Berichte

Hans Liberg – Neue Show – 29.09.2001 – Düsseldorf

Savoy, Düsseldorf

Ab und zu passiert es, dass mir jemand begeistert von einem Musiker erzählt. Wenn mir dann Schlagwörter wie “total klasse”, “witzig”, “Bach wird Beatles” um die Ohren fliegen und dann meistens ein “Ich weiß nicht mehr, wie der heißt …” folgt, sage ich lässig: “Hans Liberg”. Darauf folgt ein freudiges: “Ja! Das ist er!” und ein anschließendes, meist enttäuschtes: “Du kennst den schon?” Na klar, kenne ich den Niederländer Hans Liberg, der irgendwie immer noch ein Geheimtipp ist, obwohl er seine Programme schon seit Jahren mit viel Erfolg aufführt.

1994 war ich zum ersten Mal bei einem Hans-Liberg-Abend in der Kölner Philharmonie und war begeistert. In diesem Jahr gab es nicht viel Auswahl bei seinen spärlichen Deutschland-Terminen und ich griff sofort zu, als er für das Düsseldorfer Savoy Theater angekündigt wurde. Der Name des Theaters gefiel mir, denn ich dachte sofort an ein Luxushotel, nerzbemäntelte Damen und Kofferträger. Nicht, dass mir das gefallen würde, aber ich liebe Hollywoodfilme, in denen sowas vorkommt. Allerdings war ich erfreut, als ich sah, dass es sich um ein altes Kino handelte. Gepolsterte Sitze in einem ansteigenden Saal mit sehr hoher Decke und einem wunderschön roten Vorhang hinter der Bühne. Klasse. Düsseldorf hatte also auch schöne Ecken zu bieten.

Auf der Bühne stand ein schwarzer Flügel, etwas daneben lagen verschiedene Schlag- und Saiteninstrumente auf dem Boden und am vorderen Bühnenrand stand ein Sampler auf einem Ständer. In diesem kleinen, viereckigen Gerät waren Klänge, Jingels und Musik gespeichert, die auf Tastendruck abgerufen werden konnte. Unverzichtbar für eine Hans-Liberg-Show. Der Saal war natürlich ausverkauft, wie es sich für Geheimtipps gehörte. Ganz, ganz langsam ging das Saallicht aus und der Gatte fragte beunruhigt: “Wird’s dunkel oder wird mir schlecht?”, was seitdem unser Kommentar bei verlöschendem Saallicht ist.

Bei strahlender Helden-Filmmusik kam Hans Liberg herein, sprang in die ersten Zuschauerreihen und begrüßte die Besucher mit persönlichem Handschlag. Unter Gelächter und Geklatsche ging er zurück auf die Bühne, tippte kurz auf den Sampler und die laute Musik hörte unvermittelt und erschreckend plötzlich auf. Amüsiertes Klatschen des Publikums und Hans Liberg grinste, tippte auf den Sampler, die Heldenmusik schmetterte von vorne los und er sprang erneut in die Reihen und begrüßte weiter. Ein sehr lockerer, witziger Anfang.

Dann legte er los, demonstrierte Musikbeispiele am Flügel, fragte das Publikum nach weiteren Vorschlägen und nach nicht mal 10 Minuten war der ganze Saal am Lachen und Mitsingen. Eine wunderbare Stimmung in einem merkbar musikbegeisterten Publikum. (Das Paar vor uns konnte sogar bei Konzertstücken sofort die Tonart sagen!) Hans Liberg schlug vor, dass die Zuschauer den Kanon ‘Bruder Jakob’ singen sollten. Er gab schnell den Einsatz, aber da er keinen Ton angegeben hatte, grummelte der Saal den Anfang des Liedes sehr durcheinander los. Freundlich brach Hans Liberg ab und sagte interessiert: “Sie sind ganz modern. Lieben Sie solche Musik?” Und sofort setzte er sich an den Flügel und demonstrierte ‘Bruder Jakob’ in sehr moderner Version mit Jaulen, Auf-den-Flügel-klopfen und Auf-die-Tasten-setzen. Es gab ein Riesengelächter, besonders als er erklärte, dass diese moderne Musik nicht so populär wäre, weil man sie nicht nachsingen könne. Dann ein Blick ins Publikum und die Ergänzung: “Na, SIE vielleicht!” Nach der Tonangabe klappte es sofort und es kam ein lauter, vierstimmiger Kanon zustande, in den Hans Liberg laut “Kommt ein Vogel geflogen” schmetterte und damit alles in Chaos und Gelächter zusammenbrechen ließ.

Im anschließenden Musik-Quiz zeigte er, wie locker und souverän er das Publikum führen konnte. Es war eine Mitmach-Show, bei der er immer die Zügel in der Hand behielt. Er spielte sehr kurze Liedanfänge und ließ das Publikum weitersingen. Dabei führte aber immer ganz bewusst auf falsche Fährten, seufzte dann: “Ja, Ihre Melodie ist schön, aber falsch”, und spielte anschließend mit dem gleichen Anfang ein anderes Stück. Außerdem endete bei ihm fast alles mit dem Ende vom “Entertainer”. Das aber völlig logisch und in jeder Tonart passend. Grinsender Kommentar von ihm dazu: “Es geht immer gut!” Auch das Vorspiel von “New York, New York” glitt ohne bemerkbaren Übergang in “Raindrops keep falling on my head” und endete mit dem “Entertainer”. Einfach verblüffend gut und hochmusikalisch.

Frage: “Was sollen wir mal von Mozart singen? – Königin der Nacht? – Können Sie die ersten vier Takte mal vorsingen? – Na, mal alle zusammen!” Aus einer Bachfuge wurde plötzlich ein Rock, ging in die Mondscheinsonate über, wurde wieder die Fuge und endete mit dem Entertainer. Im Publikum war gespannte Aufmerksamkeit, um den Wechsel in der Musik mitzubekommen, aber meistens war er im anderen Lied drin, ehe man es bemerkt hatte. Jedes Mal gab es großes Gelächter und manchmal sogar Szenenapplaus. Als er dann von John Miles das wunderschöne “Music” völlig schief und ganz neben dem Ton schmetterte, krümmten sich die Zuschauer vor Lachen in ihren Sesseln. “Das habe ich von Helmut Lotti gelernt”, erklärte er danach grinsend und ergänzte verwundert: “Dass man das darf!” Auch André Rieu blieb nicht verschont, und Hans Liberg demonstrierte wie der Geiger “Take Five” von Brubeck im Dreiviertel-Takt spielt.

Das Publikum wurde von ihm aufmerksam beobachtet und mit amüsierten Blicken bedacht. Wenn Einzellacher auffielen, grinste er: “Sie sind spät!”. Ungewöhnliche Musikvorschläge wurden mit verwundert hochgezogenen Augenbrauen oder auch anerkennendem Nicken kommentiert. Auf seine Frage nach französischen Musikvorschlägen kam der laute Ruf “Charles Aznavour” aus dem Publikum und Hans Liberg antwortete ernst: “Ja, angenehm. Hans Liberg. Sind Sie schon lange da?” Dann spielte er “Je t’aime”, stöhnte laut dazu und rief auffordernd: “Singen Sie mit!” Die Zuschauer stöhnten als Riesenchor mit und er unterbrach sofort und grinste: “Das haben Sie noch nie mit so vielen Leuten gleichzeitig gemacht.” Zwischendurch kamen auch die vielen Instrumente kurz zum Einsatz und Höhepunkt war der laute, fetzige Blues “Ich will meinen Gulden zurück!” auf einer knallgelben E-Gitarre in Euro-Form.

Hans Liberg zeigte, dass er sich in allen Musikrichtungen auskannte. Zum Ende des Programmes begrüßte er eine angeblich spanische Cellistin auf der Bühne, laberte sie auf Pseudospanisch zu, ließ das Publikumfür sie “Valenssssia” vorsingen, rief: “Dossss Taktosss vor!” und begann die Begleitung auf dem Flügel. Die Cellistin spielte völlig schräg, Hans Liberg brach ab und sagte vorwurfsvoll zum Publikum: “Sie hätten es ihr nicht vorsingen dürfen!” Dann ereiferte er sich über “molto falssssa notasss”, behandelte die arme Cellistin ziemlich schlecht, spielte mit ihr ein Stück aus dem ‘Sterbenden Schwan’, bei dem an den schönsten Stellen natürlich lautes Entengekrächze zu hören war, und zusammen ging es wunderbar schräg durch alle Tonlagen. Großes Gejubel, viel Applaus und rhythmisches Geklatsche beim Abgang.

Hans Liberg kam zurück, setzte sich an den Flügel und spielte gleich im passenden Klatschtempo mit. Als Zugabe wanderte er kurz durch die Musikgeschichte. “Haben Sie etwas noch nicht gehört an diesem Abend?” Er erzählte, dass Beethoven viel in der Badewanne komponierte, “Wenn man es nicht hört, ist es egal, wo man sitzt …”, und dass Liszt dasselbe Problem wie Kasparov hatte: “Soll ich mit Schwarz oder Weiß anfangen?” Alles natürlich am Flügel demonstriert und nie ohne Überraschung. Außerdem hörte ich, dass Beethoven die ersten Akkorde von ‘Blue suede shoes’ geschrieben hat, erfuhr, dass es eine “Cellulitis” von J.S. Bach gibt und sogar eine Karaoke-Version der Matthäuspassion. Und fast jedes Lied endet mit dem Schluss vom Entertainer. Da habe ich doch mal wieder was gelernt!

Fazit: Ein toller Abend! Ganz viel Musik, guter Humor, großes musikalisches Können und ein ganz netter, sympathischer Künstler, der offen und locker ist. Hans Liberg reagiert spontan, seine praktischen Ausführungen am Flügel sind überzeugend, sein augenzwinkerndes Grinsen ist total klasse und jede Show fällt etwas anders aus. Der Abend war von vorne bis hinten kurzweilig und voller Erlebnisse.