WG Konzertberichte

Wise Guys – 16.07.2017 – Audimax – Regensburg … das letzte Konzert

Das letzte Konzert der Wise Guys fand im größten Hörsaal der Universität statt, dem Auditorium maximum, kurz Audimax genannt. Zeigte schon der gesamte Unikomplex viel grauen, viereckigen Beton, so fügte sich das Audimax in der Innenansicht groß, eckig und graubetonig ein. Es hatte den Charme eines großen Parkhauses, aus dem alle Zwischendecken entfernt waren, so dass es viel Platz nach oben gab. Bis weit hinten auf den Rang gab es lange Reihen von Sitzplätzen für insgesamt fast 1500 Besucher. Etwas festlicher und schöner hätte ich es mir schon gewünscht für so ein Abschiedskonzert, aber immerhin bestand somit wenig Gefahr, dass die Aufmerksamkeit von den Hauptpersonen des Abends wegging und auf schnörkelige Deckenverzierungen und romantische Kronleuchter fiel.

Vielleicht war alles auch extra so inszeniert. Bunte, singende Wise Guys inmitten von grauem Beton. Ein letztes Konzert mit Leben, Freude, Musik. Am Ende würden sie abgehen und es bliebe nur der Beton. Was für ein herzzerreißendes, symbolisches Bild. Eigentlich schade, dass ich selber nicht glaubte, dass sie so dachten.

Schon am Nachmittag hatten die Wise Guys ein Konzert im Audimax gegeben, vor Beginn des Abendkonzertes blieben die meisten Besucher bei sommerlichem Wetter erstmal draußen stehen und belegten ihre Plätze erst kurz vor Konzertbeginn. Es gab feste Platznummern, die ein frühes Anstehen und Gerenne überflüssig machten. Auf jedem Sitzplatz lag, von einigen Fans vorbereitet, ein etwa Din A4 großes, rotes Papierherz, samt angehefteter Anleitung, bei welchem Lied und bei genau welchem Satz es hochgehoben und geschwenkt werden solle. Die Aktion war ähnlich wie die Schal-Aktion am letzten Wochenende im Tanzbrunnen, und es war nicht überraschend, dass sie an genau der gleichen Programmstelle passieren sollte.

Die Herzen fand ich gut. Nicht gut fand ich eine zweite geplante Aktion, für die Textblätter verteilt waren. Nach dem Ende der letzten Zugabe sollten alle Zuschauer gemeinsam den „Irischen Reisesegen“ anstimmen. Och, nö. Ich würde gerne mit einem letzten Wise Guys Klang im Ohr aus dem Konzert gehen und den nicht von einem Zuschauerchor überlagert haben. Könnte bitte nur laut geklatscht und gejubelt werden und das eigene Gesinge einfach weggelassen? Schlimm genug, dass mir in den letzten Jahren einige Konzerte von eifrigen, lauten Mitsängern verdorben wurden, die den Gesang der Wise Guys durchgehend um eine Klangkomponente erweitert hatten, jetzt sollte der allerletzte Konzertabend auch noch mit einem Zuschauer-Chor enden und nicht mit den vertrauten Stimmen der Wise Guys.

Es war zu spät, um das vor dem Konzert noch öffentlich auzudiskutieren, und die Möglichkeit, auf den Textblättern „Ja, Nein, Vielleicht“ anzukreuzen, gab es auch nicht. Mir war völlig klar, dass das nett gemeint war, aber ich wollte es trotzdem nicht hören. Ich wollte doch so gerne mit den Wise Guys im Ohr als letzten akustischen Eindruck in die Nacht gehen.

Um 20 Uhr waren die Plätze in der Betonhalle besetzt, die Besucherstimmen summten und raunten vorfreudig, und als das Licht ausging, fragte Björns tiefe Stimme aus dem Off: „Seid ihr gut drauf?“, was selbstverständlich sofort zustimmend bejubelt wurde. Es war vermutlich allen Konzertbesuchern klar, dass es das letzte Wise Guys Konzert war, aber die Stimmung war nicht trübe, sondern eher noch aufmerksamer und prickelnder als sonst. Auch wenn die Tatsache des unmittelbar bevorstehenden Endes nicht gerade schön war, war es trotzdem etwas Besonderes, dieses historische Ereignis mitzuerleben. Auch die Wise Guys sollten beim letzten Konzert noch einmal ihr begeistertes und feierndes Publikum haben.

Björn bat, immer noch aus dem Off, die Telefone und Kameras auszuschalten, um das Konzert in die Herzen zu brennen, dann eilten die Wise Guys auf die Bühne, wo sie mit einem riesigen Begrüßungsjubel empfangen wurden. Die Zuschauer erhoben sich, applaudierten, johlten und gaben begeisterte Standing Ovation, ehe überhaupt ein Ton gesungen war. Es war gewaltig und wurde gar nicht weniger, und die Wise Guys guckten gerührt und freudig in die Menge.

Angesichts des anhaltenden und unverminderten Klatschens überlegte ich, wann sie an diesem Abend wohl mal irgendwann mit dem Singen beginnen könnten, doch da gab Sari in den Lärm hinein gut sichtbar mit der Hand den Takt an, zählte ein und die Wise Guys starteten – dank der Lautsprecher sehr laut – mit Showtime. Sofort hörten die Zuschauer mit dem Applaus auf und fast alle setzten sich schnell hin.

Während die Wise Guys begannen mit: „Hallo liebe Leute, bitte gebt schön acht …“, kam mir schlagartig in den Kopf, wie ich vor 19 Jahren etwas skeptisch bei meinem ersten Wise Guys Konzert in einer Kirchenbank saß, vorne begannen die Wise Guys mit dem Opener: „Wir sagen schönen guten Abend, meine Damen und Herrn …“ und beim langen N der „Herrnnn“, grinste ich selig und war schockverliebt. Und jetzt saß ich hier im Parkhaus und hörte ihren letzten Opener. Unvorstellbar. Und war der letzte Opener nicht fast schon ein Closer? Ach, ich sollte nicht so viel denken, sondern einfach zuhören und genießen. Geschickterweise konnte ich gleichzeitig Erinnerungen haben, Unsinn denken und rhythmisch mitklatschen, so dass meine springenden Gedanken gar nicht auffielen. Dass mich während des Konzertes aber immer wieder Erinnerungen plötzlich in frühere Zeiten katapultierten, blieb an diesem Abend so.

Auf der Bühne sangen die Wise Guys immer noch den Opener und kamen an die Zeile: „Heut simma hier!“ und das Publikum sprang von den Sitzen und sang laut mit. Noch im Endjubel ging es los mit Mädchen, lach doch mal. Die Zuschauer in den ersten Reihen blieben gleich stehen, überall wurde mitgeklatscht und die Stimmung war sehr aufgedreht. Es war eigentlich ein trauriger Anlass, aber der wurde gefeiert. Die Wise Guys strahlten breit in den dicken Endapplaus hinein.

Dän begrüßte das Publikum: „Wir sind die Wise Guys aus Köln, und wir sind heute Abend zum allerletzten Mal überhaupt irgendwo.“ Da hatte er völlig Recht. Er sagte, dass alles auch für ihn total unwirklich sei und fügte hinzu: „Bei allem, das aufhört, gibt es gute Gründe. Wenn es keine Gründe gäbe, würde es nicht aufhören.“ Er lächelte: „Wir feiern heute einen Abend gemeinsam, an dem sich Freude und Trauer die Waage halten.“ Und ganz ruhig sagte er: „Schön, dass ihr da seid!“, woraufhin es natürlich sofort wieder Applaus gab. Er sah sich im Saal um und grinste: „Es passt zur Geschichte der Wise Guys, dass das allerletzte Konzert in dieser Betonhalle stattfindet.“ In das Gelächter warf er ein: „Aber die Lichtshow ist toll!“, und setzte hinterher: „Weil hier ALLES gut aussieht.“

Beim Blick auf Björn sagte er: „Wir hatten bei den Wise Guys einen hohen Bass-Verschleiß. Björn ist der vierte. Wobei der erste Bass gar kein richtiger Bass war. Der war nur nett.“ Empörtes Gelächter war zu hören, und er schob schnell er hinterher, dass sie sich mit ihm sehr gut verstanden und er als Berater immer noch dabei war. Ruf doch mal an begann, und die Zuschauer federten schon wieder fast alle von den Sitzen und klatschten und sangen mit. Die hüpfenden Wellenbewegungen der Publikumsmasse während der Refrains waren beeindruckend. 

Björn war mit der nächsten Moderation dran und versuchte das aufgedrehte Publikum mit tiefer, gelassener Stimme zu beruhigen: „Setzt euch! Wir haben einen langen Abend vor uns.“ Dann dankte er spontan und unprogrammgemäß den Wise Guys dafür, dass er nun doch wieder seinen Traumberuf ausüben und als professioneller A-cappella-Sänger unterwegs sein konnte. Die Zuschauer klatschten laut, was aber nicht nur für die vier Wise Guys galt, die Björn die Chance gegeben hatten, sondern vor allem an Björn ging, der ein ganz wichtiger Teil der Wise Guys geworden war. Im letzten Frühjahr hatte er spontan seinen Radiosprecherjob aufgegeben, um für zeitlich begrenzte 15 Monate als Bass bei den Wise Guys einzusteigen. Dass er demnächst mit Dän und Nils zusammen in einer neuen Formation weitermachen wird, war damals nicht mal angedacht.

Um sechs zur Auswahl befindliche Liedtitel vorzustellen, von denen einer gesungen werden sollte, bat Björn jetzt seine „freundliche Assistentin Nils“ auf die Bühne, die diese Aufgabe freundlich lächelnd und vorbildlich erledigte.

Per Zufallsgenerator – Tourmanager Jan warf einen großen, roten Würfel -, wurde eine Zahl ausgewählt. Während der Würfel sich hüpfend drehte, gab es beim Publikum Geschrei und hörbare Anspannung, als ob es um dicke Geldwetten ging. Endlich blieb der Würfel still liegen und zeigte die Eins. „Lass die Sonne scheinen“ war der Sieger, und ich seufzte ganz privat, denn ich hätte so gerne noch einmal die „Comedian Harmonists“ gehört. Die hatte ich auch bei meinem ersten oder zumindest einem ganz frühen Konzert gehört und war dahingeschmolzen. Dagegen kam die Sonne, egal, wie man sie scheinen ließ, nicht an.

Björn hob den Würfel auf und reichte ihn mit einem: „Den will ja sonst keiner haben?“ an Jan zurück, der ihn in den Transportkoffer packte. Hochschnellende Hände im Publikum zeigten, dass er gerne übernommen worden wäre, aber es war schon zu spät. Der Würfel war eingepackt und die Wise Guys begannen mit Lass die Sonne scheinen. Ich beteiligte mich an den mitwedelnden Zuschauerarmen, wippte entspannt im Rhythmus und hatte zur gleichen Zeit als Bild die fünf damaligen Wise Guys vor mir und hörte wie sie „Comedian Harmonists“ sangen. Mein liebevolles Lächeln hätte spätere Zeugenaussagen stark verfälscht: „Bei „Lass die Sonne scheinen“ hat sie ganz selig gelächelt. Das war wohl ihr Lieblingslied.“ Nö, ich hörte gerade die „Comedian Harmonists“. Und hatten die Wise Guys damals nicht auch „Ein guter Freund“ im Programm und sangen wechselnd: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt!“ und schubsten dabei die anderen immer energisch nach hinten? Was habe ich darüber gelacht! Seltsam, dass jetzt, während des letzten Konzertes, so viele Erinnerungen hochkamen.    

Die meisten anderen Zuschauer hatten vermutlich ordentlich beim aktuellen Programm zugehört und klatschten am Liedende kräftig. Dän kündigte zwei Balladen an und erklärte sicherheitshalber: „Das sind ruhige Lieder, die nicht lustig sind.“ Die erste Ballade war vor vielen Jahren entstanden, als seine damalige Freundin sich von ihm getrennt hatte. „Aus Traurigem kann etwas Gutes kommen“, stellte er fest. „Das passt vielleicht auch zu diesem Abend.“ Wie kann es sein gehörte zu den Liedern, wegen denen ich die Wise Guys hörte. Es war wunderschön und ging ins Herz. „Ich höre es zum letzten Mal live“, dachte ich, aber ich reagierte gar nicht angemessen. Ich hörte einfach lächelnd zu und versank in den Harmonien. Die Information über „heute zum letzten Mal“ war zwar im Hirn, wurde aber nicht weiter bearbeitet. Na, ich ließ meinen Hirnzellen Zeit. Sie hielten alles noch für eine Sommerpause und es war vermutlich besser, wenn so eine Nachricht nur langsam bei ihnen eintröpfelte.

Die zweite Ballade war Engel, die inhaltlich nicht meine war. Das lag aber daran, dass ich vom Engel-Boom genervt war und bei Engel-Themen sofort widerborstig wurde. Dafür fand ich aber das sich langsam drehende Strahlerlicht während der Refrains wirklich wunderschön. Da die meisten Zuschauer meine Vorbehalte gegen Engel nicht teilten und überhaupt kein Problem mit den vielen Engeln im Text hatten, gab es am Ende viel Applaus für das Lied. Auch in Ordnung. Das Problem lag bei mir. Und nein, ich gehe nicht in Therapie, nur weil ich keine Lust auf Engel habe.

Die nächste Moderation machte Sari. „Es ist wirklich ein bewegender Moment für uns alle, hier zu stehen und Lied für Lied ein letztes Mal zu singen.“ Im Gegensatz zu den anderen Wise Guys hatte Sari ja keine Pläne für eine sofort anschließende Bühnenkarriere, so dass dieses Konzert für ihn ein viel deutlicherer Schlusspunkt als für die anderen war. Die machten musikalisch hauptberuflich weiter, er nicht. „Es ist nicht die Zeit, um Witze über Björn zu machen, wie ich das sonst immer tue. Stattdessen möchte ich ihm Danke sagen, dass er kam.“ Das kam von Herzen und das Publikum applaudierte. Sari sagte Kleine Männer an, und Björn grinste ihm zu: „Dann pass nochmal schön auf!“, ehe er singend die Vorzüge kleiner Männer aufzählte.

Hach, Björn war so souverän und lässig – und diese volle, unglaublich tiefe Stimme! Würde es sich lohnen, noch schnell einen Der-coole-Björn-Wise-Guy-Fanclub zu eröffnen? Eher nicht, wo ja gerade das letzte Konzert stattfand. Hätte ich mal einen Tag früher drauf kommen sollen.

Während ich kurz mit den Gedanken beim Fanclub war, sang Björn souverän und bassig, warf lässig Zwischenbemerkungen ein und wurde laut bejubelt bei der Zeile: „Kleine Männer können sogar Bass der Wise Guys werden.“ Natürlich gab es am Ende des Liedes viel – sehr viel – Applaus.

Eddi kam nach vorne und sagte, dass er ein paar Mal gefragt worden sei, warum das letzte Konzert in Regensburg gemacht wurde. Als Grund nannte er das Publikum: „Ihr seid so warmherzig und tragt uns durchs Programm“, was zwar stimmte, aber den Denkfehler hatte, dass sehr viele Fans von überall woanders als aus Regensburg angereist waren. Ein weiterer Grund wäre, dass die Wise Guys in Regensburg mal die Domspatzen und das Internat besichtigt hätten. Stimmte auch, aber ich vermutete, dass der Hauptgrund der Ortswahl eine schon länger zurückliegende Büro-Terminplanung war, bei der Regensburg ganz zufällig als letzter Ort im Plan stand. Aber egal. Dass die Regensburger Domspatzen etwas Ähnliches waren wie der Thomanerchor in Leipzig, in dem Eddis Vater als Kind gesungen hatte, und dass dieser musikalische Hintergrund auch Eddis musikalische Entwicklung beeinflusst hatte, schien mir dagegen überzeugend.

„Ich nenne von den beiden nächsten Songs nicht die Titel, weil, wenn ihr die Titel erkennt, ihr vielleicht jubelt, weil ihr sie kennt“, kündigte Eddi souverän die beiden nächsten, nicht genannten Titel an. „Häh?“, sagte die Dame neben mir und lachte los. Kaum erklangen die ersten Töne der Powerfrau, hatten die Zuschauer – wie von Eddi vermutet – das Lied erkannt und jubelten – wie vermutet – los. Außerdem sprangen sie auf und sangen zu großen Teilen fehlerlos mit, dass Saris Frau im „Communication-Front-Consulting-Multi-Management Main-Assistant-Chief-Controlling-Analyst“ war. Dass Sari jetzt tatsächlich vorerst Hausmann wurde, um seiner Frau die Möglichkeit für ihre Karriere zu geben, war verblüffend. Wie hatte Dän das vor Jahren schon so vorausdenkend schreiben können? Und sähe die Planung jetzt anders aus, wenn Eddi die Leadstimme bei der Powerfrau gesungen hätte? Würde ER dann zuhause bleiben und Sari würde auf Solotour gehen? Und was wäre gewesen, wenn Dän sich selber ein Lied geschrieben hätte, in dem er davon singt, dass er Millionen auf der Bank hat, den ganzen Tag am Pool liegt und die Mannschaft des FC Köln in seinem Garten trainiert?

Wo der Pfeffer wächst kam gleich hinterher und heizte die hoch angeheizte Stimmung noch weiter an. Hätte man einem zufällig Anwesendem jetzt erklärt, dass die Band nach diesem Konzert aufhört, hätte er angesichts der jubelnden Menge vermutlich erstaunt gefragt: „Warum??“

Dän kam nach vorne, musste etwas abwarten, bis sich der lange Applaus gelegt hatte, und verriet dann: „Unser Gesangscoach, Dr. Prof. Erik Sohn sitzt am Mischpult und gibt zwischendurch Anweisungen. Und er quatscht uns auch sentimental zu. Wegen uns hat er nämlich seine Frau kennengelernt.“ Nach einer kurzen Vorstellung der „2-Euro-Aktion“ von Misereor bat er ein letztes Mal um Spender und hob dann für einen schnellen Werbeblock zwei Bücher und zwei CDs hoch. Die Kinderlieder-CD empfahl er: „Für Leute, die Kinder haben oder Kinder haben werden oder Kinder kennen, oder für Leute, die Leute kennen, die Kinder haben oder Kinder haben werden oder Kinder kennen …“ Weitere Ausführungen gingen im Gelächter unter.

Den kleinen Packen Bücher und CDs schenkte er spontan einem weiblichen Fan in der ersten Reihe und verkündete dann: „Es gibt einen noch attraktiveren Preis!“ Er hob eine helle Plastikröhre hoch, die an einen großen Pritt-Stift erinnerte, und Eddi, der es als erster erfasste, lachte laut auf. „Kunstspucke“, sagte Dän und erklärte, dass die bei trockenem Mund verwendet und gar nicht so schlecht schmecken würde. Sie war schon angebrochen, aber er guckte nach und versicherte: „Es ist noch gut. Bis Januar 2018. Wer will es haben?“ Erstaunlich viele Hände schnellten nach oben. Kein Wunder. Kunstspucke von Dän fehlte vermutlich noch in den meisten Wise Guys Sammlungen. In einer jetzt nicht mehr, denn Dän reichte sie jemandem im Publikum.   

Die wahren Helden aus dem nächsten Lied bezogen sich nicht auf mutige Leute, die angebrochene Kunstspucke haben wollten, sondern auf einige Berufsgruppen im sozialen Bereich. Dass die Musik wie bei James Bond klang, war beabsichtigt. Danach gab es viel Applaus. Vorne stand eine einzelne Dame auf, gab begeistert Standing Ovation und war vermutlich Krankenschwester. Oder Feuerwehrfrau. 

Nils, der gar nicht dran war, musste spontan etwas loswerden und bedankte sich völlig unprogrammgemäß bei seinen Kollegen: „Ohne Wise Guys würde ich im Labor sitzen und kleine Tierchen sezieren und nicht als Profimusiker arbeiten.“ Das Publikum jubelte los und stand auf. Es war zu hoffen, dass der Professor von Nils nicht auch unter den Zuschauern war und jubelte, dass Nils jetzt sang und nicht sezierte.

Die Wise Guys umarmten sich gegenseitig gerührt, und Björn musste sich schon wieder ans immer noch stehende und applaudierende Publikum wenden und beruhigend sagen: „Setzt euch!“ Ein sehr laut eingerufener, aber trotzdem unverständlicher Satz schallte aus dem Zuschauerraum. „Die am lautesten reinrufen, haben am wenigsten zu sagen“, lachte Björn und erklärte: „Hier sind drei angehende Lehrer, die genau wegen der Zwischenrufer das nicht mehr machen wollen.“

Dann stellte sich Björn freudig zum „Orgelpfeifenbild“ auf und erläuterte die diversen Pläne der Band-Mitglieder, wobei drei davon ja gemeinsame Pläne mit der Nachfolgeband „Alte Bekannte“ haben. „Wir wollten nicht unter ‚Wise Guys Coverband‘ auftreten“, erklärte Björn den neuen Namen. Eddi wollte Solo weitermachen, für beide Projekte lagen im Foyer E-mail-Listen für die Newsletter-Anmeldung aus. „Sari hat keine E-mail-Liste, aber er wird alle zwei Wochen eine Telefonkonferenz machen,“ verkündete Björn und Sari grinste los.  

Dän übernahm die Moderation und sagte, dass es das ein oder andere Wise Guys Lied auch in Zukunft noch bei den Alte Bekannte oder bei Eddi im Programm gäbe. „Aber manche Songs wird es nie mehr zu hören geben. Ich freue mich, dass das folgende Lied dazu gehören wird.“ Der Ohrwurm war dran, und den hätte ich gerne schon vor zehn Jahren zum letzten Mal gehört. So ein paar Mal war er ja witzig, aber auf Dauer dann doch zu penetrant. Vor allem hatte mich immer geärgert, dass manche Leute den „Ohrwurm“ als typisches Lied der Wise Guys nannten, was er ganz eindeutig nicht war. Jetzt setzte er sich ein letztes Mal ins Ohr, die meisten Zuschauer standen schon wieder wippend vor ihren Sitzen, klatschten mit und sangen laut den Refrain.

Am Ende des Schlusstons tippte sich Dän mit zwei Fingern grüßend an die Stirn und verabschiedete das Lied mit einem knappen: „Tschüss.“ Vermutlich wirklich für immer. Umjubelt und beklatscht gingen die Wise Guys ab in die Pause.

Am Ende der Pause waren noch nicht alle Plätze wieder besetzt, da ging das Saallicht aus und die Zuschauer jubelten freudig los oder eilten schnellstmöglich zu ihrem Platz, je nachdem, ob sie rechtzeitig wieder da gewesen oder vom Verdunkeln des Raumes überrascht worden waren. Sofort kamen die … nein, nicht die Wise Guys, sondern Aggro Hürth mit drei Wise Guys auf die Bühne, und MC Deutschmakk rief zum Publikum, das zum Teil immer noch durch die Gänge eilte: „Setz euch, es geht los!“ Die drei Wise Guys im Hintergrund sangen in Schleife immer wieder das Intro. „Jetzt geht’s los!“, rief MC Deutschmakk, begann mit: „Hamlet …“ und hörte sofort wieder auf, während die Kollegen alle weitersangen. Er guckte völlig verblüfft und lachte: „Waren wir schon soweit?“ Die anderen drehten eine erneute musikalische Introrunde und dann legten sie gemeinsam mit Hamlet los. Im Hintergrund stand Björn, dessen weißes Hemd mit Fliege optisch so gar nicht ins Hürther Ghetto passten, was alles nur noch abgedrehter machte.   

Im Publikum ging es stimmungsmäßig hoch her, und Deutschmakk rief in den donnernden Endapplaus: „Is das geiiiil!“

Er sagte in seinem etwas prolligen Hürther Rapperslang: „Jetzt geht auch die Karriere von Aggro Hürth vorbei. Ihr habt uns so viel Respekt entgegen gebracht wie seit der Grundschule nicht mehr.“ Auch Soulsprotte wollte ein Wort des Dankes sagen und sang von Scooter: „Döp-döp-döp …“, woraufhin vom Publikum lautstark und vielstimmig weitergesungen wurde: „…dö-dö döpdöpdöp …“ Als es wieder ruhiger war, erklärte Deutschmakk: „Wir wollen euch nicht so die Ohren voll laminieren“, und es ging weiter mit Nur für disch in der Aggro-Hürth-Version.

Hinter den letzten Satz: „Nur für disch, du blöde Kuh“ setzte Deutschmakk: „Ist jetzt auch egal!“, dann gingen er und Soulsprotte unter dem Jubel des Publikums und Standing Ovation ab.

Dän kam schon grinsend mit einem hohen Klapphocker an und stellte ihn auf die Bühne. „Sari kann rappen, ich nicht“, stellte er fest und erzählte, dass er die Lieder zwar komponiert und ein Demo eingesungen hätte, das Demo aber grauenvoll klang. Er hatte versucht, wie ein Rapper zu klingen, aber zum Glück hätten sie Sari, der das konnte. Er jammerte ein bisschen, dass die Wise Guys ihren Proberaum und das Büro in Hürth hatten und damit keine Kölner, sondern eine Hürther Band waren. Plötzlich stockte er, grinste und stellte fest: „Ich bin, ich glaube in DIESEM Moment, darüber hinweg.“ 

Inzwischen waren Sari und Nils wieder erschienen und alle setzten sich auf Barhocker und sangen Mit besten Grüßen. So schön! Das ganze Lied war leicht und wunderbar, Nils mit der Leadstimme klasse, und den letzten Akkord mochte ich ganz besonders. Wie immer grinste ich breit und glücklich, als er kam. Der Applaus danach war riesig, mit sehr hoher Lautstärke und gellenden Schreien. Plötzlich fiel mir ein, an was er mich erinnerte. So um 2003, 2004 herum gab es öfter mal Konzerte, in denen die Begeisterung des Publikums so groß war, dass der Applaus nach jedem Lied sehr laut explodierte und gellend gepfiffen und kreischend gejubelt wurde. Häufig im Pantheon, wo es legendäre Abende gab, manchmal aber auch bei ganz normalen Konzerten, bei denen die Stimmung plötzlich hochkochte. Dann flippten die 300 oder 400 Konzertbesucher fast aus und die Atmosphäre war für alle atemberaubend und beeindruckend. Fast wie bei einer Totalnacht, nur dass es eben ganz normale Konzerte waren. Wie schön, dass ich jetzt plötzlich wieder in so einem Jubelsturm saß und mich lächelnd wie in den früheren Aufbruch-Jahren fühlte. 

„Wir kommen jetzt zu einem demokratischen Moment“, kündigte Eddi eine Abstimmung über das nächste Lied an. Das Publikum durfte mit der Applausstärke zwischen der „Deutschlehrerin“ und den „Philosoffen“ wählen. Schon bei der Erwähnung des Titels „Philosoffen“ gab es begeisterten Spontan-Applaus, so dass es nicht sehr verwunderlich war, dass die „Philosoffen“ auch bei der ordnungsgemäßen Abstimmung mit großem Phon-Abstand gewannen. Wie schön! Die Philosoffen waren von Tom van Hasselt, und ich hüpfte gedanklich kurz in die Kölner Comedia im Jahr 2001 zurück, wo die Wise Guys zusammen mit Tom ein wundervolles Konzert gegeben hatten.

Erstaunlicherweise konnten viele der Zuschauer um mich herum den Text flüssig mitsingen. Optisch sortierte ich sie als Studenten ein, die das Lied ziemlich sicher nicht schon im Jahr 2001 gehört und so begeistert mitgesungen hatten. Vielleicht waren es Regensburger Philosophie-Studenten, für die das Lied eine Art Hymne sein konnte. Vielleicht auch nicht.

Ohne Ansage ging es sofort nach dem dicken Endapplaus mit Schiller los. Nicht nur Eddi und seine Zombies waren Hingucker, auch die überdimensionierten Schatten auf den seitlichen Betonwänden zeigten, dass schlichter Beton in düsterer Gruft-Optik doch zu etwas zu gebrauchen war.

Auch danach sprangen die Zuschauer wieder von den Sitzen und gaben Standing Ovation. Dän grinste erfreut in den Applaus und kündigte die letzte Zeitreise an: „25 Jahre Wise Guys im Schnelldurchgang“. Zum Glück sangen sie nicht nacheinander jeweils eine Zeile von den gefühlt 10.000 Liedern der letzten 25 Jahre, sondern wählten in 5-Jahres-Schritten jeweils ein prägendes Lied.  

1991 war das Jahr von Rollbrett, einem Lied der Bläck Fööss, das diese mit ihnen erst am letzten Wochenende zusammen am Tanzbrunnen gesungen hatten. Clemens hatte nach dem Soundcheck darüber freudig gegrinst und gesagt: „Wir haben das damals auf der Straße gesungen, da waren die Bläck Fööss ganz weit weg von uns. Ich hätte nie gedacht, dass wir mal mit ihnen zusammen auf der Bühne stehen.“

Dän gab eine Inhaltsangabe mit Übersetzung, weil Kölsch nicht von allen verstanden wurde. Seine Erklärung war schon eine Nummer für sich, denn nicht nur die Begriffe waren zu erklären, sondern auch die damaligen Lebensumstände. „Da haben Leute ihre Kinder ernsthaft Dieter genannt!“, wunderte sich Dän gespielt, übersetzte das „Rollbrett“ mit „Skatebaord, Longboard oder Pennyboard“ und wies darauf hin, dass die Mutter in der damaligen Zeit nur für das Bügeln und Einkaufen zuständig war, während der Vater die Erziehung übernahm.  

Als das Lied losging, hatten die Zuschauer schon so viel Spaß, dass sie sofort im Takt mitklatschten und viele sogar mitsangen. Vermutlich war bei manchen die kölsche Sprache nur phonetisch rausgehört, aber da auch Nils und Björn mitsangen, ging das schon. Die Stimmung war jedenfalls ringsherum klasse.  

Gleich danach ging es unter dem Jubel der Zuschauer mit dem Tekkno von 1996 weiter. Das Licht blitzte, die Bässe hämmerten und das Publikum klatschte und sang mit, ehe es am Ende der kurzen Nummer schon wieder in lautes Gejubel ausbrechen konnte. Hinsetzen lohnte sich gar nicht, denn danach ging es sofort mit Jetzt ist Sommer weiter, dem Hit von 2001.

Der Sommerhit. Erinnerungen an gelbe Regenmäntel im Wasser, an den Tanzbrunnen, an Energie und Gelächter. Was für eine spannende Zeit!

Im Saal herrschte die totale Feierstimmung. Mit den Wise Guys singen, lachen, klatschen – von der Trauer eines Abschiedskonzertes war nichts zu spüren. Es ging weiter mit der Romanze, die von 2006 war, damals sehr passend von Clemens und inzwischen sehr schön von Nils gesungen wurde.

Es war kaum zu glauben, aber der Jubel ließ sich noch um eine Stufe steigern, als ohne Ansage die Deutsche Bahn begann.

„Sssenk ju for trewweling wiss Deutsche Bahn!“ schallte der letzte, von Sari gesungene und vom Publikum laut mitgesungene Satz durch den Saal und endete in donnerndem Applaus und Geschrei. Als es endlich ruhiger wurde, sagte Dän, dass es seit 2011 immer wieder neue Strophen beim Bahnlied gäbe und verkündete: „Ich habe beschlossen, Jahr für Jahr eine neue Strophe zu schreiben. Auch jetzt“, was sofort wieder mit Jubel begrüßt wurde. Dann kündigte er das letzte Lied des heutigen Konzertes an, was erstaunlicherweise nur ein mildes, halbherziges „Ooooohh …“ im Publikums auslöste. Die Stimmung war hochgedreht und alle wussten, dass nach dem offiziellen Teil noch etwas kommen würde. Vor dem endgültigen Ende standen die Zugaben. Eine kleine Frist war noch gegeben.   

Dän dankte den Technikern und dabei ausdrücklich nicht nur denen des Abends, sondern den Technikern der letzten Jahre. Außerdem versicherte er, dass die Wise Guys keine Band wären, die jetzt aufhören und in einigen Jahren wieder zusammen kommen würden. Das Aus sei endgültig. Die Homepage würde in den nächsten Tagen in einen statischen Zustand versetzt, der Shop sei schon geschlossen und die bisherigen E-Mail-Adressen der Wise Guys wären in einigen Tagen nicht mehr gültig. Ach, herrje! Das war jetzt wirklich ernüchternd. Es war tatsächlich das Ende erreicht. Unfassbar. Die Wise Guys hörten auf. Mir war es seit langer Zeit klar, aber dass auch die Homepage und E-Mail-Adressen aufhörten, machte es plötzlich viel deutlicher.   

Und mit diesen Ankündigungen ging auch Däns letzte Moderation als Wise Guy dem Ende zu. Er sagte, dass sie die Zugaben ohne weitere Ansagen machen würden und schloss mit ruhigen Worten: „Vielen, vielen Dank für die Treue. Es war eine großartige Zeit. Dankeschön.“ Die Wise Guys stellten sich auf und begannen ihr Schlusslied Wir werden euch vermissen. Die drohenden Tränen- und Verzweiflungsanfälle der Fans wurden durch die sofortigen Vorbereitungen für die Überraschungsaktion verhindert. Aufmerksam und alarmiert blickten die Wise Guys beim Singen ins Publikum, denn die meisten Zuschauer sahen wider Erwarten nicht still und traurig zur Bühne, sondern bückten sich, drehten sich zur Seite, suchten unter dem Sitz, lasen nochmal schnell auf dem Zettel, wann die Aktion beginnen sollte – kurz, es war unruhig. Da war etwas geplant! Als es im Verlauf der ersten Strophe im Publikum endlich ruhig wurde, kamen mir auch die Wise Guys entspannter vor. Dän änderte sogar den Text und sang nicht: „Auftritte in Österreich, der Schweiz und Kanada“, sondern grinsend: „Auftritte in Düsseldorf, der Schweiz und Kanada.“ 

Beim ersten Refrain gingen viele Arme hoch und wedelten im Takt hin und her, was in dieser Masse schon klasse aussah. Auch beim zweiten Refrain war das so, nur ein junger Mann in meiner Nähe riss freudig das Papierherz hoch und schwenkte es, wurde aber von mehreren Seiten angezischt: „Zu früh!“ und nahm es erschrocken wieder runter.

Die Wise Guys sangen in den Strophen ihre Karriere von der Schülerband bis zum Bass Björn durch, und dann war es soweit. Der letzte Refrain begann: „Wir werden euch vermissen“, und schon bei „werden“ waren mit einem gewaltigen Wusch! alle Herzen oben. Wow! Was für eine Dynamik!

Die Wise Guys sahen rot – also rote Herzen – die Zuschauer schwenkten diese im Takt und sangen mit, und die in meiner Sichtachse zwischen den wedelnden Herzen immer wieder auftauchenden Wise Guys sahen sehr gerührt aus.

Nach dem letzten verklingenden „Wir werden euch vermissen …“ sangen die Zuschauer die Zeile sanft weiter, und die Wise Guys, denen ja auch bewusst war, dass das Ende erreicht war, waren sichtlich bewegt. Auch hier hörte das Singen erstaunlich schnell nach nur drei Durchgängen auf und ging in einen großen, warmen Beifall mit Gejubel über. Der traf die Wise Guys dann nochmal.

Da standen die Wise Guys jetzt am Ende ihres Konzertes mitten im lauten Geklatsche und Gepfeife, nahmen alles auf und lächelten still. Und dann gingen sie schnell ab, während das Publikum weiter klatschte, pfiff und schrie.

Natürlich kamen sie nochmal zurück, aber wie angekündigt, gab es die Zugaben ohne jede Moderation. Bei Radio wurde ich etwas wehmütig. Was für ein schönes Lied! Ich sah zur Bühne und hatte gleichzeitig Videobilder im Kopf. Vom Cabrio, von Bäumen, von einem lachenden Dän und vom Bodensee. Wie schön, dass ich das Lied jetzt noch einmal bewusst hören konnte.  

Sing mal wieder wurde überall laut mitgesungen und natürlich setzte sich kaum noch ein Zuschauer hin. Es wurde stehend geklatscht, gewippt und gefeiert. Die letzten Minuten mit den Wise Guys mussten intensiv erlebt und mitgemacht werden. Und die Wise Guys drehten das Tempo geschickt lieber nochmal hoch, anstatt am Ende alles in Trauer versinken zu lassen.

Als die Wise Guys in der zweiten Liedhälfte von „Sing mal wieder“ nacheinander kleine Passagen vorsangen und das Publikum sie nachsang, gab es einen großen, freudig singenden Zuschauerchor. Sehr witzig, als Dän am Ende lässig eine schnelle Mouthpercussionfolge raushämmerte und sich alles in Gelächter auflöste.

Mit dem Antidepressivum ging es weiter. Das Tempo war hoch, die Mouthpercussion hämmerte, die Zuschauer klatschten mit erhobenen Armen und sangen laut.

Dann kam Jetzt und Hier, ein Lied dessen Text unerwartet gut zu diesem Abschied und Neuanfang passte. Nur die Zeile: „Es zählt jetzt nur, dass wir zusammen sind“, hatte an diesem Abend einen Beigeschmack, denn sie würde nur noch wenige Minuten lang gelten. Trotzdem wurde vom Publikum jubelnd mitgefeiert und die Stimmung war ganz oben. Vielleicht auch, weil das Ende so unmittelbar bevor stand.

Und dann sangen sie die letzte Zeile: „Ganz egal, ob das so bleibt oder auseinandertreibt: Es zählt jetzt nur, dass wir zusammen sind!“ und damit war das Ende erreicht. Das letzte Konzert der Wise Guys war vorbei. Sie blieben kurz in ihrer Endpose, jubelnder Applaus ging los, und auch ihnen war klar, dass das ihre letzte gemeinsame Schlussposition war. Ihre Gesichtszüge veränderten sich sehr schnell. Berührt und fast ein wenig betroffen blickten sie in die stehende und applaudierende Zuschauermenge, nahmen dann die Arme herunter, stellten sich dicht zusammen, sahen sich um und nahmen den letzten Applaus noch einmal sehr bewusst mit.

Danach standen sie von jubelndem Lärm umgeben, jeder für sich sehr still auf der Bühne und guckten nur. Dän ging schließlich mit langsamen Schritten zum Bühnenrand, nahm bedächtig das In-Ear-Monitoring aus dem Ohr und zog das Kabel ab. Das wirkte wie ein symbolisches Zeichen, dass jetzt wirklich und endgültig Schluss war. Die Wise Guys Zeit war vorbei.

Und dann gingen Björn, Dän, Sari, Nils und Eddi unter lauten Applaus ab. Bewegt, gerührt, lächelnd, vielleicht auch ein wenig traurig, aber doch ziemlich zielstrebig. 

Die Zuschauer klatschten unvermindert weiter, und ehe in diesem Lärm die Textzettel für die gesungenen „Irischen Segenswünsche“ überhaupt eine Chance hatten, kam schon die laute Dudelmusik vom Band, die nicht nur das Ende eines Konzertes anzeigte, sondern ein Singen unmöglich machte. Ach, wie schön! Ich behielt die Wise Guys als letzten Eindruck im Ohr.

Das Klatschen hörte auf und ringsherum standen die Leute auf und waren erstaunlich gefasst, wenn nicht sogar ziemlich normal. Ich hatte mit viel mehr Tränen gerechnet, aber die meisten Leute lächelten vor sich hin. Aber schließlich hatte es schon ein Jahr lang eine Abschiedstour gegeben, am letzten Wochenende im Tanzbrunnen zwei große Abschiedskonzerte und die Wise Guys selber gingen mit dem Thema nicht sentimental um, sondern hatten bewusst einen Schlusspunkt gesetzt. Dazu passte, dass es bei diesem allerletzten Konzert in Regensburg neben berührenden Momenten auch lustig und laut hergegangen war und man immer wieder von Gelächter und den Liedern mitgerissen wurde.

Im Foyer mit seinem kantigen Betoncharme warteten viele Zuschauer auf den von Dän während des Konzertes angekündigten Afterglow inklusive Lied. Weil alles groß und unübersichtlich war, war nicht klar, an welcher Ecke die Wise Guys auftauchen und ob man sie nicht auch komplett verpassen konnte. Aber endlich war Aufregung zu spüren und der Strom der Besucher lief ameisenähnlich von allen Seiten gezielt auf einen Punkt zu, in dessen Zentrum sich dann tatsächlich die Wise Guys befanden.

Dän sagte, dass sie sich entschieden hätten, kein Wise Guys Lied mehr zu singen, dafür She. Auch schön. Er bat dringend darum, nicht mitzufilmen, woraufhin fast alle Handys runtergenommen wurden und die wenigen, die dann doch oben blieben, umso genauer gesehen wurden. Eddi zeigte auf ein schräg hinter einer Säule verstecktes, das zum Mitfilmen einsatzbereit war und sagte leicht genervt: „Da hinten auch runter!“ Und um zu zeigen, dass er es ernst meinte, setzte er hinterher: „Wir müssen nicht singen.“ Das wirkte.

Wunderschön klang She durch den Raum, die Zuschauer waren ganz still, nur ein paar Helfer klapperten an der Seite übereifrig beim Aufräumen mit den Getränkekisten. Die hätten gerne mal drei Minuten warten können. Ich blendete ihren Lärm weitgehend aus und versank im Klang der Wise Guys. Es musste kein eigenes Wise Guys Lied beim Afterglow sein, „She“ mit  Dän in der Leadstimme und den anderen im Background war trotzdem Wise Guys und toll.

Bevor danach der Autogramm-Marathon starten konnte, gab es eine Schecküberreichung des Erlöses aus der Schal-Aktion am Tanzbrunnen, die für Misereor gedacht war. Und kaum war die vorüber, wurde doch tatsächlich noch laut der Irische Reisesegen angestimmt. Ach, menno! Vier Strophen lang klang es durch den Raum und überdeckte in meinen Ohren alles, was vorher von den Wise Guys gesungen wurde. Ja, es klang wunderschön, es gab sogar zweite Stimmen und die Wise Guys guckten ganz gerührt, weil es so gewaltig und gut klang. Aber das letzte Wise Guys Konzert wurde dadurch mit einem Chor und einem Kirchentags-Gefühl beschlossen, und das war überhaupt nicht das, was ich wollte. Ich hätte meine lange, intensive Wise Guys Zeit gerne nur mit den Stimmen der Wise Guys beendet und diese als letzten musikalischen Eindruck des letzten Konzertes in die nächsten Tage mitgenommen. Wie schade. Na ja. Nur gut, dass nicht irgendjemand auf den „Ohrwurm“ gekommen war. Dann hätte ich ganz am Ende des Konzertes wohl doch noch geheult. 


Danke an die Wise Guys – auch an die ehemaligen – für die tolle Zeit! Es wird ganz viel bleiben.

Showtime
Mädchen, lach doch mal
Ruf doch mal an
Lass die Sonne scheinen
Wie kann es sein
Engel
Kleine Männer
Powerfrau
Pfeffer
Die wahren Helden
Ohrwurm

Hamlet
Nur für disch
Mit besten Grüßen
Die Philosoffen
Schiller
Rollbrett
Tekkno
Jetzt ist Sommer
Romanze
Deutsche Bahn
Wir werden euch vermissen
Radio
Sing mal wieder
Antidepressivum
Jetzt und Hier
She