Cover me 2004 – 01.12.2004 – Köln
Dirk Bach, Biggy van Blond, Lucy Diakovska, Katja Ebstein, Bernd von Fehrn, Tommy Krappweis, Ralph Morgenstern, Overground, Juliette Schoppmann, Barbara Schöneberger, Isabel Trimborn, Isabel Varell, Pe Werner, Ades Zabel, Ehrenfelder Kinderchor, Begleitagentur.
Limelight, Köln
Zum dritten Mal hatte Dirk Bach eingeladen, und die Liste der auftretenden Künstler war lang. Sie alle waren dabei, um am Welt-Aids-Tag mit ihrem Auftritt im Kölner Limelight Geld für das Kölner Lebenshaus zu sammeln. Dass der Abend einfach gut werden musste, war mir schon vorher klar. Wie im letzten Jahr würde die Begleitagentur Musik machen, zu der die Künstler einzeln oder in Gruppen gecoverte Lieder singen würden.
Das schöne Limelight-Theater, ein altes, belgisches Militärkasino mit viel Stil, war knackevoll. Es hatte nummerierte Sitz- und unnummerierte Stehplatzkarten gegeben, und außerdem noch die Möglichkeit vorher im Restaurantbereich ein Menü zu sich zu nehmen. Kurz vor Beginn der Vorstellung schwirrten die Stimmen von vielen Unterhaltungen durch den Saal und die Atmosphäre war freudig gespannt. Es war ein wunderbares Mit- und Durcheinander von Heteros, Homos, Fangruppen einzelner Künstler, jüngeren und älteren Zuschauern. Es gab niemanden, der sich an diesem Ort unpassend fühlte. Mir gefiel das ausgesprochen gut, weil es so völlig selbstverständlich war. Jeder wurde so akzeptiert wie er war und es war unwichtig, ob man einen der Künstler besonders toll fand, auf Männer oder Frauen stand und ob man das zeigte oder nicht. Es war eine große unverkrampfte Akzeptanz da, so wie ich sie mir im täglichen Leben wünsche.
Das Saallicht erlosch und während der große Bühnenvorhang aufging, hörte man schon die vertraute Anfangsmusik der Kinderserie “Flipper”. Der Blick auf die Bühne zeigte einen 16-köpfigen Kinderchor, der in seiner Kleidung wie aus den 60er Jahren importiert aussah. Weinrote Jacke, dunkler Rock oder dunkle Hose, weiße Kniestrümpfe und schwarze Schuhe. Sie sahen sehr brav aus und waren nicht verkleidet, sondern echt. Vor ihnen kniete Dirk Bach, der in dieser Position genauso groß wie der jüngste Sänger war, und lächelte ins Publikum. Er hatte einen bunten, leicht flatterigen Anzug an, bei dem die farblich passenden Schuhe, rechts rot, links blau, die perfekte Ergänzung waren. Alle zusammen setzten singend ein, und der Klang der Kinderstimmen erinnerte mich sofort an frühere Fernsehstunden. Total süß!
Kurz vor dem Ende des Liedes bildeten einige Kinder einen Kreis um Dirk Bach, der inzwischen aufgestanden war, fassten sich an den Händen und tanzten um ihn herum. Bei der letzten Zeile huschten sie in ihre Reihe zurück, das vertraute Lied war fertig und der Applaus fing an. Plötzlich dröhnte die Musik rockig los und Dirk röhrte den Refrain. Er sprang dabei herum, hüpfte von rechts nach links und warf sich schließlich vor den Kindern auf die Knie und bog den Oberkörper rockstarmäßig erst nach vorne, dann nach hinten, was zu meiner großen Freude bei einigen Kindern völlig verblüffte Blicke auslöste. Sehr witzig, dieser Kontrast. Nach dem letzten Ton gab es großen Beifall für diese tolle Anfangsnummer.
Am Bühnenrand gab es wieder die Gebärdendolmetscherinnen, die mit klar akzentuierten Bewegungen simultan übersetzten und sich dabei abwechselten. Auch für Hörende war es hochinteressant und manchmal sehr vergnüglich sie dabei zu beobachten. Toll, dass sie fester Bestandteil der Show waren!
Dirk Bach stellte nach dem Abklingen des Applauses den Ehrenfelder Kinderchor vor und bedankte sich sehr nett bei den Kindern. Dann kniete er sich wieder vor den jüngsten Sänger, „der hat ja ungefähr meine Größe“, hielt ihm das Mikrofon hin und fragte: “Hat es euch Freude gemacht?” Der Junge blieb verlegen stumm. „Warst du zufrieden?“, setzte Dirk Bach freundlich nach. Es blieb einen Moment lang ruhig, dann kam ein schüchternes und wenig aussagekräftiges: „Mmmh“.
Der Kinderchor verließ unter Applaus die Bühne, und Dirk Bach erzählte etwas über die Idee der Cover me-Konzerte, dass es klein angefangen hatte und in diesem Jahr zum dritten Mal stattfand. Dabei war er vom vorherigen Herumgehüpfe noch etwas kurzatmig. „Mein Gott”, stöhnte er plötzlich, “das war doch nur Flipper! Wie kann man da so außer Atem sein?“
Über den Gast des nächsten Programmpunktes freute ich mich sehr. Es war Isabel Varell, die Dirk als „die amtierende Dschungelprinzessin“ ankündigte. Sie stürmte lachend und temperamentvoll auf die Bühne und hatte dabei ein Boah!-Sowas- von-Lederkleid an. Lang, schwarz, geschnürt und mit einem Beinausschnitt bis zur Hüfte. Darunter waren schwarze Overknee-Lackstiefel zu sehen. Von der Kleidung her ziemlich verrucht, aber ihr breites, ansteckendes Lachen und ihre positive Ausstrahlung machten den Eindruck dann doch viel ungefährlicher. Sie sang “How will ein know”, und die Stimme war leicht rau, wie etwas erkältet, aber das passte in diesem Fall sehr gut zum Lied.
Die Scheinwerfer folgten ihr, als sie ins Publikum lief und sich bei diversen Herren kurz auf dem Schoß niederließ, die das alle klasse fanden und freudig grinsten. Es kam so viel Energie rüber, dass einem beim Zugucken fast die Luft wegblieb. Mit Jubelrufen und großem Applaus wurde sie vom Publikum verabschiedet. Dirk Bach guckte ihr liebevoll nach und erklärte dann lächelnd: “Sie ist ja nicht nur eine großartige Sängerin und Komödiantin, sie hat auch Désirée Nick überlebt. Auch das ist nicht unerheblich.”
Das Programm ging weiter mit Juliette Schoppmann. Sie kam auf die Bühne, zeigte viel Bein und viel Ausschnitt. Leichte, jazzige Gitarrenklänge und ein vorsichtiger Besen-Drum-Rhythmus begleiteten sie genau richtig bei “Saving all my love for you.” Sie sang mal leicht, mal kraftvoll, jazzig, ein bisschen um die Töne kreiselnd, so wie Mariah Carey das vor Jahren mal eingeführt hatte, aber im Gegensatz zu vielen anderen, beherrschte sie das. Sehr schön!
Ades Zabel und Biggy van Blond kamen danach als Duo auf die Bühne. Ades Zabel als etwas plumpere Lehrerin Adessa in rosa Kostüm, Biggy van Blond als Stewardess mit Wahnsinnsfigur. Optisch ein ziemlicher Kontrast. Mein Mann war von der Stewardess begeistert, aber auch etwas verunsichert. Was für Beine! Schmal, lang… eine tolle Frau, aber konnte es sein, dass das eigentlich ein Mann war?
Die beiden Damen auf der Bühne unterhielten sich über das Fliegen und ich fand es sehr kurzweilig und wirklich nett wie sie das machten. Dann stellte Adessa ihre große, rosa Handtasche ab und sie sangen mit Musikbegleitung: „Come fly with me“. Wie passend! Die Band spielte Las-Vegas-jazzig, aber schnell fiel auf, dass Adessa nicht live sang. Ades Zabel erklärte danach sofort: “Wie Sie sicher mitbekommen haben: Wir haben Sie etwas an der Nase herumgeführt.” Er zeigte auf den Sänger der Backgroundgruppe: “Meinen Part hat Michèl gesungen.” Angeblich hatte er Probleme mit der Stimme, denn er hätte im Flugzeug Staub aus den ungesäuberten Sauerstoffmasken mitbekommen und dazu noch Obstfliegen geschluckt. Ich wusste nicht, ob ich ihm das glauben sollte, tat es dann aber nicht.
Dirk Bach kam und verkündete: “Was für Madonna die Playbackband – das sind für uns die Background Stars!” und wies auf Lisa Ruland, Maria Giorgou und Michèl Felgner hin, die von der Kölner Hochschule für Musik waren und die stimmlichen Hintergrundbegleitungen übernahmen. Sie traten ebenso wie die Bandmitglieder, die Künstler und alle Helfer umsonst auf, um eine möglichst große Spendensumme zu ermöglichen.
Dirk Bach zählte auch die vielen Sponsoren auf, von denen die Preise für die Tombola zur Verfügung gestellt worden waren, so dass jedes Los garantiert einen Gewinn brachte. Dann bat er einen Vertreter von FORD auf die Bühne, die außerdem noch Wagen zur Verfügung gestellt hatten, um die Künstler zwischen Hotel und Auftrittsort zu bewegen. Dirk Bach fand den Einsatz klasse und fragte sich: “Wieso fahr ich keinen Ford? Oder fahr ich doch Ford??” Er wandte sich ans Publikum: “Ich habe ein großes, blaues Auto. Vielleicht ist es ein Ford. Ich werd mal schauen.”
Nach einer Scheckübergabe von Ford für das Lebenshaus ging es mit Ralph Morgenstern weiter. Er trug einen glitzernden Anzug mit wildem Muster, sang “Er gehört zu mir”, und das Publikum setzte passend und manchmal schön schief mit “Nananaanaa” oder “Uhuhuuuu” ein. Eine tolle Stimmung. Die wollten alle Spaß haben und bekamen ihn.
Gleich danach kam Pe Werner auf die Bühne und war Anneliese, eine Putzfrau. Sie hatte Lockenwickler im Haar, einen bunten Baumwoll-Kittel an, Gummihandschuhe an den Händen und eine Klobürste in der Tasche. Der Kittel war äußerst kurz und trotz der wenig reizvollen Kniestrümpfe sah es gut aus. Mit hessischem Akzent und zwischendurch in einer Art Sprechgesang brachte sie “Männer” und wirkte dabei wirklich wie eine quatschende Putzfrau. Superwitzig! Am Ende sammelte sie die vorher weggeworfenen Handschuhe und Putzzutaten schnell wieder auf und verließ die Bühne. Das Publikum jubelte laut und begeistert.
Dirk Bach kündigte als nächsten Gast Tommy Krappweis an, der aus “RTL- Samstagnacht” bekannt war und “Bernd, das Brot” erfunden hatte. Er kam mit einer Gitarre auf die Bühne, die erstmal verkabelt werden musste. Das klappte nicht sofort, und Tommy improvisierte eine kleine Rede an einem anscheinend defekten Mikrofon, das einige Vokale bei der Übertragung verschluckte. So wurde sehr witzig die Zeit überbrückt, bis die Gitarre einsatzbereit war. Wunderbar! Aber dann ging’s. Schon nach wenigen Takten war klar: Der konnte hervorragend singen, klasse Gitarre spielen und war eigentlich ein Musiker, wie man unschwer hören konnte. Wow! “Staying alive” als Rockversion, sehr groovig gespielt und mit einer Stimme gesungen, die manchmal ein bisschen an Elvis erinnerte.
Und dann bekam er noch eine Partnerin. Barbara Schöneberger kam in weich fließendem, roten Kleid, und “Staying alive” wurde nun in einer ganz soften und langsamen Version gebracht. Sehr schön, und auch Barbara Schöneberger konnte gut singen. Ich fand sie auch sonst klasse, weil sie einerseits so natürlich und immer lachbereit ist, andererseits gewaltigen Sexappeal hat. Ein Vamp zum Pferdestehlen sozusagen.
Es gab viel Beifall nach der Nummer, und diesmal verließen die beiden Darsteller die Bühne nicht sofort, um dem Nächsten Platz zu machen, sondern Dirk Bach kam dazu und erklärte, dass wegen einiger krankheitsbedingter Absagen das Programm kurzfristig etwas ausgebaut worden sei.
Er blickte zu Tommy und Barbara und begann: “Ihr habt euch eben zusammengesetzt und…“ Tommy Krappweis ergänzte sofort: ”…einen Song komponiert”, woraufhin alle loslachten. Zusammen mit den Background Stars sangen die Beiden das “thematisch passende Lied für unsere Kranken”: “Fever”. Barbara Schöneberger war wunderbar lasziv, und Tommy Krappweis hatte sogar seine Jacke ausgezogen, obwohl das Lied viel ruhiger, als das vorherige war, aber vermutlich war das Thema heißer.
Die Begleitagentur erwies sich schon wieder als vielseitig und konnte sogar ein jazziges Saxophon bieten. In der Begleitagentur spielten Roger Schaffrath (Bandleitung, Gitarre), Ebasa (Trompete), Klaus Tenner (Keyboards), Josef Kirschgen (Drums), Felix Petry (Saxofon) und Eberhard Schröder (Bass).
Dirk Bach erklärte danach die Krankheitsausfälle etwas näher: “Elli, Gitte und Lilo Wanders sind wegen Grippe kurzfristig ausgefallen. Sie sind furchtbar traurig, aber auch so unter Drogen – da geht gar nichts mehr. Die müssen liegen bleiben.” Er sprach von weggebliebenen Stimmen und überlegte, in welcher Stadt die jeweilige Kranke jetzt lag. Es war allen klar, dass die Drei die kurzfristigen Absagen nur gemacht hatten, weil es wirklich nicht anders ging. Aber im Verlauf des ursprünglich geplanten Programmes gab es dadurch natürlich Lücken, die kurzfristig ausgefüllt werden mussten. Dirk freute sich: “Aber wozu hat man so tolle Künstler und so eine tolle Band? Schon tun sich ganz neue, wunderbare Nummern auf.”
Isabel Trimborn und Ebasa, der Trompeter der Beleitagentur, kamen als “fahrende Musikanten” und sahen sehr schlagermäßig aus. 70er-Jahre Fönfrisur bei ihm, hochgetürmte Haare und ein cowboy- dirndl- ähnliches Kleid bei ihr. Ebasa spielte zwischendurch Trompete, das Publikum klatschte mit und zeigte, dass es nicht unbedingt auf hochwertiges Liedgut ankam, sondern auf den Spaß.
Dann war der Mann dran, ohne den es ‘Cover me’ nicht gäbe, wie Dirk Bach betonte. Bernd von Fehrn hatte die ganze Veranstaltung organisiert und behielt auch hinter der Bühne alles im Griff. Vor allem seine Nerven. Mit ihm kam Pe Werner und zusammen waren sie die halben Abbas, nämlich Agnetha und Anna-Frid. In schrillen, rosa Bühnenklamotten sangen sie “S.O.S” und hörten sich nicht nur toll an, sondern sahen auch so aus.
Mit begeistertem Applaus wurde anschließend Katja Ebstein empfangen. Zu Klavierbegleitung sang sie “My way” in einer deutschen Berlin-Version und stand dabei schmal, zierlich, fast mädchenhaft, aber mit endlos langen Beinen und kraftvoller Stimme vor dem Mikrofon. Es war sehr klasse, auch wenn die lustige Cover-Party plötzlich anspruchsvoll und seriös wurde. In die Idee der Cover me-Konzerte passte es aber und brachte eine weitere Farbe in den bunten Abend. Anschließend rezitierte sie mit geübter Stimme ein Weihnachtsgedicht von Erich Kästner und schloss mit dem Kreisler-Stück “Weihnachten ist eine schöne Zeit.” Mit viel Beifall wurde sie verabschiedet, und die Pause war dran.
Sehr zufrieden nutzten die meisten Zuschauer die Pause, um sich mit Getränken zu versorgen, doch noch mal ein Los zu kaufen, oder sich gegenseitig Bilder von Lucy Dikovska zu zeigen. Das Letzte galt aber eigentlich nur für die Fangruppe von Lucy. Andere Gruppen zeigten sich wohl eher andere Bilder.
Nach einer angemessenen Zeit ging das Saallicht wieder aus und das Bühnenlicht an. Zu sehen waren sechs Herren, von denen fünf auf Barhockern saßen. Ein tolles Bild! Jeder hatte ein anderes Kostüm an und sie sangen zusammen “YMCA”. Links, stehend, Dirk Bach als singender Polizist, dann sitzend Biggy van Blond als sexy Indianerin, Ades Zabel als Lederfrau, Tommy Krappweis als Cowboy, Ralph Morgenstern als Soldat und Bernd von Fehrn als Bauarbeiter.
Auf Notenständern vor ihnen lagen Textblätter, denn die Nummer war ganz schnell eingeübt worden, um die krankheitsbedingten Lücken im Programm zu füllen. Man merkte ihr das nicht an, denn sie war richtig klasse geworden. Zu den letzten Refrains sprangen die vorher auf den Stühlen wippenden Sänger auf und tanzten zum Teil sehr temperamentvoll und mit viel Spaß auf der Bühne. Die Freude war ansteckend, was aber eigentlich nicht nötig war, denn auch im Publikum war die Stimmung schon lange super.
Auch die Background Stars hatten Gelegenheit sich mit einem eigenen Stück zu präsentieren. Zu “De do do do, De da da da” konnte jeder einen Solopart singen, und der Michèl Felgner bekam Extraapplaus, als er sich tanzend umdrehte und mit dem Hintern wackelte, was ein wenig bärig unbeholfen, dafür aber umso netter und niedlicher wirkte.
Dirk Bach kam regenbogig bunt gekleidet an und erklärte, dass das vorherige Lied eigentlich Gitte Haenning hätte singen wollen. Aber sie war ja krank. Er fuhr fort: “Das nächste Lied hätte eigentlich Elli singen sollen, aber da ist die Stimme leider heute Morgen zusammengebrochen. Unsere Goldkehlchen Juliette und Pe haben sich nicht lange bitten lassen…” Jubel kam auf, und die beiden traten sehr figurbetont gekleidet auf und sangen “Nothing compares 2 U”. Beide Stimmen waren sehr sauber und kraftvoll und dazu leicht jazzig. Pe Werners Stimme war etwas tiefer und voller, Juliette Schoppmann sang höher und zarter. Die Kombination passte und hörte sich superklasse an.
Die Zuschauer reagierten begeistert mit langem Gejubel und Zugaberufen und wollten mehr. Half aber nichts, das Programm musste weitergehen. Dirk Bach staunte: „Wenn Menschen singen können, haben die das sofort eingeübt. Wie schnell das geht! Die haben das erst heute Mittag geprobt! Ich kann das gar nicht verstehen …“
Optisch ungefähr in die 60er, akustisch in die 80er ging es mit “What have I done to deserve this?”. Isabel Varell kam im rosa Strickwaren-Hosenanzug und Bernd von Fehrn in kultig engen Sachen, mit denen er auf jede In-Party käme. Allerdings fiel auf, dass seine Hose an delikater Stelle ziemlich ausgefüllt war. Vielleicht hatte die Putzfrau Anneliese dort ihren Putzlappen reingestopft, was aber nur eine Vermutung von mir war.
Auf der Bühne ging es beim Singen zunächst betont reserviert und steif ab. Plötzlich wurde es lebhafter. Isabel gab ein paar Geldscheine an ihren Partner, kniete sich vor ihn hin und begann ihn auszuziehen, doch schon als die Jacke weg war, warfen sich die beiden übereinander auf den Boden und wälzten sich singend herum. Eine Monitorbox schützte minderjährige Zuschauer vor frühreifen Sichtschäden und nahm auch den meisten Erwachsenen die interessanten Einblicke. Erschöpft und ineinander verknotet blieben die beiden am Ende des Liedes auf der Bühne liegen. Dirk Bach kam langsam näher und fragte vorsichtig: “Müssen wir da jetzt was machen? Irgendwas mit kaltem Wasser?“
Isabel hatte Bernd mächtig gefordert, und er sah fertig und völlig geschafft aus, als er mit ernstem Gesichtsausdruck fluchtartig die Bühne verließ und dabei das Geld an sich presste. Und auch Isabel guckte angriffslustig, als sie stumm an Dirk Bach vorbei die Bühne verließ, woraufhin er nur ein vorsichtiges: „Ouh!“ ausstieß. „Wieso bist du eigentlich nicht Dschungelkönigin geworden?“ rief Dirk Isabel hinterher. „Mein Gott, mit DER Energie!“
Er sagte die nächste Künstlerin an, erwähnte, dass sie Mitglied der erfolgreichsten deutschen Popgruppe gewesen sei, eine Stimme aus dem Publikum rief begeistert: “Lucy!!”, und es kam schon wieder ein Energiebündel auf die Bühne gehopst. Prinzipiell bin ich ja gegen diese ganzen Superstar-Suchereien, bei denen man ein Star ist, ehe man was geleistet hat, aber ich muss zugeben, dass einige der Leute wirklich singen können. Lucy Diakovska, früher Mitglied bei den “No Angels” gehörte eindeutig dazu. Schmal und burschikos hüpfte sie voller Temperament über die Bühne, blieb keinen Augenblick lang wirklich ruhig, und ihre kleinen Kringellöckchen wippten noch mehr als sie. “River Deep, Mountain High” sang sie mit toller Stimme, und das Publikum reagierte begeistert.
Bei einer kurzen Zwischenmoderation sprach Dirk Bach danach von einem Lied und einer Künstlerin, und wie toll das sei, wenn die Künstlerin anwesend sei, wenn man das Lied singen würde, und Lucy erklärte näher, um was es ging: “Vor ungefähr ein bisschen über 20 Jahren hat Europa eine ganz tolle Botschaft mitgekriegt. Es geht um Wunder, und Wunder können immer geschehen… “ Jubel aus dem Publikum, das natürlich bei so vielen Hinweisen schnell kombinierte, dass das Lied “Wunder gibt es immer wieder” war, dass die ursprüngliche Interpretin Katja Ebstein anwesend war, und dass Lucy das jetzt singen würde. Und so war es auch.
Kraftvoll und mit sehr viel Energie sang Lucy und das Publikum sang an vielen Stellen laut mit. Der ganze Saal war voll mit lauter Musik. Am Ende klatschten die Zuschauer wild und riefen nach einer Zugabe. Katja Ebstein kam auf die Bühne, umarmte Lucy und reichte ihr eine Rose. Die Band setzte wieder ein, und Lucy sang den Refrain mit der Unterstützung des Publikums erneut, während am Rand der Bühne Katja Ebstein und Dirk Bach standen und ihr lächelnd zusahen.
Dirk kam mit einem ganz anderen Thema: “So ein schöner, ein großer Moment, und ich komme jetzt mit einem Auto, das abgeschleppt wird.” Er las vor: “Der Halter des Kraftfahrzeuges, … ich weiß jetzt nicht, ob AK Autokennzeichnen heißen soll …?“ Ein Zuruf aus der Band kam, und er sagte ungläubig: “Ach, der Wagen ist groß und blau?? Das is’n Witz!” und lachte los. “Aber es könnte sein. Ich kenn’ das Kennzeichen meines Wagens nicht. Genauso wenig wie die Marke.“ Er las vor: “AK-TS 123” und grinste: “Falls es ein Auto mit dem Kennzeichen AK-TS 123 gibt: Das ist jetzt weg! Und selbst wenn es ein Autokennzeichen hat, dass nur TS 123 lautet: Das wird jetzt AUCH abgeschleppt.” Im Saal rührte sich nichts. Eindringlich betonte er: “Also es ist weg!”, und fragte besorgt: “Steht jetzt jemand auf?” Eine Frau drängte sich durch eine der vorderen Reihen. Er fragte sofort: “SIE sind das? Sie eilen dem Ausgang entgegen?”, und dann erleichtert: “Das ist schön! Ich bin sehr beruhigt. Es ist nicht MEIN Auto!”
Weil Mia wegen einer Tour nicht kommen konnte, hatte sie extra ein Video geschickt, das über zwei seitliche Leinwände eingespielt wurde. Das war ganz nett, brachte aber natürlich nicht die Stimmung, die bei den Live-Acts sofort rüberkam. Es war eher wie eine Pausenunterhaltung.
Isabel Varell, Pe Werner und Juliette Schoppmann kamen in sehr extravaganten Kostümen und mit mächtige Perücken auf dem Kopf und sangen “Lady Marmalade”. Dabei bewegten sie sich rotlichtmilieugemäß sehr lasziv und zum Teil eindeutig zweideutig. Es war sehr klasse. Dirk Bach kommentierte danach: “Ich bin so froh, ihr Lieben, dass ihr nicht denselben Fehler wie Christina Aguilera und Pink gemacht und das Lied nuttig angelegt habt.” Die Zuschauer lachten fröhlich los.
Drei schwarze Sängerinnen kamen als die ‘Supremes’ auf die Bühne, hatten kaffeebraune Gesichter, schwarze Haare und lange, glitzernde Kleider. Es waren Biggy van Blond, Ades Zabel und Ralph Morgenstern und sie sangen “Stop in the name of love” in der deutschen Fassung: “Was hab ich dir getan”. Die Choreografie bestach besonders durch ihre Unperfektion, die irgendwie zum Gesang passte. War jetzt nett ausgedrückt, aber auch nett gemeint. Es war total witzig und gut und nicht nötig, dass es perfekt gesungen wurde. Große Klasse mit all den liebenswerten Fehlerchen. Ich hatte Spaß und grinste die ganze Zeit über sehr vergnügt und zufrieden. Die Sache und der Spaß daran zählte und machte die Veranstaltung so schön.
Elfie Scho-Antwerpes, die Vorsitzende der Kölner Aids-Hilfe, kam auf die Bühne und zählte auf, wo an diesem Abend wieviel gespendet und gesammelt worden war. Alleine der Losverkauf im Limelight hatte schon 13000 Euro gebracht. “Nicht schlecht“ staunte Dirk Bach und blickte anerkennend ins Publikum: “Das waren SIE!” Er tat verwundert: “Sie hatten so viel Geld dabei??”
Elfie Sho-Antwerpes dankte Dirk Bach für die Idee von ‘Cover me’ und Bernd von Fehrn für die Organisation und Planung, und die beiden nahmen den großen Applaus des Publikums fast ein wenig verlegen an.
Es ging auf den Schluss der Veranstaltung zu. Dirk Bach kündigte das Weihnachtslied-Finale an: “In diesem Jahr von unseren jüngsten Künstlern. Vom Ehrenfelder Kinderchor mal abgesehen.” Der Kinderchor war längst durch den Hinterausgang verschwunden und von verschiedenen Muttis wieder nach Hause gebracht worden, und die angekündigte junge Gruppe war Overground. Vier junge Männer, auch durch eine Casting-Show zueinander gefunden, stellten sich nebeneinander hinter Standmikrofonen auf und sangen “Last Christmas”. Ein wunderschönes Lied, bei dem es mir sofort weihnachtlich zumute wurde.
Nach dem Schlusston kam Dirk Bach, rief: “Das war Cover me 2004!” und zählte die Namen aller beteiligter Künstler auf, die alle auf die Bühne kamen. Bis auf den Ehrenfelder Kinderchor natürlich. Es folgten viele Mitarbeiter aus dem Hintergrund und die Bühne wurde voll.
Das Schlussbild sah grandios aus. Eng gedrängte, lachende Menschen, die zusammen immer wieder den Refrain von “Last Christmas” sangen und dabei glücklich und sehr zufrieden aussahen. Die Farben der Kostüme leuchteten, die drei Supremes machten ziemlich synchrone Armbewegungen, die sie ganz einfach von ihrem vorgeführten Lied auf das Finallied übertragen hatten, und es wurden Rosen und kleine Stofftiere verteilt.
Am linken Rand standen die drei Gebärdendolmetscherinnen, die den ganzen Abend über mit so viel Energie übersetzt hatten, Arm in Arm, und die Äußere übersetzte unstoppbar den Refrain bei jedem weiteren Durchgang mit ihrem noch freien Arm. Total klasse! Die Zuschauer hatte es von ihren Stühlen gerissen, und es war eine große, wirklich schöne Finalnummer. Der Abschluss eines gelungenen, superschönen Abends.
Langer Beifall klang nach dem letzten Ton durch den Saal, Pfiffe und Zugaberufe. “Vielen Dank, gute Nacht. Bis zum nächsten Jahr!” rief Dirk Bach, und die Künstler warfen die gerade erst erhaltenen Rosen mit Schwung ins Publikum. Winkend gingen die meisten Künstler ab, das Saallicht leuchtete auf, und Musik vom Band gab zu verstehen, dass die Veranstaltung zu Ende war.
Während die meisten Zuschauer sich langsam auf den Weg zum Ausgang machten, kam Juliette zu ihrer Fangruppe vor der Bühne, gab Autogramme und ließ sich fotografieren. Lucy versuchte angestrengt ihrer Fangruppe etwas weiter hinten im Saal mit Winken und lautem Pfeifen klar zu machen, dass sie da wäre und auf sie warten würde, aber die Lucy-Fans waren so in das Betrachten von Lucy-Bildern vertieft, dass sie das erst mitbekamen, als jemand hinging und ihnen Bescheid gab. Alles löste sich langsam auf, die Mitarbeiter des Limelights begannen die Stühle zu rücken und die Gläser einzusammeln, und in einer Ecke machten die Jungs von Overground mit ein paar Freunden ganz locker eine Art Breakdance-Übungen. Ringherum entspannte, wunderbar gute Laune. Kein Wunder, bei so einem rundum schönen Abend.