Berichte

Benefizkonzert – 29.08.2021 – Erftstadt

Kathy Kelly, Purple Schulz, Christina Lux, Schlömer, Björn Heuser, Rolf Stahlhoven & friends from Söhne Mannheim

Wir alle sind Erftstadt – Benefizkonzert zu Gunsten der Flutopfer
Geske-Saal, Erftstadt

Im Juli 2021 gab es nach tagelangem Starkregen Überflutungen im Ahrtal, in Erftstadt und in umliegenden Orten. Das Ahrtal traf es am schlimmsten, aber auch in Erftstadt gab es viele überflutete Häuser und dementsprechend Verluste, Ängste und nachwirkende Probleme. Der Musiker und Produzent Martin Ernst, der in Erftstadt lebt, hat für einen Benefizabend viele Künstler zusammengerufen. Die Eintrittsgelder und Spenden sollen durch eine Live-Übertragung im Internet durch weitere Spenden erhöht werden.

Im Vorfeld sind für das Benefizkonzert angekündigt das Orchester Musikkorps der Bundeswehr, Björn Heuser, Purple Schulz, Christina Lux, NEON, Kathy Kelly und Rolf Stahlhoven & friends from Söhne Mannheim. Die Moderatoren sollen Emily Wigham und Ulli Potofski sein, und als Abschluss wird es die Aufführung des Songs „Wir sind ein Land“ durch Ralf Rudnik & friends geben. Manches davon macht mir Sorge. Das Musikkorps der Bundeswehr geht vielleicht noch, aber kölsche Karnevalsmusik ertrage ich nur schwer, die Söhne Mannheims jammern mir singend zu viel rum, Uli Potofski habe ich als „Ich streng mich nicht an“ bei „Let’s dance“ in Erinnerung, eine Einstellung, die ich nicht mag – wobei, moderieren kann er vermutlich, und vor dem Schlagerduo NEON und dem großen Schlagerabschlusssong habe ich fast Angst. Beim Gedanken an sehr simple Texte, einfachsten Schlagerrhythmus und Mitklatschaufforderungen bekomme ich prophylaktisch Schnappatmung. Puh, ich bin wirklich anstrengend.

Bei der Kartenkaufentscheidung hilft dann, dass es für einen guten Zweck ist, und dass Purple Schulz dabei ist, den ich natürlich hören und sehen möchte, außerdem Christina Lux – auch prima – und sogar auf Kathy Kelly bin ich zumindest neugierig. Wenn jeder Auftritt drei oder vier Lieder lang ist, kann ich wohl auch Karneval und Schlager überstehen. Mein Plan A, dass ich zwischendurch unauffällig rausgehe, wenn ich die Musik nicht mag, scheitert an einer festen Sitzplanordnung in Reihen, bei der jedes Aufstehen stört. Bleibt Plan B: Sitzenbleiben und aushalten.

Die Moderatorin des Abends ist Emily Wigham, Ulli Potofski ist nicht da. Sie führt zunächst gut moderierte Gespräche mit Geschädigten, die ganz schön unter die Haut gehen. Ich selber bin nicht von Schäden betroffen, habe alles aber sehr nah mitbekommen und fühlte mich wie live in einem Katastrophenfilm, bei dem der Ausgang unbekannt ist. Kein schönes Gefühl.

Der musikalische Teil startet mit einer Überraschung. Die mir völlig unbekannte Band „Schlömer“ aus Köln, die nicht auf der Liste steht und bei deren Ankündigung ich zuerst denke, dass sie eine weitere kölsche Karnevalsband ist, zeigt sich erfrischend gut. Sie macht klasse Musik mit guten deutschen, gar nicht kölschen Texten. Sie wird allerdings auch „Schlömer“ mit ö gesprochen, schreibt sich aber „SCHLØMER“, was nicht typisch für Köln ist. Es gibt einen Leadsänger mit sehr schöner Stimme, dazu Schlagzeuger, Keyboarder, Gitarrist, Bassistin und eine gute Backgroundsängerin, die auch Geige spielt.

Es macht großen Spaß, die Gruppe mit ihrer Energie auf der Bühne zu erleben. Ich denke sofort, dass sich meine Konzertkarte schon alleine fürs Kennenlernen von Schlömer gelohnt hat. Ihrer Ankündigung, dass sie noch eine Weile auf dem Flur sein werden, wo sie auch CDs verkaufen, würde ich gerne nachkommen, aber ich hänge ja in der Sitzplatzordnung und kann nicht einfach rausgehen. Als zwei Stunden später kurz Pause ist, sind sie weg.

Kathy Kelly kommt als nächste Interpretin und hat sogar Bezug zu Erftstadt, weil sie zu Zeiten der Kelly Family einige Jahre in Schloss Gymnich in Erftstadt gelebt hat. Sie sagt in der Begrüßung: „Ich habe gemerkt, wie tief meine Würzeln hier sind.“ Auch wenn ich die Kelly-Family früher völlig OK fand, bin ich nie auf einem ihrer Konzerte gewesen. Jetzt habe ich das Gefühl, ich würde es ein bisschen nachholen. In der Lightversion. Solo-Kelly Family.

Kathy Kelly wird begleitet von Flügel, Schlagzeug und Bass und spielt zwischendrin selber Gitarre und auch Akkordeon. Mit dem Lied „Angel“ konnte ich nie wirklich viel anfangen, aber so von Kathy Kelly gesungen, hat es was und ist ein bisschen Zeitgeschichte. Sie ist total sympathisch und authentisch, was ein wenig überhören lässt, dass die oft opernnahe Stimme auch mal zu viel ist. Insgesamt finde ich gut, sie mal live zu erleben.

Die Moderatorin des Abends, Emily Wigham, sagt danach, dass während des Auftritts von Kathy Kelly in der Live-Internetübertragung international 200.000 Zuschauer dazugekommen sind.

Björn Heuser ist in Köln bekannt für seine kölschen Mitsingkonzerte. An denen nehme ich nicht teil, weil ich die meisten Lieder gar nicht mitsingen will oder nicht mal kenne. Er macht das allerdings locker, ist sympathisch, hat eine schöne Stimme und animiert das Publikum mit seiner freundlichen Art problemlos zum Mitsingen. Das ist schon gut gemacht.

Während ich bei „In uns’rem Veedel“ alles, auch die Strophen mitsinge, weil ich den Text sogar im Schlaf könnte, hapert es bei mir bei den anderen Liedern schon im Refrain. Kölsches Liedgut – wenn es nicht sehr alt oder von den Bläck Fööss ist – ist mir eher unbekannt. Sein Schlusslied, bei dem Handylichter geschwenkt werden und das ringsherum freudig und laut mitgesungen wird, habe ich noch nie gehört. Ich kann nicht mitsingen, was nicht an Björn Heuser, sondern an meiner Unwissenheit liegt, gucke aber freundlich.

Während der kurzen Pause erfahre ich, dass der Abend nicht wie ursprünglich geplant abläuft, weil doch einige Künstler abgesagt haben. Ich kann es kaum glauben: Das Schlagerduo und die Leute für das Schlagerabschlusslied sind gar nicht da! Andere Zuschauer werden enttäuscht sein, ich bin sofort sehr gut gelaunt. Es scheint doch ein rundum schöner Abend zu werden! Der geht dann auch gleich wunderschön weiter mit Christina Lux, die von Oliver George begleitet wird. Hach, so eine schöne Stimme, so wunderbare Musik!

Danach kommt Purple Schulz auf die Bühne, den ich ja sowieso immer mag. Da kann und will ich sogar alles mitsingen.

Moderatorin Emily Whigham will ihn fast vor seinem letzten Lied abwürgen – sie hat Zeitdruck, denn der Konzertabend läuft schon länger als geplant und sollte schon zu Ende sein -, aber „Immer nur leben“ zieht Purple zum Glück noch ruhig und berührend durch. Wie schön!

Am Ende des Abends treten Rolf Stahlhofen & Friends von den Söhnen Mannheims auf. Ich bin sehr skeptisch. Die Söhne Mannheims sind sehr gute Musiker, keine Frage, aber dieses gejammerte Singen ist mir oft zu viel. Aber dann finde ich es überraschend doch sehr schön.

Die „& friends von Söhne Mannheim“ sind Michael Klimas und der Rapper Metaphysics, und zusammen mit den Musikern, die schon bei Kathy Kelly auf der Bühne waren und jetzt auch die Söhne Mannheims souverän begleiten, machen sie richtig gute Musik. Rolf Stahlhoven eher rockig, Michael Klimas eher sanft und Metaphysics rappend. Youh!

Sehr gut gemachte Musik, der ich gut zuhören kann. Ist doch schön, wenn ich meine vorgefertigten Ansichten dann doch plötzlich ändern muss. Und kann.

Mehr als vier Stunden dauert das Konzert und ist dabei sehr kurzweilig und schön. Gerade die Abwechslung macht es interessant, wobei ich weiterhin froh bin, dass der Schlagerteil ausgefallen ist. Netterweise ist Martin Ernst, der Mann, der alle Fäden in der Hand hält, Kontakte zu nationalen und internationalen Musikern hat, früher der Bandleader bei RTL Samstag Nacht und vielen weiteren Produktionen war, Musikproduzent ist und den Internetkanal muxx.tv gegründet hat, und der so wichtig für das Gelingen des Abends ist, ein sehr freundlicher, bescheidener Mensch, der eher wie ein Techniker aussieht und nicht wie der Chef. Ich mag so was sehr. Was für ein Glück für Erftstadt, dass er immer wieder solche Aktionen durchzieht!