Ole Lehmann & Rainer Bielfeldt – So what!? – 18.05.2011 – Leverkusen
So what!? Reloaded
Kolonie 1, Leverkusen
Ole Lehmann – für Quatsch Comedy Fans war er ein Begriff und als Musicaldarsteller, Comedian, Sänger, Autor, Regisseur und Moderator für viele Leute vermutlich auch, aber für mich nicht. Ein Blick ins Internet zeigte, dass die Bildungslücke bei mir lag. Dagegen war mir Rainer Bielfeldt gut bekannt, seitdem vor vielen Jahren mal meine Schwester anrief und sagte: “Du musst mal zu Gayle Tufts gehen – die hat einen total süßen Pianisten!” Es stimmte. Der war total süß und ich mochte ihn sofort. Und er war nicht nur Pianist, sondern auch Komponist und Sänger mit wunderschöner Stimme.
Ich wusste auch nicht, dass das Programm “So what!?” eigentlich ein Soloprogramm von Ole Lehmann ohne Musik und ohne Rainer Bielfeldt war. Es gab also vorwiegend Ole Lehmann oder Ole Lehmann, der von Rainer Bielfeldt musikalisch begleitet wurde. Um es mal gleich zu sagen: Das Programm entsprach nicht meiner Erwartung. Auf dem Plakat standen sich die beiden Akteure mit aggressivem Gesichtausdruck gegenüber und auch die Titelzeile “So what!?” wirkte nicht wie eine freundliche Gesprächsaufforderung. Ich dachte, da prallen vermutlich irgendwelche Gegensätze lautstark aufeinander. Stattdessen gab es ein witziges, liebevolles und zwischendurch sehr berührendes Programm. Keine Ahnung, wohin die Aggressivität des Plakates entfleucht war, zu merken war jedenfalls nichts von ihr. Ich vermisste sie aber auch nicht.
Locker, energiegeladen und immer bereit, auf Reaktionen des Publikums einzugehen, erzählte Ole Lehmann von nervigen Animateuren im Club-Urlaub, seinen Fahrten auf einem AIDA-Schiff und dem Leben als schwuler Mann. Das Publikum sah größtenteils aus, als hätte es mehr Kontakt mit der Eifel-Wandergruppe als mit schwulen Männern, trotzdem war sofort gute Laune da, keine klemmige Stimmung und es wurde viel gelacht. Sogar von den Männern. Es war aber auch zu merken, dass das Schwulsein ein Thema des Abends war, aber kein Anwesender fürchten musste, damit ungewollt persönlich konfrontiert zu werden. Gerade klemmige Heteromänner haben damit ja manchmal Probleme. Hier kamen die nicht auf. Ole Lehmann und Rainer Bielfeldt waren schwul, sie waren es völlig selbstverständlich und – so what? Außerdem waren Themen wie ‘unerotische Dialekte im Bett’ geschlechtsneutral. Ein von Männerkehle rheinisch-rauh ins Ohr gegurrte “Isch liebe disch, Liebelein”, war auch für mich als Frau abschreckend. Da hatte ich was mit den Herren auf der Bühne gemeinsam.
Die schnelle, witzige Stand-Up-Comedy-Stimmung wurde immer wieder unterbrochen von kraftvoll gesungenen oder auch ganz zarten Liedern, die größtenteils von Rainer Bielfeldt stammten. Sehr gut gesungen, emotional gebracht und oft berührend. Die beiden Männerstimmen passten gut zusammen. Ole Lehmanns Stimme hatte einen sehr kraftvollen, etwas härteren Klang, Rainer Bielfeldts einen ganz warmen, weichen. Nicht nur “Koffer in Hamburg” und “Sänger sein” gingen ans Herz.
Auch die persönliche Harmonie zwischen beiden war immer zu spüren. Sie verstanden sich privat gut, beide kamen aus Hamburg, beide lebten in Berlin, beiden bedeutete die Musik sehr viel. Ganz wunderbar auch die Mimik von Rainer Bielfeldt, der beim Begleiten auf dem Klavier immer ganz intensiv mitempfand und bei den Liedern wie weltvergessen nur in der Interpretation war. Sehr gefühlvoll und superschön.
Kurze, witzige Bemerkungen von Rainer zu Oles Geschichten brachten oft einen neuen Gedanken, manchmal lachten beide zusammen mit dem Publikum los und alles wirkte frisch und lebendig. Ole Lehmann hatte viel Gelegenheit zu improvisieren und er tat es ausgiebig. Er sprach über ‘Spaß haben im Alter’ und schlug vor, einfach bei Freunden anzurufen und angeblich verliehene Gegenstände zurückzuverlangen. “Ich hab dir vor zehn Jahren doch mal einen Rasenmäher geliehen. Den hätte ich gerne wieder.” – “Was? Ich hab doch nur einen Balkon.” – “Ja, hat mich damals auch gewundert.” Das Publikum lachte schallend los, Rainer ebenfalls und Ole Lehmann strahlte freudig: “Der war improvisiert, den schreib ich mir auf!”
Und dann kam auch noch Louis de Funès, der cholerische, kleine Mann aus den französischen Filmen der 60er-Jahre. Ole Lehmann schlug vor, dessen Ausrufe “Nein! – Doch! – Oh!” in dessen typischem Stil auszustoßen, wenn man in diversen privaten oder öffentlichen Situationen war. Das Publikum lachte sich schräg, besonders, weil Ole Lehmann die Ausrufe danach immer wieder an völlig unpassenden Stellen anbrachte. “Nein! – doch! – Oh!” Er rief das mit solcher Intensität, dass mir beim Zusehen der Blutdruck stieg und die Luft wegblieb. Lag vermutlich aber auch daran, dass ich so lachen musste. Auch die beiden auf der Bühne hatten Spaß und lachten immer wieder los.
Mit viel Applaus wurden die beiden am Ende des Abends verabschiedet. Es war ein wirklich kurzweiliges, abwechslungsreiches Programm, bei dem es viel zu lachen gab, aber auch immer wieder ruhige und sehr emotionale Momente aufkamen. Eine schöne Mischung. Ole Lehmann und Rainer Bielfeldt wirkten sehr nett und natürlich und hatten eine große Nähe zueinander und zum Publikum. Was war Show, was war Witz, was war persönlich erlebt und hier fast privat erzählt? Die Grenzen waren nicht immer zu erkennen und das gab dem Abend eine schöne private Atmosphäre.
Und ich wusste endlich, wer Ole Lehmann war. Wobei ich mich jetzt frage, wie denn die Soloabende des Programmes sind. Auf jeden Fall schneller und lauter, denn die Lieder, die hier oft abbremsten und dem spritzigen Wasserfall-Reden- Programm ganz wunderschöne ruhige Bergsee-Baden- Momente gaben, fallen dann ja weg. Es ist bestimmt auch gut, aber anders. Eben ohne Rainer und ohne Lieder. Mehr Stand-Up- Comedy. Ich fand den Abend allerdings in dieser Form, mit beiden Künstlern, genau richtig. Mir hat nur eins gefehlt: Dass Rainer Bielfeldt mal ein Lied alleine singt – er hat doch so eine schöne Stimme – und von Ole Lehmann im Refrain begleitet wird. Das hätte noch gut gepasst. Ansonsten war aber alles rund und der Abend gefiel mir sehr.