Friedemann Weise - Der große Kleinkunstschwindel - 13.01.2015 - Köln

Subway, Köln  
(Am Ende des Berichtes ein Zusatz zum Auftritt vom 29.10.2015, Pantheon-Casino, Bonn)

Im Kölner Subway ging man zum Lachen in den Keller, was nicht verwunderlich war, da sich der kleine Club in einem Kellergeschoss befand. Üblicherweise wurde dort auf angesagte Rhythmen getanzt, manchmal gab es auch ein Jazzkonzert. Diesmal gab es Comedy mit Friedemann Weise. Den kannte ich aus dem Internet, wo er in kleinen, witzig gemachten Videos kreative Tipps gab. Wie man ein T-Shirt mit Klebestreifen abklebt, Farbe darüber bepinselt und ein Streifen-Shirt erhält, oder wie man aus eingelegten griechischen Weinblättern mithilfe eines geschälten Fischstäbchens Sushi macht. Über seinen trockenen Humor und die geschickten Wortspielereien konnte ich sehr lachen, darum war es an der Zeit, ihn mal live zu erleben.

Das wollten mit mir noch etwa 120 andere Besucher, die damit den kleinen Club bis in die hinterste Ecke füllten. Wobei gerade der hintere Clubteil für Zuschauer etwas ungünstig war, denn zwei dicke Betonsäulen, vermutlich unentbehrlich für die Statik, verhinderten den Blick auf die improvisierte Bühne. Dort gab es eine Gitarre, ein Mikrofon, einen Monitor und eine Dialeinwand. Etwas daneben stand ein Tisch mit Laptop und Leselampe. Auf der Leinwand stand der Titel des Programmes: „Der große Kleinkunstschwindel“.

Was das Programm mit einem Schwindel zu tun haben könnte, fragte ich mich, bekam aber keine Antwort. Nachdem ich schon länger gewartet, auf den Titel gestarrt und mit Blick auf die Uhr erkannt hatte, dass sich der Beginn der Veranstaltung anscheinend verzögerte, hatte ich plötzlich die Erkenntnis: Der Kleinkunstschwindel war, dass wir alle Eintritt für ein Kleinkunstprogramm bezahlt hatten, jetzt zwei Stunden wartend herum saßen und dann, ohne Irgendetwas auf der Bühne gesehen zu haben, wieder gingen. Voll der Schwindel! Und das hatte sogar noch dick und nicht übersehbar auf den Plakaten gestanden!

Nee, das macht er nicht, beruhigte ich mich selber, wobei ich doch grinsen musste, denn das Programm würde voll dem Titel entsprechen und ich wäre, ebenso wie alle andere Zuschauer, so doof gewesen und darauf reingefallen. So ein bisschen würde ich das Friedemann Weise schon zutrauen. Doch in diesem Moment fing es an. Schade eigentlich. Nee, dann doch nicht schade.

Friedemann Weise sprach in genau dem Ton, den ich so gut aus den Videos kannte. Ein bisschen emotionslos runtergerasselt, und ähnlich wie die deutsche Synchronstimme von Tom Hanks, bei der ich mich auch immer frage, warum sie immer in einer ähnlichen Stimmfarbe bei fast gleichem Sprechdruck bleibt. Andererseits machte das natürlich auch einen Reiz aus, dass ein Gag nach dem anderen in den Raum gesprochen wurde, ohne dass er mit emotionaler Stimme aufgebaut und damit Spannung erzeugt wurde. Es waren nur minimale Gefühlsregungen zu hören.

Der Gag war meistens da, wo Friedemann Weise eine kurze Pause machte. Manchmal reichte die Pause bei einigen Zuschauern nicht mal zum Verstehen, da kam schon der nächste Satz. „Die Show wird heute Abend aufgezeichnet“, sagte Friedemann Weise, „ein Freund von mir kann gut malen.“ Kurze Stille, dann lachten einige Zuschauer los. Die anderen guckten nur und warteten auf den nächsten Satz, der vielleicht alles erklären würde. Es war aber schon alles gesagt. Über so einen Humor konnte ich vergnügt lachen und hatte Spaß. Auch die Ansage, dass er „einen Song über nicht erfüllte Erwartungen“ singen würde, die Gitarre hob, wieder senkte und über das nächste Thema sprach, war genau mein Ding.

In hohem Tempo erzählte er von angeblichen Erlebnissen und Erfahrungen, fasste kurz und knapp zusammen, so dass nur das Wesentliche blieb und jederzeit das Ende der Geschichte erreicht sein konnte. „Ich verwechsel immer wieder Ben Affleck mit Matt Damon. Scheiße, schon wieder!“ Er berichtete von seiner Freundin, die nach einem schweren Unfall eine schiefe Nase hatte, die nicht mehr so richtig … Er brach ab und seufzte. Dann lächelte er und beruhigte: „Aber es ist alles wieder in Ordnung“, und setzte hinterher: „Ich hab ‘ne NEUE Freundin.“ Außerdem kamen Sätze wie: „Arbeit ist, wo Urlaub Urlaub macht“, was dann wieder merklich lang dauerte, bis es in den Zuschauerköpfen aufgebröselt und verstanden war. Ich saß da, lachte oft und fand die schrägen Gedanken wunderbar.

Zwischendurch gab es Lieder mit Gitarrenbegleitung. Seine Stimme war schön - sehr voll und ganz sicher - das Gitarrespielen war super, die abgehackten, fast unbeholfen wirkenden Tanzeinlagen, die an einen tanzenden Helge Schneider erinnerten, machten Spaß, aber textlich waren mir einige der Lieder viel zu einfach. Hatte ich die Gags und Wortspielereien etwa nur nicht erfasst? War ich zu blöd oder war da nichts? Es war ja nicht so, dass in der Wortcomedy jeder Gag ein Knallergag war, auch da wurde es manchmal platt, aber da kam auch ständig wieder eine Bemerkung, die so schön abgedreht und schlau gedacht war, dass ich die Mischung gut fand. Bei den Liedern wartete ich manchmal bis zum Schluss auf eine schräge Wendung, die dann meistens nicht kam. Auch die Reime waren manchmal etwas heftig in die Form gepresst. Irgendwie hatte ich da mehr Schräges erwartet, wobei ich nicht die Töne meine.

 

Das Lied „Keiner braucht deutsche Songwriter“ fand ich ganz gut, weil es nur mit Klischees spielte, das Wort „Songwriter“ gebrauchte, obwohl da der „Liedermacher“ passender wäre, und weil Friedemann Weise selber Lieder mit deutschen Texten machte. Schön auch das Lied über „Wien“, weil die Reimwörter gut gemacht waren, aber nur „Eine kurze Geschichte der Zeit“ war so, wie ich mir Lieder von ihm wünschte. Witziger Aufbau, unerwartete Wendungen, schräge Gedanken. Dass bei dem Lied über die verpassten Auftritte so viel gelacht wurde, wunderte mich, denn mir war das zu platt und zu vorhersehbarer. Es kam ein bisschen aus „der Zeit, als Otto noch witzig war“. Für mein Gefühl also alles schön gesungen und toll gespielt, aber textlich zu "normal".

Als die Dia-Leinwand zum Einsatz kam, zeigte Friedemann Weise kleine Fotokollagen, die er gemacht hatte, und die ich zum Teil schon bei Facebook gesehen hatte. Vor allem die zum NSA-Abhör-Skandal, auf der auf einem Foto Barack Obama zu sehen ist, den ein Mädchen mit einer Sprechblase anspricht: „Mein Vater sagt, Sie können in meinen Computer gucken“, woraufhin Obama in einer Sprechblase knapp antwortet: „Das ist nicht dein Vater.“ Vielfach durch die Welt gepostet und einfach großartig! Auch angedachte Buchtitel stellte er vor. „111 Babyfotos, die keiner geliked hat“, oder „111 gelöste Sudokus“, bei denen ich mich über die Werbezeile: „Alle ausgefüllt! Alle richtig!“ weglachen konnte.

Auch wenn das Publikum manchmal einbezogen wurde und schnelle, langsame oder sogar fehlende Reaktionen passend kommentiert wurden, blieb Friedemann Weise hinter seiner Gitarre und seiner kleinen Plastik-Wasserflasche auf Distanz. Es war kein Mitmach-Programm; das Publikum saß auf der „anderen Seite“ und wurde „bespielt“. Das fand ich manchmal etwas schade und wusste auch nicht, ob die Distanz bewusst eingesetzt war, weil ein Gemeinschaftsgefühl gar nicht gewollt war, oder ob sie ein Schutz war, damit einige Zuschauer nicht ZU nah kamen und jede Distanz verloren. Gerade hemmungslose Zwischenrufer konnte ein so schnelles Programm überhaupt nicht brauchen. Ein bisschen mehr Nähe würde aber gar nicht schaden. Das Publikum mag es, wenn es sich auf einer Seite mit dem Künstler fühlt.

Am Ende der Programmes gab es viel lauten Applaus, Zugaberufe und als Zugabe das Kinderlied „Hans, die kleine Haselnuss“, bei dem das Publikum mitsingen sollte und es auch laut und vergnügt tat. Mit seiner trockenen Art und den schrägen Gags hatte Friedemann Weise viele überzeugt. Nicht alle, aber das ist mit einem so unangepassten Programm auch nicht zu erwarten. Das gefällt entweder sehr oder gar nicht.

Schon auf dem Weg zum Parkhaus fiel mir kaum noch einer der Gags ein. Mist. Worüber hatte ich eigentlich den ganzen Abend lang immer wieder gelacht? Bei diesem Gag-Tempo war mein Hirn anscheinend überlastet und speicherte nicht mehr ab. Wie gut, dass ich mir Notizen gemacht hatte, ansonsten wäre der Bericht wohl sehr mager ausgefallen. "Es gab viele witzige Sachen, mir fällt aber keine mehr ein."

Insgesamt fand ich die Mischung aus Erzählungen, Bildbeiträgen und Liedern sehr gut. Es blieb kurzweilig und überraschend, ein volles Programm lang. Nur andere Liedtexte hätte ich gerne, die mich genauso lachen und über schräge Ideen staunen lassen wie die anderen Sachen. Was an dem Abend jetzt aber der große Kleinkunstschwindel war, weiß ich immer noch nicht. Hätte ich vielleicht doch mal fragen sollen.

 

Nachtrag: 29.10.2015, Bonn, Pantheon-Casino

Neun Monate nach meinem ersten Besuch bei Friedemann Weise, sah ich mir sein Programm im kleinen Casino des Bonner Pantheons an. Zu meiner Verwunderung waren nicht viele Zuschauer da, obwohl er noch im Mai im Finale des Prix Pantheons gestanden hatte. Hätte in Bonn darum eigentlich anders aussehen sollen. Aber vielleicht lag es am Wetter, fehlender Werbung oder sogar am Spielort, den ich zwar sehr faszinierend fand, der tief im Keller unter einem riesigen Hochhaus aber auch etwas Unheimliches hatte.   

Ich war gespannt, ob sich am Programm und vor allem am Auftritt des Künstlers etwas geändert hatte. Ja, hatte sich! Vom Programm kannte ich natürlich einiges, aber ich konnte immer noch darüber lachen und es waren erstaunlich viele neue Sachen dabei. Der Abend war von Anfang bis Ende sehr kurzweilig und abwechslungsreich. Und Friedemann Weise, der Mann, der seine Gags früher am Schreibtisch und vor der Videokamera machte und sein Publikum vorwiegend über die Distanz des Internets erreichte, zog sich auf der Live-Bühne nicht mehr in seinen Schutzbereich zurück, sondern sprach das Publikum an, hatte Blickkontakt und war lässig cool. Es machte großen Spaß, und jetzt war auch das Gemeinschaftsgefühl zwischen Künstler und Publikum da. 

Sehr locker machte er Bemerkungen zu den wenigen Zuschauern, - er hatte sicher mehr erwartet -, aber genau dieser offene, witzige Umgang mit seiner eigenen Enttäuschung brachte Nähe. Und das Publikum, das damit sofort auf seiner Seite war, klatschte umso heftiger, um die fehlende Masse auszugleichen. Er sagte: "Ihr gehört nachher zu den Leuten, die sagen können: Den haben wir schon gesehen, da ist er noch vor ganz wenigen Leuten im Pantheon Casino aufgetreten!", und lobte: "Ihr klatscht als ob ihr mehr als vier Zuschauer wärt!", dabei waren es dann doch deutlich mehr als vier. 

Mir gefiel sehr, wie offen und souverän Friedemann Weise jetzt auf der Bühne wirkte. Immer noch war er ganz ungefährlich und eher schutzbedürftig, aber das passte gut zu seiner eigenen Komikwelt, in der er herumsprang. Auch dass er das Publikum mal siezte und mal duzte war vielleicht keine Absicht, wirkte aber nett und ein wenig planlos. Der Blickkontakt in wechselnde Richtungen war klasse und brachte eine schöne Verbindung, und wenn er beim Singen plötzlich rief: "Tisch 1 singt den Refrain mit!", zuckten die Leute an Tisch 1 zwar mal kurz, lachten dann aber so vergnügt wie alle anderen los, weil klar war, dass das niemand tun MUSSTE. Er machte zwar manchmal Hammer-Gags, aber er tat keinem persönlich weh. Das würde auch überhaupt nicht zu ihm passen.

Ich hatte sehr viel Spaß, lachte den ganzen Abend über und fand sogar die Lieder witzig. Waren sie witziger als im Januar oder waren meine Erwartungen an den Text niedriger? Vielleicht war auch die Performance lockerer und dadurch wirkte alles leichter und humorvoll überspitzt. Gitarre spielen konnte er auf jeden Fall klasse. Auch die spontanen Bemerkungen waren sehr gut. Als Friedemann Weise versehentlich seine Wasserflasche vor der Linse des Beamers abgestellt hatte und einen Schreck bekam, als er unerwartet auf ein verschwommenes Bild sah und zunächst gar nicht wusste, was der Grund dafür war, ging er nicht einfach darüber hinweg, sondern kommentierte es witzig. Das Publikum lachte vergnügt und mochte ihn dafür. Am Ende gab es viel Applaus für einen richtig schönen Abend.   

Fazit: Hohe Gagdichte. Schön schräg. Wird nicht jedem gefallen, aber wem es gefällt, dem richtig. Mir zum Beispiel.