Berichte

Gayle Tufts – Love – 03.06.2015 – Köln

Mit Marian Lux
Comedia, Köln

Ein Programm mit dem Namen „Love“ würde ich mir nicht von jedem Künstler ansehen wollen. Aber bei Gayle Tufts war klar, dass ich nicht einen ganzen Abend lang in honigsüßem Kitsch versinken würde. Außerdem hatte ich mir das Programm schon im letzten Jahr, kurz nach der Premiere im Berliner Tipi angesehen und freute mich sehr, es nochmal zu sehen. 

Gayle versprach einen Abend voller „Love, Passion und Phantasie“ und legte gleich los. Marian Lux, Komponist, Arrangeur und „very begabt“, wie Gayle gerne sagte, saß am Flügel, und Gayle brachte amerikanische Show auf die Kölner Bühne. Sie sang nicht nur swingend amerikanisch, also weit entfernt von einem deutschen „Liebes-Lieder-Abend“, jedes Lied war auch durchchoreographiert, jede Bewegung saß, die Körperspannung hielt bis in die Fingerspitzen und am Ende gab es immer die perfekte Schlusspose. Wunderbar. Es war erfrischend amerikanisch, ohne dass es aufgesetzt wirkte. Gayle war Amerikanerin, auch wenn sie schon seit über zwanzig Jahren in Berlin lebte, und ihr New-York-Show-Gen tobte sich aus. Sie hatte großen Spaß auf der Bühne und riss das Publikum mit ihrer Energie und Freude mit.

„Ich bin hopeless romantic“, bekannte sie in ihrem typischen Denglish und grinste: „Auf deutsch heißt das nicht ‚hoffnungsloser Fall‘!“ Die Liebe war bei Gayle ein weiter Bereich und in ihrem Programm beleuchtete sie viele Facetten. „Ich liebe Deutschland“, sagte sie, und im Publikum blieb es still. „Ich bin Ausländerin, ich darf das sagen“, lachte Gayle fröhlich und sang ein Lied als Bundeskanzlerin Merkel.

Obwohl Gayle für mich inzwischen zu Deutschland gehörte und gar nicht mehr wegzudenken war, blieb sie auch Amerikanerin. Ebenso wie ihre Sprache beide Länder zu einem wunderbaren Gemisch vereinte, hatte sie einen Blick von außen auf beide Kulturen. Sie konnte vergleichen und mit Humor auf Unterschiede hinweisen. Ob es nun das Klatschverhalten der Deutschen auf die biedere 1 und 3 war, während die Amerikaner swingend auf die 2 und 4 klatschten, oder das inflationäre amerikanische „I love you“ gegen das so schwer über die Lippen kommende deutsche „Ich liebe dich“. Sie war dabei nie abwertend, sondern sah mit liebevollem Blick auf verschiedene Verhaltensweisen und stellte bei sich selbst neben amerikanischen Eigenschaften inzwischen auch deutsche fest. 

Sehr abwechslungsreich in der Präsentation, mal laut und schnell, dann wieder ganz leise und berührend, sang und erzählte Gayle übers Verlieben, Heiraten, Freunde und Leidenschaften. Immer wieder bezog sie das Publikum ein, das sich ihr sehr schnell nah fühlte und locker auflachte, wenn sie von Situationen erzählte, die sofort wiedererkennbar und manchmal vielleicht so ähnlich selber erlebt waren.

Ein Lied über Freunde, die nicht mehr da sind, aber „inside my heartbeat“ bleiben, war wunderschön und zu Tränen rührend. Das Publikum war ganz leise und hörte nur zu. Gayle konnte das, von sehr komischen Erlebnissen zu sehr berührenden wechseln und dabei glaubhaft und authentisch bleiben. Marian Lux begleitete nicht nur auf dem Flügel, er sang auch wunderbar sicher und harmonisch eine zweite Stimme, gab ab und zu Stichworte und war ein immer aufmerksamer Bühnenpartner.

Im Vorfeld hatte Gayle bei der Entwicklung des Programmes über Facebook nach persönlichen Lieblings-Liebesliedern gefragt. Blitzschnell hatte sie viele Antworten bekommen – teilweise in korrekter deutscher Arbeitsweise als absteigende Top-Ten-Liste geordnet, wie sie lachend erzählte – und stellte fest, dass die Deutschen vor allem traurige Liebeslieder über unglückliche Lieben mögen. Aus den beliebtesten hatte sie ein Medley zusammengestellt. Die Umsetzung war typisch für Gayle. Wunderschön gesungen, ihre Stimme und die Flügelbegleitung waren zum Dahinschmelzen, die Zuschauer hörten gerührt zu, aber sobald sie einen neue Liedteil begann, gab es erstmal Gelächter, weil sie wegen der vielen Jammerei genervt guckte, oder demonstrativ Wasser unter ein Auge träufelte, um Tränen zu haben, oder sich sogar heulend auf dem Boden wälzte. Es war sehr komisch, aber auch herzergreifend, wunderschön und liebevoll.

Etwas später tanzte Gayle als Bienenkönigin über die Bühne, offiziell, weil es um die Liebe zur Natur ging, ich vermutete aber, dass sie einfach das umwerfend süße Kostüm tragen wollte. Gayle guckte einen Zuschauer an: „Du fragst dich, wieso trägt sie jetzt ein Bienenkostüm?“ und beantwortete die Frage mit einem temperamentvollen: „Because I fucking want!“

Auf der Bühne war es optisch und akustisch so abwechslungsreich, dass fast vergessen werden konnte, dass Gayle die Show alleine machte. Es war ein Hinguck-Programm mit ständig wechselnden Bildern, in dem es ruhige Szenen nur dort gab, wo sie hingehörten. Nach der Fußball-Liebe mit anfeuerndem Fußball-Lied gab es die Liebe zu Schlagern, die mit einer Florian-Silbereisen-Geschichte und romantisch wehendem Stoff untermalt wurde, danach mit Marian zusammen eine liebevolle und bezaubernde Fred-und-Ginger-Tanznummer zu „Let’s face the music and dance“.

Während Gayle von der Bühne ging, um das Outfit zu wechseln, spielte Marian Lux ein wunderschönes Hollywood-Liebeslieder-Medley auf dem Flügel. Am Ende gab es ganz leise Töne, und im Saal war außer der zart hingetupften Musik nur das leise Rauschen der Klimaanlage zu hören. Kein Räuspern, kein Atmen, kein Rascheln einer Bewegung. Beeindruckend.

Klug, witzig und warmherzig verband Gayle die Lieder mit Erzählungen, die oft sehr persönlich wirkten. Sie war nicht eine darstellende Künstlerin, entfernt und unnahbar auf der Bühne, sie war eine gute Bekannte, die lachte, plauderte und Weisheiten verriet, über die sie gut nachgedacht hatte. Locker sprach sie auch schon mal das Publikum an, fragte ein Paar, wie lange die Beziehung schon dauerte und ging freudig auf die Antworten ein.

Temperamentvoll übersprudelnd riss sie das Publikum mit, konnte aber auch sehr zurückgenommen und berührend sein. Sie war gut gelaunt, voller Liebe zu den Menschen, deren Schwächen, der Musik und der Showbühne, und sie war hoffnungslos romantisch. Am Ende gab es das Gute-Laune-Lied „Happy“, bei dem das Publikum mitsang und swingend auf die 2 und die 4 (!) klatschte, während Gayle singend quer durch den Saal lief.

Es gab Standing Ovation von den begeisterten Zuschauern, die leuchtende Augen hatten und alle lächelten. Ein sehens- und hörenswertes Programm voll mit Spaß, Liebe, Romantik und Optimismus.