Kurt Krömer, Fritzi Haberlandt – „Udo“ – 09.06.2011 – Essen
Eine Insel namens Udo – Filmpremiere
Lichtburg, Essen
Hatte ich nicht seit Jahren behauptet, dass Kurt Krömer mehr sein konnte als der berlinernde und pöbelnde Bühnen-Kurt-Krömer? Den sah ich sehr gerne und lachte mich über seine Kommentare weg, aber das war eben nicht alles. In “Eine Insel namens Udo” durfte er seine erste Film-Hauptrolle spielen, ohne in seiner üblichen Krömer-Bühnenfigur bleiben zu müssen. Das war das, worauf ich gewartet hatte.
Die Premiere fand in der Essener Lichtburg statt, einem alten, wunderschönen Kinopalast, der von außen eher unauffällig aussah und sich in der Essener Fußgängerzone befand, was den Glamourfaktor zusätzlich einschränkte. Roter Teppich, Absperrgitter, Scheinwerfer – und daneben Passanten mit Plastiktüten in der Hand, die stehenblieben und fragend guckten. Am Eingang standen zwei große Kameras, viele Pressefotografen und wichtig guckende Securitymänner, die aufmerksam die näherkommenden Passanten musterten. Außerdem einige Fans, die Fotos und DVDs von Kurt Krömer dabeihatten und auf Autogramme hofften. Und ich. Da ich gleich sowieso im Kino sitzen wollte, konnte ich vorher auch am Gitter stehen und gucken, wie der Premierenzirkus so ablief.
„Auf was warten Sie hier?“, fragte mich ein älterer Passant neugierig, der mit seiner Frau stehengeblieben war und schon eine Weile auf die Menschenansammlung guckte. „Heute ist Filmpremiere von Kurt Krömer“, erklärte ich freundlich. „Ist das ein Star? Muss man den kennen?“, fragte er. „Die einen kennen ihn, die anderen nicht“, grinste ich. Er zeigte auf eines der vielen aufgehängten Plakate: „Ist es der? – Dann kenne ich ihn nicht.“ Er guckte sich um und fragte nach einer Weile: „Ist es denn ein lustiger Film?“ „Ja“, behauptete ich, obwohl ich als Basiswissen nur einen Trailer aus dem Internet kannte, „aber nicht platte Comedy.“ Die Frau nickte zufrieden mit dem Kopf: „Das ist gut. Wenn es zu platt ist, ist es nicht mehr witzig.“ Das sah ich genauso.
Immer mehr Menschen sammelten sich vor dem Eingang, die Security guckte emotionslos, aber möglichst gefährlich und kontrollierte ganz genau, ob die Leute, die über den roten Teppich ins Kino marschieren wollten, auch ein passendes Bändchen ums Armgelenk hatten. Viele Personen, die freudig über den roten Teppich an der Pressereihe vorbei zum Haupteingang gelangen wollten, wurden brutal gestoppt, als Normalvolk geoutet und zum schmalen, seitlich abgesperrten Weg geschickt. Quasi dem Lieferanteneingang. Das passierte allerdings auch eingeladenen Gästen, die verpasst hatten, vorher am Gäste- und Pressezelt vorbeizugehen. Die mussten sich dort erst ihr grelles Leuchtfarbenbändchen abholen, ehe sie es nochmal probieren durften.
Manche Bändchenträger gingen über den roten Teppich, ohne dass einer der Fotografen die Kamera hob. Nichts mit Blitzlichtgewitter. Das war dann fast ein wenig peinlich. Mir wäre es jedenfalls unangenehm über einen roten Teppich an vielen Presseleuten vorbeizugehen, die nur gelangweilt gucken, mich aber nicht fotografieren. Was für ein Zeichen von Bedeutungslosigkeit. Beim Erscheinen einer Frau ertönten plötzlich Jubelrufe von drei vereinzelten Leuten, die dicht beieinanderstanden und vermutlich Familienangehörige waren. Das war dann auch peinlich.
Endlich kamen einige bekanntere Gesichter, die Fotografen wachten auf, Autogrammsammler reckten ihre Hände mit passenden Fotos über die Absperrgitter und es war ein bisschen wie die Filmfestspiele in Cannes. Nur eben in Essen. Schräg gegenüber von Gold Kraemer und einer Wurstbude. Jean Pütz, Petra Nadolny und Sönke Wortmann wurden eifrig fotografiert und interviewt, und immer mehr Leute drängten sich auf dem roten Teppich, die mir völlig unbekannt waren. Ach nee, den einen Schauspieler hatte ich schon mal gesehen, aber keine Ahnung, wie der hieß. Und den auch. Oder nee, doch nicht.
Dann wurde es wichtiger. Dunkle Limousinen schlichen durch die Fußgängerzone, erzeugten Gassen zwischen den Einkaufstaschen-Passanten – die nicht überfahren wurden, sondern vorher zur Seite auswichen – und hielten vor dem Eingang des Absperrgitters. Heraus stiegen freundlich nickende Leute, die irgendwie mit dem Film zu tun hatten. Ich kannte sie alle nicht. Sie wurden blitzend fotografiert, die eine Limousine verschwand leise, die nächste kam, und ich dachte: Wäre es nicht praktischer gewesen, alle gleichzeitig in einem Bus kommen zu lassen?
Mit der siebten oder achten Limousine – ich sah schon gar nicht mehr richtig hin – kamen dann endlich die beiden Hauptdarsteller, Kurt Krömer und Fritzi Haberlandt. Beide verhielten sich so normal, nett und eher unauffällig, dass sie nur wegen der lebendig wuselnden Presse und den rufenden Autogramm- und Fotosammler auffielen, aber nicht durch ein eigenes Starverhalten.
Kurt Krömer hatte keine Ahnung, dass ich nur einen Meter von ihm entfernt stand und ihn liebevoll angrinste. Liest sich etwas unheimlich und könnte der Beginn eines nervenzerfetzenden Stalkerromanes werden, aber ich bin ja nett und harmlos. Und liebevoll grinsen mache ich immer, wenn ich Leute mag und sie mir vertraut vorkommen. Aber ich rief nicht, ich winkte nicht, ich versuchte nicht mal, ihm kreischend das Hemd zu zerreißen. Obwohl ich kreischend und hemdzerreißend natürlich auch ohne grellbuntes Bändchen am Handgelenk sofort das Lieblingsobjekt der Fotografen und Kameraleute geworden wäre. Roter Teppich hin oder her.
Ich ließ die Chance des aktiven persönlichen Kennenlernens lässig vorbeigehen, ging stattdessen ins Kino, wo die Darsteller nochmal gemeinsam im Foyer fotografiert wurden, und ließ mich dann in meinen roten, bequemen Plüschsessel fallen. Das war ja mal ein interessanter Beginn eines Kinobesuches. Eine Filmpremiere mit rotem Teppich und Limousinen hatte ich noch nicht mitgemacht. Meine eigenen Filmpremieren selbstgefilmter Videoclips begannen meistens mit: „Ich mach mal Licht aus und starte jetzt“ oder wurden gar nicht gefeiert. Da gab es noch Handlungsbedarf.
Eine Filmpremiere ist spannend. Vor allem für die Hauptdarsteller und die Verantwortlichen. Sie sitzen mit im Kinoraum und fühlen sich nach dem fröhlichen Gang über den roten Teppich vermutlich zunächst gar nicht mehr so gut. Wie wird das Publikum reagieren? Bleibt es bis zum Schlussbild des Filmes gelangweilt und ruft dann: „Buuuuh!“?
Inhalt: In “Eine Insel namens Udo“ spielt Kurt Krömer einen jungen Mann, der „schwersichtbar“ ist. Er wird von anderen Menschen nicht richtig wahrgenommen und muss ihnen ganz nahe sein, um sich überhaupt bemerkbar machen zu können. Er leidet unter diesem Zustand aber nicht, sondern hat sich ein Leben auf seiner „Insel“ aufgebaut. Er ist ein Robinson mitten in der Großstadt. Die Schwersichtbarkeit hat ihn zu einem erfolgreichen Kaufhausdetektiv gemacht und da ihn nicht mal der Nachtwächter bemerkt, wohnt er auch nachts in einem Zelt in der Sportabteilung des Kaufhauses. Eines Tages trifft er auf Jasmin, eine erfolgreiche Hotelmanagerin, die ihn sofort sehen kann. Das ändert sein ganzes Leben, denn beide verlieben sich ineinander und plötzlich ist Udo auch für andere Menschen sichtbar. Das wird zum Problem, denn abgesehen davon, dass ihn jetzt die Kaufhauskunden sehen und er im Beruf nicht mehr erfolgreich ist, hat nie gelernt, die üblichen sozialen Umgangsformen zu verwenden. Eifrig bemüht er sich, es immer besonders gut zu machen und kommt von einer wirren Situation in die nächste.
Das Publikum applaudierte am Ende des Filmes minutenlang, und die Danksagungen an alle Mitarbeiter vor und hinter der Kamera und an den geld- und hilfegebenden Stellen zogen sich lange hin und hatten ihren eigenen Humor, weil manche der betreffenden Leute gar nicht im Saal waren und die anderen unter langem Geklatschte des Publikums den weiten Weg durch den ganzen Kinosaal bis auf die Bühne zurücklegen mussten.
Endlich standen alle in einer langen Reihe vor dem Vorhang, in der Mitte die Hauptdarsteller, da kam dann doch noch der freche Bühnen-Krömer durch und berlinerte, dass er den Film ganz alleine gemacht hätte und nun gar nicht wüsste, was die anderen alle auf der Bühne wollten. Alles lachte los, und im Gegenzug bekam er vom Regisseur eine Praktikumsbescheinigung überreicht, die ihm bestätigte, dass er nun nach Anweisung arbeiten, markierte Punkte finden könne und beim Drehen nicht in die Kamera winken würde.
Mein Fazit: Ich möchte Kurt Krömer gerne noch in weiteren Rollen sehen – Fritzi Haberlandt ist ja sowieso voll im Geschäft und kann auch Komödien -, gerne auch mal ganz ernsthaft. Im nächsten Film mit Kurt Krömer hätte ich gerne eine Statistenrolle. Beim Filmgucken hatte ich Spaß, fand den ganzen Premierenaufwand sehr witzig und interessant, finde Fritzi Haberlandt klasse und mag Kurt Krömer jetzt noch lieber. Hab ich doch immer gesagt, dass der mehr kann als den Bühnen-Krömer!