Wise Guys - 31.08.2003 - Comedia - Köln

Schon am Nachmittag standen die ersten Besucher vor der Comedia, und als um 18 Uhr die Tür geöffnet wurde, füllte sich das Foyer stetig. Es gab keine festen Sitzplatzkarten und so galt: Wer früh ansteht, sitzt vorne. Manche Besucher waren hibbelig und aufgedreht, weil sie sich auf das Konzert freuten, aber keiner von ihnen war nur annähernd so nervös wie die Wise Guys. Diese hatten nach langen, konzertfreien Sommerwochen am gestrigen und halben heutigen Tag mit viel Arbeit, in langen Stunden und unter dem Regie-Kommando von Mark Britton ihr Bühnenkonzept deutlich geändert. Es gab neue Gänge, veränderte Standpositionen und viele Light-Spots, für die man zu einem genau festgelegten Zeitpunkt an der richtigen Stelle stehen musste. Ob sich die vielen Anweisungen an der richtigen Stelle, zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Lied auch abrufen lassen würden, oder ob beim ersten Auftritt alles durcheinander gehen würde, war die spannende Frage. Nach zwei Tagen intensivster Probe waren die Köpfe übervoll, die Konzentrationsfähigkeit fast verschwunden und die Wise Guys eigentlich urlaubsreif.

Konzertbeginn.
Der Saal war voll, das Saallicht ging aus und die Wise Guys kamen langsam auf die Bühne. Nicht im dynamischen Laufschritt wie früher, was an der Regie, ihrer größeren Reife oder dem anstrengenden Wochenende gelegen haben könnte. Das Publikum freute sich mit viel Applaus und klatschte auch noch begeistert weiter, als die Wise Guys sich schon eng nebeneinander aufgestellt hatten und darauf warteten, dass sie mit dem ersten Lied beginnen konnten. Ziemlich plötzlich brach der Applaus ab und sie setzten sofort mit einer ruhigen Tonfolge ein. Gespannte Stille, denn das war eindeutig der Anfang von einem neuen Lied. Es hieß Weil ich ein Kölner bin, war leise, sanft und hochdeutsch. Dän setzte mit der Leadstimme ein und war hörbar nervös. Es merkten sicher nicht alle, aber vielen regelmäßigen Konzertbesuchern fiel auf, dass er härter und unruhiger als gewöhnlich sang. Das war man von ihm nicht gewohnt. Das Licht war ganz ruhig, die Wise Guys standen still nebeneinander, es gab kaum Bewegung, nur Däns Hände gestikulierten sanft. Obwohl das Lied ganz ruhig war, ging eine ungewöhnliche Anspannung von der Gruppe aus, die man im Zuschauerraum merken konnte. Für mich erstaunlich, wurde an manchen Textstellen fast zu laut gelacht, aber es beruhigte die Wise Guys sichtlich, dass solche positiven Reaktionen kamen.

In der zweiten Strophe hatte Dän plötzlich einen Texthänger. Er brach mitten im Satz ab, machte einen Schritt zur Seite, lächelte etwas hilflos und hatte in diesem Moment überhaupt keine Ahnung, wie es weitergehen könnte. Blöderweise konnte ja nicht mal das Publikum mit der passenden Zeile aushelfen, weil keiner den Text kannte. Die Zuschauer lachten mitfühlend und applaudierten freundlich, aber die Wise Guys mussten mitten im Lied abbrechen. Es wurde leise, aber Dän überlegte immer noch angestrengt und sagte halblaut: “Ich weiß überhaupt nicht, wie’s weitergeht”, Eddi schlug in beruhigendem Tonfall vor: “Wir fangen nochmal mit der zweiten Strophe an, dann wird’s dir schon einfallen.” Sari gab schon mal den Ton an, und Däns Hirn arbeitete sichtlich auf Höchsttouren, bis er plötzlich mit einem erleichterten: “Aaaah!” reagierte, was erneutes Gelächter auslöste.

Für einen Künstler auf der Bühne ist ein Komplettausfall mit Abbruch so ziemlich das Schlimmste, was passieren kann. Mir tat Dän in diesem Moment total leid, weil ich wusste, dass er sich darüber ärgerte. Andererseits war ich mir sicher, dass ab da die übergroße Anspannung verschwunden sein würde. Nach dieser Panne konnte es kaum noch schlimmer kommen, der Rest des Programmes würde mit einer ganz anderen inneren Einstellung gemeistert werden. Was war jetzt noch schlimm, wenn mal einer nicht unter dem richtigen Spot stand? Die Wise Guys setzten mit der zweiten Strophe nochmal an, das Publikum wurde immer stiller, neben mir hörte ich zwei Frauen ein schmelzendes: “Schööön” flüstern, die Töne füllten den Raum, und in den Schlusston hinein gab es jubelnden Applaus. Trotz des Hängers eine gelungene  Premiere.

Ein wunderschönes neues Lied, aber wie würde es jetzt weitergehen? Würden die Wise Guys mit einem komplett neuen Programm auf der Bühne stehen? Vor der monatelangen Pause hatte ich gerüchteweise vernommen, dass sie gar keinen Urlaub machen wollten, wie sie immer offiziell verkündeten, sondern intensiv neue Lieder schreiben, an Choreographien arbeiten und ein funkelnagelneues Programm auf die Beine stellen würden. Ich war begeistert von der Idee und kündigte im März an, dass ich in diesem Fall ab September mitreisen und bei allen Konzerten dabei sein würde, um die neuen Sachen richtig gut kennenzulernen. Daraufhin fuhren sie plötzlich alle doch in Urlaub und Eddi nach Heidelberg, um ein Semester Theologie zu studieren. Schade, denn damit blieb ihnen überhaupt nicht genug Zeit, um heimlich an neuen Sachen zu proben und ich hatte keinen Grund, sie wochenlang zu begleiten.

Auf der Bühne blieb es abgedunkelt, bis man plötzlich Eddi den Anfang von Ruf doch mal an singen hörte. Das Licht knallte an und die Wise Guys standen an völlig anderen Stellen auf der Bühne verteilt und fetzten los. Ein sehr eindrucksvoller Übergang, der die Frage aufwarf: Wie haben die im Dunklen so schnell ihre neuen Positionen finden können? Für eine Antwort blieb keine Zeit, denn das Publikum klatschte sofort mit und wurde von der vielen Bewegung auf der Bühne von allen weiteren Fragen abgelenkt.

Heftiger Applaus am Ende des Liedes, und Dän begrüßte das Publikum: “Hallo, schönen guten Abend, Köln. Wir sind die Wise Guys”, was lachend aufgenommen wurde. Er war etwas außer Atem vom Herumhüpfen und Springen, holte tief Luft und bat das Publikum, an diesem Abend zwischen den einzelnen Stücken etwas länger zu klatschen. “Das braucht man einfach ... wir hatten fünf Monate lang Pause.” Er erklärte über den Texthänger im ersten Lied: “Diese Pause in der Mitte, wo gesprochen wurde, gehört eigentlich nicht zum Lied dazu.” Außerdem erzählte er, dass Mark Britton die Wise Guys und das Technikteam zwei Tage lang 24 Stunden gequält hätte mit tausenden von winzigkleinen Veränderungen. “Wir müssen hundertausend kleine Dinge beachten, die man im Publikum eigentlich gar nicht wahrnimmt. Das ist der Grundgedanke von Regie. Das wussten wir vorher auch nicht.”

Bei Kinder war die Choreographie etwas ruhiger geworden, so dass nicht mehr an mehreren Stellen gleichzeitig etwas geschah, sondern der Blick ganz klar auf die jeweils aktive Stelle gelenkt wurde. Clemens zog Eddi bei der Zankszene heftig am Zopf, was vom Publikum fröhlich registriert wurde. 

Trotz der vielen Änderungen gab es eine Konstante, wie Dän erklärte, das war die Zuschauerbefragung. “Die machen wir, bis es eines Tages heißt: Die Wise Guys ... (Pause, und dann ganz dumpf weitergesprochen) ... gibt es nicht mehr.” Leichtes Entsetzen und angehaltene Luft im Publikum, fragende Blicke auf der Bühne, und Dän betonte schnell, dass das keine Ankündigung sei, sondern nur die Folge davon, wenn einem klar würde, dass die fünfmonatige Pause zu Ende ginge. Einige Zuschauer ließen die angehaltene Luft erleichtert nach draußen.

Erstaunlicherweise gab es ziemlich viele Erst-Konzertbesucher, bei der Frage nach zehn und mehr Konzerten zeigten die ersten Reihen fast komplett auf. Bei mehr als 50 Konzertbesuchen meldeten sich nur noch wenige Leute, dafür aber das komplette Technikteam. Nur ein Teil der Besucher war aus Köln, bei der Frage nach mehr als 300 km Anreisestrecke zeigten immer noch einige Besucher auf. Dän suchte sich jemanden raus. “Woher?” “Schleswig-Holstein” war die Antwort einer Frauenstimme. Dän grinste: “Wir sind auch bald wieder in Kiel. Aber da ist es wohl zu langweilig so nah.” Die Zuschauerin korrigierte freundlich, aber bestimmt in norddeutschem Tonfall: “Neumünsteer und Hamburch, nich Kiel.” Dän imitierte im gleichen Tonfall: “Ja, rrichtig. Neumünsteer und Hamburch.” Sehr witzig. Schön war auch, dass ich die Zuschauerin vorher kennengelernt hatte und wusste, dass es ihr erstes Live-Konzert war. Bis nach Köln gefahren und gleich während des Konzertes mit Dän geschnackt, das muss ihr mal einer nachmachen!

Eddi sagte in wenigen Sätzen kurz und knapp Du bist dabei an und sang locker und mit Spaß die Leadstimme. Die komplizierte Tanzeinlage von Clemens, Sari und Dän wurde bejubelt und ihr plötzlicher Hüftschwung brachte die Damen an die Grenze der Selbstbeherrschung. Wow! Das Publikum jubelte und ließ raus, was monatelang ruhen musste.

Danach der Dialog. Das Licht war sanft, Clemens ging in langsamen Schritten über die Bühne und war sehr schön emotional. Er wirkte ruhig und nachdenklich, als ob er sich in diesem Augenblick der Stille Gedanken über sein Leben machen würde, wurde heftiger, dann wieder ruhiger. Sehr überzeugend. Der Background stand fast unbeweglich in schwachem Licht und begleitete wunderbar. Wirklich toll! Der Applaus platzte los und zeigte, dass es sehr gut angekommen war.

Heftiger ging es mit Was für eine Nacht weiter. Hier waren die Veränderungen in der Choreographie sehr schön zu sehen. Sari litt bei den Strophen sichtlich unter den Nachwirkungen einer langen, durchfeierten Nacht. Langsam und angestrengt bewegte er sich und man konnte seinen dicken Kopf fast selber spüren. Im Kontrast dazu fetzte der Refrain los, die Scheinwerfer leuchteten springend auf und Sari durchtanzte fit und aufgedreht die letzte Nacht. Superklasse!

Die nächste Ansage machte Clemens. Er sprach von den vergangenen fünf Monaten. “Zeit zum Entspannen, Zeit für Urlaub. Jeder von uns hat Urlaub gemacht. Manche fünf Monate, manche zwei Monate.” Er warf einen ernsten Blick ins Publikum. “Ich war so blöd nur zwei Wochen zu machen.” Nicht unbedingt positiv erwähnte er seinen Job als Mathelehrer, den er vor den Ferien gemacht hatte. Mir fiel sofort ein, dass eines seiner Schulkinder im Wise Guys Gästebuch beleidigt geklagt hatte, weil er ihnen am Schluss nicht genug Autogramme gegeben hatte. Da hat er wohl nicht oft genug im Matheunterricht gesungen, lieb gelächelt und seine Show abgezogen, der Herr Tewinkel, was? Kann man das kleinste gemeinsame Vielfach und die Division denn nicht singend erklären? Na, jetzt konnte er wenigstens sehnsüchtig die Sonnencremeküsse ansagen, die dann sanft durch die Comedia klangen.

Das Publikum war übrigens sehr gut drauf. Es gab lauten Jubel, wenn eine Stelle besonders gut war, aber auch ganz ruhiges Zuhören, wenn leise Stücke kamen. Bis auf ein paar störende Zwischenrufe während der Moderationen am Anfang, die Dän allerdings komplett ignorierte, waren die Zuschauer sehr positiv gestimmt, nicht zu aufgedreht und insgesamt sehr verlässlich in ihren Reaktionen. Wunderbar so ein Publikum am ersten Abend zu haben!

Dän erklärte, dass die Wise Guys ein paar Songs rausgeschmissen, und an ihrer Stelle ein paar andere alte Nummern reingenommen hätten. Die neuen Lieder wären ja leider noch nicht fertig. Eines dieser neu reingekommenen, alten Lieder würden sie jetzt singen. Allerdings schränkte er ein: “Die Zuschauer fanden es nie so toll.” Auch bei der Sendung ‘Geld oder Liebe’ sei es ihnen damals energisch ausgeredet worden. - Das war ja ein toller Einstieg! Das Publikum war gespannt und freute sich über Die Frau hat Rhythmus, bei der Eddi sehr temperamentvoll und ... sagen wir mal ... ungewöhnlich tanzte. Die Zuschauer jubelten und sahen ihm fasziniert zu.

Als der Endapplaus aufgehört hatte, sagte Dän ernst: “Nachdem man jetzt gerade Eddis Tanzeinlage gesehen hat, erinnert man sich auch wieder, warum es uns bei ‘Geld oder Liebe’ ausgeredet wurde.” Kurz danach begann er in der Moderation mit dem Witz aus einer Kölner Tageszeitung. Seine Kollegen, die diesen schon oft bei den Auftritten vor der Pause gehört hatten, versanken in eine dumpfe Haltung und warteten auf den vertrauten Gag. Aber diesmal wurde es plötzlich anders und die beiden letzten Sätze waren komplett neu. Völlig überrumpelt lachten nicht nur die Zuschauer, sondern auch die vier anderen Wise Guys los und Dän grinste zufrieden ins Publikum. Sehr witzig. Der Witz und die Überraschung.

Bei der Powerfrau hetzte Sari über die Bühne, um alles zu erledigen, was seiner Frau gefallen könnte. Diese große Hektik war neu in der Choreographie, aber mir gefiel sie sehr gut. Er rannte durchs Leben und kam sichtlich nur zur Ruhe, als er verzweifelt und mit hilflos hängenden Schultern auf dem Boden hockte. Ich hatte gleich großes Mitleid mit ihm, aber am Schluss richtete er sich wieder auf und hatte doch noch eine große Portion Power. Sehr beruhigend.

“Nach dem nächsten Lied machen wir eine Pause”, kündigte Dän an. “Diese Pause wird heute für uns interessanter als für Sie. Wir werden hinter den Kulissen einiges zu besprechen haben. Es geht um die Strafe für den Texthänger.” Er redete noch etwas weiter und erklärte dann, dass er nur so viel erzähle, um die Zeit zu füllen. “Wir müssen in einem zeitlichen Plan bleiben. Alles ist auf die hundertstel Sekunde festgelegt. Darum auch der kleine Versprecher im ersten Lied, weil das zu kurz geworden wäre, weil wir zu schnell angefangen hatten.” Es gab Gelächter und Applaus vom amüsierten Publikum.

Als Dän in der Ansage vom Fußball redete, war schon klar, dass das letzte Lied im ersten Teil Deutscher Meister sein musste. Von Anfang an gab es ein leichtes, sanftes Mitsingen im Saal, das sich sehr schön anhörte, weil es leise, aber trotzdem überall präsent war. Der Refrain wurde lauter mitgesungen und in vielen Reihen setzte das Schunkeln ein. Es war eben mitten in Köln und ein Heimspiel. Clemens spielte am Schluss eine fiktive, triumphierend schmetternde Bachtrompete, und der letzte Ton des Liedes versank in lautem Applaus und Gejubel. Aber es ging noch weiter. Irritiert wurden die Zuschauer leiser, als sie merkten, dass die Wise Guys unerwartet weitersangen, aber die Wise Guys waren ebenso irritiert, weil sie weitersingen wollten, ihre eigenen Töne aber im lauten Applaus nicht hören konnten. Bei der Probe hatte an dieser Stelle nie jemand laut geklatscht. Dann klappte es bei leiserem Publikum aber doch und sie zogen, den Refrain pfeifend und prustend, begleitet vom rhythmischen Klatschen des Publikums, von der Bühne ab.

- Pause -

Vielleicht brach Dän in der Garderobe weinend zusammen, musste den Kollegen zur Strafe für den Texthänger die Schuhe zubinden oder ihnen am nächsten Morgen Frühstück ans Bett bringen. Keine Ahnung. Er kam immerhin zur zweiten Konzerthälfte äußerlich gefasst auf die Bühne zurück. Allerdings in Schwarz gekleidet, aber das waren die anderen auch. Mehr oder weniger. Zunächst konnte man das aber nur erahnen, denn zu Beginn des Auftrittes blieb es im Zuschauerraum und auf der Bühne dunkel. Schemenhaft konnten die Zuschauer erkennen, dass sich etwas auf der Bühne tat, aber erst mit den ersten Tönen von Das wär’s gewesen gingen die Scheinwerfer an und die Wise Guys standen ruhig singend auf ihren Positionen, was sehr wirkungsvoll war und beim Publikum freudige Reaktionen auslöste. Das melancholische Lied wirkte ebenso wie das sparsam, aber gezielt eingesetzte Licht, und am Ende gab es einen sehr langen Applaus. Schön.

Dän wies sofort auf die dunkle Bühnenkleidung hin. Alle waren komplett schwarz gekleidet, außer Clemens. Der hatte unter seinem mit kleinen Rissen verzierten, schwarzen Hemd ein weißes T-Shirt mit schwarzen, streifenartigen Flecken an. Dän wollte das öffentlich zur Diskussion stellen. “Soll er das weiße T-Shirt tragen, oder lieber nichts darunter?” Er bat die Zuschauer in der Comedia um E-mails an Clemens, die er selber zur Strafe für den Texthänger alle beantworten würde.

Die Chocolate Chip Cookies sollten die Herzen der Frauen brechen und das taten sie wohl auch. Was soll ich da noch sagen? Backende Männer können so sexy sein! Zu Hause merkt man das vielleicht nicht so, weil die dann keinen Spot haben und nicht so mit den Hüften kreisen, sondern eher das Mehl verschütten, aber was sich hier auf der Bühne beim Plätzchenbacken abspielte, war schon heiß. Bei Ferenc’ kleiner Solostelle flippten die meisten Frauen komplett aus und stießen schrille Schreie aus. Ein voller Erfolg.

Noch im Applaus teilte Clemens an seine Kollegen die vertrauten Schlaginstrumente aus, die den Kenner sofort auf Meine heiße Liebe schließen ließ. Eddi sagte noch schnell “den Oldie der Woche” an und betonte, dass das eine Möglichkeit für billige Gags gewesen wäre, auf die er heute aber verzichtet hätte, woraufhin Ferenc spontan laut auflachen musste und sich grinsend wegdrehte. Die ‘heiße Liebe’ war zwar ein Oldie, mir aber immer noch sehr vertraut, und ich beobachtete vergnügt, wie Dän Ferenc reizte, indem ihn lange ernst anstarrte oder ins Ohr sang, bis der grinsen musste.

Ohne weitere Ansage ging es mit Die Bahn kommt weiter. Ist ja sowieso eines meiner Herzenslieder und ich freute mich, dass es an diesem Abend auch einige Leute überzeugte, die es bis dahin nur von der CD kannten und es dort nicht als so eindringlich empfunden hatten. Ich war allerdings schon beim ersten Hören hin und weg gewesen. Das Lied war sehr schön, die ruhige Choreographie passend, auch wenn ich mir einen etwas anderen Mittelteil wünschen würde, was ich dem zuständigen Regisseur nach der Show schon mitgeteilt habe. (Da freuen sich Regisseure immer, wenn Zuschauer kommen und sagen: “War schön, aber ich hätte da einen anderen Vorschlag.”) Zum Ende des Liedes drehten sich die Wise Guys alle langsam zum Publikum und Dän stand hell angeleuchtet in der Mitte. Sah klasse aus. Also das Gesamtbild, nicht nur Dän. Aber der natürlich auch.
Es gab viel Applaus. Das Lied trifft einfach einen Nerv und bleibt im Ohr.

Die überarbeitete Choreographie war auch bei Zu schön für diese Welt zu erkennen. Ganz ungewöhnlich standen die Leadsänger zunächst hinten, es groovte voll los, der Rhythmus hämmerte und es gab viel Bewegung zu sehen. Eddi und Sari standen manchmal ganz nah beieinander und wirkten wie zwei gute Freunde, die begeistert von einer Frau erzählten und sich dabei fast gegenseitig ins Wort fielen. Sehr gut gemacht. Am Ende standen Eddi, Clemens und Sari als Dreiergruppe in der Mitte der Bühne, und da sie eng zusammenstanden und sich zur Musik bewegten, sahen sie wie eine Figur mit drei Köpfen und sechs Armen aus. Sehr fetzig, temperamentvoll und total gut. Voll die krasse Nummer, würde ich fast sagen, aber ich verkneif es mir.

Eddi quietschte bei Du Doof so heftig los, dass ich alleine davon einen unbändigen Lachdrang bekam. Dän hämmerte den Rhythmus, Ferenc gab diesen tollen, heiseren, dunklen Bass dazu, Clemens amüsierte sich über Eddi, Sari war supercool und Eddi superblöd. Klasse! Das Publikum lachte zwischendurch laut und klatschte am Ende begeistert. Auf der Bühne blieb es dunkel, Saris Stimmpfeife war kurz zu hören, dann knallten nacheinander verschiedene Spots an und Sing mal wieder ging mit flackernden Lichtern und mitreißendem Rhythmus los. Die Zuschauer klatschten wild auf 2 und 4 mit und sangen dann im Mitsingteil kräftig und sicher die von Eddi vorgesungenen Melodien nach. Es war manchmal etwas kompliziert und es gab eine Menge langer Töne, aber an diesem Abend konnte das Publikum nicht überfordert werden. Dän lobte die vielen Mitsänger im Anschluss für die “homogenen Töne” und stellte fest: “Das war ein Lied, das uns sehr viel Spaß gemacht hat, bis Eddi am Tanzbrunnen die Aktion mit den 24 Takten angefangen hat.” (Ich will jetzt nicht so besserwisserisch ankommen, aber es waren nur langgezogene Töne über 4 Takte. Da Dän keine Musik studiert hat, im Prinzip also so etwas wie ein Autodidakt oder Laienmusiker ist, muss er das auch nicht unbedingt wissen. Klappt ja bisher auch so ganz schön mit seinen Liedern.)

King of the road ging nett, aber zu leise und zu mager los. Das Schnippen war fast lauter als Däns Bass, und Ferenc war auch schon mal kräftiger zu hören. Es ging, aber es hätte in der Abmischung von Anfang an voller und eindrucksvoller sein müssen. Schade, denn gerade bei diesem Lied finde ich, dass der Ton kräftig und satt eingestellt werden muss. Trotzdem kam es gut an, was auch an Ferenc und seiner Hauptstimme lag. Er blickte locker ins Publikum, lachte, guckte grimmig und stand am Ende von einem einsamen Spot beleuchtet und von Applaus umbrandet in der Mitte der Bühne.

Das Bühnenlicht ging wieder an, die anderen Vier standen säuerlich am Rand und der Beifall hörte nicht auf. Ferenc ging an die Seite, um einen Schluck Wasser zu trinken, die vier Kollegen guckten immer noch säuerlich, und in den ersten Reihen gab es eine La-Ola-Welle. Der Applaus wurde schneller, es gab Fußgetrampel dazu und eine zweite La-Ola-Welle.

Nach fast zweieinhalb Minuten hörte der Beifall endlich auf und Dän sagte etwas reserviert: “Wir hatten eigentlich gehofft, dass Sie im Verlauf der fünf Monate reifer geworden sind. Allerdings war es nicht mehr ganz so lange wie früher.” Er warf einen kurzen Blick zu Ferenc: “Na ja, man kann sich ja nicht ewig an der Spitze halten.”

Noch so gerade im Programm, “... aber auch dieses Lied wird in nächster Zeit in hohem Bogen durch Köln-Sülz fliegen”, war Schlag mich baby. Von mir schon sehr oft gesehen, aber immer noch geliebt. Ich grinste wieder mal breit beim Zusehen und genoss es, so lange es noch dabei war. Im Schlussteil gab es plötzlich eindrucksvollen Nebel, der dann aber doch etwas viel wurde, so dass Sari ihn völlig unchoreografiert mit der Hand wegwedeln musste. Das Schlussbild wurde von hinten weiß angestrahlt, was mit den restlichen Nebelfetzen sehr toll aussah.

Es gab Getrampel, Gejohle und Begeisterung bei den Zuschauern, Verbeugung und Abgang bei den Wise Guys. Natürlich kamen sie nach einiger Zeit zurück und starteten sofort mit Rasier dich. Witzigerweise machte die ‘Kappelle’ im Hintergrund einen sichtlich genervten Eindruck, so als ob das Paar Ferenc und Sari schon stundenlang die Tanzfläche blockierte und ein Ende nicht abzusehen war. Beide Hauptpersonen hatten intensiven Blickkontakt und die Zuschauer johlten begeistert. Es gab neue Solo-Pirouetten, die zeigten, dass die beiden wirklich ein Problem in ihrer Beziehung haben mussten, und am Ende vergaß Ferenc eine gemeinsame Drehung, während sich alle anderen drehten, und lachte plötzlich los. Sehr, sehr schön.

Im Endapplaus wurde es dunkel und plötzlich erklangen die ersten Töne von Golden Eye. Ein Licht ging blau und schwach auf der Bühne an, und es war ein superguter Effekt, dass die Wise Guys regungslos auf ihren neuen Positionen standen und sangen. Damit hatte keiner gerechnet und es kam toll an. Das Licht war auch später sparsam mit Strahlern eingesetzt und dadurch wirkte Eddi doppelt so gefährlich, als er auf einen vorderen Spot zukroch und das Gesicht hart beleuchtet wurde. Als eventuell späterer Pfarrer sollte er sich mit so einem Passbild dann mal lieber nicht bewerben. Sein Gesicht war knallweiß, stechende Augen starrten eiskalt und gefährlich, und er sang mit schneidender Stimme. Brrrr!

Das Publikum applaudierte stehend und war völlig begeistert. Wieder verbeugten sich die Wise Guys unter Jubelrufen und Geklatsche, gingen von der Bühne ab und kamen nach einiger Zeit zurück. Jetzt ist Sommer fing an, und die Zuschauer, die sich gerade erst gesetzt hatten, sprangen sofort wieder auf und klatschten mit. Der Nebel auf der Bühne erinnerte mich zwar an Herbst, war aber effektvoll. Mit Schwung und Temperament wurde noch mal richtig angeheizt und das aufgedrehte Publikum forderte nach den letzten Tönen und dem Abgang der Wise Guys eine weitere Zugabe.

Die Bühne blieb dunkel, das Saallicht aber auch, das ließ hoffen. Ganz langsam ging plötzlich das Bühnenlicht an und die Wise Guys standen wie beim ersten Lied eng nebeneinander vorne am Bühnenrand. Ganz ruhig und mit hängenden Armen. Erwartungsvoll wurden die Zuschauer still. Was kam jetzt? Die sahen so ernst aus, das konnte nur einen guten Witz geben, irgendeinen Überraschungs-Knaller. Die ersten sanften Töne erklangen, und der Textanfang “Schlaf ein, ...” von Träum vom Meer war in der aufgeputschten Stimmung so unerwartet, dass er einen lauten Lacher auslöste. Trotzdem wurde es ganz schnell still und vorbildlich leise. Es gab keine Lichteffekte mehr, keinen Nebel, keine großen Bewegungen. Die Zuschauer hörten gebannt dem sanften Lied zu und es war ein richtig schöner Abschluss des Abends. Gegen Ende des Liedes setzte Dän zunächst alleine mit “Du schläfst ...”ein, dann kam Eddi dazu, und im Zuschauerraum war es totenstill. Nur die Gesangstimmen klangen durch den Saal, jeder Räusperer hätte die Atmosphäre zerstört. Es kam auch keiner. Das Publikum war supergut. In den letzten, verklingenden Ton hinein platzte donnernder Applaus und das Bühnenlicht ging aus. Nach einigen Sekunden Dunkelheit dimmte das Saallicht hoch, die Bühne war leer und es war definitiv Schluss. Ein eindrucksvolles Ende. Die Zuschauer akzeptierten es sofort und standen auf, ohne nach weiteren Zugaben zu rufen.

Fazit: Ein tolles, überzeugendes erstes Konzert nach langer Pause. Das neue Regiekonzept ist stimmig, auch wenn an diesem Abend noch nicht alles perfekt geklappt hat. Insgesamt empfinde ich es als einen weiteren Schritt nach oben in der Entwicklung der Show. Es beinhaltet viel optische Abwechslung, gutes Timing und effektvolle Bühnenbilder, aber es ist nicht so perfekt, dass es steril wirkt. Jeder einzelne Wise Guy behält seine Persönlichkeit und Platz für die netten, kleine Improvisationen ist auch noch da. Ich denke, dass sich die Show in den nächsten Wochen entwickeln wird und dann zeigt: Die Wise Guys bleiben was sie sind, nur noch ein Stückchen besser.

 

Einen Bericht über die zwei Tage Regiearbeit mit Mark Britton gibt es  HIER.
 

Weil ich ein Kölner bin
Ruf doch mal an
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Was für eine Nacht
Sonnencremeküsse
Die Frau hat Rhythmus
Powerfrau
Deutscher Meister

Das wär’s gewesen
Chocolate Chip Cookies
Meine heiße Liebe
Die Bahn kommt
Zu schön für diese Welt
Du Doof
Sing mal wieder
King of the road
Schlag mich baby
Rasier dich
Golden Eye
Jetzt ist Sommer
Träum vom Meer