Berichte

Maybebop – Wünsch dir was – 26.09.2025 – Bonn

Bonn, Pantheon

Am Nachmittag hatte Maybebop im Bonner Pantheon ein einstündiges Kinderkonzert gegeben. Kaum war das beendet und der Saal wieder leer, kamen schon die Zuschauer für das Abendprogramm „Wünsch dir was“. Vermutlich gab es auch einige, die bei „Kinderkram“ zugehört hatten, rausgegangen waren und sich sofort wieder vor die Tür gestellt hatten. Bis zum Einlassbeginn um 19 Uhr gab es eine lange Besucherschlange, die in einem großen Bogen über den Hof lief und neben dem Gebäude aus dem Sichtfeld verschwand.

Die Menge von Zuschauern verteilte sich im großen Pantheon-Saal verblüffend schnell. Vorne, mittig und hinten wurden die Stühle, die rund um kleine Tische standen, gleichmäßig belegt. Obwohl der Raum, eine frühere Fabrikhalle, sehr groß war, war er mit seiner stimmungsvollen, eher sparsamen Innenbeleuchtung und der schönen Dekoration gemütlich. Er hatte die Atmosphäre einer Höhle. Einer sehr großen Höhle. An der Seite reichte ein sehr breites, von hinten beleuchtetes Flaschenregal weit nach oben, und die davor befindliche Bar ließ an mondänes Ausgehen, Champagner, Kultur und Theater denken. Auch wenn es dort neben Cocktails, die stilvoll von einem Barmixer in Silberbechern geschüttelt wurden, vorwiegend Brezeln, Wein, Fritz-Cola, Erdnüsse und Käsestückchen gab. Ein Händchen für Atmosphäre hatten sie im Pantheon.

Kurz vor Konzertbeginn leuchteten die Bodenlampen auf der Bühne in rötlichem Licht auf und im Hintergrund begann eine Nebelmaschine mit der Arbeit. Die Nebelschwaden zogen in den Lichtkegeln in dichten Wolken nach oben und sahen wie ein unangenehmer Schwelbrand aus. Das passte nicht ganz ins Wohlfühlkonzept des Pantheons.

Aber ehe der Saal geräumt wurde, ging das Deckenlicht komplett aus und die Ansage zum Konzert begann. „Willkommen zu: Muss man mögen!“ – Was? Ich hatte doch eine Karte für das Programm „Wünsch dir was“! Hatten die Maybebops ihren Tourplan geändert? Oder völlig vergessen, dass sie heute ein anderes Programm spielen wollten? Ich beruhigte mich selber, dass sie wahrscheinlich nur den aktuellen Ansagetext genommen hatten, weil der gerade da war. Nicht dass ich das „Muss man mögen“-Programm nicht mochte, aber das hatte ich gerade erst vor zwölf Tagen gesehen. Ich besuchte das Konzert in Bonn doch extra, weil es da ein anderes Programm gab.

Das erste Lied begann, die vier Maybebops waren zunächst Avatare auf der Leinwand und sangen Muss man mögen. Oh, das war tatsächlich das Programm, das ich gerade erst gesehen hatte. Schade.

Als sie live singend auf die Bühne kamen, hatte ich mich schon an den Gedanken gewöhnt, dass ich alles nochmal sehen und hören würde und fand es gar nicht schlimm. Als der Begrüßungsapplaus endete, rief Christoph mit seiner Bassstimme: „Gutenn Abennd, Bonnnnn!“ und betonte die Ns sehr wohltönend. Oliver erklärte danach, dass es heute Abend das Programm „Muss man mögen PLUS“ gäbe. Hurra, also doch! Die Zuschauer hätten vorher Wünsche äußern können. – Ich wusste zwar, dass man Wünsche äußern konnte, aber da ich so viele Lieder von Maybebop gut fand, wären meine Wünsche wohl auf ein Vier-Stunden-Konzert hinausgelaufen. Da konnte ich mich ebenso gut raushalten, andere wünschen lassen und hatte alles dabei, was ich gerne hörte. – „Wir haben für heute Abend viele Wünsche bekommen“, sagte Oliver und betonte: „VIELE Wünsche. Das spricht dafür, dass es viele Leute gibt, die uns schon gehört haben.“ Christoph wandte ein: „Oder dass die neuen Lieder nicht so gut sind“, was Gelächter im Publikum auslöste.

Los ging es mit Das Beste fürs Kind, bei dem Jan als Vater über die Förderung und ständige Begleitung des bezaubernden Töchterleins Leonie sang, für die er nur das Beste wollte. Der so nett lächelnde Jan mit seiner schönen, schmeichelnden Stimme passte gut zur Rolle des Helikopter-Vaters, der nicht losließ.

Nach dem Applaus erzählte Oliver, dass der Song vor vier Jahren im Programm „Ziellos“ war, von dem ein Konzertfilm im Pantheon aufgenommen wurde. „Für Neuhörer ist das Wünsche-Programm ein Jackpot“, sagte er. „Das ist wie ein Best of.“

Influencer war aus dem aktuellen Programm und ich mochte sehr, wie cool und geschmeidig alle vier auf der Bühne herumsprangen und sich influencig tanzend bewegten. Das passte gut und sah gut aus.

Gegen Ende des Liedes boten sie Fotos mit dem Publikum an, riefen: „Die Selfies gleich bei Insta posten!“ und verteilten sich singend im Saal, wo sie sich mit willigen Zuschauern – meistens -*innen – fotografieren ließen und auch selber fotografierten. Einige Bilder wurden kurz auf die Leinwand übertragen und hatten lustige Filter, die die Gesichter verfremdeten. Das war, auch wenn das gar nicht neu war, doch sehr witzig.

In der Schlusspose des Liedes standen sie alle wieder auf der Bühne und hatten jeweils eine Hand mit geschlossener Faust gehoben, bei der nur der kleine Finger nach oben stand. Das Symbol wurde gleichzeitig als Icon auf der Leinwand gezeigt. Oliver erklärte danach: „Das haben wir uns ausgedacht. Eine hippe Geste, die bekannt werden soll.“ Etwas frustriert ergänzte er: „Bislang ist nichts passiert.“ Er zeigte seine Faust mit dem hochgestreckten Finger und erläuterte: „Soll ein kleines i für Influencer sei.“ Dann winkte er ab: „Ladet es einfach auf mit einer Bedeutung eurer Wahl!“

Das nächste Lied war dran. Oliver guckte vorher zu seinen Kollegen und sagte etwas bedrückt: „Beim nächsten Wunsch denke ich, das hätte ich mir nochmal ansehen sollen.“ Jan nickte zustimmend: „Bei ‚Das Beste fürs Kind‘ bin ich ganz froh, wie es gelaufen ist“. Das Lied vom Nicht-Verstehen wurde von Oliver in der Leadstimme gesungen. Seine Stimme war warm und schön. Im Lied ging es um viele Fragen, die sich Menschen auf der großen, manchmal etwas komplizierten Welt stellen konnten. Der Text kam souverän und ohne Zögern. Also zumindest ich merkte nichts von Lücken. Noch im Applaus gab Lukas Oliver einen lobenden Klopfer auf den Rücken.

Sofort ging es sanft und romantisch mit Frauenname weiter. Lukas sang von der großen Liebe, das Schmalz lief an den Sätzen herunter, und trotz der offensichtlichen Übertreibung war es beim Zuhören wieder herzschmelzend. Außerdem gab es Boygroup-Feelings.

Beim Refrain wedelten Zuschauerarme im Takt mit und Jan rief: „Macht die Handys an!“ Einige, aber nicht sehr viele Handylichter wurden daraufhin angeschaltet und schwenkten mit. Meins nicht. Ehe ich nämlich bei meinem Handy im Halbdunklen bis zur Taschenlampenfunktion durchgescrollt hatte – eine Funktion, die ich sonst nie nutze -, wäre das Lied vorbei. Vermutlich ging das vielen Besuchern so, was vermutlich ein Generationsproblem war. Die Schlusspose der vier Sänger verdeutlichte noch einmal die Problematik der Textaussage.

Es gab Gejohle, Pfiffe und lauten Applaus. Vermutlich fühlten sich einige Frauen trotzdem persönlich angesprochen. Jan bedankte sich beeindruckt: „Oh, danke, das war ein unvergleichliches Lichtermeer! Mindestens 12 Stück.“

Oliver schwenkte eine Volkslieder-CD von Maybebop. „Wir wollen die verschenken. Wer will sie? Für lau! Bedingungslos.“ Mehrere Interessierte meldeten sich, zwei Damen wurden ausgewählt. Eine kam von rechts und hieß Danni, die andere kam von links und war zwei Damen, weil sich beide angesprochen gefühlt hatten. Keine der beiden drehte sich freiwillig um und ging zum Platz zurück, so dass sie kurzentschlossen beide auf die Bühne geholt wurden. Es waren Anja und Petra. „Wir machen ein kleines Quiz mit euch“, erklärte Oliver. „Wir werden jetzt euren Volksliederschatz abrufen. Wir singen euch etwas vor, ihr erkennt die Melodie und wer sie als erstes sagen kann, hat einen Punkt.“ Lukas, Jan und Christoph setzten sich als Buzzer vor die Damen, es gab einen kurzen Buzzertest, der ein Brummen, Pfeifen und Quietschen ergab, und es konnte losgehen.

Zur mehrstimmig gesungenen Melodie von „Auf einem Baum ein Kuckuck“ wurde von den Maybebops laut und sicher der Text von „Ein Vogel wollte Hochzeit machen“ gesungen. Kaum waren sie mit dem kurzen Refrain fertig, drückte Danni den Buzzer und verkündete siegessicher: „Vogelhochzeit“. „Ähm, neeeiin …“, sagte Oliver und guckte Petra an. Die sagte ebenso sicher: „Vogelhochzeit. “ Daraufhin meldete sich Anja und sagte ohne Zögern: „Vogelhochzeit“. Warum wunderte sie sich nicht, dass es zweimal vorher falsch gewesen war? Oliver erklärte langsam und deutlich: „Der Text muss mit der Melodie nicht zwangsläufig zu tun haben. Ihr müsst die Melodie finden!“ Sie starteten nochmal. Die drei Kandidatinnen hörten angestrengt hin, das Publikum sang immer lauter den richtigen Text mit. Fast gleichzeitig ertönten die drei Buzzer, ein Durcheinander von Quietschen, Pfeifen und Brummen. Diesmal wurde richtig aufgelöst. Jan drehte sich nach hinten zu seiner Kandidatin und merkte klagend an: „Du hast alle Auslösemechanismen betätigt. Oben und hinten“, woraufhin Oliver die Kandidatin tadelnd hinwies: „Du musst nicht so doll!“

Vier Runden gingen vorbei, die Kandidatinnen hatten 2 – 1 – 1 Punkte, da kam die fünfte Runde. Der Text war wieder einfach zu erkennen: „Horch, was kommt von draußen rein“. Ich war nicht auf der Bühne, bemühte mich aber auch, die gesungene Melodie schnell zu erkennen, nach Möglichkeit noch vor den Kandidatinnen. Das war diesmal aber ungewöhnlich schwer. Ich versuchte den von Maybebop laut gesungenen Text auszublenden, auf die Melodie zu hören und den ursprünglichen Text dazu zu finden. Aber ich kam immer auf denselben Text, den auch gerade die Maybebops sangen. Häh? Das konnte aber nicht sein, und ich wollte auf keinen Fall blöd reinfallen und jetzt etwas Falsches laut mitsingen. Auch das sonst so schnell eingreifende und immer lauter singende Publikum blieb auffallend lange ruhig. Es dauerte etwas, bis ich darauf kam, dass sie gerade das Originallied mit passendem Text und passender Melodie sangen. Super Idee und grandioser Twist!


Dann kam die Ballade von John Maynard. Christoph sang mit seiner schönen Bassstimme – die zwischendurch erstaunlich hoch gehen konnte – die Stimmen und das Arrangement waren rhythmisch, drängend und spannend. Tatsächlich bekam ich zwischendurch eine Gänsehaut, obwohl ich das Lied schon mehrfach live gehört hatte. Diesmal zog das Kribbeln langsam vom Bein hoch bis in den Nacken.

Gegen Ende gab es eine kurze Spannungspause, in der es im Zuschauerraum totenstill blieb. Zum ersten Mal war das sehr leise Rauschen der Lüftung zu hören. Die gesungene Erzählung schloss berührend. Beeindruckend. Es gab viel und lauten Applaus.

Heut kommt der Hans zu mir sang Lukas ohne weitere Ansage los und für die Zuschauer gab es die Aufforderung, den Refrain mitzusingen. Der variierte in jeder weiteren Runde den Text, der beim ersten Hören sehr einfach schien, es aber zunehmend in sich hatte. Da verhaspelten sich dann doch viele. Aber es machte Spaß.

Schön war auch, dass sich zwischendrin bei Christoph ein Schnürsenkel gelöst hatte und Oliver sich hinkniete, um ihn zu binden. Hilfsbereit hielt Christoph währenddessen Olivers Mikrofon, damit der weitersingen konnte.

Nicht nur das Lied, auch das Mitsingen machte großen Spaß. Noch im Applaus gingen die Maybebops ab. Pause. So schnell schon?


Nicht mehr in bunter Streetware, sondern in lässigen Anzügen kamen die Maybebops nach der Pause zurück auf die Bühne und wurden mit Jubel begrüßt. Dabei war ja zu erwarten gewesen, dass sie wiederkommen werden. Früher gab’s die Tagesschau machte mir mit den orientalischen Rhythmen sofort wieder Bauchtanzgefühle. Bei einem lauten Hey!-Ruf hätte ich fast ebenfalls den Arm hochgerissen. Die Kombination der eher arabischen Musik mit der Tagesschau war ungewöhnlich, passte aber gut.

„Willkommen zurück!“, sagte Lukas danach, als wäre es nicht ebenfalls zu erwarten gewesen, dass das Publikum nach der Pause wieder auf den Plätzen sitzen wird. Die Maybebops unterhielten sich nach dem Tagesschau-Lied über die Unterschiede der Ost-Aktuellen-Kamera und der West-Tagesschau. Bei Lukas in Ost-Berlin und Christoph in Weimar war in ihrer DDR-Kinder- und Jugendzeit beides im Fernseher zu empfangen. Sie plauderten über Sendungen und das Einstellen von Sendern, bis Lukas freundlich unterbrach: „Singen wir noch was?“ Das machten sie inhaltlich passend mit dem Lied Meine Wende, in dem Lukas sehr persönlich nahebrachte, wie er den Mauerfall und die neu zu entdeckende Welt erlebt hatte. Ein berührendes Lied.

Oliver stellte danach die Frage an die Ost-Kinder: „Habt ihr auch Urlaub machen können?“ Lukas nannte Tschechien, Christoph erwähnte die Ostsee, da fiel Oliver etwas plump ein mit: „À propos Ostsee …“, was Gelächter auslöste, weil er merklich nur auf den Begriff gewartet hatte. Er stellte zwei Gäste vor, die gut sichtbar vor der Bar saßen. „Das ist voll besonders“, machte Jan es spannend. Die beiden hatten einen Roman geschrieben, der an der Ostsee spielt. Jan: „Wir sind Teil dieses Buches!“ So wie ich es verstand, kam in der Handlung ein Lied von Maybebop vor. (Anmerkung: Ich dachte sofort an die damalige Bestsellerautorin Hera Lind, die vor vielen Jahren verkündet hatte, dass die Wise Guys in ihrem neuen Roman vorkommen, was dann ungefähr so zu lesen war: „Ich tanzte durch das Zimmer, während die Wise Guys aus dem Kassettenrekorder plärrten.“)

Das Buch mit dem Maybebop-Lied hieß „Mein Herz will Meer“ und war ein „KüstenLiebesroman“. Als Pseudonym hatte das Autorenpaar „Barbara Erlenkamp“ gewählt. Der Autor erklärte, dass er vorher Krimis geschrieben habe und jetzt einen Liebesroman. Jan kommentierte trocken: „Liegt ja nahe“, was gar nicht so viele Leute registrierten, ich aber sehr witzig fand. Zehn der Bücher konnten an diesem Abend nach der richtigen Antwort auf Quizfragen gewonnen werden. Oliver blieb moderierend, fragend und Tipps gebend auf der Bühne, die drei anderen verteilten sich im Publikum, um auf Meldungen reagieren zu können.

Manche Fragen waren sehr leicht, einige eher für Insider und eine so außergewöhnlich, dass auch die anderen drei nicht sofort wussten, wie die Antwort war. Auch wenn ich manche Antworten sofort wusste, rührte ich mich nicht, weil ich auf keinen Fall kein Buch haben wollte. Vielleicht ein völlig ungerechtfertigtes Vorurteil, aber die Begriffe „Barbara Erlenkamp, ein Herz das Meer will und Küsten-Liebesroman“ schreckten mich zu sehr ab. Wie gesagt, ich hatte keine Ahnung und könnte auf einen wunderbaren Bestseller verzichtet haben.

Als die Bücher gewonnen und verteilt waren, kehrten die drei Bücherverteiler auf die Bühne zurück und gingen von dort gleich hinter den Vorhang ab. Oliver blieb alleine zurück und schreckte auf: „Ach, so, ich bin dran!“ Er wollte gerade mit dem nächsten Lied beginnen, da verlor er seine gespannte Haltung und erkannte: „Ach nee, ich bin noch nicht dran!“ Umblickend fragte er: „Wo seid ihr denn?“ Hinter dem Vorhang war eilig ein säuselndes: „Wir kommen!“ zu hören und die drei kamen zurück. Es stand tatsächlich vorher ein anderes Lied auf dem Ablaufplan.

Ruhig, sanft und mit so schönen Harmonien kam Ich seh dich. Sehr, sehr schön und mit Schmelzfaktor. Im letzten Teil des Liedes wurden die Mikrofone nach unten gehalten, so dass die Stimmen unplugged und deutlich leiser zu hören waren. Sie waren damit aber nicht weniger intensiv und der vierstimmige Klang ging in wunderschön durch den großen Raum.

Schön war auch, dass durch die Publikumswünsche solche alten Schätzchen ins abendliche Programm kamen. Im Applaus gingen drei der Maybebops erneut ab und Olli blieb zurück. Diesmal planmäßig.

Er begann mit einem Bassrhythmus, setzte in den Lücken eine Melodie dazu, fügte zwischendurch eine weitere ein und sang dazu kurze Begriffe von den Tätigkeiten, die er täglich machte. Muss ich denn alles alleine machen fragte er mit Gesinge, Bass und Melodien.


Als alles schnell und hektisch wurde, delegierte er den Gesang ans Publikum und sang zunächst die Bassstimme vor. Leider nicht häufig genug, so dass sich die Melodie noch nicht einprägen konnte. Dementsprechend raufte sich das Publikum auf irgendwelche Töne zusammen, die nicht den vorgesungenen entsprachen. Es dummte undefiniert. „Könnt ihr auch Töne singen?“, fragte Oliver not amused und sang die Tonfolge endlich nochmal. Daraufhin klappte es. Er sang sofort eine zweite, höhere Stimme vor. Ein Teil des Publikums nahm sie auf und sang sie korrekt nach, der andere Teil dachte, er solle die Bassstimme weiter singen. Oliver wartete dirigierend etwas ab, guckte irritiert und unterbrach dann, ganz leicht genervt: „Ich sing was Neues! Hört ihr das?“ Kaum hatten alle in die zweite Stimme eingeschwenkt, sang er eine dritte vor. Die klappte auch. Hätte er danach links den Bass, in der Mitte die erste Melodiefolge und rechts die zweite singen lassen, wäre alles prima gelaufen, aber er hatte vor, dass die drei Gruppen kanonmäßig immer alle drei Teile nacheinander singen. Bass und Melodien sollten damit durch den Saal wandern. Das klappte nur mäßig. Eigentlich so gut wie gar nicht. Seine letzte Zeile: „Lass mich das lieber mal alleine machen“ passte darum sehr gut. Das Publikum schien keine Einwände machen zu wollen, sondern klatschte erleichtert. Die anderen Maybebops kamen zurück und Jan sagte zutreffend: „Da hat der Oliver euch ganz schön rangenommen.“

Es war ein König in Thule war der nächste Wunsch. Christoph sang die Goethe-Ballade mit tiefem Bass und bekam Extrajubel für einen extratiefen Basston. Das Arrangement war bewegend, die Atmosphäre mystisch, die Choreografie mystisch eckig und das Licht mystisch blau. Alles zusammen sehr beeindruckend.

Jan kündigte danach an: „Wir werden jetzt ein Stück singen, dass wir gar nicht können. Das entwickeln wir erst mit euch zusammen.“ Freudiger Jubel zeigte, dass die erfahrenen Konzertgänger wussten, dass jetzt die Improvisation dran war. Als Begriffe kamen sehr schnell: Liebe, Steuererklärung, Darmspiegelung, Pilze, Oliven und Grenzgänger zusammen, der Musikstil sollte Reggae sein. Heraus kam ein Liebeslied an die Darmspiegelung. Der gut gelaunt gesungene Refrain: „Darmspiegelung!“ war mitsingbar, hatte sogar Ohrwurmcharakter, und wurde am Ende vom Publikum fröhlich singend und mit geschwungenen Armen begleitet. Mit dem lockeren Reggaerhythmus brachen Urlaubsgefühle aus. Karibik, Palmen und Darmspiegelung. Yeah! Das könnte ein Urlaubshit werden!

Kaum war der laute Endapplaus verklungen, stellten sich die Maybebops auf und begannen mit Ruf der Berge. Jan jodelte gekonnt und sehr schön, und zum ersten Mal fiel mir auf, wie wichtig die zweite Jodelstimme von Lukas war. Das ergänzte sich perfekt und ich wunderte mich, dass ich bisher nur auf das Jödeldihi von Jan geachtet hatte. Wie immer brachte der mit großem Ernst gebrachte Spaß viel Gelächter, und am Ende drehten sich die Maybebops mit ernsten Mienen um und gingen nacheinander ab.

Das Publikum gab großen Applaus, erste Zugaberufe kamen, dann Pfiffe. Im Dunkeln kamen die vier Hauptpersonen zurück und waren im schwachen Licht nur zu erahnen. Trotzdem reichte das, um den Applaus nochmal anschwellen zu lassen. Jetzt mit dumpfem Getrampel dazu, das immer gewaltiger wurde und den Boden des Pantheons erzittern ließ. Als das Licht anging und die Maybebops ruhig in ihren Positionen standen, wurde es schnell ruhig. Es kam Bohemian Rhapsody. Was für ein Erlebnis! Diese Stimmen! Der wunderbare Übergang von einer Leastimme zur anderen. Diese Wechsel von ruhigen Stimmungen zu explodierenden. Die hohe Stimme von Jan, die sich immer noch höher schraubte und dann noch höher und dann noch höher. Es war alles zusammen großartig. Unglaublich, dass dieses Lied von vier Leuten zu singen war! Am Ende gab es Standing Ovation und sehr große Begeisterung beim Publikum. Endlich wurde es ruhig. Jan bedankte sich mit hoher Kastratenstimme: „Danke schön!“, räusperte sich, grinste und setzte deutlich tiefer hinterher: „Vielen Dank!“ Lukas sagte: „Das ist ein Stück, das man sein Leben lang probt. Das hört nie auf.“ Ich dachte: Das können viele ein Leben lang proben und niemals so singen. Lukas wandte sich in Richtung Bar und fragte: „Können wir gleich, wenn wir am CD-Stand sind, vier Cocktails haben?“

„Seit 13 Jahren gibt es bei Maybebop die Tradition, am Jahresende ein Medley der Hits des Jahrs zu machen“, erklärte Lukas dem Publikum. „Aber inzwischen sagt uns die Musik nichts mehr und wir wollen es nicht mehr machen.“ Die Zuschauer reagierten mit enttäuschten: „Ooooooh!“ Lukas guckte empört: „Moment, wartet doch mal! Ich mach‘ doch nicht so eine blöde Moderation, wenn nicht noch was kommt!“ Er kündigte den Flashback 1984 an, die Hits aus einem Jahr, in dem es ungewöhnlich viele Hits gegeben hatte. Schon bei den ersten Tönen standen die Zuschauer in der ersten Reihe auf. Die wussten, was kam, darum war das schon zu verstehen, aber daraufhin mussten die Leute dahinter natürlich auch aufstehen, um überhaupt etwas zu sehen. Etwas später wären aber sowieso alle von der Show von den Sitzen gerissen worden.

Ein Hit nach dem anderen wurde angesungen, die Choreografie passte, die Einspieler im Hintergrund und das Licht auch, und im Publikum wurde gegrinst, mitgewackelt und oft laut mitgesungen. Was für eine großartige Party! Der Applaus nach dem überwältigenden Medley hörte nicht auf. Die vier guckten und wollten irgendwann abwinken, Lukas versuchte es mit: „Vielen Dank!“, aber das laute, zustimmende Geklatsche hörte nicht auf. „Beruhigt euch doch endlich!“, rief Jan, aber auch da ging es erstmal weiter.

Endlich wurde es ruhig und Oliver bedankte sich lächelnd: „Es war ein fulminanter Abend!“ Auf mehrfachen Zuschauerwunsch gab es zum Abschluss das Lied, das auch im OstseeKüstenLiebesRoman vorkam: Ab und zu ein paar Geigen. Es handelte sehr ruhig von einem etwas einsamen Menschen, der eigentlich ganz zufrieden war, dem aber manchmal ein paar Geigen zur Untermalung fehlten, damit er das Schöne um ihn herum erkennen konnte. Hach, es war sehr schön. Sanfte Geigen vom Band stiegen ein, etwas später ein ganzes Orchester. Dazu sangen die Maybebops, was dann nicht mehr reine A-cappella war, mir aber gut gefiel. Es war schmelzend und schön, mit den vielen Instrumenten hatte es auch etwas von Filmmusik. Das Orchester wurde immer lauter. Da merkte ich plötzlich, dass es mir zu viel war. Ich wollte das Orchester nicht. Höchstens ein paar Geigen.

Gegen Ende des Liedes gab es nochmal die sanften, leisen vier A-Cappella-Stimmen. Superschön. Und es zeigte mir, dass ich das Orchester laut und beindruckend und auch schön fand, die Stimmen alleine aber als noch intensiver und viel schöner empfand. Das Finale wurde nur noch vom Orchester gespielt, während die Maybebops unbeweglich auf der recht dunklen Bühne standen.

Das Licht ging an. Es gab viel Applaus, sehr begeisterte Zuschauer und sich verbeugende Maybebops, die dann ins Foyer abgingen.

Dort gab es Geplauder, Fotos mit Besuchern, Unterschriften auf CDs und dann tatsächlich noch vier grüne Cocktails.


Muss man mögen
Das Beste fürs Kind
Influencer
Das Lied vom Nicht-Verstehen
Frauenname
John Maynard
Heut kommt der Hans zu mir

Tagesschau
Meine Wende
Ab und zu ein paar Geigen
Ich seh dich
Alles alleine
Es war ein König in Thule
Impro
Lied der Berge
Bohemian Rhapsody
Flashback 1984
Ab und zu ein paar Geigen