Wise Guys - 17.10.2003 - Oper - Bonn

”Quatsch keine Opern” hieß das Motto, unter dem die Wise Guys in Bonn auftraten. Dass die Wise Guys sowieso keine Oper QUATSCHEN würden, war klar, denn Opern werden grundsätzlich GESUNGEN. Dass die Wise Guys am Bonner Opernhaus stattdessen eine Oper SINGEN würden, fand ich hingegen eine total gute Idee. Seit Jahren bin ich Fan und höre ihnen mit Vergnügen zu, aber der plötzliche Wechsel zur ernsthaften Musik war auch für mich ein überraschender Schritt, auf den ich gespannt war. Vor allem freute ich mich auf die imposante Bühnenausstattung und die aufwändigen Kostüme. Würde es eine moderne Oper sein mit vielen ungewöhnlichen Geräuschen? Oder etwas Traditionelles auf Italienisch? Oder etwas Tragisches mit vielen Toten? Ich war so neugierig!

Leider hatte ich gerade in diesen Tagen sehr viel zu tun, so dass ich keine Zeit hatte, mich in ein elegantes Opern-Outfit zu werfen. Auch die Haare waren Zopf wie immer und nicht gezwirbelt und kunstvoll hochgesteckt. Das war schade. Allerdings schienen auch die meisten anderen Besucher keine Gelegenheit gehabt zu haben, in ihre Abendgarderobe zu schlüpfen, wie ich beim Eintritt in das Foyer der Oper sofort erkannte. Sie sahen alle ziemlich normal gekleidet aus, so dass ich überhaupt nicht auffiel. Vielleicht lag es aber auch daran, dass der Opernabend vom Pantheon-Theater veranstaltet wurde und darum eine Opernkleidung nicht erwartet war?

Die Türen zum Opernsaal öffnete sich und ich guckte erstaunt. Trotz der 980 Plätze sah der Raum gar nicht riesig aus, sondern fast schnuckelig gemütlich. Hier hatte ich als Kind die vor Weihnachten obligatorische Hänsel-und-Gretel-Oper gesehen, bei der mich am meisten faszinierte, dass der Hänsel eine Frau war und dass es eine Panne gab, als die dicke Papphexe oben aus dem Schornstein kam und auf ihrem Besen um das Haus flog, ehe die richtige Hexe unten durch die Türe in ihr Hexenhaus gegangen war. Schon als Kind hatte ich erkennen müssen, dass auf den Bühnen nicht immer alles mit rechten Dingen zuging und wie wichtig Timing war. Ich grinste noch sentimental, als mir auffiel, dass es weder einen Orchestergraben, noch eine operngemäße Bühnendekoration gab. Bei modernen Opern reichte natürlich ein Holzstuhl auf einer ansonsten kahlen Bühne, um den Eindruck von Weite, Büro oder Einsamkeit zu vermitteln, aber ohne Orchester? Sollte es eine a-cappella-Oper werden, oder hatte ich da doch etwas total falsch verstanden?

Ziemlich pünktlich ging das Licht aus, die Wise Guys kamen von links auf die Bühne und sahen aus wie immer. Einerseits etwas enttäuschend, denn ich war auf glitzernd barock und mindestens zwei Frauenrollen eingestellt, andererseits aber sehr beruhigend. Es war wohl doch kein Imagewechsel vorgesehen. In der zweiten Reihe gab es spontane Standing Ovation schon beim Begrüßungsapplaus. Die wurden aber nur gestartet, weil sich zwei Zuschauer durch die Reihe zu ihren Plätzen quetschten und dafür alle anderen in der Reihe aufstehen mussten. Egal, sah gut aus und aus den Reihen dahinter erhoben sich auch gleich einige Leute, applaudierten stehend mit und dachten, das müsse so sein. Der Applaus war schön, aber nicht frenetisch. Da warteten einige erstmal ab, was auf sie zukommen würde.

Die Wise Guys stellten sich dicht nebeneinander vorne am Bühnenrand auf, es wurde still und sie begannen mit Weil ich ein Kölner bin. Das Publikum war zunächst wunderbar leise und begann dann an den richtigen Stellen freudig, aber weiterhin leise zu lachen. Hin und wieder auch mal ein lauteres Lachen oder ein spontaner Applaus, aber die große Aufmerksamkeit und Stille blieb. Dän hatte ein zufriedenes Lächeln im Gesicht, denn genau so musste es sein. Ein gutes Publikum, das vom ersten Lied an richtig reagierte und sich durch diesen sanften Opener auf den Abend einstimmen ließ. Ein guter Anfang.

Mit Ruf doch mal an ging es gleich weiter, auch wenn es Lichtprobleme gab und die Wise Guys sich ungeplant auf der weiterhin hell erleuchteten Bühne auf ihre Positionen begeben mussten. Leider knallte dann auch der Ton nicht wummernd aus der Anlage, sondern blieb verhältnismäßig leise, was schade war, denn das Lied muss als Kontrast zum leisen Opener total losfetzen. Im Refrain wurde mitgeklatscht, aber natürlich war das bei verminderter Lautstärke nicht so mitreißend, egal wie intensiv die Jungs auf der Bühne sprangen und hüpften. (Das Gummiball-Hüpfen auf der Stelle finde ich übrigens absolut stark!)

Etwas atemlos und leicht schnaufend begrüßte Dän danach die Besucher und sagte, dass die Wise Guys zum ersten Mal in der Bonner Oper wären. Ein Blick in die ersten Reihen: “Manche denken Oper ist was zum Feinmachen - war aber nicht nötig.” Gelächter bei den Zuschauern und Aufatmen bei mir. Dän erklärte: “Wer in der Oper singen will, braucht Fleiß, Ehrgeiz, jahrelange Ausbildung und Talent. Oder er wird Wise Guy.”

Über Kinder amüsierte sich das Publikums sehr und einige laute Lacher zeigten, dass viele Besucher sehr überrascht waren. Genau neben mir saß ein Junge, der den Text perfekt draufhatte und hin und wieder leise mitmurmelte. Niedlich. Im lauten Applaus ging Dän an den Seitentisch, um etwas zu trinken, da hörte der Beifall plötzlich auf. Er schluckte schnell runter und bat: “Es wäre nett, wenn Sie immer so lange klatschen würden, bis ich einen Schluck Wasser getrunken habe.” In der Nachmoderation berichtete er, dass einige der Wise Guys Kinder hätten “... und Eddi einen Hamster. Also der erzählt immer, dass da ein Hamster im Käfig wäre, aber den kann man nie sehen”. In diesem Moment entdeckte er zwei junge Frauen, die den Seitengang entlangkamen. “Hallo! Schönen guten Abend”, begrüßte er sie freundlich, aber sie fühlten sich nicht angesprochen. “Hallo!” winkte er nochmal zu ihnen rüber und entdeckte dann: “Ach, das ist die Feuerwehr.” Es war wirklich die Brandwache und die jungen Damen waren nicht zum Amüsieren, sondern zum Aufpassen gekommen.

Zur Umfrage ging das Saallicht an, und bei der Frage, wer beim ersten Wise Guys Konzert wäre, gingen extrem viele Arme hoch. “Uiiii!” staunte Dän verblüfft und erklärte es dann mit: “Ist ja auch relativ weit nach Köln.” Auf die Frage, wer von den Männern gezwungen worden wäre den Abend im Konzert zu verbringen, meldeten sich auch einige, einer davon zeigte sogar mit beiden Armen auf. Diejenigen, die sich gar nicht trauten, neben ihrer Gattin den Arm zu heben, konnte man natürlich nicht zählen.

Es ging weiter mit Du bist dabei, und es gab begeistertes Gejohle aus weiblichen Kehlen bei der anspruchsvollen Choreographie von Sari, Clemens und Dän. Sogar die Feuerwehrfrauen jubelten und hatten damit den sexy Hüftschwung mit Kennerblick als heißeste Stelle im Saal entdeckt. Der Junge neben mir sang etwas lauter mit.

Beim Dialog wurde an allen Ecken im Saal abwechselnd gehustet, ansonsten blieb es aber aufmerksam still. Ein sehr nettes Publikum, aber leider etwas erkältet.

Was für eine Nacht hätte mehr Volumen haben und fetziger sein müssen, aber vielleicht konnte ich das nicht richtig beurteilen, weil ich ziemlich weit vorne, aber ganz am Rand saß. Auf dieser Position kam mir einfach zu wenig Sound rüber. Es ist zwar a-cappella gesungen, muss aber wie eine fetzige Band losknallen, damit es wirkt. Es war in Bonn also gut gesungen, das Publikum klatschte im Refrain auch mit, aber mit mehr Verstärkung wäre es noch besser angekommen. Wenn schon mit Mikrofonen und über Mischpult, dann darf man das auch hören, finde ich. Die Zuschauer fanden es trotzdem klasse und applaudierten laut, aber die meisten hatten ja auch noch keinen Vergleich gehört.

Clemens verriet danach, dass Eddi im Sommer gar nicht Theologie studiert hatte, sondern wochenlang unbeaufsichtigt auf Kneipentour gewesen war und leitete zu den Sonnencremeküssen über. Der Knabe neben mir sang etwas hemmungsloser mit und ließ sogar die “Uhhhhhhs“ nicht aus. Allerdings sang er sie mehrere Halbtöne drunter oder drüber mit. Ich versuchte die Hörnerven in meinem rechten Ohr auszuschalten und mich nur mit dem linken Ohr auf die Bühne zu konzentrieren, aber das war schwierig. Es war eher so, dass ich sofort hinhörte, wenn der Knabe mal einen Ton ausließ und extrem gespannt darauf wartete, wann er wieder einsetzte. Wie bei einem Schnarcher im gleichen Zimmer. Da schläft man auch nicht sofort ein, wenn der mal kurz Ruhe gibt, sondern wartet angespannt auf den nächsten Ton, um dann genervt: ”Schon wieder!” zu denken. Na, ich wollte dem jungen Fan den Spaß am Konzert nicht nehmen, und es schien im wichtig zu sein, zu demonstrieren, dass es zwar sein erstes Konzert war, er aber trotzdem alles auswendig konnte.

Beim nächsten Lied hätte ICH ihm allerdings den Text mit voller Lautstärke ins Ohr tröten können, was ich den Bruchteil einer Sekunde lang überlegte, denn den kannte ich, im Gegensatz zu ihm, auswendig. Das war gut war nicht nur gut, sondern auch ziemlich neu, hatte supergut gezogene Töne und stellte das Kind neben mir ruhig, weil es das noch nicht von CD kannte. Ein tolles Lied! Es ging mit einem weiteren neuen Lied weiter, das mich zwei Wochen vorher beim Konzert in Bad Münstereifel im Arrangement noch nicht überzeugt hatte. Schlechte Zeiten war inzwischen schon viel besser geworden, klang nicht mehr so abgehackt und wirkte runder. Ferenc sang längere Töne, die Ruhe brachten, und das Zuhören war einfacher geworden, auch wenn ich immer noch fand, dass eine ruhigere Begleitung besser passen würde. Clemens in der Leadstimme war aber genau richtig besetzt, einzig das Arrangement fand ich zu schwierig. Von der Idee her aber ein witziges Lied mit wunderbar schrägem Anfang.

Dän erzählte danach, dass die Frauen unglaublich anspruchsvoll geworden wären, woraufhin mein Gatte neben mir entschieden nickte und hörbar stöhnte. Eine Frau in den vorderen Reihen reagierte ebenfalls, und Dän rief erstaunt: “Da sagt auch noch eine Ja!” Er kündigte an: “Powerfrau!” und das Kind neben mir sagte zufrieden: “Kenn ich!” Na klasse. Sari hetzte los, das Kind sang und fegte mit, das Publikum reagierte mit begeistertem Lachen auf die Bühnenperformance und applaudierte am Schluss laut und tosend. Das Lied war witzig und mitreißend, aber Sari als Hauptdarsteller auch noch total süß. Die meisten Damen hätten ihn wohl gerne für zu Hause eingepackt.

Das letzte Lied vor der Pause war Deutscher Meister. Dän: “In anderen Städten ernten wir manchmal Spott, aber ich hoffe, das ist hier ein anderer Boden, da Bonn ja irgendwie zu Köln gehört.” Protestierendes Lachen schallte durch die Oper, das Lied begann und die Zuschauer grinsten und lachten vergnügt. Das Kind neben mir konnte den Text perfekt, und seine Mutter machte netterweise, aber völlig unbeachtet: “Pssssscht!” Den Refrain, bei dem das Publikum einsetzen sollte, sang ich extra laut mit, um dem Kind zu zeigen, dass es durchaus alte Leute über 30 gibt, die Wise Guys Lieder kennen, das aber nicht durchgehend zeigen. Am Schluss gab es im Endapplaus die wahrscheinlich erste La-Ola-Welle, die durch die Bonner Oper zog. Ringsherum fröhliche Gesichter und es ging ab in die Pause.

Die Pause kam mir viel zu kurz vor, was aber auch an dem netten Gesprächspartner lag, mit dem wir uns im Foyer trafen. Es war Mark Britton, der mit den Wise Guys am Aufbau der Show gearbeitet hatte. Zu dritt besprachen wir den kompletten ersten Teil. Naja, wir waren noch nicht ganz durch, als es zum dritten Mal klingelte, und wir an unsere Plätze eilen mussten, aber es war schön, dass wir fast immer einer Meinung waren. Es war sozusagen eine außerplanmäßige, spontane Regiebesprechung, die draußen im Foyer ablief, aber wir zogen es nicht in Betracht die Show abzubrechen und mit neuen Ideen von vorne beginnen zu lassen. (“Jetzt spinnt sie ja wohl total!” werden einige denken. “Glaubt sie wirklich, dass die Wise Guys ihre Show unterbrechen würden, nur weil sie es sagt?” Nein, glaubt sie nicht. Ansonsten habe ich mir in der Pause noch schnell ein Schlüsselband vom Pantheon-Theater gekauft, für 3 Euro 50, aber das hört sich viel weniger aufregend an.)

Die Pause war vorbei, das Saallicht ging aus und das leuchtende Blau der Plastik-Trinkbecher zog die Blicke auf sich. An sich mag ich Blau und auch Trinkbecher, die wie von Ikea aussehen, aber auf der Bühne wirken sie doch popelig normal und unpassend. Außerdem halte ich wenig davon, wenn die Plastikbecher auffälliger sind als die Hauptdarsteller. Ich plädiere unbedingt für durchsichtige Behälter! Als die Wise Guys zum zweiten Teil auf die Bühne kamen, wurde der Kontrast zwischen schwarz gekleideten Hauptdarstellern, dunklem Hintergrund und den knallblauen Bechern als einzigen Farbtupfern noch auffälliger. Allerdings wurde ich von den Bechern schnell abgelenkt, als die Wise Guys sangen. Da waren die Sänger mit ihren Stimmen eindeutig im Vorteil und die Becher kamen mit ihrer Leuchtkraft nicht dagegen an. Das wär’s gewesen klang voll durch den Raum, allerdings reagierten einige Leute aus dem Publikum in den ersten Takten noch mit Pfiffen und leichtem Gejohle auf die Bühnenkleidung der Wise Guys. Das war sehr schade, hörte aber zum Glück schnell auf und es wurde im Zuschauerraum ganz still. Die letzten Takte waren ganz leise, Ferenc’ Bass klang tief und weich, der schwarze Vorhang wurde von einem Streifen Licht in dunkellila aufgehellt, und es war einfach wunderschön.

Viel Applaus, dann las Dän eine mit einem Übersetzungsprogramm bearbeitete Fan-Mail aus Amerika vor. Das Publikum lachte laut über die seltsamen Formulierungen, und mir fiel ein, dass die englische Austauschschülerin meiner Nichte vor ihrem Besuch in Deutschland einen ebenso bearbeiteten Brief schickte, in dem sie erklärte: “Am liebsten esse ich Wurst und Späne”, eine Formulierung, die nie zufriedenstellend geklärt werden konnte.

Dän redete von “platonischer Ekstase” und in den ersten Reihen hatten einige Zuschauer schon bei der Ansage Spaß. Er registrierte es grinsend: “Hier geht’s schon los, vorne im Publikum.” Mit den Chocolate Chip Cookies brachten die Wise Guys dann den größten Teil der weiblichen Zuschauer in Wallung. Ob auch Männer betroffen waren, konnte ich nicht erkennen, weil meine Blicke sich auf den Darstellern festsaugten und ich bei jedem Hüftschwung und jedem Blick auf eine knackige Männerbrust laut johlen musste. Ferenc bekam - wie üblich - bei der Textzeile mit dem “luftdichten Behälter” einen dicken Szenenapplaus, an der späteren Stelle mit den Zutaten, die “man lustig variieren” kann, blieb es - wie üblich - ruhig. Darüber hatte ich mich schon oft gewundert, und ich starrte nicht mehr weiter auf schwingende Hüften, sondern überlegte, woran das liegen konnte. Na klar, der Grund für den fehlenden Applaus war, dass man nicht genau wusste, was er mit dieser Zeile ausdrücken wollte. “Lustig variieren”, was sollte das bedeuten? War das eine versaute Anspielung, die man nicht kapierte, oder ging es tatsächlich nur um bunte Zuckerstreusel? Wie variiert man denn lustig? Und was bedeutete Ferenc’ Handbewegung, die er an dieser Stelle machte? Und während man noch überlegte, ob man besser laut lachen (Zuckerstreusel) oder verschmitzt grinsen (versaute Anspielung) sollte, war das Lied weitergegangen und die nächste Hüfte geschwungen, der man gleich wieder begeistert zujohlen konnte. Es lag also vermutlich an der Textzeile, die verunsicherte und Überlegungen auslöste, so dass niemand in diesem Moment Zeit fand, dem Bass zuzujubeln. (Tja, Pech, Ferenc. Wenn du singen würdest: “Man kann bis zu einem Drittel des Mehls auch durch Mondamin ersetzen”, müsste keiner überlegen, aber ich befürchte, dass dann auch nicht unbedingt MEHR gejubelt würde. Dann würden nämlich alle nachdenken, warum der Bass jetzt so eine Schrottzeile gesungen hat.)

Eddi machte danach Werbung für die Totalnacht, um die Halle im nächsten Jahr auch wirklich halbwegs voll zu bekommen, denn wer will das schon auf sich nehmen, mehr als fünf Stunden lang Wise Guys zu hören? 1000 Plätze müssen besetzt werden, und es ist nur zu verständlich, dass die Wise Guys schon jetzt mit der Zuschauer-Anwerbung beginnen, um im Februar nicht vor leeren Stühlen zu stehen. – Haha.

Danach kündigte Eddi erstmal als “Oldie der Woche” das Frühlingslied an, und mein Gatte platzte spontan mit einem: “Ach, wie schön!” raus. Habe ich nie gewusst, dass der auf Frauen mit Migräne steht. Beim ersten Refrain outete sich eine Zuschauerin in der dritten Reihe durch ihren spitzen Aufschrei als Neuhörerin, die von der Refrainzeile völlig überrascht wurde. Clemens knöpfte bei jeder Strophe einen Knopf mehr zu an seinem Hemd, das er bei den Chocolate Chip Cookies verführerisch geöffnet hatte. Am Ende des Liedes stand er wieder hochgeschlossen auf der Bühne und hatte mit seinen Erwartungen abgeschlossen. Sehr gute Idee!

Ohne Ansage ging es mit Die Bahn kommt weiter, und ich starrte fasziniert auf die Bühne. Das war ja noch stärker geworden, als es vorher schon war. Dän erzählte seine Gedanken laut und lief dabei unruhig durch den angedeuteten Eisenbahnwaggon, während die Mitreisenden dumpf und reaktionslos herumstanden. Wie ein Fremdkörper bewegte er sich zwischen ihnen und war eindeutig in einer falschen Welt, mit der er keinen Kontakt aufnehmen konnte. Er stand immer in eine andere Richtung gedreht, als die Mitreisenden und erst am Schluss, als er eine Entscheidung getroffen hatte, löste sich die Spannung auf und alle drehten sich gemeinsam nach vorne. Keine Ahnung, ob sich das vorher jemand so genau überlegt und interpretiert hatte, aber rein intuitiv konnte man es sofort verstehen. Sehr große Klasse!

Zu schön für diese Welt war fast ZU laut und fetzig, so wie das ganze Konzert im zweiten Teil lauter und kräftiger war. Gefiel mir aber besser als zu leise. Auch das Licht war im zweiten Teil recht gut, nachdem es vor der Pause ziemlich schlimm gewesen war. Schade, denn viel von der Bühnenoptik hängt vom exakten Licht ab. Eddi war bei Du Doof mal wieder so schön blöd, dass die anderen optisch überflüssig wurden. Tut mir ja auch leid, das so hart sagen zu müssen, aber es war nun mal so. Hin und wieder bekam Sari mit seiner Leadstimme noch einen kurzen Blick ab, aber das Hauptaugenmerk war auf das blöde Gesicht von Eddi gerichtet. Das Publikum hing jedenfalls lachend und leicht schräg in den Sitzen, und auch die Jungs waren gut drauf. Die Stimmung im Saal war locker und genau richtig. Obwohl es einen ungewöhnlich großen Anteil von Neuhörern gab, lachten alle an den richtigen Stellen und hörten zu, wenn sie ruhig sein sollten. Ein wirklich schöner Abend. Von den ins Konzert gezwungenen Herren war in der Pause auch noch keiner nach Hause gegangen. Naja, wer sich schon in die Oper zwingen ließ, traute sich bestimmt nicht, ohne Frau früher zu gehen.

Der nächste Programmpunkt war Sing mal wieder. Viele Zuschauer klatschten am Anfang mit, obwohl es ja nicht “klatsch mal wieder” hieß, aber vielleicht bin ich da etwas zu penibel. Immerhin wurde bei diesem Lied kräftige Mitarbeit vom Publikum verlangt und ich war bereit, vollen Einsatz zu geben. Besonders, um den Knaben neben mir zu übertönen. Eddi sang vor, das Publikum sang lautstark nach. Die Wise Guys wurden dabei von hinteren, weißen Scheinwerfern beleuchtet, die gleichzeitig jedes Staubkorn in der Bühnenluft hell anstrahlten und sichtbar werden ließ. Und es gab eine Menge Staub zu sehen. Wahnsinn! Der Horror für jeden Hausstauballergiker schwebte da als dichte, graue Wand über der Bühne und um die Wise Guys herum. Aber dann fiel mir ein, dass es ja kein Haus- sondern Opernstaub war. (Ich war übrigens ziemlich überarbeitet und reagierte in solchen Zuständen wie üblich mit extremen Gedanken und blödsinnigsten Überlegungen. Allerdings habe ich die auch häufig, wenn ich überhaupt nicht überarbeitet bin, so dass blöde Bemerkungen nicht unbedingt Rückschlüsse auf mein Arbeitspensum zulassen.) Um auf das Konzert zurück zu kommen: Eddi sang immer noch vor, die Zuschauer immer noch nach. Plötzlich hatte er versehentlich einen schrillen Kiekser in den Tönen drin, und die Zuschauer lachten los, weil sie den nicht mitsingen wollten. Immer kürzer wurde der Wechsel zwischen Bühne und Zuschauerraum, bis jeder Ton und seine Reaktion auf einander folgende Taktschläge kamen, und dann wurde es wieder lang, bis einzelne Töne über vier Takte liefen. Das Publikum sang so laut mit, dass die Luft flimmerte und alles um mich herum voll mit Lautstärke war. Grandios! Es gab superviel Applaus am Ende, dabei hatten die meisten der Applauudierer doch selber für den guten Sound gesorgt. Aber auch Dän war beeindruckt: ”Meine Damen und Herren, Ihre Performance war eines Opernhauses würdig.” 

Als ein Solo für den Bass angesagt wurde, King of the road, gab es schon vorher langen, begeisterten Applaus und Dän sagte zum Publikum: “Ich wünsche Ihnen dabei viel Vergnügen!”. Dann nickte er zu Ferenc rüber: “Dir auch!” Der guckte überrascht und grinste los. Das Publikum schnippste mit, Ferenc war der Dr. Jekyll und Mr Hyde der Autobahn, und am Ende stand er unter tosendem Applaus und lautstarkem Gejubel im strahlenden Lichtkegel eines Scheinwerfers. Ich jubelte ihm zu und bekam gerade noch mit, wie mein Gatte ein lautes: “Fereeeeeenc!!” brüllte. Häh? Wieso ER? Hatte ich da irgendetwas nicht mitbekommen?

Als der donnernde Jubel endlich abgeklungen war, reagierte Dän leicht beleidigt und kündigte sofort das Ende des Konzertes an. Nicht ohne vorher allerdings einen Hinweis auf die erste DVD zu geben, die in wenigen Wochen veröffentlicht werden würde. Es sollten darauf Songs vom Tanzbrunnen-Konzert zu sehen sein, sowie spektakuläre Extras, wie etwa Eddi beim Frühstück. “Ein Leckerbissen für alle!” Na, da war ich aber mal gespannt! Dän sagte das nächste Stück an: “Ein Lied, das wir jetzt möglicherweise zum ALLERLETZTEN Mal....” und Ferenc kippte unter lautem Gelächter nach vorne. Sehr witzig. Dän kündigte nämlich seit Wochen an, dass Schlag mich baby nicht mehr lange im Programm sein würde, und ich hatte es schon mehrfach mit dem Bewusstsein der möglicherweise letzten Aufführung und einer sentimentalen Träne im Augenwinkel angesehen. Aber bisher war es immer wieder aufgetaucht. Schon wieder sah ich also der möglicherweise letzten Aufführung zu, das Publikum war begeistert und tobte am Ende des Liedes los. Die Wise Guys gingen von der Bühne ab, und ich hatte es geschafft, die Hörnerven im rechten Ohr auf halblaut zu stellen, so dass ich den singenden Knaben schon fast komplett überhören konnte.

Rasier dich zog mit den ersten Takten das aufgedrehte Publikum in seinen Bann. Es war sehr romantisch, wie sich Ferenc und Sari mit verliebten Blicken ansangen, und da die Bühne auch noch in rosafarbenes Licht getaucht war, wirkte alles liebevoll, süß und fast überzeugend. Ich möchte nicht wissen, wie viele Zuschauer ein erkennendes: “Aha!” dachten, weil es so echt nach Zweierbeziehung aussah. Die Frauen wohl eher seufzend, die Männer ein wenig schadenfroh. Bei der Tanzszene schrie das Publikum laut auf und gab lauten Szenenapplaus. In diesem Moment ließ Ferenc den wirbelnden Sari los, der stolperte mit Schwung zur Seite und verschwand springend hinter den Boxen. Witzigerweise war der Applaus sofort weg und das Publikum ganz still. Da hatten wohl einige einen Schrecken bekommen, als Sari so überraschend in die Kulissen geschleudert wurde.

Bei Golden Eye war Eddis Stimme schneidend und gefährlich, so dass sogar das Kind still und fasziniert hinguckte und das Mitsingen völlig vergaß. Es war fast schon unheimlich, was auf der Bühne ablief und ich hatte plötzlich keine Lust dem Eddi mal näher zu begegnen. Mir fiel die angekündigte DVD ein: “Eddi beim Frühstück”. Wahrscheinlich saß er mit offenen Haaren am Frühstückstisch, wurde von unten blau beleuchtet, guckte plötzlich mit stechenden Augen hoch, um dann mit scharfer Stimme zu sagen: “Ist noch Nutella da?” Brrrr, unheimlich! Die anderen Zuschauer dachten nicht an den Nervenkitzel eines gemeinsamen Frühstücks mit Eddi, sondern pfiffen und johlten am Ende des Liedes laut. Es war eine supergute Stimmung in der Oper, und als die Wise Guys sich verbeugten, gab es Standing Ovation. Die Wise Guys gingen ab, die Masse tobte und verlangte lautstark nach mehr. Das war Dramatik, die in eine Oper passte!

Natürlich kamen sie wieder raus, und Dän sagte ein neues Lied an. Er machte es aber sofort runter, weil es total bescheuert sei. “Der Ferenc mag es, weil der ein kleines Solo hat.” Ferenc lachte los, Dän betonte, dass es noch ein weiteres Lied gäbe, falls dieses, wie erwartet, nicht gefallen sollte, und dann starteten sie mit Dieses Lied. Es hämmerte in antreibendem Rhythmus los und sagte aus, wie überflüssig es sei. Von der Idee her sehr witzig, aber mit der Ausführung hatte ich noch Probleme. Es war so schnell, dass ich Mühe hatte den Text zu verstehen, und ich traute mich nicht mitzuklatschen, weil ich nicht sicher war, ob ich problemlos in das wahnsinnige Tempo reinkommen würde. Außerdem hätte ich bei der Konzentration aufs Mitklatschen den Text nicht richtig verfolgen können. Allerdings klatschte ich beim Solo von Ferenc dann plötzlich doch, was aber wahrscheinlich am vereinfachten Text mit viel “Dumdumdum” lag, der auch bei schnellem Tempo von mir mental gut zu verarbeiten war. Also: Die Idee des Liedes gefiel mir sehr, der Anfang und der plötzliche Schluss auch, aber die Mitte überzeugte mich noch nicht. Ich hoffe da mal auf die Zeit, denn es wäre schade, wenn dieses Lied wirklich überflüssig wäre.

Das Publikum hatte bei der Anmoderation genau zugehört, wollte ein weiteres Lied haben, dachte, dass es das erreicht, wenn ihnen das erste nicht gefallen hat, und buhte los. Große Augen bei den Wise Guys, dann überraschtes Gelächter, denn Buh-Rufe waren sie am Ende eines Konzertes überhaupt nicht gewohnt. Ehrlich gesagt, waren die Buhs sogar als Spaß erschreckend und unangenehm. Fand ICH jedenfalls. Dän verteidigte sich: “Wir ham’s ja gesagt!” und es ging ohne weitere Ansage mit Jetzt ist Sommer los. Erleichtert klatschten die Zuschauer mit, blieben dabei aber sitzen. Lang anhaltender Jubel zog am Ende durch die Oper, die Wise Guys verbeugten sich, starteten eine La-Ola-Welle und gleich hinterher noch eine zweite, für die, die es beim ersten Mal nicht so schnell kapiert hatten.

Abgang, und ich wartete auf Träum vom Meer. Kam aber nicht. Stattdessen ging das Licht an, der Applaus verebbte und zufrieden lächelnde Zuschauer standen von ihren Sitzen auf. Schade, aber mit den Hustern vom Dialog und besonders mit dem textsicheren Knaben neben mir, war es vielleicht ganz gut so. Immerhin hatte ich dem Jungen nicht mit meiner Meckerei den Abend versaut und er würde sein Leben lang freudig an sein erstes Wise Guys Konzert zurückdenken, bei dem er fast alle Texte auswendig mitsingen konnte und die Frau neben ihm sehr beeindruckt davon war, weil sie nur den Refrain vom Deutschen Meister kannte.
Insgesamt ein sehr schönes Konzert in wirklich toller Atmosphäre!


Weil ich ein Kölner bin
Ruf doch mal an
Dialog
Du bist dabei
Was für eine Nacht
Sonnencremeküsse
Das war gut
Schlechte Zeiten
Powerfrau
Deutscher Meister

Das wär’s gewesen
Chocolate Chip Cookies
Frühlingslied
Die Bahn kommt
Zu schön für diese Welt
Du Doof
Sing mal wieder
King of the road
Schlag mich baby
Rasier dich
Golden Eye
Dieses Lied
Jetzt ist Sommer