Maybebop – Muss man mögen – 19.10.2023 – Bonn
Bonn, Pantheon
Maybebop ist mit dem ihrem noch ganz neuen Programm „Muss man mögen“ unterwegs. Da „Maybebop“ auch gerne mal „MBB“ abgekürzt wird, würde zusammen mit dem auf Versalien beschränkten Programmtitel „MBBMMM“ daraus. Das sieht auf den ersten Blick wie eine römisch geschriebene Jahreszahl aus und gefällt mir sehr. Mir gefällt ebenfalls, dass im einleitenden Vortext, der am Konzertabend vom Band abläuft und von der Handynutzung und dem Fotografieren handelt, mittendrin der Satz ertönt: „Wer die AfD wählt, wählt Nazis.“ Punkt. Klare Aussage. Ich fühle mich gleich wohl.
Das Konzert startet mit künstlich generierten Maybebop-Avataren auf den vier im Hintergrund angebrachten Leinwänden. Die singen davon, dass sie besser singen und besser aussehen als die menschlichen Versionen, haben aber schnell Störungen in Bild und Ton und werden – zum Glück – von den Originalen Oliver, Jan, Lukas und Christoph ersetzt. Mit Influencer und Hört bitte auf, dumme Leute berühmt zu machen kommentieren sie passend und kritisch die Social Media Welt.
Das neue Programm gefällt mir sehr. Abgesehen von den vier wunderbaren Stimmen, den tollen Arrangements und dem unfassbar guten Gesang, gibt es unterschiedlichste Musikrichtungen, lustige Stücke, jazzige, ernste, kritische und für mich sogar sabberige. Das sind die, bei denen ich so berührt und tiefenentspannt bin, dass sich mein rechter Mundwinkel leicht öffnet und ich plötzlich merke, dass es dort feucht wird. Kurz vorm Sabbern – mein persönlicher Ausdruck von größtmöglicher Hingerissenheit und Begeisterung.
Lustig geht es bei Frauenname oder dem Ruf der Berge zu, berührend bei Meine Wende oder Wenn ich gestorben bin. Bedrückend in der Aussage und der drängenden Gewalt empfinde ich Mein Recht. Das erinnert mich an die Forderungen und die Aggressivität von Querdenkern und ich befürchte kurz, dass genau solche Leute das Lied als wie für sie geschrieben aufnehmen könnten. Andererseits werden gerade diese Gruppen eher nicht Maybebop hören und sich an anderen, sehr klaren Aussagen der Gruppe gewaltig stören.
Wie locker, gut gelaunt und auch respektvoll die vier Maybebops auf der Bühne miteinander umgehen, mag ich sehr. Da macht mir das Beobachten und Zusehen schon viel Spaß.
Ich bin immer wieder beeindruckt, mit welcher anscheinenden Mühelosig- und Leichtigkeit die vier Maybebops die schwersten Sachen singen. Mehrfach habe ich Gänsehaut, weil die Harmonien so wunderbar sind. Ach, einfach toll! Sehr beeindruckend auch die vertonte Fontane-Ballade John Maynard, bei der es – wie aber auch bei anderen Stücken – ganz still im Zuschauerraum bleibt, weil alle gebannt zuhörten. Ein Sololied von Oliver, bei dem er zwar klagt, dass er alles alleine machen muss, dabei aber musikalisch eine ganze Klanggruppe wird, wird sehr umjubelt.
Auch die Zuschauer können mitmachen. Es gibt aktive Mitsingstellen, es wird werden Wörter für die Improvisation gebraucht, und ein Zuschauer singt mit Maybebop zusammen Kleiner grauer Falter. Am schönsten bei den Mitmachaktionen ist aber das Lied Unsere einzige Hoffnung. Da wurde vorher schon im Internet ein Tutorial zum Mitsingen eingestellt, das einige der Zuschauer*innen gut geübt hatten. „Hoffnung“ sangen vor allem sanfte Frauenstimmen um mich herum als musikalische Hintergrundstimme, „Un’sre einzige Hoffnung“, und gaben einen wunderschön sphärischen Klang dazu. Sehr, sehr schön.
Gegen Ende singen Maybebop Bohemian Rhapsody von Queen. Unglaublich gut. Ich höre es nicht zum ersten Mal von ihnen, aber es haut mich immer wieder um. Nicht zu fassen, dass das nur vier Leute singen – und ebenso unfassbar in welche Höhen Jan dabei kommt! Danach gibt es vom Publikum donnernde Standing Ovation. Als der Applaus sich legt, kommentiert Oliver schulterzuckend und anscheinend leicht frustriert: „Ein Cover und sie platzen los.“ Ich weiß, was er meint. Wie blöd, wenn man mit Herzblut komponiert, textet, arrangiert – und dann wird man für das „Nachsingen“ eines anderen Liedes gefeiert. Aber WIE sie es singen – da würde auch Freddie Mercury stehend applaudieren.
Als Zugabe gibt es Alles das kann nur Musik – so wunderschön. Auf dem Nachhauseweg denke ich tatsächlich immer wieder: Groß-, groß-, großartig!