Stunk unplugged - Stunksitzung im Sommer - 16.06.2005 - Köln

Comedia, Köln

Ozan Akhan, Martina Bajohr, Doris Dietzhold, Doro Egelhaff, Didi Jünemann, Heiner Kämmer, Hans Kieseier, Martina Klinke, Wolfgang Nitschke, Josef Piek, Reiner Rübhausen, Christian Rzepka, Bruno Schmitz, Purple Schulz, Tom Simon

Eine Woche lang zeigten ehemalige und aktuelle Ensemblemitglieder der Stunksitzung ausgesuchte Nummern der vergangenen 21 Sitzungsjahre. Im letzten Jahr hatten sie das einmalig zum 20jährigen Jubiläum der Stunksitzung machen wollen, hatten aber so viel Erfolg gehabt, dass sie den Sommer-Stunk auch in diesem Jahr machten. Die schnell ausverkauften Veranstaltungen fanden nicht wie die ‘richtige’ Stunksitzung im großen E-Werk statt, sondern für jeweils 300 Zuschauer im Comedia-Theater.

Kleinere Bühne, kleineres Ensemble, unaufwändige Kulissen, und für die musikalischen Bereiche nicht die traditionelle Köbes Underground Band, sondern das personell kleiner besetzte Duo Purple Schulz und Josef Piek. Die beiden waren für die vergangene Session bei Köbes Underground in der Stunksitzung eingestiegen, als dort einige Musiker pausierten, waren damit stunksitzungsgeprüft und außerdem mit viel Spaß und sehr engagiert dabei.

Als das Bühnenlicht an ging, standen die Stunker ruhig nebeneinander auf der Bühne, hoben noch während des Begrüßungsapplauses gleichzeitig die rechte Hand und steckten den Zeigefinger in den Mund. Dann sangen sie die Erkennungsmelodie der Stunksitzung und rührten dabei mit dem Finger im Mund, was sehr faszinierende Klänge erzeugte. Das Publikum war gleich hin und weg und applaudierte nach der kurzen Nummer laut. In den Applaus hinein begannen Purple und Josef die Nummer fetzig zu spielen und die Zuschauer stiegen mit schnellem, rhythmischen Klatschen ein. Wow! Das war fast wie bei einer großen Stunksitzung! Supergute Stimmung gleich von Beginn an.

Reiner Rübhausen, früherer Präsident der Stunksitzung, führte durch das Programm. Er erläuterte kurz, dass zwölf aktuelle und ehemalige Stunker plus zwei neue Stunker (die Musiker) dieses Programm machen würden. Zum zweiten Mal gab es die Stunksitzung im Sommer, und Rübhausen erklärte, dass in Köln alles, das zum zweiten Mal gemacht wird, Tradition ist. Beim dritten Mal ist es Kult und ab dann Brauchtum. Die Zuschauer amüsierten sich sehr, als er behauptete: “Da können Sie nicht nur alte Nummern bringen, die können auch schlecht sein!”

Aber schlechte Nummern erwartete keiner der Besucher ernsthaft, und die Grundhaltung war freudig gut gelaunt. Bei vielen Besuchern vermutete ich, dass sie regelmäßige Stunksitzungsbesucher waren. Ich fand es schön, dass so viele Leute der Ur-Besetzung noch dabei waren und die Gruppe damit immer noch wiedererkennbar war.

Martina Bajohr und Tom Simon zeigten eine Nummer aus dem Jahr 2001, in der es um eine Demo gegen die Ausbeutung der Autofahrer ging. Besonders süß dabei die quäkende Brummi-Hupe, die mit passender Mimik immer wieder eingesetzt wurde. Dass auf dem Weg zur Demo auch mal Kleinwagen überrollt wurden, interessierte nicht weiter. Sehr schön die Aussage: “Den Verkehr auf die Schiene verlegen?? Ich hab’s probiert. Auf den Dingern kann doch kein Mensch fahren!”

Von 1999 stammte der Beitrag über einen Abschiebeflug nach Bosnien, bei dem drei charmante Flugbegleiterinnen (eine von ihnen Didi Jünemann) Not-Zelte und Mienensuchgeräte erklärten und eine angenehme Wiedervereinigung wünschten.

Der Untergefreite ‘Detlef Wiener’ von der Bundeswehr demonstrierte vor den Kollegen aus Großbritannien und Frankreich seine Vorstellung vom Friedenseinsatz in Afghanistan. Die Ausrüstung war funkelnagelneu, er selber voller Elan, leider aber nicht der Intelligenteste. Hans Kieseier spielte ihn total klasse.

Mit Blauhelm, Sprachfehler und fast comicartiger Darstellung brachte er die Zuschauer zum Lachen und war bei aller Blödheit doch noch liebenswert. Als der Franzose auf seine Frage mit “Qui” antwortete, fragte er verblüfft nach: “Wie? Qui?” Die beiden Kollegen, die souverän und leicht genervt seinen Ausführungen folgten und dabei Tee und Rotwein tranken, waren fast zur Kulisse degradiert, weil Hans Kieseier so überzeugend mit klemmenden Reißverschlüssen, Schüssen aus dem Hinterhalt und sich selber kämpfte. Eine Nummer aus dem Jahr 1996.

Von 1999 stammte eine Taliban-Nummer, zu der Reiner Rübhausen erklärte, dass sie vor den Terroranschlägen des 11. September entstanden sei und sie damals kaum einer verstanden hätte. “Können wir die Nummer noch machen?”, fragte er kritisch, grinste dann aber: “Ich finde schon. Schon allein aus Rechthaberei.” “Hey, Mister Taliban, bist du denn banane?“, sangen die Stunker, und nach jeder Strophe gab es ein Attentat und einer der Mitstreiter kippte um. Wenn alles klappte, wurde das Umkippen von einer knallenden Explosion begleitet, die die Zuschauer leicht vom Sitz riss und jedes Mal großen Beifall auslöste. Aber irgendwie war der Wurm drin und die Explosionen fanden nach dem Zufallsprinzip statt. Das machte es aber auch spannend.

Ozan Akhan, der sich während der Nummer musikalisch begleitend mit einer Trommel zu Purple und Josef gesetzt hatte, grinste breit und vergnügt über das ganze Gesicht. Die Nummer war sehr witzig und ich fand es gut, dass sie im Programm war, aber ein bisschen seltsam war es doch, dass sie später so viel realen Bezug bekommen hatte.

Beim Arbeitsamt gab der Vermittler Reiner Rübhausen Beratungsgespräche am Telefon und versuchte Arbeitslose zu Erpressungen und Banküberfällen zu überreden. “Berufsfeld Geiselnehmer” war eines der attraktiven Angebote aus dem Jahr 1998. Allerdings gab es Teilnehmer, die einen Bioladen erpressen und als Lösegeld einen Einkaufsgutschein nehmen wollten, was den Herren von der Arbeitsvermittlung die Augen verdrehen ließ.

Doro Egelhaff terrorisierte als Seniorin Frau Pütz ihren Zivi Ozan Akhan in einer Nummer aus der Session 2001 und scheuchte ihn mit ihrem genervten Ruf: “Mehmet!” durch die Gegend. Der nahm das aber recht gelassen hin.

Im scharfen Outfit saß danach Martina Bajohr als Eva auf der Bühne und beklagte sich in gedehnt-singendem, rheinischen Tonfall über ihren langweiligen Alltag. Das glucksende Gelächter über das Kostüm und über die schamlose Offenheit, mit der sich Eva bewegte und berührte, kam übrigens auffällig laut von Frauen, während die meisten Männer still vergnügt vor sich hin grinsten. 1994 war das noch eine ziemlich scharfe Nummer gewesen, die inzwischen im Vergleich zum täglichen TV-Programm fast brav wirkte. Aber trotzdem sehr witzig. Außerdem freute ich mich, dass Eva am Schluss in den Apfel biss und endlich mal mehr los war in ihrem Leben.

Martina Klinke und Purple Schulz sangen eine neue Version vom Frank Sinatra-Song ‘Something stupid’ und wurden dabei instrumental begleitet von Josef Piek und Ozan Akhan. Josef als extrem schmieriger Alleinunterhalter mit sanftem Hüftschwung und Dauergrinsen. Es war eindeutig ein Liebeslied, wenn auch etwas ungewöhnlich mit dem liebevoll gemeinten Refrain: “Du Arsch, du!”

Vor der Pause gab es eine Nummer von 1988, die fast garantierte, dass das Publikum danach das Bedürfnis nach frischer Luft haben würde. Heiner Kemmer war Thomas Gottschalk bei “Kacken, dass?” und überzeugte nicht nur mit der blonden Lockenperücke, sondern auch mit den typischen Gesten und laberigen Sprüchen. Gast der Sendung war Doro Egelhaff, die eine Prominente darstellte, die Menstruationsmalerei betrieb. Sehr anschaulich zeigte sie Unterschiede in der Farbkonsistenz und Dichte des Mentruationsblutes und malte dann mit einem durchtränkten Tampon ein abstraktes Bild auf eine Leinwand.

Immer kommentiert von den lockeren Gottschalksprüchen und begleitet von lautem, manchmal fast entsetzt klingenden Zuschauer-Frauengelächter, wenn sie sich die befleckten Finger ableckte. Aber es wurde noch schlimmer. Wolfgang Nitschke war ein Kandidat, der verschiedene Sorten von Kot erkennen konnte.

Genüsslich wühlte er in Schälchen mit mehr oder weniger festen, braunen Massen herum, probierte verzückt und versuchte Geschmacksrichtungen zu erkennen. “Oh, da bräucht ich aber ‘nen Löffel!” Es war gleichzeitig witzig und ekelig. Fasziniert und laut lachend guckte ich zu, aber trotzdem stieg in mir langsam eine leichte Übelkeit empor. Immer wieder sagte ich mir, dass es Schokopudding sein musste, in dem der Kandidat wühlte, aber es sah so echt nach matschiger Scheiße aus.

Um mich herum lachten alle Leute, hielten sich dabei aber zum Teil eine Hand vor das Gesicht und zogen die Augenbrauen mit verzweifeltem Gesichtsausdruck nach oben. Das war kein locker herzhaftes, sondern ein angewidertes, aber trotzdem amüsiertes Lachen. Brrr! Großes Geklatsche, als die Nummer fertig war, aber gleichzeitig auch ein sofortiger Aufbruch der Zuschauer in die Pause. Erstmal raus! “Oh, ist mir schlecht!”, grinste mein Gatte, und ich fand die Nummer ziemlich ekelig, aber auch total klasse. So was sollte man mal bei einer Familienfeier kurz vor Eröffnung des Buffets spielen....

In der Pause gab es auf der Straße vor dem Comedia-Theater frische Luft und fast überall das Gesprächsthema: „Boah sah das ekelig aus - mir ist fast schlecht geworden bei dieser Nummer - gut, dass jetzt Pause ist - hast du gesehen, wie ihm das Zeug im Gesicht hing ..."

Zur Einleitung des zweiten Teiles gab es wieder die Stunksitzungsfanfare zu hören, diesmal aber ganz zart und in einem fast unwirklichen Klang, der an eine heisere Panflöte erinnerte. Josef blies die Melodie in unterschiedlich gefüllte Bierflaschen, während Purple alles mit ganz sanften, leise durch den Raum schwebenden Akkorden auf dem Keyboard begleitete. Wunderschön!

Großer Jubel anschließend beim Publikum, und Reiner Rübhausen erklärte: “Der Josef hat die Bierflaschen eigenhändig unterschiedlich leer getrunken.” Anschließend bemerkte er mit einem Blick ins Publikum trocken: “Schön, dass Sie so zahlreich geblieben sind - wir hatten ja eben “Kacken, dass?”

Aus dem Jahr 1991 stammte das ‘Ostseefloß’. Zwei Ossis waren seit zwei Jahren auf der Ostsee Richtung Westen unterwegs und hatten nicht mitbekommen, dass inzwischen die Mauer gefallen war. Ihre Visionen, die sie mitten auf dem Wasser vom Westen bekamen, waren aber so schrecklich, dass sie lieber wieder zurück wollten, ohne zu ahnen, dass das inzwischen auch im Osten die Realität war.

Bruno Schmitz kam danach als unsympathischer Makler in einer Nummer aus dem Jahr 1993. “Sie glauben, nur weil Sie geboren sind, haben Sie einen Anspruch auf eine Wohnung?” Sehr schön fand ich, dass so viele Zuschauer im Publikum saßen, die die Nummern noch aus der Stunksitzung kannten. Manchmal freuten die sich schon während der Anmoderation lautstark: “Ach, ja!” und wussten, was kam. Ich fühlte mich manchmal wie in einer Gemeinschaft von Stunksitzungs-Freunden, die alle das gleiche Interesse hatten und nicht zufällig in der Comedia saßen, sondern genau das sehen wollten, was dort auf der Bühne lief. Das merkte man auch an der offenen, fröhlichen Stimmung. Dieses Publikum musste nicht erst überzeugt werden, sondern war sofort auf Seiten der Darsteller und wollte einen Blick in die eigene Vergangenheit werfen.

In der nächsten Nummer ging es dann sogar um den Karneval, beziehungsweise um ‘Faschingsumzüge’ und ‘kölnerische Lieder’, denn die Interpretinnen (Doro Egelhaff und Doris Dietzhold) kamen aus Tübingen und der Steiermark. Und da sie “des Schaukele” so gut fanden, sangen sie ein traditionelles Karnevalslied, bei dem das Publikum kräftig mitsang und in Reihen schunkelte. Der Text war allerdings leicht süddeutsch modifiziert. “Denn mir san kölsche Mädle ...”

Sehr witzig, dass der Dreivierteltakt sofort funktionierte und völlig hemmungslos geschunkelt wurde. Zur Erinnerung: Es war Juni mit heißen, hochsommerlichen Temperaturen! Aber es war das Rheinland, da war die Jahreszeit egal.

Weil es gerade so karnevalsmäßig abging, kamen gleich noch zwei Clowns hinterher, die besonders durch ihre unterschiedliche Statur sehr für Erheiterung sorgten. Martina Klinke und Reiner Rübhausen hatten einige Meinungsverschiedenheiten zu klären und ließen immer wieder ein emotionsloses “Buff-tata!” hören.

Die Männergesprächsgruppe aus der Session 2001 brauchte danach nur wenige Worte und erreichte gluckerndes und stellenweise lautes Gelächter beim Publikum. Wunderbar! So viel konnte man gar nicht gucken, wie es zu sehen gab. Zu sehen, nicht zu hören. Wirklich superwitzig.

Purple kam unmittelbar danach als Xavier Naidoo auf die Bühne zurück und klagte “Ich wollte noch Aufschnitt nehm’n”, was an den passenden Textzeilen lautes Gelächter auslöste. Seine Mimik und die zum Teil seltsamen Bewegungen lösten weitere Erheiterung aus und die Stimmung im Saal war wirklich klasse. Ein schwarzgekleideter Backgroundchor aus Stunkern trat auf und machte völlig ernsthaft den Chor dazu.

Langer und lauter Beifall anschließend vom Publikum, das viel Spaß an der sehr witzigen und etwas abgedrehten Nummer hatte.

Wie man Fußballfans für die Kirche begeistern konnte, zeigte eine Nummer von 1996. Eine Messe fand im Dom statt und die anwesenden Fußballfans benahmen sich wie im Stadion. Sie brüllten Kommentare wie: “Nee, Meißner, nicht den Matthäus! Wir woll’n den Lukas seh’n!!” und sangen in grölenden Chören: “Ein’n Jesus Christus, es gibt nur ein’n Jesus Christus!” Sehr witzig!

Stunksitzung und Kirche, das war schon immer ein brisantes Gebiet gewesen. Damit das auch im Sommer nicht zu kurz kam, sang Didi Jünemann als Priester einen kurzen, knackigen Rock’n’Roll über sein Problem mit dem Zölibat, der schon 1988 in der Stunksitzung vorgeführt wurde, und Christian Rzepka eröffnete eine Wojtyla-Nummer von 1986 mit den Worten: “Für Gott und für Toyota ist nichts unmöglich: Der Papst kommt!” Der kam dann auch etwas wackelig an und erntete großes, dumpfes Gelächter. Dumpf, weil im Lachen ein “Ouhh!” mitschwang, dass gleichzeitig sagte: “Wie respektlos! - Aber witzig!”

Wolfgang Nitschke war grandios als Papst und spielte die Rolle richtig aus. Hinter ihm die Stunker als Nonnen, Mönche und Priester in verschiedenen Ornaten, Purple spielte Orgelklänge und alles erinnerte an eine Messe, auch wenn die Texte nicht ganz passten. Alles artete in eine Shownummer aus mit dem Lied aus Jesus Christ: “Wojtyla, Superstar”, das dann aktuell auf “Ratzinger” geändert wurde. Ich fand es respektlos, witzig und richtig gut. Wenn Politiker, Prominente und irgendwelche Berufsgruppen bei der Stunksitzung ihr Fett wegbekommen, muss das auch die Kirche vertragen.

Die Sommer-Stunksitzung hatte ihr Finale, und es gab großen Beifall vom sehr zufriedenen Publikum, lobende Pfiffe, Rufe, Verbeugungen der lachenden Stunker, und nach den Verbeugungen natürlich noch eine Zugabe. Purple kam raus, wurde musikalisch begleitet von Josef, und sang das Lied vom ‘Brauchtum’, das den Bogen zur Anfangsmoderation baute. Lachend sang das Publikum beim Refrain mit, und die Stimmung war einfach toll.

Hände gingen im Takt durch die Luft, die anderen Stunker kamen zu Purple auf die Bühne und es wurde gemeinsam gefeiert. Das war echtes Stunksitzungsfeeling.

Ganz großer Applaus am Ende für den wirklich gelungenen Abend. Er war kurzweilig, witzig, beinhaltete nur wenig Karneval, aber gute Laune, Geschunkel, viele gute Sketche, die zum Teil auch nach vielen Jahren nicht unaktuell waren, und großes Gelächter. Geeignet übrigens nicht nur für erprobte Stunksitzungsfans. Von mir aus im nächsten Sommer sehr gerne wieder!