Rainald Grebe – Der Tod im Leben – Preview – 12.02.2025 – Berlin
Film-Preview der 3sat-Doku
Filmtheater Colosseum, Berlin
2017 hatte Rainald Grebe einen Schlaganfall. Den ersten. Es folgten weitere, die sein bis dahin rasend schnelles kreatives Leben bis heute beeinträchtigen. Für 2023 war seit langem ein großes Konzert in der Berliner Waldbühne geplant. War das zu schaffen? Wie ging Rainald mit seiner schweren Erkrankung und der daraus folgenden Unplanbarkeit um? Bärbel Bielek hat ihn in den Monaten bis zum Waldbühnentermin begleitet, Material gesammelt und eine Dokumentation gemacht mit dem Titel: „Rainald Grebe: Der Tod im Leben. Unheilbar krank zum größten Auftritt.“
Februar 2025. Zehn Tage vor der Fernsehausstrahlung der Doku bei 3sat gab es im Berliner Colosseum-Kino eine Preview für die Beteiligten des Films und die Begleiter und Mitwirkenden des Waldbühnenkonzertes. Weil sich der ursprünglich dafür geplante Kinosaal schnell als zu klein erwiesen hatte, wurde auf einen größeren gewechselt, so dass es auch für unbeteiligte, aber interessierte Leute an der Kasse Eintrittskarten zu kaufen gab.

Auf den Plakaten vor dem Kino wurde mit „SPECIAL – In Anwesenheit von Rainald Grebe“ geworben. Das war besonders schön, denn vier Monate vorher, im Oktober 2024, mussten wegen erneuter Schlaganfälle alle weiteren Konzerte auf unbestimmte Zeit abgesagt werden. Die Krankheit hatte ihn schon wieder und diesmal außergewöhnlich heftig aus der Bahn geschubst. Seitdem hatte er sich glücklicherweise schon etwas erholt, war aber immer noch angeschlagen. Trotzdem – und das war eben Rainald – konnte er die Preview im Kino nicht spektakelfrei ablaufen lassen. Die Show musste weitergehen. Und sie ging weiter.
Am Nachmittag war das Foyer des Kinos akustisch gefüllt mit schnellen Akkordeonläufen, die keine Pause machten. So wie ich es erkannte, saßen auf der Treppe „der Nikolai“, der auch beim Waldbühnenkonzert gespielt hatte, mit einer ebenfalls ununterbrochen Akkordeon spielenden Partnerin. Genannt wurden sie „Kolja und Svetlana von Dr. Bajan“. Zwischendrin war immer mal wieder das dunkle Dröhnen einer großen Kuhglocke zu hören, mit der der Schweizer Straßenkünstler und Schauspieler This Maag die ankommenden Besucher auf sich aufmerksam machte. Umgeben von diesen hallenden Geräuschen saß Rainald Grebe auf einem Bürostuhl. Er trug die grüne Jogginghose vom Waldbühnenkonzert, einen roten, seidenen Morgenmantel und hatte einen Blätterkranz auf dem Kopf.

This Maag lief herum, sprach die Besucher an und wirkte dabei sehr sympathisch und ungefährlich. Er brachte sie zum Lachen und leitete sie vom Einlasstisch hin zum roten Teppich, der hinter Rainald auf dem Boden lag. Im Hintergrund war als Motiv vermutlich das Lichtermeer des Waldbühnenkonzertes angebracht. Mehrere Fotografen, ebenfalls mit Grün bekränzt, standen vor der Szenerie und machten Blitzlichterfotos von Rainald und Gästen. Auf seinem Bürostuhl wurde Rainald dabei für jede Fotosession vor die jeweiligen Besucher geschoben, unmittelbar danach wieder weg. Der Sinn erschloss sich mir nicht, aber vielleicht gab es ja irgendwo eine Kamera, die die ganze Aktion aufnahm und später mal im Zeitraffer wiedergab.


Die Fotos konnten wenige Minuten später fertig ausgedruckt an einem Tisch abgeholt werden und hatten sogar ein Autogramm von Rainald. Aufgedruckt, denn zum Schreiben hatte er ja gar keine Zeit. Die Akkordeons spielten ununterbrochen, die Kuhglocke klingelte, es waren Unterhaltungen und Gelächter zu hören, Gäste begrüßten Gäste, andere Gäste begrüßten Rainald, die Fotografen gaben Anweisungen, Blitzlichter erhellten das Foyer – die wuselige Atmosphäre hatte was von Hollywood. Oder zumindest von den Internationalen Filmfestspielen, die am nächsten Tag in Berlin starteten.
Witzigerweise war das Colosseumkino im Normalbetrieb und zeigte gerade nicht nur die Preview, sondern in anderen Kinosälen auch „Die drei ???“ und „Paddington“. Verwirrte Kinder starrten auf das Durcheinander, ebenso verwirrte Eltern wussten nicht, wo sie langgehen durften, und This Maag rief mit schweizerisch kehligem cch laut durchs Forum: „Wer ist die drei Fragezei-cch-en?“ und danach: „Wer ist Padding-cch-ton?“ und wedelte die Besucher mit großen gelben Pfeilen durch die Besuchermenge jeweils in Richtung der passenden Kinosäle.
Nach und nach begaben sich auch die Preview-Gucker in den eigenen Kinosaal, wo schon das Startbild des Filmes auf der Leinwand zu sehen war.

Als alle saßen, kam This Maag auf die Bühne und begrüßte mit: „Herzlich willkommen zu Rainald Grebe und der Tod im Leben!“ Es gab vorsichtigen Applaus. „Der war jetzt so 3sat-mäßig“, tadelte This und fing nochmal an. „Herzlich willkommen zu Rainald Grebe und der Tod im Leben!“ Jetzt wurde richtig laut und lange geklatscht. Auch von den 3sat-Leuten, die in der ersten Reihe saßen. This schnappte sich einen roten Würfel mit dem Logo von 3sat, verkündete, dass er jetzt Schleichwerbung mache und rutschte mit dem Würfel in der Hand bäuchlings über die Bühne. Farblich passend zum roten Würfel, den er vorne schob, hatte er hinten rote Stiefel an den Füßen. Das konnte perfektes Corporate Identity sein, war aber eher Zufall.

Dann rief er die Filmemacherin Bärbel Bieler und Rainald nach vorne. Es gab großen Applaus. Als es still wurde, standen Bärbel Bieler und Rainald vor dem Publikum, es gab eine Pause und Rainald fragte amüsiert: „Und jetzt?“ This: „Jetzt sagen wir, dass der Film anfängt.“ Rainald, trocken: „Film ab!“

Im Gelächter der Zuschauer bremste Bärbel Bieler und gab noch eine kleine Erklärung zum Film und wann er im Fernsehen gesendet werden würde. Das nahm This Maag zum Anlass, zu den 3sat-Leuten zu eilen und abzufragen, ob sie zugehört hatten und die Sendedaten wussten. Die wurden ohne jedes Zögern korrekt wiedergegeben und dazu noch die Info, dass gleich nach der Doku außerdem ein Bandkonzert von Rainald Grebe ausgestrahlt werden würde. Es gab freudigen Applaus vom Publikum und Rainald sagte erneut: „Film ab!“ This warf schnell ein: „Nach dem Film gibt es noch ein Kju-änd-äi“, und erklärte: „Das heißt Fragen und Antworten.“ Ah, Q&A, Questions and Answers. Rainald sagte versuchsweise zum dritten Mal: „Film ab!“ und diesmal ging es wirklich los. Die drei setzen sich auf freie Plätze in der erste Reihe, das Licht ging aus und der Film startete.

45 Minuten lang gab es Szenen von Proben, Konzerten, aus dem privaten Bereich und dem Krankenhaus, dazu Gespräche mit Rainald und seinen Begleitern. Es ging um das Auftreten, das Leben und den Tod, das Aufgeben und das Weitermachen. Ab und zu, wenn eine Szene Situationskomik hatte, wurde im Kinosaal leise gelacht, meistens aber war es ruhig, denn viele Szenen gingen nah und manche waren berührend oder sogar bedrückend. Immer aber war es authentisch und echt. Es war viel Liebe und Zusammenhalt zu spüren, manchmal ernüchterte Besorgnis, oft Humor und immer wieder ein starkes Trotzdem. Nicht aufgeben, weitermachen.






Der Film endete mit einem berührenden Kommentar von Rainald, dann ging das Licht wieder an. Im Applaus bat This Maag Rainald sowie Jan-Marc Ramm, Bärbel Bielek und Franz Schumacher vom „filmbergwerk“ auf die Bühne. Als es leise wurde, begann This mit ungewohnt ruhiger und leicht schwankender Stimme: „Ich muss jetzt …“. Er begann nochmal: „Nach dem Film … ich muss jetzt nicht …“, brach erneut ab und wandte sich dann kurzentschlossen, mit immer noch unsicherer Stimme an Rainald: „Wie fandest du ihn denn?“ „Ich habe ihn schon gesehen“, erklärte Rainald kurz und lakonisch. This rettete sich zu Bärbel Bielek. „Bärbel, wie fandest DU ihn denn?“, und erklärte schnell noch den Grund für seine unsichere Stimme und die Nichtmoderation: „Es hat mich sehr berührt.“ Das überraschte niemanden, die meisten Zuschauer waren selber sehr berührt.

„Hat denn jemand Fragen?“, ging This lieber zur Q&A-Runde über. Im Zuschauerbereich blieb es still. Ich überlegte, aber die Doku zeigte viele Bilder, Erklärungen und Konzertausschnitte, da blieben bei mir keine Fragen offen. Ein Zuschauer meldete sich und sprach Rainald an, angesichts seiner Krankheit stark verkürzte Konzerte von einer halben oder einer Stunde Dauer zu machen, die eine Möglichkeit wären, mit weniger Anstrengung weiterhin aufzutreten. „Ist das eine Option?“, fragte er, woraufhin Rainald entschieden sagte: „Glaub ich nicht. Sollte schon lang sein. Und dann auch gut.“ Er ergänzte: „Ich weiß noch nicht, wo es hinführt, ich bin gerade krankgeschrieben.“ Ein anderer fragte nach der genauen Bezeichnung von Rainalds Krankheit. „Seltene Krankheit. S.E.“, antwortete der mit seinem leichten Rainald-Lächeln.

Auf die Frage, wie die Idee zum Film entstanden sei, antwortete Franz, dass er das Gefühl gehabt hatte, es wäre toll, Rainald auf dem Weg zum Konzert zu begleiten. „Mit der Option, dass es NICHT stattfindet. Bis zum Ende. Mit Hochs und Tiefs“. Bärbel Bielek warf ein: „Wir haben viel Material gesammelt. Es reicht noch für Folge 2 und 3. Im nächsten Jahr bei 3sat!“ Erfreutes Klatschen kam auf, da winkte sie schnell ab, weil sie das spontan als Witz gesagt und vermutlich nicht angenommen hatte, dass einige Zuschauer es sofort glauben. Eine Zuschauerin fragte Rainald: „Wie geht’s weiter?“ „Die Frage ist, ob’s überhaupt weitergeht. Ich bin etwas langsam“, antwortete er. „Was hast du für Ziele?“, fragte ein weiterer Zuschauer. „Na, überhaupt nochmal aufzutreten“, antwortete Rainald fest und sofort gab es lauten Applaus. Auch wenn er gerade ausgebremst war und noch etwas abwarten musste, war das Ziel weiterhin die Bühne. Eine letzte Zuschauerin meldete sich, hatte aber keine Frage, sondern wollte etwas erzählen. Sie hatte vor einigen Jahren ein Konzert mit Rainald gehört und ein Satz daraus begleitete sie seitdem in ihrem Leben: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Rainald grinste amüsiert: „Der Satz ist nicht von mir.“ Das gab Gelächter.

This Maag wurde noch Danksagungen los, die zuständige ZDF-Redakteurin, die Cutterin des Filmes und eine Kamerafrau kamen auf die Bühne und wurden beklatscht, dann war die Kinovorführung beendet. This lud die geladenen Gäste zum anschließenden Treffen in den Nebenraum des Foyers und sagte kurzentschlossen: „Alle anderen mischen sich einfach dazu.“ Gut gelaunt verließen die Besucher den Saal, und danach gab es im Foyer und im Nebenraum noch Gespräche, Gelächer, Begrüßungen und Verabschiedungen. Berührt vom Film waren vermutlich alle.
Ausstrahlung: 22.02.2025, 21:15 Uhr bei 3sat.
Ab sofort in der Mediathek.
Ergänzend zum Film der Bericht über das Waldbühnenkonzert:
Rainald Grebe – Halleluja Berlin. Das Waldbühnenkonzert 2023