Gayle Tufts - American Woman - 23.02.2019 - Comedia, Köln

Die quirlige, sprudelnde, singende Gayle Tufts mit einer Lesung? Geht das überhaupt? Ja, denn auch bei einer Lesung ist Gayle quirlig, sprudelnd und singend unterwegs.

„American Woman – How I lost my Heimat und found my Zuhause“ heißt das Buch in Gayles typisch „denglisher“ Sprechweise. Sie spricht Denglish nicht nur auf der Bühne, sie spricht es immer. Und sie IST denglish, denn nach 25 Jahren in Deutschland ist sie, wie ihre Sprache, eine bunte, lebendige Mischung aus Amerika und Deutschland.

Mit scharfem, klarem Blick, dabei herzlich und humorvoll, berichtet sie über ihr früheres Leben in Amerika, ihr Bild vom jetzigen Amerika, in dem sie sich zu ihrer eigenen Trauer nicht mehr wirklich heimisch fühlt, und über ihre neue Heimat Deutschland. Kritisch und liebevoll beschreibt sie Eigenheiten und Unterschiede der beiden Länder und bleibt dabei persönlich und berührend.

Mal liest sie ein Stück aus dem Buch, was großes Vergnügen macht, weil sie lebendig vorträgt, meistens läuft sie energiegeladen auf der Bühne herum und erzählt Geschichten, spricht das Publikum an und ist so temperamentvoll und witzig, dass sie alle mitreißt. Dabei wirkt sie erstaunlich familiär, als ob sie mal eben privat auf einer Party etwas berichtet und alle vergnügt zuhören. Ab und zu singt sie, was auch klasse ist, und was zu ihr als Entertainerin einfach gehört.

Wie konnte es nur passieren, dass Trump gewählt wurde? Warum klatschen die Deutschen auf die 1 und die 3, und wie ist es, wenn sie mit Florian Silbereisen vor Kameras und einem Millionenpublikum Weihnachtslieder singt, während ihr im Kleid versteckter Mikrofonsender immer tiefer rutscht. Deutsches Stoßlüften ist super und macht den Kopf frei, Bremer Männer bleiben gelassen, und kann Frau Merkel nicht mal im Weißen Haus vorbeischauen, die Fenster aufreißen und für Frischluft sorgen?

Gayle berichtet sehr lustig und es macht Spaß, ihr beim temperamentvollen Erzählen zuzusehen. Das Publikum lacht viel. Aber sie ist auch ernsthaft, ehrlich und zeigt Gefühl. Es ist kein oberflächliches Comedyprogramm, es ist eine große Liebeserklärung an beide Länder.

Nach 25 Jahren in Deutschland hat Gayle Tufts jetzt den Einbürgerungstest gemacht und einen deutschen Pass bekommen. „Ist es ein Unterschied, ob der Pass blau oder rot ist?“, fragt sie. „Sobald ich den Mund aufmache, weiß jeder, dass ich Amerikanerin bin.“

Der Lesungsabend ist ein kurzweiliges, großes Vergnügen ohne trockene Lesung, dafür mit einer charmant explodierenden Entertainerin, die das Herz berührt. Das Buch ist, wie alle ihre Bücher, warmherzig, humorvoll und klug geschrieben. Am besten beides machen: Lesung anhören und Buch lesen. Es lohnt sich. Lovely Gayle.