Wise Guys - 28./29.05.2005 - Tanzbrunnen - Köln

Das Tanzbrunnenwochenende
Samstag, 28.Mai - mit Dän
Sonntag, 29.Mai - mit popeliger Pappelpolle, ohne Dän

Die Tanzbrunnenkonzerte der Wise Guys im Mai waren kultig. Ein schönes Open-Air-Gelände am Rhein, der Dom schräg gegenüber, viele Zuschauer und extrem gute Stimmung. Das Wochenende mit den beiden Tanzbrunnenkonzerten war ein ganz besonderer Termin im Jahr. Diesmal hatten die Wise Guys nur zwei Tage vorher ein Konzert beim Kirchentag in Hannover gegeben, das mit 35.000 begeistert mitsingenden Zuschauern eine ganz neue Dimension gehabt hatte Die dortige La-Ola-Welle reichte von rechts bis links über den ganzen Platz und brauchte mindestens fünf Sekunden, bis sie am Ende ankam. Das machte die eigentlich hohen Zuschaueranzahl beim Tanzbrunnen etwas unspektakulärer. Trotzdem kamen die Wise Guys am Samstag mit leicht kribbelnder Energie am Tanzbrunnen an, denn sie wussten, dass viele Fans eine richtig gute Show erwarteten und die wollten sie bieten.

SAMSTAG

Schon früh am Morgen saßen die ersten Fans vor den Toren, um sich ihren Platz in der ersten Reihe zu sichern. Es war sonnig, fast schon zu warm, und alles sah nach Urlaub und einem richtig guten Wochenende aus. Wichtig waren kühle Getränke und Sonnencreme, dann konnte man die Warterei schon aushalten.

Die Wise Guys kamen um die Mittagszeit nacheinander an, machten eine Runde über den Platz und verschwanden im Backstagebereich. Die Leinwand für die Liv-Übertragung war aufgestellt, der Licht- und Tonaufbau fast abgeschlossen und auch die Kameras standen einsatzbereit vor der Bühne.

Konnten in den vorherigen Jahren im offenen Gelände zufällige Spaziergänger und zur Bühne eilende Fans dem Soundcheck beiwohnen, wurden diesmal die Tore schon frühzeitig geschlossen, um den Wise Guys ein konzentriertes und zuschauerfreies Arbeiten zu ermöglichen. Währenddessen wurden die letzten Einstellungen bei Licht, Kamera und Ton gemacht und alles in Bereitschaft gebracht.

Kaum war der Soundcheck beendet und die Wise Guys nach hinten im Backstagebereich verschwunden, wurden die Eingangstore geöffnet. Zum ersten Mal in der Geschichte der Tanzbrunnenkonzerte öffneten sich alle Tore auf Kommando gleichzeitig, so dass nur die Zehntelsekunden bei den Sprints die Plätze in der ersten Reihe ausmachten, nicht aber, ob das Tor, vor dem man zwei, fünf oder acht Stunden lang ausgeharrt hatte, früh, spät oder gar nicht aufgemacht wurde. Aber wie in jedem Jahr war es wieder ein Erlebnis, die Ordner mahnend: „Langsam!“ rufen zu hören, während die Fans in extrem hohem Tempo an ihnen vorbeirauschten.

Nachdem die ersten Stehplatzreihen besetzt waren und ein Sprint dafür unnötig wurde, kamen die weiteren Zuschauer langsamer und als anscheinend nicht mehr versiegender Strom an und füllten das Tanzbrunnengelände Reihe um Reihe. Sie lagerten zuerst auf mitgebrachten Decken, rückten später immer näher zusammen, bis sie kurz vor Konzertbeginn in einem engen Pulk standen.

Vorgruppe waren die Rockhouse Brothers aus Hamburg. Im September des letzten Jahres hatten die Wise Guys sie nach ihrem Konzert in der Großen Freiheit zufällig in einer benachbarten Kneipe gehört und jetzt gefragt, ob sie vor den Tanzbrunnenkonzerten spielen möchten. Natürlich wollten sie.

Und sie brachten eine wunderbare Show und den Rock’n’Roll der 50er-Jahre mit. Mit Charme, Augenzwinkern und Temperament machten sie sofort gute Stimmung und gewannen dabei sogar neue Fans. „Oh, da werden es eure Wise Guys aber schwer haben, das noch zu toppen“, meinte einer der Techniker, als er den lauten Applaus des Publikums hörte. „Keine Sorge, das schaffen sie schon“, grinste ich lässig, freute mich aber, dass die Rockhouse Brothers so gut ankamen. Mir war vorher schon klar gewesen, dass sie vielen Wise Guys Fans gefallen würden, ohne dem ‚Hauptact‘ des Abends die Zuschauer zu nehmen. Das waren zwei ganz verschiedene Sachen, die trotzdem zueinander passten.

Joey an der Gitarre und Jamie am Bass waren Brüder und wurden ergänzt durch ‚Wolfman‘ am Schlagzeug. Die Musik war sehr klasse, aber ich mochte auch ihre Show. Alles leicht übertrieben, sich selbst nicht ganz ernst nehmend, mit viel Kontakt zum Publikum und sichtbarem Spaß an der Sache. Und außerdem waren sie wirklich supernett und sehr sympathisch.

Ein gelungener Konzertauftakt mit einer 45minütigen Rock’n’Roll-Show, die sehr gut ankam und auf dem Gelände gute Laune machte.

Die letzten 30 Warteminuten vor dem Wise Guys Auftritt ließen bei den Zuschauern steigende Spannung erkennen, und auch hinter der Bühne war das Prickeln zu spüren. Die Wise Guys hatten sich schon umgezogen und verschwanden in einem Raum zum Einsingen. Kamera- und Tonleute fanden sich ein, tranken noch einen letzten Kaffee oder rauchten eine Zigarette, und alle stellten sich auf die nächsten zweieinhalb Stunden konzentrierter Arbeit ein.

Der Grund, warum ich keinen detaillierten Konzertbericht schreiben kann, liegt an meinem Aufenthaltsort während der Show: Der Bildregieplatz hinter der Bühne, an dem ich den Kameramännern und dem Bildmischer über Funk die Ohren vollredete, was gleich auf der Bühne passierte und wo die aussagekräftigen Kamerabilder zu machen waren. Das waren Sätze wie: „Noch vier Takte, dann geht der Dän sehr schnell sechs Schritte nach links und bleibt eine Strophe lang vorne am Bühnenrand stehen“, oder: „Achtung! Der Sari wirft sich gleich auf die Knie! Kamera runter!“ oder: „Letzter Satz im Text uuuuund ... Schluss!”

Das wirkte beim Zuhören vielleicht etwas idiotisch, halt aber sehr, um eine gute Liveübertragung auf die Leinwand zu bringen und möglichst oft im richtigen Moment die richtigen Bilder zu haben. Aber natürlich verquatschte ich dabei das ganze Konzert mit Blick auf die Monitore und konnte nachher nicht über die Einzelheiten des Bühnengeschehens berichten. Darum hier ein paar kommentarlose Bilder vom Konzertgeschehen.

Zusammenfassung: Etwa 11.500 Zuschauer, vielleicht auch ein paar mehr, strahlende Sonne, tolle Vorgruppe, supergute Stimmung, sehr abwechslungsreiche Liedauswahl - ein richtig toller, langer Konzertabend im Kölner Tanzbrunnen.


Showtime
Wo der Pfeffer wächst
Was für eine Nacht
Du kannst nicht alles haben
Denglisch
Hallo Berlin
Monica
Erzähl mir die Geschichte
Sensationell
Das war gut
Achtung! Ich will tanzen
Weltmeister
Powerfrau
Nur für dich

Mad world
Ohrwurm
Einer von den Wise Guys
Du bist dran
Neun Live
Chocolate Chip Cookies
Zu spät
Deutscher Meister
Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf
Sing mal wieder
King of the road
Probier’s mal mit ‘nem Bass
Feierabend

Jetzt ist Sommer
Mädchen lach doch mal
Nein, nein, nein
Ruf doch mal an
Weil ich ein Kölner bin

Danach gab es im Tanzbrunnentheater, das auf dem Gelände stand, eine Aftershowparty, die schon im Vorfeld ausverkauft war. Eigentlich sollte es eine Disco zum Abfeiern sein, zu der auch die Wise Guys kamen, aber die bekamen zunächst keine Möglichkeit zum Feiern, sondern wurden umringt und mussten noch lange Autogramme geben und für Fotos zur Verfügung stehen. Das fand ich etwas schade, denn ein lockeres Runterkommen hätte ihnen gutgetan und war im Vorjahr auch noch ganz gut zu machen. Diesmal verwechselten viele Fans die Party mit einem normalen Afterglow, so dass Dän schließlich über Mikrofon darum bat, diese Sachen doch auf einen Afterglow nach einem kleineren Konzert zu verlegen. Eigentlich ist die Idee doch total klasse, gemeinsam mit den Wise Guys zu tanzen und Spaß zu haben. Wenn die aber nur Autogramme schreiben müssen, ist die Discomusik dazu eigentlich überflüssig. Zum Glück wurde es dann doch noch ruhiger um die Hauptakteure des Abends und sie verschwanden in den Massen der tanzenden Fans.

 * * * * *

 

Sonntag

Der Sonntag begann mit warmer Sonne und blauem Himmel. Vor dem Tor warteten die ersten Fans, die Wise Guys trafen ein, und alles sah nach einem wunderbaren zweiten Konzerttag aus. Allerdings flogen weiße, wattige Pappelpollen durch die Luft, und ich dachte daran, dass die Wise Guys schon mal ein Tanzbrunnen-Konzert bei diesem “Schneegestöber” gegeben hatten und dabei auf der Bühne immer wieder plusterige Pollen schlucken mussten, die in den geöffneten Mündern gelandet waren. Naja, das würden sie schon schaffen.

Während des Soundchecks wirkte alles noch ganz normal. Die neuen Lieder wurden nochmal durchgesungen und letzte Korrekturen an den Einstellungen von Monitoren und Lautsprechern durchgeführt.

Die Wise Guys verbrachten die Zeit nach dem Soundcheck im Backstagebereich, während der Tanzbrunnen sich immer weiter mit Besuchern füllte. Wie geplant starteten die Rockhouse Brothers pünktlich mit ihrer Vor-Show. Sie hatten ein so großes Repertoire, dass sie auch einige Songs brachten, die sie am Vortag nicht gespielt hatten und es darum auch den Zuschauern, die am Samstag UND am Sonntag dabei waren, nicht langweilig wurde. Wobei ich betonen möchte, dass mir ihr Auftritt so viel Spaß machte, dass ich ihn mir gerne mehrfach mit genau gleicher Setliste angucken könnte und ganz sicher keine Langeweile hätte.

Auch hinter der Bühne liefen die Vorbereitungen wie geplant ab. Als ich Dän, der ruhig an der offenen Backstagetür stand und den immer noch vorbeiströmenden Zuschauern zusah, fragte, wie er sich fühle, antwortete er, dass er etwas müde sei. Und so sah er auch aus. Das war nach dem gigantischen Donnerstagskonzert in Hannover, dem Vortagskonzert im Tanzbrunnen und der langen Aftershowpartynacht, die dem Konzert folgte, nicht besonders erstaunlich. Trotzdem wunderte ich mich etwas, denn eigentlich machte die Tanzbrunnenatmosphäre, je näher es auf den Auftritt zuging, wach. Aber wahrscheinlich spürte er schon, dass irgendetwas nicht in Ordnung war und seine Stimme bei den Lockerungstönen, die er vor Konzertbeginn immer wieder ausstieß, nicht richtig reagierte.

Die Wise Guys verschwanden mit Gesangscoach Erik Sohn zum Einsingen, und die Kamera- und Tonleute setzten Kaffeebecher und Zigaretten ab und begaben sich an ihre Arbeitsplätze. Die letzten Minuten vor Konzertbeginn brachen an. Gespannte Konzentration, letzte Überprüfungen der Geräte, der Einzähler, der die letzten 60 Sekunden auf der Leinwand runterzählte, wurde startbereit gemacht. Plötzlich, wirklich fünf Minuten vor dem Konzertstart, kam Eddi in die Bildregie und sagte leicht angespannt: „Wir müssen noch etwas warten, dem Dän ist gerade die Stimme weggeblieben. Könnt ihr irgendwas einspielen und jetzt auf keinen Fall den Einzähler zum Konzertbeginn starten?“ „Na klar“, antworteten wir und ließen den normalen Infotrailer über die Leinwand laufen, um einige Minuten Zeit zu gewinnen.

Währenddessen erkundigte ich mich im Backstagebereich nach dem Stand der Dinge. Es waren besorgte Mienen zu sehen und große Anspannung zu spüren. Keiner wusste etwas Genaues. Dän hatte während des Einsingens einen starken Hustenanfall bekommen und danach war ihm die Stimme weggeblieben. Eventuell hatte eine kleine, versehentlich verschluckte Pappelpolle diese Irritation auf den Stimmbändern ausgelöst. Jetzt war er in einem Raum verschwunden und machte hinter geschlossener Tür mit Erik Lockerungsübungen. Es war völlig offen, ob er gleich fit und strahlend herauskommen oder richtig krank liegenbleiben würde. Nach kurzer Zeit war dann klar, dass ein ernsthafteres Problem vorlag und ein Arzt gebraucht wurde, der sich den Hals und die Stimmbänder ansehen und eventuell eine Schnellbehandlung starten konnte.

Sofort setzten wir einen kurzen Text auf die Leinwand und kurz danach kam Eddi auf die Bühne, um das schon hin und wieder ungeduldig klatschende Publikum über die vorläufige Verzögerung zu informieren.

Er erklärte, was vorgefallen war, dass sie selber noch nicht wussten, was nun passieren würde, und dass gerade nach ihrem Arzt telefoniert würde. Außerdem versprach er eine sofortige Information, sobald es Neuigkeiten gäbe. Er entschuldigte sich für die Wartezeit und bat um etwas Geduld.

Zufällig war ein HNO-Arzt und Stimmbandspezialist als Zuschauer im Publikum, der sofort hinter die Bühne kam und freundlich seine Hilfe anbot. Nach einer kurzen Untersuchung entschied er, dass er seine Instrumente und einige Medikamente aus der Praxis brauchte, um nach genauerer Untersuchung sagen zu können, ob Dän mit Hilfe einiger Spezialmittel würde singen können, oder ob der Auftritt abgesagt werden musste. Es war immer noch alles offen.

Die Atmosphäre hinter der Bühne war extrem angespannt, aber nicht hektisch. Es war so etwas wie der Katastrophenfall eingetreten: Das riesige Tanzbrunnenkonzert mit mehr als 8000 Zuschauern musste wenige Minuten vor Beginn gestoppt und die Pausetaste gedrückt werden. Das war etwa wie ein Raketenstart-Abbruch bei der NASA während des Countdowns.

Der überraschend eingesprungene HNO-Arzt wurde zu seiner Kölner Praxis und dann zurück zum Tanzbrunnen gefahren, und Dän währenddessen in einem ruhigen Raum entspannend umsorgt. In der Bildregie wurden Clips und Ausschnitte aus der DVD zusammengesucht, um Abwechslung auf der Leinwand zu bieten, während gleichzeitig der Konzerteinzähler griffbereit blieb, um das Konzert sofort starten zu können, wenn das OK kam. Zur selben Zeit suchte das Wise Guys Büro sicherheitshalber schon nach einem Ersatztermin, falls das Konzert wirklich ausfallen musste. Wann gab es überhaupt noch freie Termine am Tanzbrunnen und wann konnten auch die unbedingt nötigen Techniker und Mitarbeiter kommen? Jeden Moment konnte das OK kommen und das Sonntags-Tanzbrunnenkonzert doch noch starten, aber es wurde schon hektisch telefoniert und es wurden viele Terminkalender geblättert.

Immer wieder sprintete jemand über den Gang und alle warteten angespannt auf das Arztergebnis. Die Untersuchung und Notfallbehandlung dauerten ziemlich lange. Der Blick auf den Gang vor dem Zimmer, in dem sich Dän und der Arzt befanden, wird für mich unvergesslich sein. Familienmitglieder, Freunde und Mitarbeiter standen oder saßen sehr ruhig und mit besorgten Mienen herum und warteten auf das Ergebnis. Es sah aus wie in einem Krankenhaus, und es war nicht die Sorge um ein ausfallendes Konzert zu spüren, sondern die Sorge um Dän und seine Gesundheit. Was hatte er, dass ihm die Stimme so plötzlich wegblieb? Wie ging es ihm jetzt da drinnen?

Es war kurz vor 18 Uhr, eine Stunde nach dem vorgesehenen Konzertbeginn, als plötzlich die Tür aufging und sich wie ein Lauffeuer verbreitete: „Das Konzert muss ausfallen. Dän hat absolutes Sing- und Sprechverbot!“ Das war der Hammer, der drohend in der letzten Stunde über dem Team geschwebt hatte und jetzt niederknallte. In aller Eile besprachen Eddi, Sari, Ferenc und Clemens, dass sie zu viert etwas singen würden, um den vielen Zuschauern nicht nur eine Absage präsentieren zu müssen. Auf einen Zettel kritzelte Eddi mögliche Titel und sie gingen blitzschnell durch, welche davon überhaupt ohne Dän zu machen waren. Eigentlich war kein Titel in unvollständiger Besetzung und ohne Vorbereitung darauf zu singen, aber irgendwas musste gemacht werden. Schließlich hatten sie drei Titel gefunden.

Eddi ging raus auf die Bühne und erklärte, dass das Konzert ausfallen musste. Er machte das hervorragend. Ganz klar und offen erzählte er, was passiert war und wirkte dabei glaubwürdig und sehr sympathisch. Bei aller Souveränität waren aber auch die Hilflosigkeit und das Erschrecken in dieser unerwarteten Situation zu spüren. Hier sagte keiner leichtfertig ein Konzert ab, sondern es mussten massive Gründe vorliegen. Das Publikum empfand es genau richtig und reagierte toll. Es gab sogar aufmunternden Applaus für Dän, und die enttäuschten Blicke der Zuschauer waren trotzdem verständnisvoll. Vor allem machte sich die Sorge um Dän breit. War er schon auf dem Weg ins Krankenhaus, wie es sich gerüchteweise verbreitete? Nein, war er nicht. Er stand stumm im Backstagebereich, lächelte leicht, sah dabei aber total traurig aus. Es war für ihn unglaublich schwer, dass das Konzert ausfallen musste. Immer wieder nahm ihn jemand in den Arm oder sagte etwas Tröstendes und Aufmunterndes und immer lächelte er freundlich, aber innerlich tieftraurig zurück.

Während Eddi auf der Bühne erklärte, standen die drei anderen Wise Guys sehr angespannt hinter dem Vorhang und warteten auf ihren Auftritt. Zu viert zu singen vor so einem großen Publikum, das die Supershow erwartet hatte und nun nach einer Stunde Wartezeit die Absage erfahren hatte, war Horror. Eddi kündigte von der Bühne aus seine drei Kollegen an, und sie kamen heraus und lächelten etwas verkniffen ins Publikum. Originalzitat eines nicht näher benannten Wise Guy: „Ich hätte heulen können, als ich auf der Bühne stand!“ So ein richtig freudiger Auftritt war es nicht, auch wenn das Publikum sie jubelnd begrüßte.

Es ging los mit Mädchen lach doch mal, und die Zuschauer machten sehr schnell mit. Die Stimmung stieg merklich schnell, und wenn es schon kein richtiges Konzert geben konnte, waren die meisten froh, dass es überhaupt etwas von den Wise Guys zu hören und zu sehen gab. Und das Ergebnis war auch zu viert erstaunlich gut.

Ein bisschen verloren und unvollständig wirkten die Vier schon auf der Bühne, und auch musikalisch fehlte die Stimme oder die Mouthpercussion von Dän, aber sie machten das sehr, sehr gut. Als das Publikum singend und klatschend mitging, wurden auch ihre Mienen entspannter und das Lachen wieder echter. War das toll, solche Fans zu haben! Die Krönung war Jetzt ist Sommer, bei dem sonst Dän die Leadstimme übernahm. Ich informierte die Kameraleute bei den ersten Tönen routiniert: „Jetzt ist Sommer, Leadstimme Dän ...“, stockte kurz und ergänzte nach kurzem Hören lächelnd und gerührt: „Nee, Leadstimme Publikum!“ Tatsächlich mussten die Vier auf der Bühne nur den Background singen, während das Publikum laut, verständlich und textsicher den Hauptgesang übernahm. Das trieb mir die Tränen in die Augen, weil’s so klasse war.

Nach den drei Liedern verbeugten sich die Wise Guys und gingen ab. Laute Zugabe-Rufe erschallten, und sie beugten sich hinter dem Vorhang sofort wieder über ihre Liste, um ein weiteres Lied zu suchen. Es war faszinierend. Hinter der Bühne waren sie nervlich sichtlich angespannt und in einer extremen Stresssituation. Hektisch gingen sie die Lieder durch, während auf der anderen Seite des Vorhangs wild geklatscht wurde. Sie einigten sich schnell auf eines und standen mit ernsten, verzweifelten Katastrophenfall-Gesichtern hinter dem Vorhang. Dann gab einer von ihnen das Kommando zum Rausgehen und sie erschienen lächelnd und scheinbar entspannt vor dem Publikum. Ich fand es großartig von ihnen. Sie rissen sich zusammen und kämpften das gemeinsam durch.

So wie auch das gesamte Team im Hintergrund, denen die Vorarbeit, die Kosten und der Termin gerade gesprengt wurden. Sehr ruhig wurde die ungewöhnliche Situation von allen angenommen und jeder versuchte, seinen Teil zu geben, um alles zu beruhigen. Es war ein ganz sicherer, fester Zusammenhalt zu spüren, was bei allem Erschrecken über die Lage doch auch ein wunderbares Gefühl war. - Wir kriegen das gemeinsam geregelt. Es gibt Schlimmeres als eine Konzertabsage. Hauptsache, der Dän wird wieder gesund. - Fertig. Keine Vorwürfe, keine Klagen, kein Gejammer.

Eddi moderierte souverän, zielgerichtet und locker. Unglaublich, was der auf einmal alles konnte. Und unglaublich, was die Vier plötzlich alles noch sangen. Das mitfeiernde Publikum motivierte zu immer neuen Zugaben. Nach dem siebten Lied erschienen die Wise Guys erneut, Eddi grinste: „Wir wollen uns nicht aufdrängen ...“ und erhielt Gelächter und Beifall. Aber mit dem achten Lied war dann das Ende erreicht. Mehr war nicht drin. Sie verbeugten sich endgültig, und Eddi war die Erleichterung anzusehen, dass alles so gut gelaufen und jetzt vorbei war.

Das Publikum fühlte sich schon fast für die Absage entschädigt und applaudierte laut. Boah, einen sonnigen Nachmittag gehabt, die Rockhouse Brothers und acht Wise Guys Songs zu viert, das war doch schon ein netter Tag gewesen. Und wer am Ersatztermin wiederkommen konnte, hatte neben dem kleinen Konzert dann auch noch ein großes. Aber Hauptsache, der Dän wurde wieder gesund.

Ein gemeinsames Verbeugen, ein letztes Winken, dann gingen die vier Helden von der Bühne ab. Nicht nur vom Publikum beklatscht, sondern auch von den Mitarbeitern hinter der Bühne gelobt und bewundert für diesen Extra-Einsatz. Sie hätten die Konzertabsage vom Tanzbrunnen-Veranstalter über die Lautsprecher verkünden lassen und selber durch den Hinterausgang verschwinden können, aber sie hatten sich hingestellt und den Zuschauern eine kleine Show geboten, die für sie überhaupt nicht einfach war. Allerdings machten es ihnen die verständnisvollen Zuschauer leicht, so dass das Ergebnis wirklich erstaunlich gut war.


Mädchen lach doch mal
Denglisch
Jetzt ist Sommer

Einer von den Wise Guys
Ruf doch mal an
Nur für dich
Was für eine Nacht
Neun Live


Am Backstagebereich gab es nachher noch Autogramme, und sogar Dän kam heraus, lächelte stumm und schrieb fleißig, als ob er damit den Konzertausfall ein wenig wieder gutmachen könnte. Immerhin beruhigte es viele Fans, als sie sahen, dass er körperlich gesund wirkte und nicht schwer krank in einem Krankenhausbett lag. Blass und traurig sah er immer noch aus.

Klar, war es ärgerlich, dass viele Leute eine weite Anreise gehabt hatten und teilweise stundenlang gewartet hatten, aber mich freute, dass sogar Leute, die am Ersatztermin keine Zeit hatten, sofort Verständnis für die Konzertabsage hatten und in erster Linie an Däns Gesundheit dachten.

Nachtrag, neun Tage später:
Gestern wurde Dän von seinem Arzt für gesund erklärt und er darf wieder vorsichtig mit dem Singen beginnen. Was der Grund für den plötzlichen Stimmausfall war, ist nicht geklärt. Vermutlich kamen einige Sachen zusammen. Auslöser könnte eine der Pappelpollen gewesen sein, die Dän während des Soundchecks in den Hals bekommen und die vielleicht den Hustenanfall ausgelöst hat. Vielleicht war die Stimme auch etwas überanstrengt durch das Kirchentag- und das erste Tanzbrunnenkonzert mit nachfolgend lauten Unterhaltungen bei der sehr lauten Aftershowpartymusik. Auf jeden Fall gibt es jetzt eine Menge Leute, die sich auf den 17.6. freuen, wenn das Ersatzkonzert steigt. Zum ersten Mal in einem Juni, zum ersten Mal an einem Freitag und ganz sicher mit extrem guter Feierstimmung. Wahrscheinlich auch wieder mit den Rockhouse Brothers. Ich freu mich sehr darauf!

ERGÄNZUNG: Im Nachhinein bin ich informiert worden, dass die Pappelpollen in Wahrheit Pappelsamen sind. Wenn sie wie Wattedinger aussehen, sind sie der Samen, die Pollen sind früher und viel kleiner. Da mir der Begriff der ‘popeligen Pappelpolle’ aber so gut gefällt, lass ich den einfach drin und stelle am Ende den Sachverhalt richtig. Sollten forschende Biologen schon ihren Koffer gepackt haben, um den ungewöhnlich späten Pollenflug im Tanzbrunnen näher zu untersuchen - ihr könnt wieder auspacken, ich hatte nur keine Ahnung!