Berichte

René Marik – Autsch’n! – 20.10.2008 – Köln

Comedia, Köln

“Was hast’n im Internet schon gesehen? Schneewante, Rapante oder Froschn?” Diese Frage stellte im Foyer ein erwachsener Zuschauer seiner erwachsenen Nachbarin und sie antwortete völlig ernsthaft: “Rapante, rapante.” Wo war ich hingekommen?

Ich muss zugeben, ich war etwas skeptisch. Die kurzen Episoden des sprachgestörten Maulwurfs waren seit Monaten die Renner bei Youtube, und obwohl ich sie witzig fand, war ich nicht sicher, ob das für einen ganzen Abend reichen würde. War ein blindes, ziemlich debiles Tier, das über einen eingeschränkten, dazu fürchterlich verstümmelten Wortschatz verfügte, überhaupt länger auszuhalten? Konnten seine wenigen Puppenpartner, von denen einer eine einfache Barbiepuppe war, die nur “Häpöh” sagte und ihre Haare von rechts nach links warf, genug Abwechslung bringen? Das wollte ich genauer wissen. Ein Geheimtipp war das Programm nicht mehr. Die Comedia war an beiden Tagen ausverkauft. Besonders bei jungen Internetnutzern war der Maulwurf kultig.

Das Programm begann völlig anders, als ich es erwartet hatte. René Marik, der Macher hinter den Puppen, kam im Anzug leise lächelnd auf die Bühne und begann zu singen. “Nature boy” von Nat King Cole, ein sehr sanftes, berührendes Lied. Die Musik kam vom Band und war stellenweise etwas ungewöhnlich arrangiert, aber ich lächelte entzückt. René Marik bewegte sich nur wenig und guckte beim Singen mit einem lässig-coolen “bei-mir-kippen-die-Frauen-reihenweise- Blick” ins Publikum. Ich vergaß, wie jung und schlaksig er vorher im Foyer ausgesehen hatte, übersah, dass er jetzt die Haare mit Gel schmierig nach hinten gekämmt hatte und dachte nicht daran, dass er auch der stammelnde Maulwurf war. Er spielte den coolen Frauentypen, der selbstbewusst im Nightclub sang, und ich glaubte es ihm.

Das Lied sagte, dass das Wichtigste sei, zu lieben und zurückgeliebt zu werden, und nach dem letzten Ton griff René Marik in einen kleinen Beutel, warf einige bunte Konfettischnipsel hoch, drehte sich um und verschwand wortlos hinter dem hohen Puppenspielervorhang. Wunderbar!

Herr Falkenhorst, der seriöse Frosch, tauchte aus den Tiefen der Puppenbühne auf, und ich dachte freudig: “Ich sehe ihn live!”, und lachte gleichzeitig los, weil es doch irgendwie bescheuert war, dass ich mich freute, eine Stoffpuppe, die ich aus dem Internet kannte, in echt zu sehen. Aber auch die anderen Zuschauer freuten sich hörbar und reagierten sofort mit lautem, vergnügten Gelächter auf alle Froschkommentare.

Ich erfasste die aufgedrehte Atmosphäre um mich herum und grinste breit. Das war Kasperletheater. Vorne eine hohe Stoffbühne, ganz oben ein quatschender Frosch, der große Ähnlichkeit mit Kermit hatte, und davor vergnügt zappelnde, nicht mehr ganz kleine Zuschauer, die auf ein “Seid ihr alle da?” hemmungslos mit einem laut gebrülltem: “Jaaaaa!” geantwortet hätten. Unglaublich. Aber es funktionierte. Schon nach fünf Minuten, Herr Falkenhorst demonstrierte gerade auf ungeheuer blöde Weise, dass er bauchreden konnte, stand ich kurz vor einem Lachanfall.

Als der Maulwurf kurz danach erschien, wurde er bejubelt wie ein großer Star. Er grummelte kurz: “Njahähähä”, und das Publikum lachte los und beklatschte ihn wild. “Menno!”, sagte er, und der nächste Lacher brach aus. Viele Zuschauer kannten die kleinen Szenen vermutlich auswendig, aber trotzdem lachten sie begeistert los und freuten sich über jeden Satz. Der Maulwurf drehte sich manchmal um und beschwerte sich: “Menno. Ne ne ne ne. Nich haha!”, woraufhin die Zuschauer wieder lachend losplatzten. Es war total witzig, da mittendrin zu sitzen.

Neben dem Maulwurf und dem Frosch gab es noch Kalle, den Eisbären, und die schöne, stumme Barbiepuppe zu sehen, die mal “Babe” (Barbie), “Grete” (das Gretchen aus ‘Faust’), “Schneewante” (Schneewittchen) oder “Rapante” (Rapzunzel) war. Die Requisiten waren bewusst einfach und wurden entweder von einer großen Hand gehalten oder auf dem Bühnenrand abgelegt. Es war ganz und gar keine perfekt inszenierte Scheinwelt, der Bruch war immer wieder zu erkennen, und trotzdem hatten alle Figuren ihren eigenen Charakter und der Puppenspieler dahinter wurde weitgehend vergessen. Ich dachte mir, wenn René Marik nach der Vorstellung mit dem Maulwurf auf der Hand ins Foyer kommen würde, würden viele Zuschauer vermutlich zuerst den Maulwurf um ein Autogramm bitten und danach vielleicht noch René Marik fragen.

Lustig und die gute Stimmung weiter steigernd waren die Reaktionen des Publikums. Kaum tauchte ein Pappturm als Kulisse auf, ging ein “Aaaaah!” des Erkennens durch das Publikum und freudige “Rapante”- Ausrufe waren zu hören. Einzelne Schlagworte (“Menno!”) und kurze Sätze (“Hage? Jemand ze hage?”) wurden oft mitgesprochen und das Plopp, wenn der Maulwurf beim Auftritt mit der Nase aus der Erde brach, war immer wieder zeitgleich auch aus dem Publikum zu hören. Außerdem waren häufig mehr oder weniger unterdrückte Lachanfälle und extreme Schnappatmungen einzelner Zuschauer zu erkennen. Das Programm ging an die Substanz des Zwerchfells und machte total gute Laune.

Die Highlights waren eindeutig die Puppenszenen, aber es gab gut gelungene Abwechslung durch Nummern, in denen Renè Marik Lieder sang oder den Hartz-IV-Empfänger Kalle darstellte, bei dem die schmierig angegelten Haare perfekt zum Jogginganzug passten. Er trug auch Gedichte aus einem Lyricband von Elsbeth Bellartz vor, deren Komik darin bestand, dass sie es ernst meinte. Es blieb alles kurzweilig, abwechslungsreich und sehr erheiternd. Und wenn René Marik nicht Schauspieler geworden wäre, wäre er vermutlich Musiker. Er hat eine so schöne, sanfte Stimme, die im Maulwurf gar nicht zu erkennen ist.

Am Ende dann nochmal das sanfte Anfangslied über den “Nature boy” und seine Weisheit über die Liebe, das bei aller Albernheit des Programmes doch so gut passte, denn der Maulwurf hatte sich den ganzen Abend über verzweifelt um seine große Liebe “Babe” bemüht und war dann doch an Ken gescheitert.

Das Publikum gab sehr großen, begeisterten Beifall und jubelte sich noch eine Lyric- und eine Falkenberg/Maulwurf-Zugabe heraus. Ganz am Ende dann ein sanft gesungenes “Mr. Sandman”, das mir ein seliges Lächeln ins Gesicht drängte. Was für ein verzauberndes Ende eines so kinderlachenlauten Abends. Beim Rausgehen hörte ich überall um mich herum Gelächter und diverse Ausrufe wie: “Ne ne ne!”, “Menno!”, “Rapante, rapante”, “Jemand ze hage?” Sogar mein Gatte, der sehr vergnügt neben mir gesessen hatte, verlangte kurz vor Erreichen des geparkten Autos den Autoschlüssel in jammerndem Maulwurf-Ton: “Schlüssn!! Menno!” Da versucht man in Deutschland die Anglisierung der deutschen Sprache einzudämmen und dann das!

Fazit: Es war ein sehr lustiger Abend, bei dem wir so gelacht haben wie selten und aus dem wir hellwach und fröhlich kamen. Der Humor ist oft einfach, man muss auf keine Textaussagen hören oder Botschaften zwischen den Zeilen lesen, aber es ist auch nicht schenkelklopfend und platt. Wer bereit ist, mit offenem Herzen in die frühere Kinderquatschzeit zu versinken, in der man mit einem Freund zusammensaß, mit einer Handpuppe albern herumspielte und dabei aus lauter Freude, vollem Herzen und ganz vergnügt lachte, ist bei “Autschn!” genau richtig. Und René Marik macht es einem ganz leicht, sich wie früher schwerelos in die Spielwelt zu begeben, alles freudig zu erleben und unbeschwert und kinderfröhlich zu genießen.