmoderationen versehen sind, vorstellen. Ich glaube, Tom van Hasselt hat noch eine Menge sehr guter Sachen zu bieten, die vielleicht nicht immer in eine Geschichte passen, aber zu schade zum Nichthören wären. Aber auch wenn er bisher noch eher der Geheimtipp ist, und die Zuschauerzahlen nicht beeindruckend sind, bin ich sicher, dass man noch eine Menge von ihm hören wird. Er steht erst am Anfang. Wer keine oberflächliche Comedy sucht und Freude an intelligenten Wortspielereien hat, sollte unbedingt hingehen!
Nachtrag: Am 4. April war ich wieder in der Vorstellung. Jetzt weiß ich, dass es “Ich mecker’ in Chile und schiele NACH Mekka heißt.” Über die anderen Wortspielereien habe ich mich wieder sehr gefreut, aber kaum etwas behalten. Wenn ich von jedem Besuch mit einem neuen Satz wiederkomme, werde ich wohl die nächsten zwei Jahre Dauergast bleiben. Aber es hat erneut viel Spaß gemacht und war kurzweilig und schön!