Wise Guys - 18.09.2002 - Stadthalle - Bonn-Bad Godesberg

Was war mit den Bad Godesbergern los? Mochten sie keine A-cappella-Musik? Der Vorverkauf lief jedenfalls zäh, was nach den zwei vollen Konzerten in der Kölner Philharmonie befremdlich war. Als die Saaltüren sich am Abend öffneten, sah es dann aber ganz gut aus. Ein Pulk von Zuschauern strömte herein, und nach zwei Minuten waren mehr als die Hälfte der Plätze in dem großen Saal belegt. Leider kamen in der nächsten Stunde nur noch vereinzelte Nachzügler an, so dass in Bad Godesberg der Fall eintrat, dass der Saal sofort halbvoll war, dann aber auch halbvoll blieb. Ein ungewohnter Anblick bei Wise Guys Konzerten.

Weit mehr als Zuschauer auf den Stühlen gab es Glühbirnen im Saal. Acht große und drei noch größere Lampenkreise, die in Doppelreihen mit Lichtern versehen waren, hingen an der Decke und sahen wunderbar altmodisch aus. Ich finde so was ja klasse und hörte interessiert zu, als der zuständige Saalbeleuchter erklärte, dass sich die Ringe dimmen und sogar per Motor absenken lassen und damit Lichteffekte erreicht werden können. 60er-Jahre-Lightshow! Da ich noch etwas Zeit hatte, zählte ich mal eben durch und kam auf 1124 Glühbirnen à 25 Watt. Etwa 5 waren kaputt, blieben 1119 Lichter. Ich habe übrigens nur eine große und eine kleine Lichterrunde gezählt und dann multipliziert. Ich bin zwar blond, aber nicht doof. Wen’s interessiert: 50 x 2 x 8 + 54 x 2 x 3 - 5, wobei Punktrechnung vor Strichrechnung gilt. Hätte ich bei dieser souveränen Bewältigung mathematischer Aufgaben nicht doch Mathe studieren sollen? Übrigens ergeben 1119 Glühbirnen à 25 Watt genau 27.975 Watt und sind damit schon fast ein Wattenmeer. Ich weiß allerdings auch, warum ich nicht Mathe studiere, sondern lieber in Wise Guys Konzerte gehe.

Das Konzert begann ein paar Minuten verspätet. (Ich hatte schon befürchtet, dass die Jungs warten würden, bis es voll wäre.) Showtime legte fetzig los und klang sogar richtig gut. Leider muß dieses Lied ja meistens zum endgültigen Live-Soundcheck herhalten, und bis bei der durch die Zuschauer veränderten Akustik wieder alles stimmt, ist das Lied oft fertig gesungen. Diesmal nicht, der Bass wummerte schön durch, die Stimmen waren gut zu verstehen und der Applaus danach klang nicht wie von 350, sondern wie von 420 erfreuten Zuschauern.

Dän begrüßte das Publikum, sprach von der “prachtvollen Arena” und erinnerte sich, dass es im letzten Jahr beim Konzert in der Bad Godesberger Stadthalle lange Tischreihen gegeben hatte, die an eine Karnevalssitzung erinnerten. “Allerdings sah es damit auch ein bisschen voller aus.” Grinsend erklärte er: “Wir haben bewusst keine Werbung gemacht, weil wir einmal im Jahr einen privaten, intimen Abend machen möchten. Das ist uns hier gelungen.” Gelächter im Publikum, das auch während des folgenden Frühlingsliedes wiederholt aufkam. Die Stimmung war sehr gut und die Zuschauer hatten keine Probleme damit, dass es nicht voll war. Allerdings blieben sie im Verlauf des Abends nicht von kleinen Hieben auf Bad Godesberg verschont, was eigentlich gemein war, denn die Leute, die im Konzert saßen, waren ja gekommen und kriegten nun ab, was für die Zuhausebleiber gedacht war. Trotzdem lachten sie über Sätze wie: “Die Wise Guys sind immer viel unterwegs. Manchmal fahren sie in große Städte, manchmal nach ... Bad Godesberg.”

Zur Zuschauerbefragung leuchteten alle 1119 Glühbirnen auf und wurden mit einem raunenden “Oooh” bedacht. Dän: “Die Kronleuchter sehen ein bisschen wie Heiligenscheine aus. Oder Ufos. Da fallen einem Millionen Dinge ein.” Man merkte den Wise Guys eine etwas alberne Stimmung an, die sehr witzig rüberkam. Irgendwie nahmen sie das Konzert nicht so ganz ernst, brachten aber trotzdem die volle Leistung. Als der obligatorische Düsseldorfer sogar im halbvollen Saal von Bad Godesberg zu finden war, fragte Dän erstaunt: “Wie viele gibt es eigentlich davon?”

Das Leben ist zu kurz kam danach schnell, fetzig, und der anschließende Applaus war laut und lang. Bei der Ansage zu Deutscher Meister wurde noch vergnügt gelacht, aber dann begann das Lied und war leise, zart und sehr schön. Echt zu Herzen gehend und vom Klang fast so, als würden die Wise Guys ohne Mikros singen. Natürlich blieb es nicht so zart, es gab im weiteren Verlauf viel Gelächter und sogar einige Leute, die ohne Zwang mitschunkelten. Am Schluss gab es sehr viel Applaus, und weil die vorhandenen Zuschauer immer etwas länger als normal klatschten, glichen sie die fehlenden Besucher ein wenig aus.

Die Moderation zu Das wär’s gewesen war eigentlich viel zu lustig und ließ etwas anderes erwarten. Trotzdem waren die Zuschauer sofort ganz still als die ersten Töne erklangen. Clemens könnte es noch etwas verlorener und trauriger singen, aber es ist auch so einfach wunderschön und sehr beeindruckend. Auch der Bass war wieder genau richtig, brachte dunkle, kräftige, vibrierende “Dummmmmdedummmmm”, die sich unter den sanften Background legten - sehr klasse. Als der letzte Ton verklungen war, gab es eine absolute Stille von zwei Sekunden, bis der laute Applaus losging.

Als Kontrast danach Kinder, bei denen der Zwischenteil ... Wie nennt man die Stelle? Ein richtiger Break ist es nicht. Es ist da, wo Sari nur noch “Aaaahaaahaaa” macht und die anderen drohend um ihn rum singen. Kenner wissen jetzt Bescheid, hoffe ich. Egal, an dieser Stelle im Lied gab es jedenfalls blaues Licht, und es war so laut, hallig und ekelig gut abgemischt, dass es eine Gänsehaut bei mir auslöste. Brrr! So eine Musik im Kino beim Horrorfilm und ich würde vom Stuhl fallen!

Eddi gab wieder eine sehr fahrige Anmoderation von sich, die zwar gespielt war, aber sehr echt wirkte. Ich glaube ja, dass er sich dabei nicht anstrengen muss, sondern sich nur ein bisschen extra verhaspelt und ganz locker quer durch die Gegend redet. Kann ja nichts passieren, ist im Zweifelsfall so gewollt. Prima Idee. Er sagte Was für eine Nacht so an: “Stellen Sie sich vor, Sie haben gestern Abend gefeiert.” (Blick ins Publikum) “Nee, schwer vorstellbar.” (Beschämter Blick) “OK, das war jetzt gemein.” Seine Kollegen hinter ihm lachten die ganze Zeit über höchst amüsiert, und Eddi drehte sich schließlich ernst um: “Reißt euch doch bitte mal zusammen. Das ist gar nicht so einfach!”, woraufhin sie noch mehr lachen mussten. Das Lied fetzte dann los, die coolen Sonnenbrillen fand ich wieder mal besonders klasse und es war einfach ... wow!

Danach kam eine Anmoderation von Dän, bei der ich mich minutenlang fragte: “Worauf will er hinaus?” Es ging ums Heiraten, aber auch um Fußball. Und dass Männer nur an Fußball denken oder ans Heiraten, und wenn sie schon nicht Fußball gucken könnten, bekämen sie im Konzert einen guten Tipp für einen Heiratsantrag. Häh? Alles etwas abgedreht und seltsam, aber trotzdem unterhaltsam und witzig. Du bist dabei war sehr locker und leicht, der Bass war wieder toll zu hören und der Background superklasse. Eddi sang die Leadstimme lachend und total nett, er erzählte fast, guckte dabei strahlend ins Publikum und war einfach süß. Ein lockeres Lied, bei dem man von alleine ganz aufmerksam ist und vom Rhythmus mitgezogen wird.

Ohne weitere Ansage kamen die Sonnencremeküsse, die ich seltsamerweise immer mal wieder als 'Sonnenmilchküsse' bezeichne. Vielleicht weil mich 'Cremeküsse' an etwas aus der Konditorei erinnern und zu schwer für einen leichten, sonnigen Urlaub sind. Egal, das ist MEIN Problem. Die Sonnencremeküsse hatten sich seit der letzten Woche weiterentwickelt und waren noch besser geworden. Dän sang sanft und lässig, lässiger ging es gar nicht mehr, der Background wurde davon angesteckt und war ebenfalls viel ruhiger und entspannter. Reines Urlaubsfeeling mit Sonne, Strand und “Sand auf der Stirn.”

Sari besang temperamentvoll seine Powerfrau und machte das superklasse. Gestik und Mimik unterstützten den Text, er sang mal schüchtern, mal mit Kraft, und es gab viel Gelächter und langen Applaus dafür. Vor dem letzten Lied im ersten Teil erklärte Dän einiges zur Pause und zum Artikelstand: “Die Pause dauert 20 Minuten. Es gibt keinen Gong, kommen Sie also selbständig wieder rein!” Er redete über das neue Songbook von Eddi, das dieser “unter Blut, Schweiß und Tränen fabriziert” hätte, und während sich hinter ihm die Kollegen lachend krümmten, betonte er, dass es ein reines Verlustgeschäft für Eddi wäre. “Es kostet 18 Euro, aber man muß das Verhältnis sehen. Wenn man überlegt, was eine Zugfahrt 1. Klasse nach Hamburg kostet ...” (Wenn halbvolle Säle zu so großer Heiterkeit auf der Bühne führen, will ich das öfter haben!)  

Mädchen lach doch mal brachte den knalligen Abschluss, dann war Pause. Es gab Getränke und leckere Snacks im Foyer, und am Ende der Pause sogar eine Klingel, die ungefähr wie ein Wecker klang. Ehe ich mich von der Überraschung erholt hatte, gab es auch noch einen Gong. Aber sowas von einem Gong! Mit Vierklang wie in der Schulpause. Und als wäre das nicht genug, gongte er nochmal. Eine Klingel und acht Gongtöne - da wollte es aber jemand dem Dän zeigen.

Die Wise Guys kamen auf die Bühne zurück, hatten ihre schwarzen Sachen an und animierten einen einzelnen männlichen Besucher zum Sonderwunsch: “Ausziehen!” Ohne darauf einzugehen und ohne weiteren Kommentar begannen sie mit Wenn sie tanzt, das ein wenig schneller als sonst war. Ich liebe dieses Lied, aber es kam mir fast zu laut und kräftig vor. Vor einem Jahr war es eines der leisesten Lieder im Programm, aber inzwischen haben die Wise Guys es geschafft, noch zartere und leisere Lieder zu singen, und jetzt ist Wenn sie tanzt nicht mehr ein so ungewöhnlicher Programmpunkt wie früher. Damals passte es nirgendwo richtig ins Programm, aber das hat sich geändert. Überhaupt muss ich sagen, dass das Konzertprogramm momentan extrem abwechslungsreich ist, viele Stilrichtungen hat und von sehr witzigen bis zu ganz leisen, gefühlvollen Sachen reicht. Toll! Und die alte Bühnenweisheit, dass man nach traurigen Sachen umso lauter bei den lustigen lacht, bewahrheitet sich voll.

Die Chocolate Chip Cookies scheinen sich zu einem Knaller zu entwickeln. Nach den ersten Worten lachte das Publikum laut auf, und es lag sofort eine Mischung aus heißem Swing und noch heißerer Erotik in der Luft. Ferenc wurde für seine kleine Einlage laut bejubelt, und ich glaube, dass er jede Frau rumkriegt, wenn er ihr von “luftdichten Behältern” vorsingt. Ich stelle mir gerade vor, wie er auf eine Frau zugeht, ihr kommentarlos “luftdichte Behälter” vorgurrt, und sie sofort “Oh, ja!” seufzt. Da kann Sari mit seinen Anmachsprüchen einpacken. Auch als Eddi nach vorne kam und sang: “Abstand halten, denn die Dinger gehen auf!”, zog er dabei so unwiderstehlich seine Augenbrauen hoch, dass ich ganz fasziniert war. Im Übrigen kam mir das Lied noch etwas dynamischer vor, und die jazzigen “Wabapp”’s waren schön laut und fetzig.

Bei When I’m 64 konnte das “Plem-plem” am Schluss noch gehört werden, doch dann brach ein langer Applaus los, der wie von 510 Besuchern klang. Ein sehr gutes Publikum, das gerne klatschte, sofort an den richtigen Stellen lachte und ganz locker war. Für einen halbvollen Saal war die Stimmung wirklich klasse! Es waren nicht unbedingt viele Bad Godesberger da, aber die richtigen. Ohne Ansage ging es mit Sing mal wieder weiter, auch ein Lied, das immer besser wird. Ich fand mal, dass es zu wenig Abwechslung hatte, aber inzwischen ist es locker und sehr mitreißend geworden. Ziemlich sofort wurde auf 2 und 4 mitgeklatscht und es groovte richtig gut ab. Sonst bin ich ja nicht so fürs Mitklatschen, aber die lauten, rhythmischen Klatscher von den Zuschauern unterstützen den Stil des Liedes sehr gut.

Danach Träum vom Meer, und ich glaube, ich habe das ganze Lied über nicht geatmet. Diesmal ging es mir besonders nahe, weil ich einen lieben Menschen verloren habe und der Text auf einmal eine ganz andere Bedeutung bekam. “Schlaf ein, es war ein langer Tag, schlaf ein und träum vom Meer”. Ich saß ganz still, ließ Dän leise diesen Gruß singen und war traurig. (Ich überlege inzwischen ernsthaft, ob ich mir dieses Lied bei meiner eigenen Beerdigung wünschen soll.) Der Root Beer Rag danach war ein wilder Kontrast, und ich war froh, dass ich turbulent in die Gegenwart zurückgeholt wurde. Es war sehr, sehr schnell und witzig. Allerdings sind die Köpfe beim Hin- und Herwackeln inzwischen immer weniger synchron, und ich würde da mal ein gemeinsames Kopfwackeln vor dem Spiegel vorschlagen.

Ferenc sang danach King of the road sehr schön tief und voll, war aber etwas zu leise. Das hätte noch kräftiger sein können, lag aber nicht an ihm, sondern an der Abmischung. Es gab langen Applaus vom begeisterten Publikum, der dann doch ganz langsam nach und nach versiegte, so dass Ferenc nicht abwinken musste. Das letzte Lied war Schlag mich, baby, vor dem sich Dän gleichzeitig von der Stadthalle verabschiedete: “Es ist nicht sicher, ob wir nochmal nach Bad Godesberg kommen”, was aber keine Reaktion auslöste. Die Zuschauer waren wohl etwas betroffen, weil sie sich an dem Abend doch wirklich gut und begeistert gezeigt hatten, verstanden aber auch, dass ein halbvoller Saal nicht so ansprechend für die Wise Guys waren. Das Abschlusslied kam klasse an, auch wenn der gepustete Nebel zwischendurch fast alle tänzerisch-athletischen Körperbewegungen verschwinden ließ. Viel Gejubel und lautes rhythmisches Klatschen holte die Wise Guys zurück, und als Zugabe gab es Rasier dich. Ich saß wie immer breit grinsend auf dem Stuhl und fand es total süß.

Die Bad Godesberger klatschten wild, und die Wise Guys kamen nochmal zurück, stellten sich kommentarlos auf und begannen mit Golden Eye. Bei den ersten Tönen ging ein Raunen durch die Menge, ...äh, na, Menge vielleicht nicht, durch das Publikum. Das Licht war superklasse und auch der Nebel passend. Leider zog er plötzlich sehr dick auf die Bühne und von der spannenden Story im Hintergrund war nichts mehr zu erkennen. Nicht, dass ich gerne sehen würde, wie Ferenc auf Dän schießt, aber man konnte erst wieder etwas sehen, als Dän irgendetwas aus der Brust zog und auf den Boden warf. Zum Ausgleich war das Lied etwas langsamer als üblich, so dass die Zuschauer mehr davon hatten.  

Ganz am Schluss kam Jetzt ist Sommer, das Publikum stand auf, klatschte mit und hatte wirklich gute Laune. Auch wenn es den Wise Guys vielleicht nicht aufgefallen ist: Es gab 350 gut gelaunte Zuschauer, die genau richtig reagierten, begeistert klatschten und viel Spaß hatten. Also nichts gegen die Bad Godesberger, zumindest nicht gegen die, die in der Stadthalle waren!


Liedliste:

Showtime
Frühlingslied
Das Leben ist zu kurz
Deutscher Meister
Das wär’s gewesen
Kinder
Was für eine Nacht
Du bist dabei
Sonnencremeküsse
Powerfrau
Mädchen lach doch mal

Wenn sie tanzt

Chocolate Chip Cookies
When I’m 64
Sing mal wider
Träum vom Meer
Root Beer Rag
King of the road
Schlag mich, baby
Rasier dich
Golden Eye
Jetzt ist Sommer