Geschwister Pfister – Servus Peter – 07.06.2012 – Bonn
Servus Peter, Oh là là Mireille!
Mit Ursli und Toni Pfister und dem Jo Roloff Trio.
Pantheon, Bonn
Es ist das Jahr 2012. Ich sehe den singenden und tanzenden Peter Alexander, der kleine Heintje schenkt mir einen Blumenstrauß, und etwas später kommt Roy Black auf mich zu und nimmt mir die Blumen wieder weg. – Wenn ich so etwas einem Nervenarzt erzähle, wird der nur verständnisvoll nicken und eine Behandlung überlegen. Aber ich habe es wirklich erlebt! Im Bonner Pantheon, wo Peter Alexander und Mireille Mathieu, frisch und jugendlich wie früher, eine Show gaben.
Die beiden Geschwister Pfister, Ursli und Toni, diesmal ohne Frl. Schneider, die das Duo sonst zum Trio komplettiert, machten einen Abstecher in ihre und meine Jugend. Es ging genau hinein in einen Abend mit Peter Alexander, der als Gast Mireille Mathieu begrüßte. Das Faszinierende des Abends war, dass hier kein Programm grundsätzlich erfunden, keine Handlung erdacht wurde, sondern dass Originalszenen so perfekt wie möglich nachgespielt wurden. Und das war so nah dran, dass mir manchmal der Atem stockte und mein häufigster Gedanke des Abends “Unfassbar!” war, begleitet von einem bewundernden Kopfschütteln.
In den 60er und 70er Jahren war Peter Alexander immer da. Er hatte große Shows im Fernsehen, drehte Filme und gehörte einfach zum Fernsehprogramm. Seine charmante, augenzwinkernde Art, sein etwas betulicher Witz, seine Mimik und jede seiner Bewegungen waren mir vertraut. Auch Mireille Mathieu war immer wieder Gast in Fernseh-Sendungen, und in meiner Erinnerung trug sie jahrzehntelang die gleiche Frisur und das gleiche Kleid. Alexander und Mathieu gehörten zu den verlässlichen Säulen der Fernsehunterhaltung, und selbstverständlich guckte damals die komplette Familie zu, wenn eine Show im Fernsehen lief. Es gab ja nichts anderes. Es war aber auch nicht so, dass ich etwas vermisst hätte. Für mich als Kind gehörten Alexander, Frankenfeld, Valente, Rudolf Schock, Anneliese Rothenberger und viele andere zum festen Show-Unterhaltungsprogramm und waren von mir unbezweifelt große Künstler in dieser Sparte.
Schon das Bühnenbild im Bonner Pantheon, eine Eiche-rustikal-Heimbar mit passenden Barhockern und einem großen Alkoholsortiment im Regal, erinnerte an frühere Fernsehshows, bei denen sich meist irgendwo eine Bar-Ecke befand, an der der Showgastgeber seine Gäste empfangen und mit ihnen singen konnte. Rechts und links war der Blick frei in den Hintergrund, wo während des Einlasses Toni und Ursli Pfister an Schminktischen saßen und sich für die Show vorbereiteten. Ruhig und konzentriert wurden Augenbrauen nachgezogen, Rouge gepudert und falsche Wimpern geklebt. Ich beobachtete fasziniert, wie dabei zunehmend Mireille Mathieu und Peter Alexander entstanden. Während das Publikum langsam den Saal füllte, ging die Show auf der Bühne mit den Vorbereitungen zur Show schon los. Schöne Idee!
Pünktlich zum offiziellen Beginn kam das Jo Roloff-Trio in die angedeutete Garderobe, es wurde – wie auch sonst vor Beginn einer Show üblich – toi-toi-toi gewünscht, und die drei Männer begaben sich zu ihren Instrumenten. Bis dahin war mir noch nicht klar, was in der Show passieren würde, aber ich starrte schon perplex auf Toni Pfister, der Peter Alexander jetzt so unglaublich ähnlich sah, dass ich es kaum glauben konnte. Und dann begann die Show. Peter Alexander eilte strahlend nach vorne auf die Bühne, begrüßte das Publikum “in der Wiener Stadthalle, und auch die Zuschauer an den Bildschirmen”, und ich fiel in meine Kindheit zurück und erlebte live, was ich vor über 30 Jahren im Fernsehen gesehen hatte. Vielleicht war es auch fast schon 40 Jahre her, du meine Güte, wie alt ich schon war!
Mireille kam als Gast dazu, war irgendwie größer und noch ausgeprägter in ihren Bewegungen geworden und auch die glockenhelle Stimme tiefer und etwas rauer, aber auch da stimmte jede Bewegung bis hin zum kleinen Schütteln des Pagenkopfes. Wie steif und bieder es damals in den Shows zuging, mit kleinen Wortspielen und Witzen, die heute so hausbacken wirken! Die Pfisters hätten nur ein wenig übertreiben müssen und es wäre alles lächerlich und blöde rübergekommen. Aber sie schafften es, eine vergangene Zeit lebendig werden und mit liebevollem Blick betrachten zu lassen. Respektvoll gingen sie mit den ehemaligen Showgrößen um, wussten um ihren Wert in der damaligen Zeit und waren weit davon entfernt, sich darüber lustig zu machen. Trotzdem war es komisch, reizte zum Lachen, weil es so unfassbar kitschig und bieder war, blieb aber durch die ernsthafte, intensive Darstellung auch immer berührend.
Ich schaute beim Zuschauen fast ebenso oft gerührt wie der Peter Alexander auf der Bühne beim Moderieren und versank in den Bildern und der Musik. Wie sollte ich mir nach diesem Abend nur jemals klar machen, dass ich Peter Alexander niemals live gesehen habe, wenn ich ihn jetzt so lebendig vor mir sah und von der hochgezogenen Augenbraue bis hin zur Unterlippe genau erkannte? Wieso sah der so gar nicht mehr nach Toni Pfister aus?
Ursli Pfister kam zum Kurzbesuch als Heintje auf die Bühne, war etwas gewachsen, verkörperte in seinem roten Rollkragenpulli und mit den schlaksigen Bewegungen aber genau den früheren Kinderstar. Er sang ein Mütterlied, ging dabei ins Publikum und blieb vor mir stehen. “Wenn du noch eine Mutter hast, dann danke Gott dafür, den allerschönsten Blumenstrauß, bring ihn noch heut zu ihr …“, singend überreichte er mir Blumen. Grinsend nahm ich sie an und das Publikum freute sich lachend. Ähm, Mutter? Ich war doch eher der jugendliche Jahrgang von Heintje! Wobei … das war ja schon Jahrzehnte her.
Etwas später war Ursli Pfister zu Roy Black geworden und sang schmachtend und mit rollendem R an der dafür vorgesehenen Hausbar. Mir fiel schlagartig ein, dass meine erste Single “Eine Rose schenk ich dir” von Roy Black gewesen war. Nicht, weil ich mir die gewünscht hatte, sondern weil meine Tante sie nicht haben wollte. Da es lange Zeit neben Märchenplatten meine einzige Schallplatte war, hörte ich sie ziemlich oft und die Stimme von Roy Black war mir seitdem sehr vertraut. Während ich noch dachte, wie nah mir Roy Black dadurch war, kam er von der Bühne langsam ins Publikum. Einen kurzen Moment lang überlegte ich, ob ich aufspringen und ihm wie ein begeisterter Fan die Heintje-Blumen überreichen sollte, aber ich fürchtete die Show zu stören und vielleicht genau zum falschen Zeitpunkt den Ablauf zu versemmeln. Zuschauer sollten nicht ungefragt in die Show eingreifen, finde ich.
Doch Roy Black kam singend auf mich zu, blickte kurz auf den Blumenstrauß in meinen Händen und fragte mitten im Lied gerührt: “Sind die Blumen für mich?” Ich nickte strahlend und reichte sie ihm, woraufhin er mir Küsse auf die Wangen hauchte, um sich zu bedanken. Er hatte keine Ahnung, dass sich für mich damit ein Kreis schloss. Roy Black, der Sänger meiner ersten Single, bekam endlich Blumen von mir und bedankte sich mit Küssen. Ich fühlte mich vollkommen zufrieden und hatte das Gefühl, dass ich das mit Roy in meiner Kindheit jetzt mal persönlich geklärt hatte. (Eine Feststellung, die einen Nervenarzt vermutlich wieder aufhorchen lassen würde.)
Toni Pfister kam als Anneliese Rothenberger in die Show, was doppelt verblüffte, denn Anneliese hatte ein Peter Alexander-Gesicht und sah aus wie ein verkleideter Peter Alexander. Passte aber auch, denn das gab die Verbindung zu dem Film “Charlys Tante”, in dem Peter Alexanderr Frauenkleider getragen hatte und aussah wie jetzt als Anneliese Rothenberger.
Das Jo Roloff Trio begleitete den ganzen Abend mit perfekter Musik, die Lichtshow stimmte, die Kostüme waren wie aus einem alten Fundus, Mimik und Bewegungen waren verblüffend genau, und nachdem der erste Teil verflogen und plötzlich die Pause dran war, flog auch der zweite Teil ungeheuer schnell vorbei. Was für eine tolle Show! Ein liebevoller, nostalgischer Abend, ein wunderbarer Rückblick in die Vergangenheit, der nicht alles ganz ernst meinte, aber alles ernsthaft anging.
Stehende Ovationen am Ende, das Publikum war begeistert, und ich holte mir die zeitgemäße Single, die es perfekt passend zum Programm gab. Bei den Pfisters stimmte es einfach immer von vorne bis hinten.