Cover me 2003 - 01.12.2003 - Köln
Limelight, Köln
Mit Dirk Bach, Bernd von Fehrn, Kim Fisher, Ulla Kock am Brink, Ralph Morgenstern, Marion Radtke, Mary Roos, Juliette Schoppmann, Isabel Trimborn, Georg Uecker, Isabel Varell, Lilo Wanders, Pe Werner, Ades Zabel, 3. Generation, Begleitagentur
“Dirk Bach ist dabei!” wurde gesagt, was für mich Grund genug war, Karten zu kaufen. Als ich dann die weitere Liste sah, bekam ich große Augen, denn es waren auch noch Ralph Morgenstern und Isabel Varell aufgeführt, außerdem Mary Roos, Pe Werner, Isabel Trimborn, Lilo Wanders und mehr. Eine unglaubliche Mischung mit vielen Künstlern, die ich gerne mochte. Dass es auch einige gab, auf die ich hätte verzichten können, war da nicht weiter tragisch, denn der Abend versprach kurzweilig und lustig zu werden.
Dirk Bach hatte schon im letzten Jahr mit viel Erfolg die Benefiz-Veranstaltung “Cover me” organisiert, bei der die auftretenden Künstler ihre Lieblingslieder coverten und dabei von einer sechsköpfigen Live-Band begleitet wurden. Sie sangen alleine oder im Duett und nahmen dafür keine Gage. Die gesamten Einnahmen des Abends gingen an das Lebenshaus e.V. Köln, einer Einrichtung, die an AIDS erkrankten Menschen Hilfe bietet und Hospizplätze anbietet.
Das Publikum im Limelight war sehr gemischt. Es waren alle Altersklassen vertreten, die Hauptfarbe bei der Kleidung war schwarz mit leuchtend roter Schleife am Revers. (Heißt die eigentlich AIDS-Schleife oder ist das nur meine ungeschickt umgangssprachliche Bezeichnung?) Es gab Männer, Frauen, schwule Paare, Alte, Junge, und in den beiden ersten Reihen viele weibliche Teenies, die wahrscheinlich wegen Juliette (Deutschland sucht den Superstar) gekommen waren und für einen guten Platz sicher stundenlang vor der Türe gewartet hatten. Ich stöhnte innerlich: “Die passen überhaupt nicht hierher und werden bestimmt loskreischen, sobald Juliette auftaucht!” und guckte erwachsen. Doch dann fiel mir ein, dass ich bei Dirk Bach auch begeistert johlen würde, was von den Teenies vielleicht ebenso verwundert bemerkt werden würde. Wir jubelten eben nur verschiedenen Objekten zu, und ich nahm mir vor, das locker zu sehen und tolerant zu sein.
Im Foyer verkauften drei mehr oder weniger schwule, blauglänzend gekleidete Weihnachtsmänner Lose. Jedes Los 5,- Euro, es gab keine Nieten, und der Erlös ging ebenfalls ans Lebenshaus. Die Weihnachtsmänner rasselten während der Losauswahl mit einem Schellenband, damit man Glück beim Ziehen hatte, und dann konnte man gleich zur Preisausgabe gehen und sich den Gewinn abholen. Ich hoffte auf eine Flugreise oder das Dirk-Bach-T-Shirt oder auf eine der Weihnachtskugeln mit den vielen Unterschriften der Künstler, aber irgendwie hatte sich mein Weihnachtsmann verklingelt und es gab ein Buch und eine CD. Immerhin. Die Dame neben mir freute sich noch über einen Sauna-Gutschein, bis ihr der nette Mann an der Gewinnausgabe bedauernd erklärte, dass der Gewinn für eine Kölner Schwulen-Sauna gelten würde. Sie nahm es mit Humor und überlegte sofort, welcher ihrer Freunde sich über so ein Weihnachtsgeschenk freuen würde.
Endlich ging es los. Der Vorhang öffnete sich, Nebel wallte, Scheinwerfer leuchteten, und auf einem dicken Motorrad saß ein knapp bekleideter Dirk Bach in hautengem Glitzeranzug und grölte “Come on” von Gary Glitter. Der Sound war laut, wummerig und eigentlich nicht gut, aber die Show brachte gleich Stimmung in den Saal. Dirk Bach sprang nach einigen Zeilen vom Motorrad, stapfte in hohen Plateaustiefeln über die Bühne und sang sich die Kehle aus dem wenig bekleideten Bauch. Sehr witzig und für mich der richtige Einstieg in den Abend. Außerdem mochte ich doch Dirk Bach so sehr und strahlte vermutlich über das ganze Gesicht.
Die Band hieß Begleitagentur und war klasse, die Lightshow war gut, und als Dirk Bach am Ende des Songs die Bühne verließ, gab es lauten Applaus. Ulla Kock am Brink betrat als Moderatorin des Abends die Bühne und wies gleich auf drei Gehörlosen- Dolmetscherinnen hin, die abwechselnd am Bühnenrand standen und den kompletten Abend simultan für eine Gruppe Gehörloser übersetzten. Eine supergute Idee und sehr interessant zu beobachten.
Bei der Frage nach einem Traumpaar des Gesanges schallten aus dem Publikum sofort Antworten wie “Cindy und Bert”, “Sonni und Cher” und “Nina und Mike”, was deutlich machte, dass das Publikum weit über der Teenie-Grenze lag. Isabel Varell und Bernd von Fehrn hatten aber ein anderes Paar im Sinn und sangen von Frank und Nancy Sinatra den Hit “Something stupid”.
Es war zunächst wunderbar romantisch als sie sangen, wurde hocherotisch, als sie sich in einer textfreien Pause lange und wild küssten, und umwerfend komisch, als sie danach beide bis zu den Augen knallrote, lippenstiftverschmierte Gesichter hatten und selber immer wieder lachen mussten, wenn sie sich ansahen.
Kim Fisher überzeugte danach mit ihrem Gesang und ließ dazu manchen Zuschauer gebannt auf ihr Dekolletee und das tiefliegende, anscheinend trägerlose Top starren, das nicht ganz haltfest aussah, es dann aber doch war.
Pe Werner und Isabel Trimborn grölten eine “Ich glotz TV”-Variante, Mary Roos swingte “Route 66”, und dann kam Juliette Schoppmann, und die Mädels aus den beiden ersten Reihen jubelten los. Ich war tolerant und grinste nur. Juliette sang “It’s raining man”, der Backgroundchor bestand aus Marion Radtke und Pe Werner, und es war ein Genuss auch hin und wieder zur Dolmetscherin zu gucken, die vom Himmel herabfallende Männer veranschaulichte.
Am Ende gab es Standing Ovation von den ersten beiden Reihen, die in diesem Auftritt natürlich den Höhepunkt des Abends sahen. Ich blieb weiterhin tolerant und musste sogar zugeben, dass Juliette live netter, als bei den “Superstars” wirkte. Da war sie mir manchmal zu künstlich erschienen, aber die schien ja doch sehr nett zu sein.
Ades Zabel faszinierte mich eher mit dem vorne höherliegenden Rock, als mit seinem Auftritt, aber insgesamt wurde ich sehr gut unterhalten und freute mich auf jeden weiteren Act. Marion Radtke sang ein Alexandra-Lied, und Isabel Trimborn, die ich schon vor vielen Jahren mit Dirk Bach im legendären “Rotkäppchenreport” gesehen hatte, trug ein wunderschönes Rosenkleid und sang einen Dean Martin-Song, bei dem der Saal reihenweise mitschunkelte.
Mit dem Vicky-Leandros-Song “Ich liebe das Leben”, der im Refrain von vielen Zuschauern im Saal laut mitgesungen wurde, machte Ralph Morgenstern weiter. Am Ende gab er den Applaus wie die Gehörlosen, die mit hocherhobenen Händen wackelten, um die Begeisterung sichtbar zu machen, und der Saal klatschte auf die gleiche Weise mit.
Es war Pause, die meisten Besucher strömten ins Foyer und alle Mädchen aus den vorderen Reihen zum seitlichen Bühneneingang, weil dort Juliette rauskam und Autogramme gab. Ich blieb auf meinem Platz sitzen und guckte zu, wie ein Pulk von aufgeregten Mädchen ganz eng um einen für mich unsichtbaren Mittelpunkt stand und immer wieder Blitzlichter aufleuchteten.
Leider ging es nach der Pause im Programm schon weiter, bevor überhaupt alle Besucher wieder im Saal waren. Während Ulla Kock am Brink moderierte, blieb ein Saallicht an und die Zuschauer begaben sich zu ihren Plätzen. Auch manche Unterhaltung war noch nicht zu Ende geführt, so dass es schon störte, bis endlich alles ruhig war.
Den ersten Programmpunkt startete die Begleitagentur, ein Alphorn spielte die Leadstimme von “Dschingis Khan”, war knallelaut und wurde supergut und sehr sauber gespielt. Das 70er-Jahre-kundige Publikum setzte an den passenden Stellen mit “Ha-ha-ha-haaa!” und “Ho-ho-ho-hoooo!” ein und hatte Spaß. Dass ich bei “Dschingis Khan” mal begeistert mitsingen würde, hätte ich vor einigen Jahren allerdings auch nicht gedacht. In der tollen Begleitagentur spielten Roger Schaffrath (Bandleitung, Gitarre), Ebasa (Trompete), Klaus Tenner (Keyboards), Josef Kirschgen (Drums), Felix Petry (Saxofon) und Eberhard Schröder (Bass).
Anschließend kam ABBA, bei denen Dirk Bach und Georg Uecker Agnetha und Anni-Frid waren, während Bernd von Fehrn zur Verschmelzung von Benny und Björn wurde. “Mamma Mia” schallte laut durch den Saal, und es wurde schräg, denn “Agnetha” und “Ana-Frid” hatten heiße, pinkfarbene Kostüme und hohe Stiefel an. Beide hatten offenherzige Transparent-Einsätze im Oberteil, durch die bei Georg Uecker die Brust, bei Dirk Bach eher der Bauch zu sehen war. Sehr witzig.
Kim Fisher sang ein sehr schönes “Ne me kite pas” und hatte dabei zuerst ein defektes Mikrofon, das manchmal gar nichts übertrug. Sie lachte zur aktiven Gehörlosen-Dolmetscherin hinüber und rief: “Ich glaube, man kann dich besser verstehen, als mich gerade!”, doch da wurde das Mikro schnell ausgetauscht, so dass sich alle ganz auf das Lied konzentrieren konnten. Ich hatte bis dahin gar nicht gewusst, dass sie so toll singen kann.
Die 3. Generation brachte “Der Manager” von Rio Reiser und ich guckte erstaunt. Den Namen der Gruppe kannte ich, aber irgendwie hatte ich dabei eher an eine sehr, sehr junge Boy-Group gedacht. Hier rappten drei ziemlich normale Typen über die Bühne, die aussahen, als wären sie eben an einer Ruhrpott-Frittenbude abgeholt und auf die Bühne geschickt worden.
Als Kontrast kam danach Lilo Wanders auf die Bühne, die trotz Verkleidung eben einfach Lilo Wanders war. Eines der Highlights des Abends waren Isabel Varell und Georg Uecker mit “Je t’aime”. Sie waren ganz ernsthaft, warfen sich leidenschaftliche Blicke zu und stöhnten sich dabei an den passenden Stellen laut an. Als Krönung stand die Gebärden-Dolmetscherin am Bühnenrand und übersetzte den gestöhnten Text. Das war nicht ganz einfach. Sie rollte mit den Augen, griff sich ans Herz und stellte dabei mit verzerrtem Gesicht große Schmerzen dar. Es sah eher nach Magenkrämpfen, als nach leidenschaftlicher Liebe aus und war superwitzig! Das Stöhnen nahm ungeahnte Dimensionen an und die Stimmung im Saal stieg weiter an. Der dicke Applaus galt am Ende genauso der Dolmetscherin, die sich völlig verausgabt hatte.
Juliette Schoppmann und Pe Werner brachten “Tears in heaven” und ich war von der Interpretation nicht ganz angetan. Singen konnten sie toll, das war unbestritten, aber ein so trauriges, schönes und dabei schlichtes Lied mit Reggae-Rhythmus zu versehen, mitzuschnippen und dann auch noch zum Mitklatschen zu animieren, fand ich etwas unpassend. Hey! Tränen im Himmel - singt alle mit!!
Dafür war dann der Modern-Talking-Hit, den Dirk Bach und Mary Roos sangen, wieder wunderbar schräg. Nicht schräg gesungen, dafür schräg anzusehen. Dirk trug dazu eine Kette um den Hals, auf der ganz groß der Namenszug “Mary” prangte und die beiden gaben ein nettes Paar ab. Dass es ihnen Spaß machte zusammen zu singen, konnte man jedenfalls sofort merken.
Am Ende gab es dann das große Finale. Alle Teilnehmer kamen auf die Bühne und sangen zusammen “Happy x-mas” von John Lennon und Yoko Ono. Also sie WOLLTEN es zusammen singen, aber es wirkte, als ob sie es nicht geübt hätten, weil sie davon ausgegangen waren, dass das jeder konnte. Es gab unterschiedliche Einsätze, verschiedene Tonarten und zu wenig Textblätter. Hätte nicht die Band einigermaßen den Überblick behalten, wäre es wohl ganz ins Chaos zerbröckelt. Aber es war nicht schlimm. Sie strengten sich an, hatten Spaß, versuchten die passenden Stellen zu finden und sangen drauf los.
Ich fand es witzig, wunderbar chaotisch und vermisste die Perfektion im Schlussbild überhaupt nicht. Der ganze Abend hatte so familiär gewirkt, ich hatte mich als Zuschauer sehr wohl gefühlt und viel vom Spaß auf der Bühne mitbekommen und genoss nun einfach das Gewusel und Gelächter vor mir.
Endbemerkung: Es war ein sehr lockerer, kurzweiliger, wunderschöner Abend, der unvergleichbar ist und den ich im nächsten Jahr gerne wieder ansehen würde.