Cover me 2008 – 29.11.2008 – Köln
Palladium, Köln
Mit Dirk Bach, Basta, Rainer Bielfeldt, Eva Briegel, Gabi Decker, Jürgen Drews, Bernd von Fehrn, Tim Fischer, Carolin Fortenbacher, Hanno Friedrich, Mike Leon Grosch, Ralph Morgenstern, Chris Norman, Kay Ray, Mirco Reseg, Barbara Schöneberger, Juliette Schoppmann, Margarethe Schreinemakers, Birgit Schrowange, Isabel Varell, Nina Vorbrodt, Lilo Wanders, Pe Werner.
Wie üblich begann der aktuelle Cover-me-Abend, indem das Saallicht ausging und auf der großen Leinwand der kurze Video-Zusammenschnitt der letztjährigen Show startete. In fünf Minuten zeitgerafft, was vorher 180 Minuten gedauert hatte. Er war dokumentatorisch nicht ganz aussagekräftig, bewirkte aber doch sofort gute Laune, ein erstes Aufkreischen der Juliette-Schoppmann-Fans beim Anblick von Juliette und die richtige Einstimmung auf die neue Show. Im Endbild stand: “Und jetzt viel Spaß bei Cover me 2008!”. Das Publikum applaudierte laut und freudig, und aus dem Off rief Dirk Bach für die, die es vielleicht noch nicht glauben konnten: “Willkommen bei Cover me 2008!”, was den Applaus nochmal steigerte.
Auf der Bühne ging das Licht an, und sie war erstaunlich voll besetzt. Die komplette Begleitagentur mit sieben Musikern, die drei Backgroundsänger, eine der drei Gebärdendolmetscherinnen und ein vierköpfiges Streichensemble, die My 4 Ladies waren da.
Die vier Damen fiedelten und strichen klassisch los, wurden dann rockiger, das Schlagzeug setzte ein, und eine Domina und zwei ihrer Untergebenen erschienen auf der Bühne. Es waren Tänzer der Pretty Ugly Dance Company, und ich hatte die tanzende Domina zuerst für eine Pferdedompteurin aus einem Zirkus gehalten. Mit rotem Schleider am Zylinder und nicht ganz so hohen Lederstiefeln hätte das auch gepasst, aber vermutlich wären die Pferde im Palladium zu kompliziert gewesen. Andererseits benahmen sich die beiden Männer dann doch wie Raubkatzen, saßen auf allen Vieren und schlugen hin und wieder mit einer Pranke, so dass ich auf Löwendompteurin umschwenkte.
Ehe ich das Problem für mich erklärt hatte, kam Michael Jackson auf die Bühne und sang “Beat ist”. Er trug einen Hut, eine schwarz-weiße Lederjacke, enge, schwarze Hose und weiße Socken. Am Kreischen der Juliette-Fans war zu erkennen, dass es nicht Michael, sondern Juliette Schoppmann war. Ehe sich die Fans beruhigt hatten, kam noch ein Michael Jackson auf die Bühne, der genau wie der erste Michael gekleidet war, aber die Stimme von Isabel Varell hatte.
Links tanzte die Domina-Dompteurin mit den beiden Männern, vorne gab es Dampf- und Feuerfontänen, rechts sangen zwei Michael Jacksons und von der Seite kamen plötzlich noch zwei weitere Michael Jacksons dazu. Ein langer schmaler und ein kleiner rundlicher, die Ralph Morgenstern und Dirk Bach waren. Wobei mich total erstaunte, wie gut Dirk Bach die längeren Haare und die Haarsträhne im Gesicht standen. Es sah überhaupt nicht nach Perücke aus.
Nach dem letzten “Beat is!” gab es großen Applaus, und die vorher singenden und tanzenden Darsteller gingen recht unspektakulär und normal nach links ab. Einer, Ralph Morgenstern kam aber sofort zurück, denn er war der Moderator des Abends.
Er erklärte kurz den Zweck des Lebenshauses, an den der Erlös des Abends ging und wies auf die große Tombola hin, bei der jedes Los einen Gewinn versprach. Dann waren schon drei Mitglieder vom Comedy-Team Sechserpack dran, an diesem Abend als Dreierpack. Nina Vorbrodt, Hanno Friedrich und Mirco Reseg kamen an, sangen “Can’t take my eyes off of you”, und sie sangen es für mich unerwartet gut. Irgendwie hatte ich bei Comedy-Leuten eher normale Stimmen erwartet, aber abgesehen davon, dass ich Hanno Friedich schon singend bei der Gruppe “Abba jetzt!” erlebt hatte, waren sie zu dritt sehr klasse. Ich fühlte mich in eine amerikanische Show aus den 70ern versetzt. Das Publikum klatschte entzückt mit und jubelte am Ende laut.
Das Dreierpack wechselte den Platz mit Margarete Schreinemakers, die in weit schwingendem Cowgirlkostüm auf die Bühne kam, bei dem der Rock ähnlich weit und imposant schwang, wie ihr gut gefüllter Ausschnitt. Sie sang “Ich will ‘nen Cowboy als Mann” und das sehr kraftvoll, sehr gut und mit einem Hauch von dänischem Akzent, der stark an Gitte erinnerte. Klasse! Temperamentvoll fegte sie über die Bühne und erntete am Ende verdient großes Gejubel.
Ralph Morgenstern hatte sich umgezogen und trug jetzt ein grünes Kleid, verziert mit mehreren kleinen und einer großen AIDS-Schleife, und eine blonde Hochsteckfrisur, was ihn in dieser streckenden Kombination noch länger als sonst aussehen ließ. Schätzungsweise 2 Meter 40. Aber das täuschte vermutlich.
Er kündigte ein dreißig Jahre altes Lied an, “Mir ist heiß”, das von Pe Werner, Isabel Varell, Juliette Schoppmann – die Juliette-Fans schrien auf – und Lilo Wanders gesungen würde. Ralph rauschte davon und die Darsteller betraten die Bühne. Sie liefen eng hintereinander, trugen weiße Bademäntel, hatten Handtücher um die Köpfe gewickelt und Badeschlappen an den Füßen und sahen aus wie frisch aus dem Saunabereich. Lasziv und wohlig stöhnend erreichten sie die Bühnenmitte, und dort begann eine Nebelmaschine weißen Nebel auszustoßen.
Es sah so gut und passend aus, dass die Nebelmaschine einfach nicht aufhören wollte. In Sekundenschnelle hatte sie die gesamte Gruppe sichtdicht eingehüllt und waberte von dort wie eine gewaltige Zeitlupen-Schneelawine über den Bühnenrand ins Publikum.
Irgendwo aus dem Nebel, der inzwischen auch die komplette Band und die Leinwand verdeckte, hörte man weiterhin Musik und Gesang, und das Publikum amüsierte sich sehr. Einzig die am Bühnenrand stehende Gebärdendolmetscherin war noch klar zu sehen, aber die verstand ja nicht jeder im Publikum.
Als die Hauptdarsteller wieder zu erkennen waren, schmiegten sie sich gerade eng aneinander und sangen davon, dass nicht nur die Umgebungstemperatur heiß wäre, sondern sie selber auch. Um alles noch heißer zu machen, kam Jürgen Drews, nur mit einem Handtuch um die Hüften gewickelt, dazu und wedelte mit einem weiteren Handtuch die heiße Luft umher. Er mischte kräftig mit, schmiegte sich ebenfalls überall mal an, sang in Mikrofone mit, und die Luft flimmerte.
Am Schluss brachen alle vier Sängerinnen auf der Bühne zusammen und der Handtuchwedler warf sich noch mitten drauf. Das Publikum war begeistert – eine solch heiße Nummer hatte es nicht erwartet.
Mike Leon Grosch kam und sang “Walking in Memphis”. Zunächst alleine, dann mit einem Hintergrund-Gospelchor, der aus den drei Backgroundsängern Lisa Ruland, Michèl Felgner, Maria Giorgou, sowie Juliette Schoppmann, Gabi Decker und Kay Ray bestand. Juliette immer noch barfuß und im Bademantel, was ungewöhnlich aussah, aber fast private Atmosphäre bei Cover me betonte und keine Auswirkungen auf den kräftigen Gesang hatte.
Es gab viele Helfer und Mitarbeiter an diesem Abend, und zusammen mit den Musikern und Künstlern waren es unglaublich viele Leute, die überall im Palladium verteilt waren. Ton- und Kameraleute, Techniker, Gebärdendolmetscherinnen, Buffetauffüller, Menschen für Kostüme, Masken, Massage, Organisierer für die Fahrtdienste, Beaufsichtiger des Ablaufplans und Ansprechpartner bei Problemen. Backstage war es rappelvoll, und Ralph Morgenstern begann eine erste Dankesrunde, um die vielen Dankes in Portionen aufzuteilen. Anschließend kündigte er Barbara Schöneberger und Gabi Decker an, “aber nicht etwa im Duett, sondern nacheinander.”
Barbara Schöneberger begann und stürmte im langen, schwarzen Glitzerkleid auf die Bühne, das auf einer Seite züchtig bis unten geschlossen, auf der anderen bis zur Hüfte hoch geschlitzt war. Wenn sie nach rechts lief, sah sie züchtig aus, wenn sie nach links lief, nicht mehr.
Das Licht wurde gedimmt, der Bandleader Klaus Tenner begleitete sie am Flügel, ansonsten gab es noch sparsam Bass, Drums und Saxophon, und sie sang “Smile”, das wunderschöne Lied von Charlie Chaplin. Im Kontrast zu den lauten Liedern vorher, war es eine Abwechslung, die sehr gut ankam. Sehr schön und sanft gesungen, wunderbar leicht begleitet, und im Palladium gab es plötzlich eine ganz veränderte Atmosphäre. Cover me, die Show mit den vielen Stimmungen. Unter viel Applaus ging Barbara Schöneberger ab, und Gabi Decker kam auf die Bühne.
Zunächst war es etwas verwunderlich, als sie seltsam gebeugt und mit abgehackten Schritten ankam, während das Intro der Band zu hören war. Doch alles wurde klar, als sie zu singen begann. Es war “Private Dancer” von Tina Turner, und Gabi Decker hatte nicht nur die Bewegungen und die Mimik von Tina Turner drauf, sie hörte sich auch so an wie sie. Das Publikum johlte begeistert los. Es war unglaublich. Was für eine Stimme!
Auch Gabi Decker trug ein schwarzes Glitzerkleid, das im Gegensatz zu Barbara Schönebergers Kleid aber keine züchtig geschlossene Seite hatte, sondern sowieso nur knielang war und überall Schlitze bis zur Hüfte hatte. Passend zu Tina Turner, die auch immer ihre Beine zeigte. Vom “Private Dancer” ging es zu “Simply the best” über, und aus der ersten Reihe wurden Plüschtiere und ein BH auf die Bühne geworfen. Vermutlich geplant, denn ich sah danach keine Dame mit hängendem Oberteil und hörte auch keine weinenden Kleinkinder, denen man ihre Schmusetiere entwendet hatte.
Das Publikum war schon längst von den Sitzen aufgesprungen und klatschte begeistert mit. Riesengejohle und Applaus am Ende, weil diese Darbietung wohl viele überrascht hatte, die nicht wussten, das Gabi Decker eigentlich Sängerin war. “Tina Decker oder Gabi Turner – man weiß es nicht so ganz genau”, rief Ralph Morgenstern, der zur nächsten Moderation auf die Bühne kam. “Man munkelt ja schon, sie hätte das neue Album von Tina Turner aufgenommen, weil die es nicht mehr so gut singen kann.”
Kay Ray war der nächste Künstler, und auf den war ich sehr gespannt. Ich kannte Bilder seines geschminkten Gesichtes aus vielen Programmheften, hatte aber noch nie ergründet, was er genau machte. Irgendwie wirkte er gefährlich, unberechenbar und abgedreht, also so, dass ich mir schon lange mal eine Show hätte ansehen müssen. Aber es gab einige Künstler, denen ich einen “Muss ich mir unbedingt mal ansehen!”-Vermerk gegeben hatte, ohne dass ich sie schon angesehen hatte. Meistens traten sie gerade nicht in der Nähe auf, wenn ich dran dachte, oder ich hatte schon was anderes vor. Wie schön, dass es Cover me gab, wo mir die Künstler in appetitanregenden Probierhäppchen vorgesetzt wurden.
Kay Ray war zierlicher, als ich gedacht hatte, und sah gar nicht mehr so aggressiv und dominant aus, wie auf den Plakaten. Er sang “And I’m telling you I’m not going” und mir war sofort klar, dass er vielleicht abgedreht und ungewöhnlich war, vielleicht manchmal auch schwierig, aber nicht hart und aggressiv, sondern weich und sensibel. Die wilde Frisur und die bunte Schminke sollten nur etwas davon ablenken.
Mit sehr schöner Stimme und viel emotionalem und körperlichem Einsatz sang er und wurde dabei hervorragend von der Band begleitet. Ich schmolz dahin und war begeistert. Super! Hier auch mal ein dickes Lob an die Begleitagentur, die mit sieben Leuten so unverschämt gut spielt, dass sie wie eine große Bigband klingen kann.
Die drei Gebärdendolmetscherinnen wurden auf die Bühne geholt und vorgestellt. Nicht nur, dass die gesamte Veranstaltung von ihnen live übersetzt wurde, sie waren auch für die hörenden Zuschauer oft ein Genuss, wenn sie wild gestikulierend voll in ihrer Aufgabe aufgingen. Es machte Spaß sie zu beobachten und ich bewunderte ihr Können und ihren Einsatz. Große Klasse!
Nächster Programmpunkt war Birgit Schrowange, die als Andrea Berg den Schlager “Du hast mich 1000 Mal belogen” sang. Sie kam sehr sexy gekleidet auf die Bühne, und im Publikum wurde begeistert aufgejohlt. Kaum hatte sie die erste Strophe gesungen, bekam sie ein Hintergrundprogramm der besonderen Art, denn die einzelnen Zeilen des Refrains wurden auf großen Tafeln hinter ihr quer über die Bühne getragen. Die Trägerinnen waren ebenfalls so sexy wie möglich gekleidet und hießen Dirk Bach, Juliette Schoppmann, Isabel Varell und Bernd von Fehrn. Schön war, dass sie sich manchmal sehr beeilen mussten, um mit ihrer Zeile rechtzeitig am anderen Bühnenende zu sein, ehe die nächste Zeile anfing.
Birgit Schrowange war nicht unbedingt die sicherste Sängerin, man könnte sagen, sie hatte ihre eigene Note. Und die war manchmal knapp unter oder über der, die verlangt war. Aber sie strahlte so viel Freude aus, war mit so viel Begeisterung dabei, dass es wirklich Spaß machte diesen Programmpunkt zu erleben. Im Publikum wurde mitgeklatscht und am Ende laut gejubelt.
“Tainted Love” wurde von Eva Briegel gesungen, die sonst Frontsängerin bei der Band ‘Juli’ war. Die Begleitagentur machte eine jazzig angehauchte Variante aus dem 80er-Jahre-Hit, und das Publikum schwelgte in Erinnerungen und sang bei einigen der bekannteren Textstellen halblaut mit.
Und dann wurde es wieder schräg. Nicht in den Tönen, sondern in der Darstellung. Pe Werner und Juliette Schoppmann kamen zu ihrem traditionellen Duolied auf die Bühne. Juliette diesmal mit dunklen Haaren und aufgebrezelt angezogen, Pe als übergewichtiger, schnauzbärtiger Sack, der sich beim Auftritt auch noch an ebendiesem kratzte. Zum Abgewöhnen, und in der optisch überzeugenden Darbietung fast erschreckend.
Sie hatten “Hit the road Jack” in “Zieh die Schuh aus” abgewandelt, sangen abwechselnd und miteinander, und keiften sich dann völlig überzeugend und stimmgewaltig als Paar an. Auch das sehr echt, während im Hintergrund immer noch der Backgroundchor lieblich “Hit the road Jack … “ sang. Viel Applaus beim Abgang.
Die Band und die Backgroundsänger hatten die Bühne verlassen, denn sie waren nicht nötig, weil BASTA als a-cappella-Gruppe die musikalische Begleitung alleine übernahm. Nur eine der Gebärdendolmetscherinnen stand am Rand und übersetzte “Esso ess”, die gecoverte und umgetextete Version “SOS” von ABBA. Die Aussage: “Ich werde fett und alt, weil ich nur noch bei Esso ess”, machte Spaß und dem mitklatschenden Publikum gute Laune.
Mit den Handsendern kam auch der Sound richtig gut rüber, so dass es in der Intensität keinen Unterschied zu den Liedern mit Bandbegleitung gab. Auch die Choreographien, die ansonsten mangels Übezeit bei den Cover me- Interpreten eher improvisiert ausfielen, wenn sie nicht ganz ausfielen, waren hier eingeübt und überzeugten. Ein rundum guter, gelungener Auftritt, der vom Publikum mit viel Applaus und Gejohle belohnt wurde.
Barbara Schöneberger eilte dazu und sagte: “Ich nutze die Gelegenheit, um mich dazu zu stellen”. Sie erklärte schnell, dass im folgenden Lied ein Merksatz wäre, der besagt: “Wenn eine Frau dir gegenüber sitzt und sie trägt ein Dekolletee, dann guck bitte dahin! Das gebietet der Anstand. Auch wenn Mutti was anderes gesagt hat.” Sanft schmachtend und sehr jazzig sangen BASTA ein Intro und begleiteten Barbara Schöneberger dann a-cappella bei “Guck doch hin, wo du willst”. Ein wenig seltsam war, dass Barbara Schöneberger zum Gucken auf das Dekolletee aufforderte, selber aber gar keins zeigte, sondern dafür nur immer wieder das Bein hüfthoch aus dem hohen Schlitz blitzen ließ. Die geschickten Zuschauer mussten die Aufforderung auf andere Körperstellen umlenken und woanders hin gucken. Am Schluss scharrten sich die fünf Bastas knieend um die glitzernde Barbara, was ein schönes Endbild abgab.
Es gab früher die Entscheidung, erklärte Ralph Morgenstern, ob man entweder Rolling Stones oder Beatles hörte, später dann Boney M. oder die Les Humphries Singers. “Heute haben wir für Sie hier die spektakulärsten Interpreten aller Boney M. -Lieder …” Ralph brach ab, weil ein Mitarbeiter auf ihn zueilte und fragte stattdessen neugierig: “Wer kommt nicht?” Der Mitarbeiter flüsterte ihm etwas ins Ohr und eilte dann weg, während Ralph Morgenstern gespielt genervt feststellte: “Aha. Die Schoppmann ist wieder nicht umgezogen”, was die Zuschauer amüsierte. Er redete etwas langsamer und ausführlich weiter, um Zeit heraus zu bekommen, da fiel ihm plötzlich mit Schrecken ein: “Ich muss mich ja auch noch umziehen! Ich red mir den Mund fusselig und die Kolleginnen … ach, ich sag nix mehr.” Er drehte sich zum Bühnenaufgang um und fragte: “Wie lange könnte es denn noch dauern?” Der Mitarbeiter rannte wieder über die Bühne zu ihm, flüsterte ihm ganz kurz was ins Ohr, und Ralph wiederholte laut für das Publikum: “Sind da.” Ich überlegte kurz, ob ein hochgestreckter Daumen am Bühnenrand die Sache nicht verkürzt hätte, aber egal.
Ralph rasselte schnell eine lange Namensliste herunter, von den Künstlern, die alle bei dem folgenden Boney M. Medley mitmachen würden und es kam mir so vor, als wäre es fast die komplette Cover me -Besetzung. Am Ende kam sein Name und er rief aus: “Aaaah, deswegen muss ich mich umziehen!” und eilte von der Bühne.
Zuerst kamen Nina Vorbrodt, Hanno Friedrich und Mirco Reseg auf die Bühne und überzeugten nicht nur musikalisch mit einem Ausschnitt aus “Ma Baker”, sondern auch durch einige gewagte Tanzeinlagen der Herren zu Beginn des Auftrittes.
Carolin Fortenbacher, Lilo Wanders, Margarethe Schreinemakers und Mike Leon Grosch machten mit “Daddy Cool” weiter, …
… danach folgten Isabel Varell, Birgit Schrowange, Juliette Schoppmann und Jürgen Drews mit “Sunny”. Wobei es bei dieser Gruppe besonders interessant war, dass Jürgen Drews jetzt Boney M. sang und früher Mitglied bei den Les Humphries Singers war. So was sahen Fans aber generell enger als die Musiker selber. Das Publikum jubelte so oder so und hatte Spaß mit den alten Hits.
Gabi Decker, Kay Ray und Barbara Schöneberger sangen “Brown girl in the Ring”, …
… und am Ende kamen Ralph Morgenstern, Dirk Bach, Pe Werner und Bernd von Fehrn, die “Rivers of Babylon” sangen. Ganz wunderbar war Dirk Bach als Tänzer Bobby Farrell. Er war der Kleinste in der Gruppe, setzte sich aber extrem ein, tanzte wie besessen, die Kringellocken flogen ihm um den Kopf, er ging rasant schnell in die Knie und wieder hoch, und es machte atemlos, ihm nur zuzusehen. Ich bewunderte ernsthaft, wie er das durchhielt. Großartig!
Das Publikum stand inzwischen schon wieder vor Begeisterung und feierte klatschend und singend mit. Ein wunderbarer Schluss des ersten Teiles, der nach mehr als 80 Minuten geballtem Programm voller optischer Überraschungen und Höhepunkte eine Pause zum Aufatmen, Entspannen und Unterbrechen dringend erforderlich machte.
Nach der Pause betraten sieben bunt gekleidete Personen die Bühne, auf der die Band und die Backgroundsänger schon warteten. Und bunt hieß in diesem Fall wirklich bunt. Sie hatten sich in 70er-Jahre Hippiesachen gekleidet, die knallig, wallend und blumig waren. Pe Werner, Isabel Varell, Margarethe Schreinemakers, Birgit Schrowange, Dirk Bach, Lilo Wanders und Juliette Schoppmann wollten Lieder der Les Humphries Singers singen. Aber einer fehlte noch, der echte Les Humphries Sänger von damals: Jürgen Drews. Und natürlich tauchte er am Bühnenrand auf und begann alleine mit einem gesungenen Intro. Erstaunlicherweise war er zwar der echteste Les Humphries Singer auf der Bühne, aber am wenigsten bunt gekleidet. Aber auch hier sahen das die Originalkünstler wohl weniger eng als die Fans.
Jürgen Drews schlenderte in die Bühnenmitte und schlenkerte dabei soulig Töne. Die anderen standen etwas zappelig abwartend herum und auch die Band war in Rufbereitschaft. “Wollt ihr anfangen? Mexico?” fragte Jürgen seine Kollegen, die natürlich nicht “Ach, nee, lass mal!” sagten, sondern freudig zustimmten. Aber wer König von Mallorca ist, der weiß sein Volk zu lenken und sagt selber, wann angefangen wird. Jürgen Drews fragte erstmal ins Publikum: “Seid ihr bereit?” und dann nochmal lauter: “SEID IHR BEREEEEIIIIT??” Natürlich war es bereit. Er drehte sich grinsend nach hinten zur Band und verlangte seelenruhig: “Gib mir mal Fis-moll!”. So baut man Spannung auf.
Klaus Tenner am Piano klimperte den ersten Akkord, Jürgen Drews zählte kurz ein, und die Gruppe auf der Bühne, die vor Spannung fast schon geplatzt wäre, legte erleichtert und energiereich los. Es war sofort wie bei den früheren Les Humphries-Singers. Fröhliche, mitreißende Stimmung mit Gospeleinschlag.
Mallorca-Hits und Mitgröl-Schlager sind weit von mir entfernt, aber Jürgen Drews ist eine absolute Bühnensau – im besten Sinne. Er reißt mit, singt sehr gut, lächelt entwaffnend, hat Persönlichkeit, fügt sich in jede Gruppe wunderbar ein -so lange er vorne steht-, und ist einfach authentisch. Schon nach zwei Zeilen stand das Publikum auf und feierte freudig und völlig überzeugt mit. Nach schnellen Les-Humphries- Sachen ging es ruhig und romantisch mit “Baby, I’d love you to want me” von Lobo weiter. Wunderschön, und es hätte so weitergehen können, wenn nicht plötzlich dieses Pfeifen da gewesen wäre.
In den letzten ausklingenden Tönen, die Jürgen nochmal soulig unterstützen wollte, war es plötzlich zu hören. Halblaut, aber störend. Etwas irritiert und ungläubig lächelnd stoppte Jürgen Drews seine Solo-Singerei und blickte ins Publikum. Pfiffe? Das konnte ja wohl nicht wahr sein. Er lauschte. Die Band war ruhig, niemand sang, aber das störende Pfeifen schallte ohne Unterbrechung durch den Saal. Einzelne “Jürgen!”- Rufe kamen auf und hin und wieder schrille Publikums-Pfiffe, bei denen er nicht erkennen konnte, ob die Begeisterung oder Unmut zeigten. Jürgen Drews blieb einfach stehen, blickte lächelnd und abwartend ins Publikum und fragte dann verwundert: “Ist das ein Anschlag?” Ich wunderte mich, dass er so ruhig blieb, obwohl es ihn vermutlich sehr verwirrte.
Pe reichte ihm ihr Handmikro und legte seins weg. Im Publikum kamen kleine Sprechchöre auf, und da auf der Bühne völlige Unkenntnis herrschte, warum diese Unruhe plötzlich da war, probierte Jürgen Drews seine vermutlich auf Mallorca schon oft eingesetzte Beschwichtigungs- und Massen-in-Bahnen-bringen- Methode aus und stimmte kurz: “Ich bin der König von Mallorca” an. Aber auch das half nicht. Das Publikum ließ sich nicht mitziehen und er hörte sofort nach der ersten Zeile wieder auf. Immerhin war jetzt das Pfeifen fast weg, auch wenn irgendetwas im Saal nicht stimmte. Jürgen Drews klopfte testweise an sein neues Mikrofon, traute ihm nicht und tauschte es kurzentschlossen gegen das von Isabel aus. Das Publikum war wieder ruhig, das Pfeifen plötzlich weg und in der Show ging es planmäßig mit “Let it be” weiter.
Im Abgangsapplaus kam Ralph Morgenstern auf die Bühne zurück und begann seine nächste Moderation. Aber da tauchte das Pfeifen wieder auf, wurde lauter und lauter, bis es sich wie ein Wasserkessel mit kochendem Wasser anhörte und Ralph verwundert fragte: “Hallo? Was ist das für ein Quietschen? Was können wir machen?” Als er keine Antwort erhielt, meinte er resigniert: “Herrlich!” und blieb hilflos stehen. Ein Mitarbeiter eilte auf die Bühne und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was Ralph Morgenstern dann an das Publikum weitergab: “Wir haben ein Stromproblem, wir müssen fünf Minuten unterbrechen.” In diesem Moment fiel das Mikrofon aus. Und nicht nur das Mikrofon. Die ganze Tonübertragung brach in sich zusammen, weil das Hauptmischpult ausgefallen war. Das war auf der Bühne aber noch nicht ganz klar. Da ging man immer noch von einer kurzen Störung aus.
Zur Information: Wenn bei einer Veranstaltung das große digitale Hauptmischpult den Geist aufgibt, ist das der GAU (Größter anzunehmender Unfall). Als ich meinen Gatten später fragte, ob es einen noch größeren anzunehmenden Unfall bei einer Veranstaltung geben könne, meinte er trocken: “Nur wenn der Künstler stirbt.” In diesem Sinne hatte Cover me Glück gehabt, denn es war nur das Mischpult gestorben, aber es machte doch alle sehr betroffen und schweigsam.
Ralphs Stimme drang ohne Mikroverstärkung nur mühsam in den vorderen Teil des großen Saales, und nur die Gehörlosen konnten die Gebärdendolmetscherin weiterhin problemlos verstehen, die alles simultan übersetzte. Musik war damit aber auch nicht zu machen. Ralph schleppte eine Schaufensterpuppe in die Bühnenmitte, um dort über deren Anzugversteigerung zu erklären, was vielleicht auch ohne Mikro ginge. Das Publikum hatte inzwischen beschlossen, sich die Stimmung nicht nehmen zu lassen und stimmte “Viva Colonia” an. Karnevalsstimmung zog durch den Saal. Mit “Che sera” ging es weiter, der Schlagzeuger der Band trommelte im Dreivierteltakt mit und Ralph schunkelte mit der Puppe im Arm, ganz glücklich, dass so die Zeit herum ging.
Endlich tat es das Handmikro wieder, aber es war nur über die Bühnenmonitore auf der Bühne laut zu hören, nicht im Saal. Das Publikum improvisierte den nächsten Programmpunkt und sang den Karnevalshit “Mir sin kölsche Mädcher”. Ich fand es besonders gut, dass die Gebärdendolmetscherin den kölschen Text perfekt übersetzte und mit eindeutigen Bewegungen darstellte, dass Kölner Mädchen Spitzenunterhosen tragen und keinen daran fummeln lassen.
Elfi Scho-Antwerpes eilte winterlich gekleidet auf die Bühne, hakte sich bei Ralph Morgenstern ein und schunkelte mit ihm zu den Gesängen des Publikums. Eigentlich eine witzige Situation. Das einzig Schreckliche daran war, dass man nicht wusste, wie lange sie dauern würde.
Inzwischen waren die Bühnenmonitore lauter gestellt worden, so dass Ralphs Handmikrofon im Saal schwach hörbar wurde. Da die Musik noch nicht funktionierte und es sowieso auf dem Ablaufplan stand, wurde die weitere Danksagerei gestartet. Die konnte auch mit eingeschränkter Tonverstärkung gemacht werden und gleichzeitig für Unterhaltung im Saal sorgen. Ich diesem Fall war ich dran, die Frau für die Videoeinspieler, und das Publikum jubelte freudig auf, als ich auf die Bühne gerufen wurde. Das lag aber nur daran, weil sie froh waren, dass überhaupt etwas auf der Bühne passierte, weil viele nicht verstanden hatten, wer da aufgerufen wurde und weil ich außerdem ja jemand Berühmtes hätte sein können, den man gerade nicht erkannte. Man muss realistisch bleiben.
Kaum war ich weg, kam Elfi Scho-Antwerpes wieder auf die Bühne, erzählte über die AIDS-Hilfe und Cover me, und danach wurde versucht den Einspielfilm zu zeigen, der ohne Musikuntermalung nur halb so schön war, aber trotzdem dankbar als Programmpunkt angenommen wurde. Dann war es soweit: Nach zwanzig Minuten Pause konnte das Programm weitergehen. Einige Techniker hatten wie die Wahnsinnigen gekabelt, gesteckt und geschraubt, um das kleine Monitormischpult, das nur zum Abmischen des Bühnenklanges für die auftretenden Künstler gedacht war, zum Hauptmischpult des Abend umzurüsten. Das war, als ob das kleine Chormädchen aus der dritten Stimme plötzlich den Hauptopernpart für die kranke Solistin singen sollte. Im Prinzip konnte sie es – aber würde sie es wirklich schaffen und den restlichen Abend durchhalten?
Nachdem die Verbindungen funktionierten, begann der fast noch schwierigere Teil, denn es gab keine beim Soundcheck getesteten Voreinstellungen und der gesamte Saalklang musste nun von der Bühne aus geregelt werden. Einzig nach dem Klang, der aus den Monitorboxen auf der Bühne zu hören war. Wenn jemand nach einer Herausforderung mit hohem Scheiterfaktor suchte, hier konnte er sie finden.
Das Publikum ging, wie auch viele der Künstler, immer noch von einer Stromstörung im Palladium aus. Dass der komplette Ton der großen Veranstaltung jetzt über ein improvisiertes Hilfspult gefahren werden musste und nicht klar war, ob das zur akustischen Katastrophe würde, war nur wenigen bewusst.
Carolin Fortenbacher wurde mit einem mitreißenden Lied eingesetzt, um die Stimmung nach der Zwangspause wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Mit “Oh, wann kommst du” war das recht vielversprechend. Allerdings war es ein Kaltstart ohne vorherigen Test, und es zeigte sich, dass noch nicht alles perfekt lief. Ihr Gesang wurde nur über die Monitorboxen übertragen und war damit im Vergleich zur voll verstärkten Band zu leise. Zum Glück hatte sie eine kräftige, tolle Stimme und konnte das Publikum in den bekannten Refrains mitnehmen.
Unbeirrt zog sie ihr Lied durch und zeigte, dass sie sich nicht durch fehlende Verstärkung abhalten ließ, sondern dann erst recht loslegte. Große Klasse! Unschätzbar wichtig, dass sie nicht abwartete, bis alle Probleme behoben waren, sondern so sympathisch und stimmgewaltig das Beste aus der Situation machte. Als plötzlich die Verbindung stand und ihre Stimme im Saal laut und klar zu hören war, jubelte das Publikum kurz auf. Da war aber leider schon der letzte Refrain erreicht. Das Publikum klatschte ihr danach begeistert Beifall und rief lautstark nach Zugabe. Es wäre nicht falsch gewesen, wenn sie nochmal gekommen und einen Teil des Liedes in richtiger Klangqualität gebracht hätte, aber auf der Bühne ging es mit dem geplanten Programm weiter.
Pe Werner, Juliette Schoppmann, Bernd von Fehrn und Ralph Morgenstern kamen als Brotherhood of Man und sangen “Kisses for me”. Sie waren stimmig 70-Jahre-gekleidet, von den Farben über die Schnitte, bis hin zu Frisuren und einem schrecklichen Oberlippenbärtchen. Manch ein Besucher fühlte sich in frühere Zeiten zurückversetzt. Im Refrain machten die Vier die gleichen Bewegungen, die damals schon die Originalsänger gemacht hatten, was total süß war. Der Ton war wieder klasse, die Show lief weiter und die Besucher waren schon wieder drin und klatschten freudig mit.
Die beiden nächsten Künstler waren Tim Fischer und Rainer Bielfeldt, die ich beide klasse fand. Seltsamerweise war Tim Fischer auch einer, der von mir immer, wenn ich etwas von ihm hörte oder sah, den Merkzettel “Unbedingt mal in eine Show gehen!” bekam. Aber trotz der vielen Merkzettel hatte ich ihn noch nie in einem Live-Programm erlebt. Rainer Bielfeldt hatte ich als Partner von Gayle Tufts erlebt und schon immer total nett gefunden. Wie schön, die beiden jetzt zusammen bei Cover me auf der Bühne zu haben. Ich freute mich sehr. Ihr Programmpunkt fiel etwas heraus, weil sie ohne Bandbegleitung spielten und das nicht durch die hämmernde Mouthpercussion einer a-cappella-Gruppe ausgleichen konnten. Sie boten eine einzelne Gesangsstimme und eine mehrfingerige Flügelbegleitung, aber ich war mir sicher, dass es funktionieren würde.
Schon als sie auf die Bühne kamen, gab es freudigen Applaus. Zuerst für den netten, lächelnden Rainer, der in einen Frack gekleidet war und zum Flügel marschierte, dann für Tim Fischer, der in einem engen schwarzen Anzug – oder sollte ich besser Catsuit sagen – optisch zwei Meter hoch und dafür nur dreißig Zentimeter schmal war. Ich mochte seine faszinierend androgyne Ausstrahlung und dass er in anderen Zeiten lebte. In diesem Fall war er eine Zarah-Leander-Diva aus den 40er-Jahren, ohne dabei ein Zarah-Double zu sein, sondern weiterhin mit seiner eigene Persönlichkeit.
Ausdrucksstark führte er “Nur nicht aus Liebe weinen” vor und wurde dabei aufmerksam und hingebungsvoll von Rainer Bielfeldt am Flügel begleitet. Natürlich setzten die Zuschauer beim Refrain lautstark und ebenso hingebungsvoll ein und sangen und klatschten steigernd und immer schneller werdend mit. Klasse!
Es gab ein weiteres Lied, “Flasch”, das eine textliche Umarbeitung von “If you could read my mind” war und jetzt auf das erste Hören hin wie ein dramatisches, französisches Chanson klang, dann aber doch ziemlich undramatisch und witzig war. Erst recht, wenn es so überzeugend dramatisch wie von Tim Fischer vorgetragen wurde. Wunderbar.
Langer Applaus mit Gejubel und begeisterten Pfiffen kam am Ende vom Publikum, und Tim Fischer und Rainer Bielfeldt gingen strahlend ab. Auch hier gab es laute Zugaberufe, auf die aus Zeitgründen nicht eingegangen werden konnte.
Isabel Varell kam auf die Bühne, sang aber nicht los, sondern ging zum Bühnenrand, zog ihre Schuhe aus und bat zwei unten stehende Fotografen, ihr herunterzuhelfen. Springen wäre aus dieser Höhe etwas riskant gewesen. Kaum war sie unten, rief sie zur Band: “Wir können loslegen!”, und das taten sie. Die Musik von “Black Velvet” begann, und Isabel kletterte, zur Freude des Publikums, singend quer über die Sitze bis in die Mitte des Zuschauerraums. Hilfreich streckten sich ihr Arme entgegen und blitzende Augen strahlten sie an. Einige Männer zeigten sich sehr begeistert und hatten sichtlich viel Spaß, sie in der Nähe zu haben, was wiederum Spaß machte, zu beobachten. Eine tolle Nummer!
Während Isabel danach ihren Weg zurück zur Bühne regulär durch den Seitengang nahm, wies Ralph Morgenstern sie von der Bühne darauf hin, dass ihre Pumps noch dort lagen. Er fragte gleich mal, ob sie “Oh, Schreck, oh, Schreck, das Kind ist weg” noch singen konnte. Ich grinste mich weg, denn das war in den 80er-Jahren das Titellied einer total abgedrehten ZDF-Kinderserie gewesen, das Isabel rotzfrech gesungen hatte und das damals alle Erwachsenen genervt hatte. Erst vor kurzem war es das Gesprächsthema mit einer Freundin gewesen, aber wir hatten nur noch die erste Zeile und danach einige Bruchstücke zusammenbekommen. Isabel sang auf Ralphs Aufforderung hin sofort los, kam aber auch nur bis zur zweiten Zeile und brach mit “mehr weiß ich nicht mehr” ab. Ich freute mich trotzdem, es nochmal gehört zu haben. Für was Cover me alles gut war!
“Unsere nächste Interpretin ist ja unser Nesthäkchen”, begann Ralph Morgenstern, und während ich noch überlegte, wer damit wohl gemeint war und gerade versuchte blitzschnell die Künstlerliste im Kopf durchzugehen, was sowieso nicht geklappt hätte, kreischten im Saal helle Stimmen “Aaaaah!” und ich wusste, dass nur Juliette Schoppmann gemeint sein konnte. Sie kam schlicht, aber knapp gekleidet auf die Bühne, hatte wie immer ewig lange Beine, was durch das schlichte knappe Kleid noch betont wurde, und sang das ruhige, wunderbar jazzige “At last”. Sofort gab es 40er-Jahre Nightclub-Feeling. Sehr schön.
Die Begleitagentur wurde danach von Ralph Morgenstern einzeln vorgestellt und waren Schlagzeug: Josef Kirschgen, Bass: Eberhard Schröder, Hammondorgel: Gero Körner, Saxophon: Felix Petry, Trompete: Christoph Fischer, Gitarre: Kai Koschig und Pianist, Arrangeur und Bandleader: Klaus Tenner. Unglaublich gut, immer mit vollem Einsatz dabei und von keiner Stilrichtung überfordert!
Fünf rosa Träume schwebten mehr oder weniger grazil auf die Bühne und waren “die wahren No Angels”. Dirk Bach, Carolin Fortenbacher, Isabel Varell, Lilo Wanders und Bernd von Fehrn starteten im Unterschied zu den originalen No Angels ziemlich text- und einsatzunsicher und fanden erst im Refrain kräftig und erleichtert zusammen. Vermutlich hätten sie beim Grand Prix trotzdem nicht schlechter als das Original abgeschnitten und in Sachen pfiffiger Kleidung sogar noch Extrapunkte bekommen.
Ralph Morgenstern meinte danach optimistisch: “Kinners, wenn man euch zum Grand Prix geschickt hätte, hättet ihr sicher den ersten Platz gemacht.” Aus diesem Grund wurde auch Hazy Hartlieb auf die Bühne geholt und mit Blumen bedacht, der sich um die Kostüme bei Cover me kümmerte, tolle Kreationen zusammenstellte und sich damit viele Extrapunkte verdient hatte..
Der nächste Künstler brauchte kein rosa Kleid, denn er war international und hätte vermutlich dumm geguckt, wenn man es ihm für den Auftritt in die Garderobe gehangen hätte. Abgesehen davon hatte er keine eigene Garderobe, denn für Einzelgarderoben war im Palladium zu wenig Platz. Außerdem sang er “Sledge Hammer”, da passten schwarze Klamotten und eine Gitarre sowieso besser. Chris Norman kam auf die Bühne, und noch während die Band das Intro spielte und bevor er einen Ton gesungen hatte, standen die Zuschauer auf und klatschten schon im Takt mit.
Chris Norman fühlte sich sichtlich wohl mit der sicheren Band im Rücken, von denen das Saxophon und die Trompete klare Bläsersätze schmetterten, die sich nach viel mehr Instrumenten anhörten. Grandios! Die Gebärdendolmetscherin holte im Refrain immer wieder weit aus, um den Sledgehammer, den Vorschlaghammer zu demonstrieren, die Backgroundsänger sangen kräftig und die Luft brummte vor Musik. Klasse.
Ralph Morgenstern eilte im Endapplaus auf die Bühne und wünschte eine kleine Zugabe. “We have Pe Werner hier, zufällig”, erklärte er elegant zweisprachig. Pe Werner eilte auch sofort mit ausgestreckten Armen auf die Bühne, lief knapp an Ralph vorbei und umarmte Chris Norman. Die Musik legte los, und Pe und Chris begaben sich mit Spaß an “It takes two, Baby”. Sie bewegten sich locker, lachten sich an und zeigten deutlich, dass sie sich wohl fühlten. Sie wussten genau, dass sowohl der Gesangspartner als auch die Band klasse waren und man sich auf sie verlassen konnte.
Für jemanden wie Chris Norman, der vermutlich relativ ahnungslos über den Ärmelkanal gekommen war und nun in einer quirligen, bunten und musikalisch völlig gemischten Veranstaltung stand, war es wahrscheinlich eine große Erleichterung, dass er eine gesanglich so hervorragende Partnerin bekommen hatte. Hätte ja auch ein lustig quiekender Mann in schrillem Damenoutfit sein können, und im Hintergrund eine Karnevalsband, was dem Song einen eher witzig-unterhaltsamen Anstrich gegeben hätte. So war es richtig tolle Musik.
Es gab großen Jubel, dann war das Ende der Show erreicht. Ralph Morgenstern las die vielen Namen der Beteiligten vor, die, wenn sie nicht gerade noch mit Ton, Kamera oder Buffetauffüllen beschäftigt waren, auf die Bühne kamen. Am Schluss kamen unter großem Applaus “Vati und Mutti von Cover me”, Dirk Bach und Bernd von Fehrn. Dirk nahm Bernd in den Arm und erklärte: “Ohne die Mutti von Fehrn ging gar nichts. Die macht das alles.” Er blickte Bernd liebevoll an und sagte etwas leiser zu ihm: “Ohne dich gäb’s das gar nicht.”
In diesem Moment wurden beiden zwei große Rosensträuße überreicht. “Ups, für mich? Wie reizend”, sagte Dirk Bach, nahm den imposanten Strauß in den Arm und grinste: “Die sind ja größer als ich.”
Als der Applaus leiser wurde, entschuldigte sich Bernd von Fehrn mit bedauerndem Gesichtsausdruck und echtem Herzschmerz beim Publikum, dass sie mit dem Ton so ein Pech gehabt hatten, und dass es leider auch die arme Carolin Fortenbacher getroffen hätte. “Es war keine Absicht, wirklich nicht!” beteuerte er aufrichtig und geknickt, und Dirk und er rannten spontan beide auf Carolin zu und drückten ihr gleichzeitig die beiden großen Blumensträuße in die Arme.
Es gab noch ein herzliches Danke an die “Grand Dame” Ralph Morgenstern, die den Abend moderiert und dabei ein riesiges Tonloch überbrückt hatte, und Ralph nahm den überreichten Blumenstrauß gespielt geziert an und grinste: “Ach, das wär doch nicht nötig gewesen.”
Daraufhin bedankte sich Ralph noch beim Publikum und stellte dabei ernsthaft fest: “Auf euch ist Verlass, hier in Köln.” Da er nicht genug Blumen für alle Zuschauer hatte, winkte er dabei stellvertretend mit seinem Blumenstrauß.
Auf der Bühne entstand leichte Finale-Hektik, denn das Finallied-Intro begann, und diesmal war der Ablauf kurz vor Showbeginn geübt worden. Jeder wusste, neben wem er wo stehen sollte und musste jetzt schnell auf seinen Platz kommen. Textzettel wurden rausgekramt, suchende Blicke erfassten die Nachbarn in der Reihe und Köpfe nickten danach zufrieden, wenn alles stimmte, oder blickten verwirrt in der Gegend herum, wenn die Nachbarn anders als in der Probe aussahen.
Natürlich standen dann nicht alle Künstler in der vorgesehenen Reihenfolge, was den Scheinwerfer, der einfach nur die Reihe von links nach rechts abgehen sollte, weil immer der rechts stehende Künstler die nächste Zeile singen sollte, etwas nervös machte, aber für ein Cover me Finale war alles ungewöhnlich geordnet und kaum chaotisch. “That’s what friends are for” war als Finallied inhaltlich perfekt, und als dann noch eine Serie von Konfettikanonen einen gold-roten Schnipselregen über den gesamten Zuschauerraum rieseln liess, war es das volle sentimental-schöne Abschlussprogramm.
Das Ende war erreicht – ein glückliches Ende, weil die Show tatsächlich nach einer großen Technikpanne noch bis zum Schluss durchgehen konnte und weil die Zwangspause der guten Stimmung und der Begeisterung keinen Dämpfer aufsetzen konnte. Tolle Künstler, ein tolles Programm und eine einmalige, wunderbare Atmosphäre, die ich so bunt und lustig, abgedreht und doch ernsthaft, nur einmal im Jahr erlebe: Bei Cover me.