Tim Fischer - singt ein Knef-Konzert - 02.10.2010 - Düsseldorf

Savoy-Theater, Düsseldorf

Hildegard Knef - Diva, Schauspielerin, Autorin, Chansonsängerin, vom Leben durchgeschüttelt, immer wieder aufgestanden und immer sie selbst geblieben. In diesem Jahr wäre sie 85 geworden, und es wunderte mich kein bisschen, dass Tim Fischer ihre Lieder auf die Bühne brachte. Auch wenn die manchmal fast robust wirkende Frau mit der rauen, schnodderigen Stimme auf den ersten Blick nicht viel mit dem schmalen, grazilen Mann gemeinsam hatte, Hildegard Knef und Tim Fischer - das passte. Nach meinem Empfinden waren sie sich künstlerisch und mit ihrer ihnen eigenen, brennenden Energie, sehr ähnlich.

Ohne viele Schnörkel, ohne Federboa, zurückhaltend elegant gekleidet, stand Tim Fischer auf der Bühne und imitierte Hildegard Knef nicht, sondern war der Interpret ihrer Texte. Durchaus als eigenständiger Künstler mit einer großen Präsenz, aber fühlbar einen respektvollen Schritt zurückgetreten, um Raum für Hildegard Knef zu lassen. Manchmal ganz sanft und nachdenklich, dann wieder kraftvoll und trotzig, brachte er die klugen Gedanken und gefühlvollen Erkenntnisse der Knef in den Saal des Savoy-Theaters. Die meisten Lieder waren mir nicht neu, weil ich sie im Original kannte, aber mit der akzentuierten Aussprache Tim Fischers und seiner Interpretation kamen sie mir noch intensiver vor und ich erlebte sie aufmerksamer. Was für eine schlaue und weise Frau, dachte ich manchmal und hatte das Gefühl, dass Hildegard Knef durch ihn sprach.

Erstaunlicherweise war mir ständig bewusst, dass Tim Fischer nicht von sich selber sang, sondern dass er stellvertretend für die Knef auf der Bühne stand. Dabei waren die Texte gar nicht speziell auf Männer oder Frauen ausgerichtet, so dass sie inhaltlich durchaus von einem Mann gesungen werden konnten, aber es blieb für mich die Knef. Und trotzdem war es Tim Fischer, der dort sang und den Abend in seiner eigenen, unverwechselbaren Art gestaltete. Ein seltsames Gefühl, beide Persönlichkeiten gleichzeitig zu spüren, aber ein sehr schönes. Als wäre Hildegard Knef mit dabei. Ich wusste, es würde ihr gefallen.

Ganz großartig auch, und auf keinen Fall nur mit der Bezeichnung “Begleitung” zu beschreiben, die drei Musiker. Rüdiger Mühleisen am Flügel, Ralf Templin an der Gitarre und Sebastian Selke am Cello. Sie spielten wunderschön, sehr präzise und in einer ausgewogenen Harmonie, die ich mir nicht besser vorstellen konnte. Es war ein einziger Genuss. Passend zu den Knef-Liedern und nahe an den Originalarrangements, aber in dieser Konstellation doch ungewöhnlich, war es mal ein voller Klang, mal hingetupft, es gab perlende Tastenläufe, warmes Cello, sanfte Gitarre, dann war es wieder rhythmisch treibend und anfeuernd - ich kann es gar nicht genau beschreiben. Am besten passt wohl: Es war genau richtig und extrem gut. Gerade bei den leisen, sanften Liedern saß ich völlig tiefenentspannt in meinem Sitz und ließ es nur wirken.

Tim Fischer sang mit Liebe und großer Wärme die oft geradlinigen und sehr ehrlichen Texte von Hildegard Knef, in denen es um Ängste, Rückschläge und immer wieder um die große Liebe geht. Mit manchmal sparsamen, dann wieder großen Gesten, unterstützte er die Aussagen, und ich fand es wunderbar, wie lasziv und sexy er die Stripperin in “Ich zieh mich an und langsam aus” mit wenigen, großen Bewegungen und etwas Hüftgewackel darstellte, ohne dabei einen Hauch von Obszönität zu haben. Wie immer sehr stilvoll. Natürlich gab es auch “Ich brauch Tapetenwechsel” und das wunderbare “Für mich soll’s rote Rosen regnen”, und auf dem Nachhauseweg fielen mir noch weitere Knef-Lieder ein, die ich gerne gehört hätte. Allerdings lag der Reiz des Abends ja auch darin, dass er nicht ein “Best of der Knef-Hits” war, sondern auch die Texte der etwas unbekannteren Lieder vorstellte. So wie es bei einem Knef-Konzert eben war.

Fazit: Ganz großartige Musiker, zeitlose, weise Texte einer starken Frau und ein wunderbarer Tim Fischer, der sich zurücknahm, Hildegard Knef liebevoll präsentierte, und trotzdem ganz präsent und stark war. Und nach dem Konzert im Foyer bekam ich die Antwort auf die Frage, die mir zwischendurch durch den Kopf ging: Hat er die übergroßen, künstlichen Wimpern der Knef angeklebt, wenn er Knef singt? Ich ging fest davon aus, weil ich glaube, dass man mit einem so typischen Accessoir näher an sie herankommt, und stellte dann mit Freude fest, es war so. Auch das passte. Ein wunderschöner Abend!