Stoppok – Solo – 17.12.2004 – Köln
Kulturkirche, Köln
Zum vierten Mal erlebte ich Stefan Stoppok live, und jedes Mal war es ein ganz anderes Konzert. Mal mit Band, mal im Duo mit dem Bassisten Worthy, mal gemeinsam mit Purple Schulz und Josef Piek und jetzt mal ganz alleine. Ich hatte schon vorher überhaupt keine Zweifel, dass mir der Abend mit seinem Solo-Programm gut gefallen würde, denn Stoppok und seine Gitarre waren die Grundessenz seiner Musik, die durch andere Musiker nur ergänzt, aber nicht entscheidend verändert wurde.
Der Veranstaltungsort war etwas ungewöhnlich, denn es war eine richtige Kirche, die auch als solche genutzt wurde. In den Zeiten zwischen den Gottesdiensten fanden kulturelle Veranstaltungen statt, bei denen der Altar nach hinten gerückt und manchmal sogar die Kirchenbänke weggeräumt wurden. Bei Stoppok blieben sie allerdings stehen und waren die Sitzplätze. Es war schon ein etwas seltsames Gefühl in einer hohen, hölzernen Kirchenbank zu sitzen, ein kühles Getränk in der Hand zu halten, auf eine Kanzel zu blicken und auf den Beginn eines Stoppok-Konzertes zu warten. Das kühle Getränk musste übrigens in der Hand bleiben, weil die Gebetbuchablage an der Kirchenbank extrem schräg war und damit zwar praktisch zum Liedtextablesen, aber total ungeeignet zum Abstellen von Gläsern war.
Stefan Stoppok kam aus der seitlichen Sakristei auf die Bühne und wurde mit begeistertem Applaus empfangen. Die Kirche war knackevoll und viele der Besucher waren erfahrene Fans. “Dankeschön”, begrüßte er die Anwesenden. “Schön hier, ob Kirche oder nicht.” Er grinste breit und schob hinterher: “Ich find’s überall schön.”
Er begann mit “Fan von”, sang mit seiner so wunderbar schnodderigen Stimme, und es waren drei Gitarren zu hören. Mindestens. Unglaublich! Wie kann dieser Mensch ganz alleine auf einer Gitarre spielen und sich dabei nach einer Gruppe anhören? Er spielte gleichzeitig Bassbegleitung, Rhythmus und manchmal sogar Leadstimme. Dabei wackelte er zwar im Rhythmus leicht hin und her, auch die rechte Hand war sehr in Bewegung, aber insgesamt sah das ganz einfach und lässig aus. Total klasse! Allerdings war die Akustik in der Kirche etwas grenzwertig, weil es natürlich hallig war. Ich saß recht weit vorne, so dass ich die meisten Texte verstehen konnte, aber vermutlich war das hinten schon etwas verwischter.
Zwischen seinen Liedern gab Stoppok seine wunderbaren Kommentare ab. Gelabere der Spitzenklasse, oft in hoher Perfektion unsinnig, meist frei erfunden, aber so charmant und überzeugend gebracht, dass es für mich ein wichtiger Teil seiner Konzerte geworden ist. Ich liebe es und könnte mich manchmal weglachen, mit wieviel Augenzwinkern und echter Freude er lange über die seltsamsten Themen reden kann. Während die Zuhörer bei den Liedern sehr ruhig und aufmerksam blieben und höchstens mal mitklatschten, sahen einige in den locker verquatschten Zwischenteilen die Aufforderung, selber ihre Kommentare zu geben. Es gab laute Einrufe und Bemerkungen, die manchmal witzig, aber oft auch nur störend waren. Hin und wieder ging Stoppok grinsend darauf ein, manchmal überhörte er sie aber auch einfach, weil die Gefahr bestand, dass es ausuferte. Mitten in einer Liedansage, er begleitete sich schon mit den ersten Akkorden auf der Gitarre, kam ein lauter Zwischenruf, der ihn das Lied abbrechen ließ. “Was?”, fragte er interessiert in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Als die Antwort dann aber völlig blöd war, grinste er kopfschüttelnd zu den anderen Zuschauern: “Soll man gar nicht drauf eingehen, auf so Zwischenrufe.”
Das Programm war eine Mischung aus älteren und neuen Stücken. Mal witzig, mal ruhig und eindringlich. Besonders “Mülldeponie” mit dem Refrain “Wie viel Müll kann man schlucken” fand ich sehr gut. Dazu kam auch eine Mandoline zum Einsatz, die einen sehr interessanten, neuen Klang brachte. Meistens spielte Stoppok auf einer seiner Gitarren, war dabei sehr konzentriert, schloss oft die Augen und schien manchmal in der Musik zu versinken. Er machte keine halben Sachen, kein seichtes Geklimper, sondern war voll bei der Sache. Wenn er sang, dann sehr intensiv und mit starker Ausdruckskraft, so dass er immer echt und authentisch wirkte.
Er wollte diese Musik machen und seine Texte auf diese Art singen, und es gab eine Menge von Zuhörern, denen das gefiel. Aber wenn es die nicht gäbe, würde er trotzdem so singen. “Meine Karriere beruht auf Penetranz – einfach weitermachen!”, erwähnte er zwischendurch mal. Nach der Pause war im hinteren Kirchenbereich an der dort aufgestellten Theke noch viel zu tun. Gläser wurden eingesammelt, klirrend abgestellt und laut hörbar gespült. Stoppok verzögerte den Beginn seines zweiten Teiles mit einer längeren Erzählphase, um noch etwas Zeit zu geben, aber der Lärm hörte nicht auf. Schließlich fragte er zur Theke hin: “Stört das da hinten die Konzentration, wenn ich hier weitermache?” Die Zuschauer lachten, aber das Gläsergeklirre bleib unverändert laut. Er zuckte die Schultern und grinste: “Wenn sich keiner beschwert da hinten, dann mach ich einfach weiter mit meiner Performance.”
Während das leichte Klirren aneinanderstoßender Gläser und hin und wieder das laute Zerspringen von Gläsern auf dem Steinfußboden der Kirche die Musik untermalten, spielte er weiter. Wunderbarerweise hörte ich ihm so konzentriert und gebannt zu, dass mir die Nebengeräusche zwar auffielen, mich aber nicht wirklich vom Gesang und dem unglaublichen Gitarrenspiel ablenken konnten. Stoppok brauchte wirklich keine Band, sondern spielte alles, was zu den Liedern gehörte, alleine. Mit dem Fuß stampfte er manchmal auf den Boden, um den Rhythmus zu betonen, und ich dachte: “Wenn er sich genauso in eine Fußgängerzone setzen würde, würden die Leute stehen bleiben, weil die Musik und seine Stimme absolut faszinierend und einzigartig sind. Der ist nicht auf Technik und musikalische Unterstützung angewiesen.” Ist ja vielleicht auch beruhigend für ihn, dass ich ihm in der Fußgängerzone sofort zwei Euro in den Gitarrenkoffer schmeißen würde. Oder sogar drei.
Immer wieder kramte Stoppok zwischen den Liedern in einer Metalldose, um ein passendes Plektron zu finden und quatschte dabei locker über verschiedene Themen. Oft über die Gründe, warum er ohne seine Band auf Solo-Tour war, aber bis zum Schluss ernteten seine ernsthaft vorgetragenen Erklärungen immer nur Gelächter und wurden nicht geglaubt. OK – dass die Bandkollegen als Tester von Stringtangas aus Naturkordel irgendwann Verwundungen davongetragen hatten, die vorläufig ein Auftreten auf der Bühne unmöglich machten, war nachvollziehbar, aber dass ausgerechnet Stoppok heil davongekommen war, weil seine Mutter während der Schwangerschaft Kortisonsalbe benutzt hatte…? Ich grinste breit und vergnügt und könnte ihm auch mal einen Abend lang in einem ‘Solo-Programm ohne Gitarre’ zuhören.
“Kennengelernt” hatte ich Stoppok, als ein Freund, der netterweise auch bei diesem Konzert wieder dabei war, mir vor einigen Jahren auf einer CD das Lied “Zwischen TwenTours und Seniorenpass” vorgespielt hatte. Ich war sofort von der eigentümlichen Stimme fasziniert und Stoppok-infiziert. Schön, dass das Lied auch bei diesem Konzert im Programm war, diesmal sogar ganz außergewöhnlich auf einem Banjo begleitet. Nach Aussage von Stoppok war ein Banjo ganz einfach zu spielen und die Begleitung damit viel leichter als mit einer Gitarre.
Er führte ein paar Töne vor, näherte sich den passenden Akkorden, und als das Lied in den Anfängen zu erkennen war, beugte sich der besagte Freund rüber und flüsterte grinsend: “Da ist DEIN Lied.” Ja, das war es, weil es das “Einsteigerlied” gewesen war. Ich mochte es auch immer noch sehr gerne, aber inzwischen kannte ich noch andere Lieder von Stoppok, die mich mit eindringlichen Textzeilen und wunderbaren Melodien berührten. Der tat immer schnodderig, war aber eigentlich ein sehr ruhiger, ernsthafter Mensch mit viel Humor. Ernsthaftigkeit und Humor schließen sich dabei überhaupt nicht aus, sind aber das Gegenteil von Albernheit und platten Witzchen.
Bei der Ansage zu “Learning by burning” sprach Stoppok über verschiedene Erziehungsstile und grinste plötzlich breit: “Ich finde, man sollte die Kinder einfach ERZIEHEN, dann kommt’s auch nicht zu so Zwischenfällen!” und guckte dabei zum lautesten, störendsten Rufer hinüber. Der spontane, kräftige Applaus des Publikums stellte den Rufer für den Rest des Abends ruhig. “Learning by burning” war superschnell. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass die Gitarre den Gesang überholen könnte, aber sie blieben dann doch immer auf gleicher Höhe. Der Text war sehr gut zu verstehen und sowohl Alt-, als auch Neuhörer hatten eine Menge Spaß. Es gab großen Jubel, Stoppok verabschiedete sich, wurde natürlich wieder rausgeklatscht und gab noch Zugaben.
Das Ende machte “Tage wie dieser”, das die jubelnde Stimmung in eine ruhig lächelnde Atmosphäre veränderte und Stoppok dann auch gehen ließ. Hätte er allerdings noch weitergemacht, wären die Zuschauer auch noch begeistert geblieben. Ich persönlich hatte noch nicht genug, obwohl der Abend zeitlich gesehen lang gewesen war. Ein tolles Konzert, ein toller Stoppok, ich habe die Band nicht vermisst und bin gespannt auf das nächste, vielleicht schon wieder ganz andere Konzert mit ihm. Aber so lange er und seine Gitarre dabei sind, wird der Abend auf jeden Fall gut, davon bin ich überzeugt.