Berichte

Rainald Grebe – Die Band – 05.07.2023 – Köln

Rainald Grebe und die Band musizieren im Kölner Gloria. Es ist ausverkauft, freie Platzwahl, Einlass 19 Uhr. Ich kenne die lange Anstehschlange auf dem Bürgersteig aus Erfahrung, die vor solchen Konzerten auch mal bis um die nächste Ecke reicht. Mein Plan ist, dass ich eine halbe Stunde vor Einlass da bin, wenn die Schlange noch nicht so lang ist. Doch dann habe ich auf dem Fahrweg keinen Feierabendstau – es sind Sommerferien – und ich bin schon um 18 Uhr vor dem Gloria. Ich bin die dritte. Ui, gleich wird es hinter mir voll werden!

Etwas später kommen schon die nächsten paar Konzertbesucher und stellen sich dazu, und dann – lange niemand mehr. Bis eine Viertelstunde vor Einlass bleiben wir eine überschaubare Gruppe. Nichts mit Schlange auf dem Bürgersteig. Sehr sehr ungewöhnlich. Wir machen schon Witze, ob das Konzert ausfällt und nur wir es nicht mitbekommen haben. Dabei haben wir Rainald doch durch die geschlossene Tür beim Soundcheck singen hören.

Weil wir uns gut unterhalten, vergeht die Zeit recht schnell. Dann ist Einlass, und da ich so weit vorne bin, ist die freie Platzwahl wirklich frei. Ich möchte nicht in die erste Reihe, überlege kurz, ob es die zweite oder dritte wird, setze mich dann aber mit den anderen Frühanstehern in die erste Reihe der Erhöhung, die sonst immer schon voll ist, wenn ich komme. Der Blick auf die Bühne ist von da wirklich klasse. Der Saal füllt sich – ebenfalls sehr ungewöhnlich – nur langsam. Erst kurz vor Konzertbeginn ist es dann knackevoll.

Hach, ein Rainald-Konzert – wie schön! Ich freue mich, auch wenn er an diesem Abend ein bisschen angeschlagen wirkt. Seine chronische Krankheit beeinträchtigt auch das Gedächtnis. Die neuen Lieder haben oft ausgerechnet viel und schnellen Text. Die Texte dazu hält er ausgedruckt meist in der Hand und wirft immer wieder kurze Blicke darauf. Malerisch und fast schon wie inszeniert, lässt er die jeweils abgelesene Seite fallen und das Blatt fliegt schwankend auf den Bühnenboden. Zwischendurch erzählt er locker und wie gewohnt, dabei auch immer wieder sarkastisch oder witzelnd über seine Schlaganfälle, die sein Leben stark verändert haben. Er schafft es, dass die Zuschauer trotzdem laut lachen können und die Stimmung nicht runtergeht. Vielleicht halten einige es auch für schräge, erfundene Geschichten – bei Rainald weiß man ja nie genau, was stimmt und was er gerade fabuliert.

Die Band besteht aus Marcus Baumgart, Serge Radtke und Onkel. Sie spielen sehr gut, nur manche Hintergrundstimmen werden noch etwas zögerlich gesungen und es scheint nicht immer klar zu sein, wer wo mitsingt. Der neue Schlagzeuger „Onkel“ hat zudem nicht das alte Repertoire drauf, wie es der langjährige Trommler Martin hatte. Mit der „Kapelle der Versöhnung“ lief es vertraut und wie von alleine, mit „der Band“ muss es sich erst eingrooven. Der Auftritt im Gloria ist vermutlich auch ein Proben und Einspielen für das große Waldbühnenkonzert in drei Wochen.

Im zweiten Konzertteil gibt es vorwiegend alte Lieder, die, wie Rainald erklärt, nicht in den kaputten Synapsen im Hirn, sondern fest verankert im Rückenmark sitzen. Ja, das tun sie. Ohne Textblätter, textsicher, souverän und mit viel mehr Mimik und Interaktion singt er sie und ist wie gewohnt. Entspannt, locker, bewusst performend.

Und, ach, ich mag es ja sehr, wenn er auch mal mit sanfter Stimme singt wie bei „Massenkompatibel“ oder „Mann ohne Gefühle“. Das ergibt einen hohen Schmelzfaktor bei mir.

Gegen Schluss singt er „Der Tod“. Ein Lied über seine eigene Situation mit einer unberechenbaren Krankheit und einem Tod, der hinter der nächsten Ecke sitzt und „kommt, wann er will“. Das ist schon sehr berührend. Aber auch da kommt wieder durch, dass er sich nicht einschüchtern lässt und ergeben wartet, bis der Tod mal vor ihm steht, sondern dass er aktiv lebt und alles rausholen will, was möglich ist.

Am Ende viel Gejubel.