Friedemann Weise – Kleinkunstschwindel – 13.01.2015 – Köln
Subway, Köln
Im Kölner Subway ging man zum Lachen in den Keller, was nicht verwunderlich war, da sich der kleine Club in einem Kellergeschoss befand. Üblicherweise wurde dort auf angesagte Rhythmen getanzt, manchmal gab es auch ein Jazzkonzert. Diesmal gab es Comedy mit Friedemann Weise. Den kannte ich aus dem Internet, wo er in kleinen, witzig gemachten Videos kreative Tipps gab. Wie man ein T-Shirt mit Klebestreifen abklebt, Farbe darüber bepinselt und ein Streifen-Shirt erhält, oder wie man aus eingelegten griechischen Weinblättern mithilfe eines geschälten Fischstäbchens Sushi macht. Über seinen trockenen Humor und die geschickten Wortspielereien konnte ich sehr lachen, darum war es an der Zeit, ihn mal live zu erleben.
Das wollten mit mir noch etwa 120 andere Besucher, die damit den kleinen Club bis in die hinterste Ecke füllten. Wobei gerade der hintere Clubteil für Zuschauer etwas ungünstig war, denn zwei dicke Betonsäulen, vermutlich unentbehrlich für die Statik, verhinderten den Blick auf die improvisierte Bühne. Dort gab es eine Gitarre, ein Mikrofon, einen Monitor und eine Dialeinwand. Etwas daneben stand ein Tisch mit Laptop und Leselampe. Auf der Leinwand stand der Titel des Programmes: „Der große Kleinkunstschwindel“.
Was das Programm mit einem Schwindel zu tun haben könnte, fragte ich mich, bekam aber keine Antwort. Nachdem ich schon länger gewartet, auf den Titel gestarrt und mit Blick auf die Uhr erkannt hatte, dass sich der Beginn der Veranstaltung anscheinend verzögerte, hatte ich plötzlich die Erkenntnis: Der Kleinkunstschwindel war, dass wir alle Eintritt für ein Kleinkunstprogramm bezahlt hatten, jetzt zwei Stunden wartend herum saßen und dann, ohne Irgendetwas auf der Bühne gesehen zu haben, wieder gingen. Voll der Schwindel! Und das hatte sogar noch dick und nicht übersehbar auf den Plakaten gestanden!
Nee, das macht er nicht, beruhigte ich mich selber, wobei ich doch grinsen musste, denn das Programm würde voll dem Titel entsprechen und ich wäre, ebenso wie alle andere Zuschauer, so doof gewesen und darauf reingefallen. So ein bisschen würde ich das Friedemann Weise schon zutrauen. Doch in diesem Moment fing es an. Schade eigentlich. Nee, dann doch nicht schade.
Friedemann Weise sprach in genau dem Ton, den ich so gut aus den Videos kannte. Ein bisschen emotionslos runtergerasselt, und ähnlich wie die deutsche Synchronstimme von Tom Hanks, bei der ich mich auch immer frage, warum sie immer in einer ähnlichen Stimmfarbe bei fast gleichem Sprechdruck bleibt. Andererseits machte das natürlich auch einen Reiz aus, dass ein Gag nach dem anderen in den Raum gesprochen wurde, ohne dass er mit emotionaler Stimme aufgebaut und damit Spannung erzeugt wurde. Es waren nur minimale Gefühlsregungen zu hören.
Der Gag war meistens da, wo Friedemann Weise eine kurze Pause machte. Manchmal reichte die Pause bei einigen Zuschauern nicht mal zum Verstehen, da kam schon der nächste Satz. „Die Show wird heute Abend aufgezeichnet“, sagte Friedemann Weise, „ein Freund von mir kann gut malen.“ Kurze Stille, dann lachten einige Zuschauer los. Die anderen guckten nur und warteten auf den nächsten Satz, der vielleicht alles erklären würde. Es war aber schon alles gesagt. Über so einen Humor konnte ich vergnügt lachen und hatte Spaß. Auch die Ansage, dass er „einen Song über nicht erfüllte Erwartungen“ singen würde, die Gitarre hob, wieder senkte und über das nächste Thema sprach, war genau mein Ding.
In hohem Tempo erzählte er von angeblichen Erlebnissen und Erfahrungen, fasste kurz und knapp zusammen, so dass nur das Wesentliche blieb und jederzeit das Ende der Geschichte erreicht sein konnte. „Ich verwechsel immer wieder Ben Affleck mit Matt Damon. Scheiße, schon wieder!“ Er berichtete von seiner Freundin, die nach einem schweren Unfall eine schiefe Nase hatte, die nicht mehr so richtig … Er brach ab und seufzte. Dann lächelte er und beruhigte: „Aber es ist alles wieder in Ordnung“, und setzte hinterher: „Ich hab ‘ne NEUE Freundin.“ Außerdem kamen Sätze wie: „Arbeit ist, wo Urlaub Urlaub macht“, was dann wieder merklich lang dauerte, bis es in den Zuschauerköpfen aufgebröselt und verstanden war. Ich saß da, lachte oft und fand die schrägen Gedanken wunderbar.
Zwischendurch gab es Lieder mit Gitarrenbegleitung. Seine Stimme war schön – sehr voll und ganz sicher – das Gitarrespielen war super, die abgehackten, fast unbeholfen wirkenden Tanzeinlagen, die an einen tanzenden Helge Schneider erinnerten, machten Spaß, aber textlich waren mir einige der Lieder viel zu einfach. Hatte ich die Gags und Wortspielereien etwa nur nicht erfasst? War ich zu blöd oder war da nichts? Es war ja nicht so, dass in der Wortcomedy jeder Gag ein Knallergag war, auch da wurde es manchmal platt, aber da kam auch ständig wieder eine Bemerkung, die so schön abgedreht und schlau gedacht war, dass ich die Mischung gut fand. Bei den Liedern wartete ich manchmal bis zum Schluss auf eine schräge Wendung, die dann meistens nicht kam. Auch die Reime waren manchmal etwas heftig in die Form gepresst. Irgendwie hatte ich da mehr Schräges erwartet, wobei ich nicht die Töne meine.
Das Lied „Keiner braucht deutsche Songwriter“ fand ich ganz gut, weil es nur mit Klischees spielte, das Wort „Songwriter“ gebrauchte, obwohl da der „Liedermacher“ passender wäre, und weil Friedemann Weise selber Lieder mit deutschen Texten machte. Schön auch das Lied über „Wien“, weil die Reimwörter gut gemacht waren, aber nur „Eine kurze Geschichte der Zeit“ war so, wie ich mir Lieder von ihm wünschte. Witziger Aufbau, unerwartete Wendungen, schräge Gedanken. Dass bei dem Lied über die verpassten Auftritte so viel gelacht wurde, wunderte mich, denn mir war das zu platt und zu vorhersehbarer. Es kam ein bisschen aus „der Zeit, als Otto noch witzig war“. Für mein Gefühl also alles schön gesungen und toll gespielt, aber textlich zu „normal“.
Als die Dia-Leinwand zum Einsatz kam, zeigte Friedemann Weise kleine Fotokollagen, die er gemacht hatte, und die ich zum Teil schon bei Facebook gesehen hatte. Vor allem die zum NSA-Abhör-Skandal, auf der auf einem Foto Barack Obama zu sehen ist, den ein Mädchen mit einer Sprechblase anspricht: „Mein Vater sagt, Sie können in meinen Computer gucken“, woraufhin Obama in einer Sprechblase knapp antwortet: „Das ist nicht dein Vater.“ Vielfach durch die Welt gepostet und einfach großartig! Auch angedachte Buchtitel stellte er vor. „111 Babyfotos, die keiner geliked hat“, oder „111 gelöste Sudokus“, bei denen ich mich über die Werbezeile: „Alle ausgefüllt! Alle richtig!“ weglachen konnte.
Auch wenn das Publikum manchmal einbezogen wurde und schnelle, langsame oder sogar fehlende Reaktionen passend kommentiert wurden, blieb Friedemann Weise hinter seiner Gitarre und seiner kleinen Plastik-Wasserflasche auf Distanz. Es war kein Mitmach-Programm; das Publikum saß auf der „anderen Seite“ und wurde „bespielt“. Das fand ich manchmal etwas schade und wusste auch nicht, ob die Distanz bewusst eingesetzt war, weil ein Gemeinschaftsgefühl gar nicht gewollt war, oder ob sie ein Schutz war, damit einige Zuschauer nicht ZU nah kamen und jede Distanz verloren. Gerade hemmungslose Zwischenrufer konnte ein so schnelles Programm überhaupt nicht brauchen. Ein bisschen mehr Nähe würde aber gar nicht schaden. Das Publikum mag es, wenn es sich auf einer Seite mit dem Künstler fühlt.
Am Ende der Programmes gab es viel lauten Applaus, Zugaberufe und als Zugabe das Kinderlied „Hans, die kleine Haselnuss“, bei dem das Publikum mitsingen sollte und es auch laut und vergnügt tat. Mit seiner trockenen Art und den schrägen Gags hatte Friedemann Weise viele überzeugt. Nicht alle, aber das ist mit einem so unangepassten Programm auch nicht zu erwarten. Das gefällt entweder sehr oder gar nicht.
Schon auf dem Weg zum Parkhaus fiel mir kaum noch einer der Gags ein. Mist. Worüber hatte ich eigentlich den ganzen Abend lang immer wieder gelacht? Bei diesem Gag-Tempo war mein Hirn anscheinend überlastet und speicherte nicht mehr ab. Wie gut, dass ich mir Notizen gemacht hatte, ansonsten wäre der Bericht wohl sehr mager ausgefallen. „Es gab viele witzige Sachen, mir fällt aber keine mehr ein.“
Insgesamt fand ich die Mischung aus Erzählungen, Bildbeiträgen und Liedern sehr gut. Es blieb kurzweilig und überraschend, ein volles Programm lang. Nur andere Liedtexte hätte ich gerne, die mich genauso lachen und über schräge Ideen staunen lassen wie die anderen Sachen. Was an dem Abend jetzt aber der große Kleinkunstschwindel war, weiß ich immer noch nicht. Hätte ich vielleicht doch mal fragen sollen.