Berichte

Torsten Sträter – Schnee, der auf Ceran fällt – 27.05.2022 – Siegburg

Rhein-Sieg-Forum. Siegburg

Etwa 1000 Zuschauer passen in das Rhein-Sieg-Forum, das die größte Veranstaltungshalle im Rhein-Sieg-Kreis ist, und etwa 1000 Zuschauer stehen an diesem Abend als lange Schlange, die weit nach hinten bis zum Parkhaus reicht, vor dem Eingang an. Für mich ist es die erste Großveranstaltung nach Corona und es ist ein seltsames Gefühl, so viele Menschen nah um mich herum zu haben und nur noch wenige Masken vor den Gesichtern zu sehen. Aber es ist auch wie „früher“ und ich lasse mich gerne wieder darauf ein.

Als Torsten Sträter die Bühne betritt, beginne ich – schon bevor er sein erstes Wort spricht – vorfreudig zu grinsen. Um es gleich zu sagen: Bis zum Ende des Programmes bekomme ich meine Mundwinkel nicht mehr in ihre neutrale Position zurück. Torsten Sträter ist ein treffsicherer Erzähler und wunderbarer Wortspieler. Er erzählt Geschichten, macht spontane Bemerkungen, schräge Assoziationen und schlaue Wortdrehungen. Durchgehend und gleichzeitig. In rasantem Tempo. Außerdem hat er einen guten Blick für skurrile Situationen, kann sie fein schildern, ist warmherzig, hat trockenen Humor und auch noch eine sehr schöne Sprechstimme. Ein Meister der Erzählung. Ich grinse, lache, kichere und wische mir immer wieder Lachtränen weg. Mehrfach merke ich, wie ich einfach nur mit offenem Mund debil grinsend auf Torsten Sträter starre und völlig fasziniert von seiner Sprache und dem gewandten Umgang mit ihr bin. Großartig!

Was vorformuliertes Programm, was eine der vielen Abschweifungen und was spontan improvisiert ist, ist für mich nicht eindeutig zu erkennen. Seine Lust am Erzählen, am Formulieren und an Sinn- und Wortverdrehungen schon. Ich bin echt gut im Mitkommen und auch Mitgenommen werden bei auch schrägen Wortspielereien, aber Herr Sträter fordert mich und meine Hirnzellen, die kurz vor dem Explodieren sind. Geht aber. Sogar mit britzelnder Freude. Da erklärt er, dass mit „Paragrafen“ nicht „paranormale Grafen, also Geister von Adel“ gemeint sind, fügt dem Wort „wahlweise“ beiläufig die Beschreibung „Meeressäuger ohne Vater und Mutter“ hinzu oder zitiert: „Der Adler muss fliegen“ und setzt spöttisch hinterher: „Ich kenne genügend Adler, die sagen, ach, das Stück geh‘ ich zu Fuß.“

Ich strahle breit grinsend zur Bühne, um bloß nichts zu verpassen und freue mich unfassbar über solche Sätze. Es ist ziemlich gewaltig, wenn ein Lachsturm von 1000 Zuschauern losgeht, den Torsten Sträter mit einem einzigen Satz auslösen kann. Der Mann neben mir, der mein Gatte ist, japst und kriegt kaum noch Luft. Er röchelt und hat eine erstaunlich niedrigfrequente Schnappatmung. „Ich kann nicht mehr“, stößt er zwischendurch aus und windet sich auf seinem Stuhl. Ich registriere es besorgt, bin aber selber mit Luftholen, Zuhören und Lachen beschäftigt. So lange er überhaupt noch hin und wieder atmet, scheint’s zu gehen.

Torsten Sträter trägt auf der Bühne seine für ihn typische Mütze. Interessanterweise sieht sie bei ihm nicht wie eine übergestülpte Mütze aus, sondern wie ein zu ihm gehörendes, harmonisch ins Gesamtbild passendes Körperteil. „Ohne Mütze würde ich ihn bestimmt nicht erkennen“, denke ich noch, da zieht er sie ab. „Stimmt“, denke ich, denn er sieht plötzlich sehr anders aus. Gar nicht mehr wie Torsten Sträter, dabei ist er ohne Mütze ja noch echter. Egal.

Nach guten zwei Stunden Programm bin ich tatsächlich erschöpft vom Lachen, Mitdenken, Kapieren, dem Tempo, den Formulierungen und der Wortüberflutung. Die etwa tausend Leute um mich herum in der Rhein-Sieg-Halle japsen ebenfalls lachend und hängen sackartig auf den Stühlen. Als Torsten Sträter von der Bühne abgeht, wird sehr laut geklatscht und gejubelt, aber es wird nicht nach Zugabe gerufen. Das ist nicht fehlende Begeisterung, sondern Überlebensinstinkt. Die Zuhörer-Hirne können keinen weiteren Input mehr verarbeiten. Voll bis obenhin mit Wörtern, Sätzen, Bildern, Gelächter. Hach – was für ein toller Abend, was für ein grandioser Wortakrobat und was für ein sympathischer Mensch! Mit und ohne Mütze.

Nachtrag: Nicht nur die Erinnerung an den grandiosen, wunderbaren Abend bleibt, sondern auch ein Satz, den der Gatte seitdem leicht klagend, aber auch anerkennend sagt, wenn das Gespräch auf Torsten Sträter kommt: „Das ist der Abend, an dem ich fast gestorben bin.“ Gestorben vor Lachen, das so stark war, dass kaum noch Zeit zum Luftholen blieb.