Isabel Trimborn – Als ich dich – 26.01.2011 – Köln
Als ich dich kennenlernte, warst du berühmt
Kulturkneipe Mittelblond
Es gibt sie, die feine Kleinkunst, bei der man eng gedrängt in einem kleinen Saal sitzt, und einen wunderbaren, berührenden Abend erlebt. Mitten im Kölner Zentrum, und doch in einer unauffälligen Nebenstraße der Fußgängerzone versteckt, gab es die Kulturkneipe Mittelblond. Ein Blick auf die Homepage zeigte, dass sie weniger als 50 Sitzplätze hatte und dort ansonsten vorwiegend schrill-trashiges Programm gespielt wurde. OK, also eine kleine, enge Szenekneipe, in der es vermutlich etwas chaotisch zuging.
Die Überraschung kam schon beim Betreten des Etablissements. Das war keine düstere Kneipe, das war ein sehr hübsches, feines Café, liebevoll eingerichtet und mit einer sofort spürbaren, freundlichen Atmosphäre. Hier würde ich auch gerne mit Freunden zum Teetrinken und Baguette essen hingehen, einfach mal das Tempo runterfahren und entspannen. Wunderschön. Auch der Service war freundlich, sorgsam und persönlich.
Mein Herz ging noch weiter auf, als ich den kleinen Veranstaltungsraum betrat. Wie kuschelig. Es gab dunkelrote Wände, fünf Sitzreihen, eine sehr kleine Bühne, die mit blauem Stoff dekoriert war, auf dem kleine Pailletten wie Sternchen funkelten, und in der Mitte des Raumes einen riesengroßen, alten Kronleuchter. Es war nicht kitschig, es war einfach nur schön.
Als Isabel Trimborn auf die Bühne kam, wurde sie freudigst beklatscht. Ein Großteil des Publikums kam aus ihrem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreises, und sie war vorher schon immer durch den Kneipenraum geflitzt und hatte fast alle persönlich begrüßt. Entsprechend wenig aufgeregt war sie jetzt, wie sie lächelnd verriet. Vor drei Jahren hatte das Programm Premiere in der Kölner Comedia gehabt. Alles viel aufregender und kein Vergleich zu diesem fast intimen Rahmen, für den Isabel Trimborn das Programm nochmal hervorgeholt und mit dem Pianisten Hans Fückler, der sie auch hier begleitete, eingeübt hatte.
Den Satz “Als ich dich kennenlernte, warst du berühmt”, hatte ihr jemand am Telefon gesagt, als sie gerade Vierzig war. Ein Satz, der im Ohr kleben blieb. Um ihn herum erzählte und sang sie über das Leben und Lieben, das Älterwerden und das, was wichtig ist im Leben. Mit mädchenhafter Figur in einem leichten Rosenkleid sah sie sehr grazil aus, hatte aber gleichzeitig etwas Burschikoses an sich. Genau so war ihr Programm. Sehr herzlich, mit ganz sanften Tönen, aber dann auch wieder kraftvoll und mit viel Humor. Sie war nicht nur diplomierte Sportlehrerin – eine Ausbildung, die sie für diesen Abend nicht unbedingt gebraucht hätte – sondern auch Sängerin und Schauspielerin. Zusammen mit ihrem großen komödiantischen Talent und ihrem warmherzigen Blick auf das Leben, ergab das eine sehr unterhaltsame, oft lustige, aber auch berührende Mischung.
Mal war sie die abgehobene Diva, die in stark überdehnter Zarah-Leander-Manier klagte: “Ich möchte so gerne, ich weiß nur noch nicht was”, dann guckte sie spitzbübisch, lächelte ansteckend fröhlich und sang vom kleinen Hund, der der allerbeste Freund ist, und trug zwischendurch kurze Gedichte der klugen und lebensweisen Mascha Kaleko vor. Alles war verbunden durch Moderationen, in denen sie sehr persönlich erzählte und schöne Sachen sagte, wie: “Es kann doch nicht sein, dass man 60 Jahre lang sein Parkett schont und dann ins Altersheim geht.” Oder: “Alle haben ihr To-do-Listen. Aber haben sie auch To-dream-Listen?” Es gab keine spürbare Distanz zwischen ihr und dem Publikum, was nicht an dem kleinen Raum, sondern an ihrer Art lag. Der Spaß, den sie hatte, vorzuführen, was sie konnte und zu vermitteln, welche Texte ihr wichtig waren, war durchgehend zu spüren. Alles blieb nah und persönlich. Nebenbei genoss sie, dass sie so viele Leute kannte: “Wie schön – ich erkenne jede Lache im dunklen Zuschauerraum!”
Hans Fückler begleitete sie am Keyboard hervorragend, und es war nur darum ein Keyboard, auf dem er spielte, weil ein Flügel nicht auf die Bühne gepasst hätte. Der Klang war aber trotzdem schön. Vermutlich hatte das Keyboard die Einstellung “Flügelklang für kleine Räume”. Er spielte sehr gut, originell, engagiert und blieb trotzdem ein aufmerksamer musikalischer Begleiter. Einziges Manko des Raumes war die zu laute Klimaanlage, die bei den Gedichtpassagen leider deutlich zu hören war. Aber da bestand wohl nur die Wahl zwischen dem Rauschen von oben oder wegen Überhitzung und Sauerstoffmangel von der Bank zu kippen. Bei den Singnummern war die Klimaanlage kein Problem. Da war nur Isabels warme, volle Stimme zu hören, und ich hatte mehr als einmal Gänsehaut, weil es so schön war. Mit ihrer lockigen Frisur und den dichten Knef-Wimpern erinnerte sie mich optisch an Künstlerinnen der 30er-Jahre, und wenn sie dann auch noch Lieder aus der Zeit sang, wünschte ich mir ein ganzes Abendprogramm damit. Wirklich toll!
Furios war gegen Ende eine südamerikanische Nummer, für die im Publikum alle möglichen Klimper-, Schellen- und Rasselinstrumente ausgeteilt wurden, und bei der die Zuschauer freudig und kreativ mitgestalten durften. Ein großer Spaß für alle und tatsächlich mit einer akustisch verblüffenden Ähnlichkeit zum Karneval in Rio. Abgeschlossen wurde der Abend mit dem mitreißenden “Nur nicht aus Liebe weinen”, das ein wenig umgedichtet war und damit viel besser zu Köln und dem Karneval passte. Am Ende gab es viel Applaus und überall lächelnde Gesichter. Was für ein schöner, herzlicher Abend!