Berichte

Schäl Sick Show Nr.1 – 09.12.2005 – Köln

Irene Schwarz, Fourschlag, Martin Reinl, Tillmann Courth, Juliane Scharwitzky, RIFU Sextett
Bürgerhaus Kalk, Köln

Köln-Kalk – das ist nicht nur ein Stadtteil von Köln, es bedeutet auch Dönerbuden, sozialer Brennpunkt, erhöhte Arbeitslosenzahlen, Multikulti auf engem Raum und dazu noch rechtsrheinisch, was für den Innenstadtkölner die falsche Seite, die „schäl Sick“ ist. Wenn jemand den Traum hat, genau in diesem Stadtteil eine Show aufzuziehen und damit Kabarett, Comedy, Musik und Artistik mitten hineinzusetzen, muss er entweder ziemlich verrückt sein oder mit leuchtenden Augen und brennender Seele ein Ziel verfolgen. Bei der Veranstalterin kam alles zusammen. Wer seine Agentur “Zuckerstücke” nennt, der macht solche Sachen liebevoll und gleichzeitig mit voller Energie.


Es war die erste Schäl Sick Show in der Geschichte Kölns, und Köln-Kalk ging etwas zögernd an das Kulturangebot heran. Trotzdem war der gemütliche Saal im Bürgerhaus nett gefüllt und wirkte nicht leer. Ich war gespannt. Irene Schwarz hatte ich im Sommer als wunderbare Vollblutschauspielerin erlebt, mit Tillmann Courth hatte ich bei einer Feier nett geplaudert und wollte seitdem sowieso mal sein Programm besuchen, und Martin Reinl war bei ‘Zimmer frei’ die Küchenrollen. Die gefielen mir überhaupt nicht. Das heißt, sie hatten mir ein-, zweimal nicht gefallen und darum hörte ich nicht mehr hin, wenn sie zu sehen waren. Allerdings hatte ich Martin Reinl inzwischen bei ‘Zimmer frei’ mehrfach mit dem Hund Wiwaldi gesehen und mich fast weggelacht. Großartig! Konnte es möglich sein, dass auch die Küchenrollen witzig waren und ich das nicht erfasst hatte? Der Abend bot Gelegenheit, eine Meinung zu bilden. Von den anderen Darstellern Fourschlag, Juliane Scharwitzky und dem RIFU Sextett hatte ich nie etwas gehört.

Das Programm schien bunt gemischt zu sein, was mir grundsätzlich gefiel. Ich ging davon aus, dass sich schwächere Nummern ganz gut ertragen ließen, wenn sie nicht so lange dauerten und es auch gute Nummern im Programm gab. Tja, war nett gedacht, konnte an diesem Abend aber nicht umgesetzt werden. Es gab nämlich keine schwächeren Nummern. Das Programm erwies sich als sehr gut, kurzweilig, stimmungsvoll und brachte einen kräftigen Hauch von Wintergarten-Varieté nach Köln-Kalk. Einzig das RIFU-Sextett fiel da etwas raus. Es war eine engagierte Hobby-Oldie-Band, die ich persönlich mit ihrer Skiffle- und Bluesmusik lieber auf einem Straßenfest hören würde als in einem Varieté- und Kleinkunstprogramm. Aber da sie die Pausen zwischen den Auftritten mit unterhaltender Musik füllten, zählten sie gar nicht richtig zum Programm.

Im Programm waren:

Fourschlag – drei Herren, die mit Händen, Füßen und Schirmen auf ihren Köpfen, Bäuchen und herumstehenden Kisten alle Arten von Rhythmen erzeugten und dabei unglaublich schnell und präzise waren. Ich staunte und fand es sehr klasse. “Die sind echt gut”, lobte auch mein Gatte anerkennend, der es als langjähriger Schlagzeuger wissen musste. Zudem waren sie in ihrer hingebungsvollen und ernsthaften Arbeitsweise ein optischer Genuss.

Tillmann Courth – mit Ausschnitten aus seinem neuen Programm “Deutsch, aber glücklich”, das 2006 Premiere haben wird. Sehr schnell, scharf, witzig, souverän – ein Vergnügen, ihm zuzuhören. Es ging um Ein-Euro-Jobs, die Papst-Bejubelung und um Handys, die wie Frösche quaken. Treffende Rundumschläge, denen das Publikum aufmerksam, locker und immer wieder lachend folgte.

Juliane Scharwitzky – eine 17jährige Artistin vom Zirkus ‘Wibbelstetz’, die eine andere, verzauberte Welt in den Raum brachte. Zu sanfter Musik turnte sie an einem blauen, weichen Tuch bis zur Saaldecke und wirkte dabei so zart und verletzlich, dass man vergaß, wie viele Muskeln dazu aktiviert werden mussten. Wunderschön! Dass sie kein Wort sprach, sondern nur leicht lächelte, machte die Sache noch unrealer und zauberhafter. Ein leiser, wunderbar ergänzender Programmpunkt zu den lauten, witzigen Sachen.

Martin Reinl.  – OK, ich gebe es zu. Ich muss mich mit den Küchenrollen total vertan haben. Der Hund Wiwaldi ist nicht die Ausnahme in seinem Programm, Martin Reinl ist der Knaller. Ein dickes Sorry an ihn und an die Küchenrollen. Ich habe Tränen gelacht und war nur begeistert. Nicht nur die verschiedenen Handpuppen waren originell und süß, auch die Nummern waren gut durchdacht, präzise und witzig, und auch in der Mimik und im spontanen Dialog mit dem Publikum war Martin Reinl zum Weglachen gut.  Wirklich super! 

Irene Schwarz – führte als Moderatorin durch den Abend und griff auch selber zum Akkordeon, um Lieder im Stil von Claire Waldorff oder Otto Reutter zu singen. Im Fernsehen ist sie als Gattin des ‘Hausmeisters Krause’ zu sehen, aber da erkenne ich sie kaum wieder und sehe nur einen Bruchteil ihres Könnens. Auf der Bühne ist sie richtig zu erleben. Temperament- und humorvoll führte sie durch den Abend, nahm locker Kontakt mit dem Publikum auf und trug durch ihre persönliche Art viel dazu bei, dass sich die Zuschauer sehr wohl und fast wie zu Hause fühlten. Und ihre gesungenen Lieder waren einfach klasse.

Am Ende des sehr gelungenen Abends gab es ein laut und sehr zufrieden applaudierendes Publikum, lachende Künstler auf der Bühne und eine lächelnde, von innen strahlende Veranstalterin. Eine schöne Premiere. Bleibt zu wünschen, dass zur nächsten Schäl Sick Show im Mai 2006 noch mehr Zuschauer den Weg ins Kalker Bürgerhaus finden. Es lohnt sich ganz bestimmt, einen Abend mit viel Programm und unterschiedlichsten Künstlern anzusehen. Und vielleicht finden sich dann auch die ersten Zuschauer ein, die wirklich aus Köln-Kalk kommen, und nicht nur Zugereiste aus dem linksrheinischen Teil, aus Euskirchen, der Eifel und anderer, weit weg von Kalk gelegenen Bereiche.