Rainald Grebe – Foreveryoungkonzert – 11.04.2024 – Köln
Das Foreveryoungkonzert
Comedia, Köln
Für immer jung sein – Rainald Grebe sieht passend zum Titel so frisch und erholt aus, als wäre er runderneuert. Seine Augen strahlen und er lacht viel. Mit Trainingsjacke, T-Shirt und dicker Goldkette steht er auf der Bühne und gibt Tipps, wie das Altern nicht nur zu stoppen ist, sondern rückgängig gemacht werden kann. For ever young. Nur wer jung und fit ist, zählt zur Werbezielgruppe. Hat er tatsächlich Anwendungen bei der Kryotherapie gemacht, wo mit Kältebehandlung alte Hautzellen zerstört werden, hat er sich botoxen lassen, war beim Schönheitschirurgen und hat Abnehmen im Liegen ausprobiert, so wie er erzählt? Ich würde es ihm zutrauen. Furchtlos in die Recherche.
Während er die neuen Methoden zum Jüngerwerden durchgeht und auch Franz Schumacher, der sein Techniker und langjähriger Weggefährte ist, zu Versuchen auffordert, erzählt er gleich danach von den Schlaganfällen, die er in den letzten Jahren hatte. Sie werden durch eine chronische Krankheit ausgelöst. „Mein Testament ist geschrieben und auch die Todesanzeige ist fertig“, sagt er, und auf der Leinwand wird seine Todesanzeige eingeblendet. Die sieht ganz echt aus und das ist gar nicht mal lustig, sondern zum kurz die Luft anhalten. Aber so geht Rainald mit der Thematik um. Sein Programm dreht sich um die ewige Jugend und der Tod sitzt sichtbar am Rand.
Auf einer Leinwand wird an diesem Abnd immer mal wieder Franz Schumacher eingeblendet, der nicht nur hinten am Technikpult sitzt, sondern ein wichtiger Part bei Programmen und der Tourbegleitung ist. Es kommt bei ihren Dialogen schnell rüber, wie gut die beiden sich verstehen. Selbst wenn Franz nicht auf der Leinwand zu sehen ist, wird er oft von Rainald angesprochen und antwortet aus dem Off. Dann entspinnt sich ein kurzes Gespräch zwischen ihnen, über die Köpfe der Zuschauer hinweg.
Das Programm ist noch sehr neu und manchmal hakt es kurz, aber – wenn ich es überhaupt merke – stört mich das gar nicht. Ich lache über erzählte Erlebnisse und folge den Gedankengängen über die Jugend der „Generation X“ und Rainalds empörter Frage, warum jetzt immer „mega“ gesagt wird, wo es doch „geil“ heißt oder „spitze“ oder „knorke“ oder „bombastisch“. So war es doch, als er jung war. „Das ist die Sprache von Luther. Und von meiner Mutter“, singt Rainald, und auf den Plätzen neben mir wird genickt und gelacht, denn da sitzt tatsächlich seine Mutter.
Seine Krankheit ist ein wiederkehrendes Thema, weil sie der Gegensatz zu „forever young“ und dem Wunsch nach einem langen, gesunden Leben ist. Rainald zeigt auf der Leinwand das MRT seines Schädels, weist auf die hellen Stellen nach den Schlaganfällen hin und zeigt anschließend ein Bild des Kassenmodell-Rollators. Dabei ist es gefühlt doch gar nicht so lange her, dass er jung und fit war. Er singt das schöne „Captain Krümel“, über den pubertären Rainald, der ins Leben starten will, aber noch feststeckt.
Eine Limahl-Perücke passt nicht wirklich zu ihm, aber sie passt in die Zeit der 80er-Jahre. Das war seine Jugend. Rückblickend zeigt er Videos vom Singen des Helene-Fischer-Hits „Atemlos“ im Goetheinstitut an der Elfenbeinküste und kommentiert enthusiastisch die Aufnahme von einem irrsinnig komischen Roboter-Fußball-Video. Das Gelächter in der Comedia hört sich japsend an.
Nach einigen Liedern zeigt er private Kinder- und Jugendbilder auf der Leinwand. Auf einem Foto ist er zusammen mit weiteren Leuten bei seiner Firmung zu sehen. Er erzählt, dass er genau in diesem Augenblick auf ein Zeichen wartete, um dann vielleicht doch glauben zu können. Es kam aber nichts. Die Zuschauer lächeln freudig beim Anblick des jugendlichen Rainalds. Neben mir entsteht halblaute Unruhe. Die Familienmitglieder und Bekannten von Rainald flüstern sich angesichts des Fotos freudig zu: „Da steht der Bernd!“ „Und hinten die Margret. Rechts hinten.“ „Guck mal, der Onkel Willi!“ Ich finde es sehr lustig. Es geht zu wie in jeder Familie. „Ist das hinter Rainald nicht der Sohn vom Heinz?“
„Wie jung wir waren!“, ruft Rainald bei einem Foto, das ihn vor ziemlich vielen Jahren zusammen mit Franz zeigt.
Es geht im Programm oft laut und lustig zu. Dass Rainald krank ist, wird von ihm thematisiert, ist in seiner Aktivität und Energie auf der Bühne aber nicht zu merken. Er ist übersprudelnd und leidenschaftlich da. Am Ende singt er erst sehr berührend „Mein Kiez, die Charité“, danach, noch viel berührender „Mein letzter Tag“. Es ist ganz still in der Comedia, als Rainald ernsthaft und ruhig von seinen Vorstellungen eines letzten schönen Tages vor dem Tod singt. Puh.
Es gibt viel Applaus für einen Abend über ewige Jugend und Unendlichkeit, bei dem der Tod wartend im Nacken sitzt. Bei allen. Auch wenn viel gelacht wurde, das lässt keinen kalt.
Als Rainald nach der letzten Zugabe abgegangen ist, fängt über die Lautsprecher der 80er-Jahre-Hit „Forever young“ von Alphaville an. Auf der Leinwand werden dazu Fotos von Rainald und Franz aus den letzten Jahren gezeigt. Auch das ist berührend und sehr schön. Die Zuschauer gucken still und lächelnd zu. Es macht noch einmal deutlich, wie schnell die Zeit vergeht und dass die ewige Jugend irgendwann vorbei ist.