Wise Guys - 07.08.2005 - Köln - Weltjugendtag

Im August 2005 fand der zwanzigste Weltjugendtag in Köln statt. Etwa 800.000 Pilger aus der ganzen Welt kamen und auch Papst Benedikt XVI war dabei. Im Wise Guys Büro gab es viele Anfragen, ob auch die Wise Guys auftreten würden. Nach einigem Hin und Her stand fest: Die Wise Guys machen kein großes Konzert, aber einen etwa einstündigen Auftritt auf dem Gelände der Katholischen Hochschulgemeinde an der Berrenrather Straße.

Die nächste Frage, die aufkam: Brauchte man als Zuschauer einen Weltjugendtagsausweis? Nein, brauchte man nicht, aber dass es so oder so knackevoll werden würde, konnte man sich denken. Zumindest ICH dachte mir das, wurde aber überrascht. Es wurde nämlich nicht nur knackevoll, sondern viel mehr als übervoll. Massen von Leuten kamen trotz vorheriger langer Warterei nicht mehr auf das Gelände und wurden weggeschickt. Es kam sogar die Polizei, um den Andrang auf der Straße einigermaßen zu regeln, aber nachdem das Gelände voll war - und es waren schon mehr Leute drauf, als eigentlich erlaubt war - konnte einfach keiner mehr dazu gelassen werden.

Vor dem Konzert hatte es auf dem Gelände einen Gottesdienst gegeben, und entgegen der Erwartung ging kaum einer der Gottesdienstbesucher danach weg. Die wollten alle noch die Wise Guys sehen und blieben einfach da. Viele Fans, die für das Konzert lange vor dem Tor angestanden hatten, waren enttäuscht und zum Teil auch sauer, dass sie nicht reingelassen wurden. Andererseits müsste ja eigentlich jedem klar gewesen sein, dass ein Auftritt der Wise Guys im Hof der Katholischen Hochschule 1., nicht auf riesigem Gelände stattfinden konnte, und 2., nicht der Geheimtipp bleiben würde.

Auf den Straßen rund um das Gelände war der Ausnahmezustand eingetreten, was aber nicht an den Wise Guys lag. Köln in den Weltjugendtagen bedeutete, dass alle Straßenbahnen überfüllt waren und auf den Bürgersteigen in beide Richtungen permanent Gruppen von jungen Leuten unterwegs waren. Fast alle Pilger hatten den WJT-Ausweis um den Hals baumeln, viele den blaue-weißen WJT-Rucksack auf dem Rücken, und meistens gab es einen in der Gruppe, der eine große Fahne schwenkte. Zielgerichtet und in zügigem Schritt marschierten alle Gruppen in ihre jeweilige Richtung, aber man konnte nicht erkennen, ob sie auf dem Weg zu ihrer Unterkunft waren, von dort kamen, eine Veranstaltung besuchen wollten oder nicht doch ziellos auf völlig falschem Weg durch die Stadtteile irrten. Die Stimmung war auf jeden Fall ansteckend locker und fröhlich.

Da weitere Besucher nicht auf das Hochschulgelände gelassen wurden, versuchten viele Fans ihr Glück am anderen Ende des Geländes, einem Zufahrtsbereich, der auf der Rückseite der Bühne lag. Dort war aber alles mit Drängelgittern abgesperrt und die Bühne nur von hinten zu sehen. An den Seiten und der Rückwand war sie außerdem mit schwarzen Tüchern verhängt. Die Wise Guys setzten sich dafür ein, dass zumindest an einer Seiten- und der Rückwand der schwarze Vorhang entfernt wurde, um den dort sitzenden Fans den Blick aufs Geschehen zu ermöglichen. Das war nicht so einfach, wie es sich jetzt liest, denn unter den Massen von Helfern musste erstmal der einzig Zuständige für den Bühnenvorhang gefunden werden. Diejenigen, die einen Platz im seitlichen oder hinteren Bereich gefunden hatten, konnten danach zumindest einiges sehen und vieles hören. Besser als nichts.

Die Stimmung im Hof der KHG war ungewöhnlich. Fröhlich und aufgedreht, aber auch unruhig und hektisch. Es war nicht wie bei einem “richtigen” Konzert, hatte aber auch nicht den Charme eines kleinen Auftrittes. Es gab ein überdimensioniertes Aufgebot an WJT-Helfern, die aber eher Unruhe und Chaos brachten, als Übersichtlichkeit. Einige von ihnen genossen sichtlich, dass sie verantwortlich waren, fühlten sich ziemlich wichtig und zeigten das auch. Schade für die supernetten und entspannten. Kurz vor Konzertbeginn befanden sich etwa 800 Leute im Innenhof, 100 am hinteren Zufahrtsweg und 50 in einem seitlichen Randbereich. Mindestens doppelt so viele waren wieder weggeschickt worden, und viele standen noch außerhalb des Geländes auf dem Bürgersteig und versuchten wenigstens ein Hörkonzert zu bekommen.

Im Innenhof wurden die Drängelgitter vor der Bühne näher an die Bühne gerückt, um den Zuschauern etwas mehr Platz zu schaffen. Von christlicher Nächstenliebe war im Publikum dabei nicht ganz so viel zu spüren, denn es wurde beim Umbau gedrängelt und Fans, die in der ersten Reihe gestanden hatten, wurden plötzlich in die zweite oder dritte gedrückt. Aber es ging endlich los. Die Wise Guys kamen auf die Bühne und wurden begeistert begrüßt. Sie starteten sofort mit Wo der Pfeffer wächst und machten mit Was für eine Nacht weiter. Das Publikum war in aufgedrehter Feierstimmung und klatschte begeistert mit. Es war zu merken, dass im Publikum viel Energie steckte und die aufgedrehte und sehr positive Stimmung in der Stadt alles aufgeputscht hatte. Da mussten die Wise Guys aufpassen, dass sie die Kontrolle behielten.

Ich guckte mich verwundert um, denn ich hatte noch nie ein Konzert erlebt, auf dem so viele Fotoapparate und Videokameras eingesetzt wurden. Besonders viele der WJT-Helfer nutzten ihre bevorzugte Position und zeichneten immer wieder unmittelbar vor oder an der Bühne ganze Lieder auf. Genau vor der kleinen Bühne hatten sich nebeneinander acht WJT-Helfer mit Blick zu den Zuschauern positioniert, die Security spielten. Unmittelbar vor mir stand ein dunkelhäutiger Helfer, der schätzungsweise 1,95 m groß war. Die Aufforderungen verschiedener Zuschauer, ob er sich nicht hinsetzen könnte, grinste er breit weg und blieb gut gelaunt und mitklatschend mitten im Blickfeld vieler Leute stehen. Warum es dieses Überaufgebot von Aufpassern gab, die so nah nebeneinanderstanden, dass sie sich alle an den Händen hätten halten können, war nicht zu erklären und anscheinend eine Besonderheit des Weltjugendtages. Irgendwo mussten die vielen Freiwilligen ja eingesetzt werden.

“Schön, vielen Dank!”, sagte Dän, als der Jubel nach den ersten beiden Liedern leiser wurde und begrüßte sofort die rückwärtigen Zuschauer: “Hallo auch da hinten!”, was hinter der Bühne begeistertes Winken und Jubeln auslöste.

“Wir sind die Wise Guys aus Köln und wir ...” eine lautstarke La Ola-Welle überstimmte ihn. Es war die erste von vielen weiteren. Nein, das würde kein normales Konzert werden, bei dieser überdrehten Feierstimmung und mit den Zuschauern vor, neben und hinter der Bühne. Da für den WJT viele Menschen aus anderen Ländern angereist waren, fragte Dän: “Wer von Ihnen versteht kein Deutsch?”, grinste aber sofort: “Die Frage ist falsch formuliert ...” Aus dem Bereich hinter der Bühne erschallte gemeinsam: “Lauter, lauter, lauter ...!” Dän drehte sich um: “Wir klären jetzt erstmal die Sprachenfrage. Die Lautstärkenfrage ist was anderes.” Dann fiel ihm ein, dass dieser Zuschauerbereich nur ausnahmsweise freigegeben worden war und ergänzte grinsend: “Ihr seid ja eigentlich gar nicht hier.”

In Englisch fragte er nach den Besuchern, die kein Deutsch verstehen - es waren erstaunlich wenige - und schlug vor, ihre Nachbarn um Übersetzungen zu bitten, falls sie keine Ahnung hätten, um was es gerade ginge: “Why they are laughing? What the hell ist going on?” Wobei ich besonders den Ausdruck “hell” beim katholischen Jugendtreffen schön fand. Außerdem erfreute er die Anwesenden mit der Ankündigung, dass es nicht ein einstündiger Auftritt bis 22 Uhr sein werde, sondern sie bis 22 Uhr 30 singen würden. Er fragte allerdings nicht nach der weitesten Anreise. Vielleicht war es ihm zu riskant, aus dem Stehgreif entscheiden zu müssen, ob Nord-Peru weiter von Köln entfernt war als die Süd-Philippinen oder Botswana. Immerhin kamen die Leute aus aller Welt. Wenn auch nicht nur für die Wise Guys.

Eddi dachte während der Leadstimme bei Du kannst nicht alles haben an die rückwärtigen Zuschauer und drehte sich immer mal wieder zu ihnen um, so dass sie zwar nicht alles, aber dennoch recht viel Eddi hatten. Den Sington konnten sie ganz gut hören, nur von den Moderationen bekamen sie nichts mit, denn dafür waren hinten keine Lautsprecher vorgesehen. Aber der ungewohnte rückwärtige Blick auf die Wise Guys kam sehr gut an. Dass es viele neue oder seltene Konzertbesucher im Publikum gab, zeigte sich an der Tscheng-tscheng-Mitklatschstelle, an der NICHT mitgeklatscht werden sollte. Laut dröhnte das Klatschen zurück und die Wise Guys erzielten mit ihren abwehrenden Bewegungen einen Lacher.

Denglisch kam klasse an, allerdings hatte sich das Publikum beim Mitklatschen leider fest auf die 1 und die 3 eingestellt, was die wenigen 2 und 4 Klatscher völlig untergehen ließ. Bei Achtung! Ich will tanzen kam Eddi auf der ungewohnt kleinen Bühne aus dem Konzept, was an den kleineren Schritten, aber wohl auch an den gerade vergangenen Urlaubswochen lag, in denen er vermutlich nicht täglich die Texte geübt hatte. Er setzte lautstark mit “Na na na ...” ein, dabei kam noch eine Strophe. Lachend fügte er sich wieder in den Gesang seiner Kollegen ein. Es gab am Ende Jubel und mehrere La Ola Wellen, die vorne, seitlich und hinten die Bühne einkreisten. “Sehr schön, sehr beeindruckend”, lobte Dän und wurde von unpassend lautem Jubel aus dem seitlichen Bereich unterbrochen. “Was jetzt?”, fragte er irritiert, dann fiel ihm ein, dass ein Freundschaftsspiel Deutschland gegen Holland lief. “Wie steht’s?”, fragte er nach, bekam aber keine eindeutige Antwort. Achselzuckend schlussfolgerte er: “Irgendein Tor ist gefallen.”

Die Romanze kündigte er als ruhiges Lied an, und ausgerechnet als Clemens einsetzen wollte, gab es wieder ein lautes Geschrei im Seitenbereich. Lachend brach Clemens im Anfangston ab und ließ sich den Ton von Sari nochmal geben. Als er erneut einsetzen wollte, ging eine La Ola Welle los und zog über das Gelände. Er wartete noch kurz ab und fing dann an. Ich fand es schade, dass die aufgedrehte Stimmung so unpassend vor einem ruhigen Lied rausgelassen werden musste. Zum Glück wurde es dann tatsächlich noch ruhig: Eine drehende Discokugel über der Bühne warf blinkende, kreisende Sternchen an den Bühnenhimmel, viele Zuschauer schwenkten die Arme langsam im Rhythmus hin und her, und es war richtig schön.

Der junge Mann neben mir hatte leider akutes Deoversagen und wedelte beim Armeschwenken das Ergebnis durch die Gegend. Puh! Um das Lied war es schade, aber es war schön, als der Schlussakkord erklang und die Arme wieder sanken.

Bei der Powerfrau sangen viele Fans sofort mit, und ich stellte fest, dass ich Mitsingen bei Open Air Konzerten locker tolerieren konnte. Während ich mich bei Hallenkonzerten oft über die falschen, aber lauten Töne in meiner Nähe ärgerte, fand ich es draußen eher lustig und zur Stimmung passend. War nicht so schlimm, wenn ich Sari manchmal kaum hörte, weil um mich herum laut gegrölt wurde. War nur manchmal lustig, wenn die Leadstimme gerade Pause hatte und damit auch die Fans eine Singpause machten und plötzlich der Wise Guys Backgroundchor in einer etwas anderen Tonlage zu hören war. Leider war Saris Hemd etwas zu lang, um bei seiner Pose in Powerfrau den Bauchnabel freizulegen. OK - das ist sexistisch gedacht, aber so bin ich eben.

Nach dem Lied gab es einen lauten Zwischenruf: “Holland Eins Null!” Dän beruhigte sanft: “Es ist doch nur ein Spiel!” Und dann abwertend: “Ist doch nur Holland.” Sofort setzte ein Zuschauerchor ein: “Ohne Holland fahr’n wir zur WM ...” Dän schüttelte missbilligend den Kopf: “Das ist aber sehr unchristlich.”

Clemens wurde bei Nur für dich fast vom Zuschauerchor überstimmt, und trotz einiger störenden Rückkopplungen, ging es im rockigen Teil mit Lightshow richtig gut ab. Super! Ich finde es immer wieder klasse, wie rockig die Wise Guys singen können! Danach wieder La Ola Wellen vom feierbereiten Publikum, bei denen ich feststellte, dass mich zu häufige La Ola Wellen nerven. Hin und wieder eine ist lustig und toll, aber nach fast jedem Lied und in viele Ansagen hinein? Man muss schon dosieren können, damit die Wirkung nicht verloren geht. Das Fingerspitzengefühl für das richtige Maß hatte das Publikum an diesem Abend nicht.

Die Wise Guys wirkten auch etwas spaßgebremst, was aber an den Rückkopplungen lag. Dän unterbrach das Programm und erklärte dem Tontechniker und dem Publikum: “Wir haben einen Rückkopplungston, der in keinem unserer Lieder vorkommt. Vielleicht können wir den mal suchen.” Sie sangen den Ton vor, der sofort hallig und rückgekoppelt über das Gelände klang. “Hörst du das?”, fragte Dän den Tontechniker und grinste: “Ja, DEN Ton SINGEN wir!” Nach einiger Schrauberei klang der Störton abgemildert, war aber immer noch da. Außerdem gab es auf einmal einen weiteren Ton, der ebenfalls Rückkopplungen verursachte. “Das is’n neuer,” stellte Dän fest, “den hatten wir vorher nicht. Bitte beide raus.”

Auch bei Mad world wurde vom Publikum recht laut mitgesungen, was mir persönlich überhaupt nicht gefiel. Der Reiz des Liedes ging damit verloren. Die Ernsthaftigkeit war weg und Däns leise, traurige, leicht brüchige Stimme wurde von einem fröhlichen, lauten Mädchenchor unterstützt. “Hey, juppiduh, ich könnt mich umbringen!”

Sofort danach kam der Ohrwurm, was ich in der Reihenfolge auch schrecklich fand. Da ging mit das eine Lied noch so zu Herzen, da haute mir das nächste laute Hallos um die Ohren. Ein krasser Stimmungswechsel. Ich war da aber wohl überkritisch, denn fast alle Leute klatschten sofort fröhlich mit. Natürlich auf die 1 und die 3.

Ein Stück hinter dem Gelände der Katholischen Hochschulgemeinde stand das Uni-Center, eines der größten Wohnhäuser Europas. Es hat 45 Stockwerke, und auf einem Balkon ganz weit oben wurden drei Wunderkerzen im Takt geschwenkt. Es sah wunderbar aus, wie sich die leuchtenden, blitzenden Wunderkerzen vor dem dunklen Himmel zur Musik bewegten. Schade, dass die Wise Guys das nicht sehen konnten.

Wie ich es erwartet hatte, gab es am Ende des Liedes natürlich einen Zuschauerchor, der den Ohrwurmrefrain weiter sang. Dän unterbrach und jammerte: “Warum klatscht ihr denn immer auf die 1 und die 3?” In diesem Moment schwoll aus dem hinteren Bühnenbereich der störende Ohrwurmrefrain wieder an und Dän drehte sich gespielt sauer um und drohte: “Wir ziehen den Vorhang wieder rein!”

In der nächsten Moderation erzählte er von der Einsamkeit abends im Hotelzimmer und wurde von lautem Frauen- und Mädchengejohle unterbrochen. “Ich denk, ihr seid katholisch!”, rief er vorwurfsvoll aus. Neun live brachte wieder super Stimmung, und nach Einer von den Wise Guys gab es Zu spät, das prima auf den katholischen Jugendtag passte. Während der Papst gegen die Pille und gegen Sex vor der Ehe war, nölten die Wise Guys rum, dass sie keine Mädchen gefunden hatten, die für eine Nacht mit ihnen ins Bett steigen wollten.

Dafür sangen sie im nächsten Lied Weltmeister aber sogar in einer Zeile vom Papst, und ich freute mich von Anfang an auf die besagte Stelle. Kaum wurde er genannt, ging ein lautes Geschrei los, das sofort in den laut mitgesungenen und mitgeklatschten Refrain überging. Ich persönlich bin ja nicht vom Papst-Hype ergriffen, aber es war schon etwas Besonderes, diese Zeile so mitten im allgemeinen Papstfieber und kurz vor seinem Besuch in Köln zu hören. Auch Dän war ergriffen, denn er hatte während des Liedes in das gegenüberliegende, hell erleuchtete Fenster gesehen und erklärte jetzt: “Ich hab’ für’n Moment gedacht, da wäre der Papst.” Es war aber nur der weißhaarige Pfarrer Blanke gewesen.

Nach Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf kam Sing mal wieder, und Eddi löste laute, begeisterte Jubelrufe aus dem Hinter-der-Bühne-Bereich aus, als er mit seinem Hintern wackelte. Verblüfft drehte er den Kopf und wackelte dann nochmal, womit er einen weiteren Begeisterungssturm auslöste.

Nach der Mitsingerei gab es wieder La Ola Wellen, die vorne und hinten durch das Gelände zogen. Dän grinste: “Hey, die Sache fängt an Spaß zu machen. Ihr seid ja außer Rand und Band”, womit er natürlich weitere Wellen herausforderte. Die Stimmung des Publikums war extrem fröhlich und überdreht. In ganz Köln wurde gefeiert, wenig geschlafen und positive Energie verbreitet. Das war einerseits schön für die Stimmung beim Konzert, andererseits feierten sich viele Besucher selbst und hätten genauso gejubelt und La-olat, wenn der Papst plötzlich erschienen wäre oder der unbeliebte Kardinal Meißner oder Heidi Klum die nächste Ansage gemacht hätte. Im Grunde also eine äußerst fröhliche Atmosphäre, die aber hin und wieder ins Nervige umschlug, weil ein Großteil des Publikums nicht aufmerksam und konzentriert war, sondern nur auf die nächste Gelegenheit zur La Ola Welle wartete. Nichts übrigens gegen die Atmosphäre des Weltjugendtages. Ich mochte die fröhliche, überschwappende Stimmung und fand den Trubel klasse. Aber es bestand bei Konzerten eben auch die Gefahr, dass sich die gute Laune verselbständigte und nicht mehr das Konzert der Mittelpunkt war, sondern die Party.

Dän forderte zum Mitschnippen für das nächste Lied auf und sagte im vorwurfsvoll strengen Lehrerton: “Schnippen auf die 2 und die 4. Ihr müsst das doch mal lernen!” Er zählte: “Eins, ZWEI, drei, VIER, eins, ZWEI ...” und schnippte an den richtigen Stellen vor. “Jetzt die 1 und die 3 nicht mehr sagen!” rief er, und siehe da, eine große Menschenmenge sprach: “Zwei ... Vier ... Zwei ... Vier ...” und schnippte dazu. Es ging doch!

King of the road war dran mit einem lässigen, souveränen, gut gelaunten Ferenc. Sehr schön. Danach gab es natürlich viel Applaus und eine La Ola Welle. Und dann noch eine La Ola Welle. “Oh, die Zeit wird knapp!”, rief Dän und sah auf seine Uhr. Witzigerweise startete die Welle im Bereich vor der Bühne und lief bis nach hinten durch. Kaum war sie fertig, gab es eine etwas verspätete Welle im Bereich hinter der Bühne. Das wirkte, als ob dort die Fortsetzung der ersten Welle lief. Dän kommentierte grinsend: “Die läuft einmal ganz rum und kommt hinten wieder. Erdumspannend und sehr katholisch.”

Das letzte Lied war Jetzt ist Sommer und Dän wünschte zum Abschied: “Viel Spaß noch in der schönsten Stadt Deutschlands!”, und meinte das so. Mit Gehopse, Mitgesinge und viel Spaß wurde das Lied aufgenommen und die Feierstimmung warf noch einmal hohe Wellen. Kaum gingen die Wise Guys nach dem Winken von der Bühne ab, erschallten Zugabe-Rufe, denen sie nach kurzer Zeit folgten. Doch ehe sie singen konnten, wurde noch schnell eine La Ola Welle vom Publikum gestartet, dann erst konnte Mädchen, lach doch mal losgehen. Geklatscht wurde inzwischen übrigens schon wieder hauptsächlich auf 1 und 3. Sogar der dunkelhäutige Riesensecurity-Mensch vor mir klatschte auf die 1 und die 3 und mir wurde klar, dass Schwarze den Groove, entgegen allen Vorstellungen, auch nicht immer im Blut haben.

Nach dem Lied gingen die Wise Guys nicht ab, sondern man merkte, dass sie noch etwas vorhatten. Abgang und Wiederkommen wäre wahrscheinlich zu lange geworden. Im Publikum gab es Gejubel, Gerede, Zwischenrufe und aufgedrehte Stimmung. Dän unterbrach die Zuschauer: “Darf ich noch was sagen? Danke!”, und lachte dann selber los, weil es so ungewöhnlich war, dass er auf einem Konzert um Stille für seine Ansage bitten musste. Es war inzwischen nach 22 Uhr 30 und das Konzert musste nach einem letzten Lied aufhören. Mit Ruf doch mal an wurden die Zuschauer zum gemeinsamen Springen animiert und es war schon etwas beängstigend, mittendrin zu hängen und sich vor den seitlichen Ellenbogen, die fröhlich durch die Gegend schwenkten, in Sicherheit zu bringen. Aber die Stimmung war klasse. Ein allerletztes Winken dann gingen die Wise Guys endgültig ab.

(Das Foto ist eigentlich nicht gelungen, weil ich mitten in der jubelnden Menschenmasse von einigen hochgeworfenen Armen heftig angerempelt wurde, zeigt für mich aber trotzdem die Atmosphäre des kleinen Konzertes. Bunt, beweglich, ein bisschen durchgedreht, mit heiligem Geist und irgendwie ganz anders.)

Einen richtigen Afterglow gab es nicht mehr. Die meisten Zuschauer verließen das Gelände nach dem Konzert recht schnell, einige feierten sich, den Abend und den Weltjugendtag noch bei einer Party im Keller weiter. Die Wise Guys kamen für ein paar Autogramme nochmal raus, aber viel Andrang herrschte erstaunlicherweise nicht mehr, so dass sie schnell Feierabend hatten und je nach Laune nach Hause fahren oder im Keller noch ein Kölsch trinken konnten.

Rings um das Gelände zogen immer noch Pilgergruppen in alle Richtungen und viele wussten nicht, dass sie wegen Überfüllung der Bahnen und zeitweiliger Schließung des Hauptbahnhofs in dieser Nacht nicht in ihr Quartier kommen würden. Aber egal. Es war Weltjugendtag und sie waren nicht zum Schlafen gekommen, sondern um bei der kirchlichen Loveparade dabei zu sein.

Mir hatte das Wise Guys Konzert ziemlich gut gefallen. Trotz der Unruhe ringsherum gab es eine gute Show und ansteckende gute Laune. Nicht ganz so gut fand ich die überdrehte Stimmung, die sich manchmal störend und lärmend äußerte. Zum Glück bremste Dän immer mal wieder besonnen aus und konnte damit die Kontrolle über den Ablauf behalten und das Konzert gut durchziehen. Und mit La Ola Wellen ist es wie mit guter Comedy. Man darf es nicht auswalzen. Der beste Gag ist klein zu kriegen, wenn man ihn zu lange ausspielt.

Für mich persönlich hat sich bestätigt, dass ich hin und wieder ein aufgepeitschtes Stehkonzert gerne mag, die mittelgroßen Sitzkonzerte der Wise Guys aber bevorzuge, weil ich dann richtig viel von den Wise Guys mitbekomme und auch die Feinheiten erkenne, an denen sie selber lange arbeiten. Mitten in laut mitsingenden und mitklatschenden Fans bleibt von feinen Details nicht mehr viel übrig. Trotzdem hat mir das kleine Wise Guys Konzert gut gefallen, auch wenn es mir mit etwas weniger aufgedrehten Stimmung noch besser gefallen hätte. Aber das wäre am WJT wohl zu viel verlangt gewesen.

Als am nächsten Tag der Papst am Flughafen in fast karnevalsähnlicher Atmosphäre und nicht sehr ehrfürchtig empfangen wurde, grinste ich vor dem Fernseher. Da fehlten nur noch die La Ola Wellen, die mich nicht gewundert hätten, aber das haben sie sich dann vielleicht doch nicht getraut.



Wo der Pfeffer wächst
Was für eine Nacht
Du kannst nicht alles haben
Denglisch
Achtung! Ich will tanzen
Romanze
Powerfrau
Nur für dich
Mad world
Ohrwurm
Neun Live
Einer von den Wise Guys
Jetzt ist es zu spät
Weltmeister
Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf
Sing mal wieder
King of the road
Jetzt ist Sommer
Mädchen, lach doch mal
Ruf doch mal an