Berichte

Cover me 2010 – 14.12.2010 – Köln

E-Werk, Köln

Dirk Bach, Hugo Egon Balder, Romina Becks, Mirja Boes, Elton, Bernd von Fehrn, Andreas Fröhlich, David Goldrake, Stefanie Heinzmann, Katy Karrenbauer, Jana Julie Kilka, Johnny Logan, Annett Louisan, Lutz Marquardt, Max Mutzke, Ralph Morgenstern, Ingrid Peters, Kay Ray, Martin Reinl, Wilfried Schmickler, Thore Schölermann, Barbara Schöneberger, Marcel Spang, Margarethe Schreinemakers, Jens Wawrczeck, Jo Weil, Pe Werner, Andreas Zaron, Joana Zimmer.

Im kleinen Backstagebereich des Kölner E-Werkes gab es fünf Mini-Garderoben und eine Toilette für mehr als 30 Künstler. In den Gängen hinter und neben der Bühne quetschten sich zwischen abgestellten Bühnenaufbauten improvisierte Schminkecken und mit Planen abgehängte Umkleiden, und überall wuselten auch noch Helfer, Organisatoren, Techniker und die Begleiter der Künstler herum. Es war eng, überfüllt und unzumutbar, aber trotzdem sah man ringsherum lächelnde Gesichter und die Stimmung war prächtig. Ferienlagerstimmung und auch ein bisschen Kindergeburtstag. Dirk Bach hatte eingeladen, und für Cover me rückte man eng zusammen, teilte sich die kleine Garderobe mit noch fünf anderen Künstlern und hatte eine Menge Spaß.

Die Zuschauer quetschten sich derweil in den Saal und auf die Empore, und als das Saallicht pünktlich aus ging, begannen sie erwartungsvoll zu klatschen. Dirk Bachs Stimme klang langsam und bedächtig aus dem Off: „Willkommen bei Cover me 2010!“ und auf der Bühnenleinwand leuchtete der Cover me- Schriftzug auf.

Die Band Begleitagentur begann mit einem düsteren Bläsersatz. Dunkel brummende Stimmen summten von irgendwoher die Melodie mit. Im Halbdunkel waren mehrere Gestalten zu erkennen, die, in lange Gewänder gehüllt, von beiden Seiten langsam auf die Bühne schritten. Ihre Köpfe hatten sie mit Kapuzen verhüllt. Zombies? Betende Mönche? Lebenslustige, fröhliche Pater waren es jedenfalls nicht, sondern eher skurrile Gestalten aus „Der Name der Rose“. Mystisch und etwas unheimlich.

Kaum änderte die Band ihre düstere Musikbegleitung in eine schnelle, lebendige Nummer, warfen die Mönche ihre Kapuzen zurück, entledigten sich ihrer Kutten und waren plötzlich alle Lena Meyer-Landruts. Die hatte in diesem Jahr mit „Satellite“ den Eurovison Song Contest gewonnen, und stand jetzt verblüffenderweise in siebenfacher Ausführung auf der Cover-me-Bühne. Eine Lena ähnlicher als die andere. In engen schwarzen Leggins, mit einem weißen, schwingenden Oberteil und langen Haaren tanzten Dirk Bach, Margarethe Schreinemakers, Ingrid Peters, Katy Karrenbauer, Andreas Zaron, Ralph Morgenstern und Bernd von Fehrn – mal größer, mal breiter, mal zierlicher – über die Bühne. In ihre Mitte sprang ein schwarzweißer Kay Ray mit knallig gelber Federboa um den Hals und sang „Satellite“. Ein witziger, temperamentvoller Beginn der Show.

„Guten Abend, meine Damen und Herren!“, rief Kay Ray in den lauten Applaus, der im Schlusston aufbrandete, und die vielen Lenas sammelten brav ihre auf dem Boden liegenden Mönchskutten ein, verbeugten sich und trippelten von der Bühne. „Vielen Dank, ihr Lieben!“, rief Kay ihnen hinterher und bedankte sich auch gleich schon mal bei der Band Begleitagentur, die ebenfalls einen dicken Applaus vom Publikum bekam.

Vor zwei Jahren hatte Kay Ray als Gast bei Cover me teilgenommen und ein unvergessliches „And I’m telling you“ gesungen. In diesem Jahr war er der Moderator des Abends, was viel Freude versprach, denn er haute Gags und Witze in einer hohen Dichte hinaus, war dabei fast durchgehend politisch unkorrekt und sprang weit über der Grenzen der üblichen Anständigkeit. Er begrüßte das Publikum mit: „Guten Abend, meine Damen, meine Herren, liebe Tunten, liebe Frisöre, heute Abend geht’s ab hier.“ Schnell erklärte er, dass nicht alle Tunten Frisöre sind, sondern auch Krankenpfleger sein können, und dass das Cover me Ensemble an diesem Abend so lange spielen würde, bis es JEDEM gefiele. „Das kann dauern in Deutschland.“ Für die, die ihn nicht kannten, verriet er: „Ich bin gerne unter der Gürtellinie, und wenn ich ehrlich bin, da gerne hinten.“

Zack, zack, zack, er redete durchgehend, ein Gag kam nach dem anderen, die Zuschauer konnten gar nicht so schnell lachen, wie Kay erzählte und die Themen wechselte. Er erklärte, dass unter der Bühne vierundzwanzig Filipinos säßen, die Strom treten würden, stampfte mit dem Fuß mehrfach wummernd auf den Bühnenboden und rief mahnend nach unten: „Nicht aufhören!“ Dem Publikum erklärte er vertraulich: „Wir haben ja vor zwei Jahren diesen Stromausfall gehabt, da hatten wir Italiener. Die sind auch klein, weil die Mütter sagen: Wenn du groß bist, musst du arbeiten!“ Im immer wieder losplatzenden Lachen war beständig das tiefe „Ho-ho!“ zu hören, das zeigte, dass der Gag eigentlich zu grenzwertig war, um lachen zu dürfen, dass man es aber trotzdem tat. Nach einer Bemerkung über einen Vibrator im Garten blickte er ins Publikum: „Das ging ein bisschen unter die Gürtellinie, da müsst ihr jetzt durch! Guckt mal nach rechts und links. Wenn einer da ist, der sich noch gar nicht amüsiert hat – dann können wir dem auch nicht helfen. Um mich kommt ihr nicht herum. Ich bin der schwule, schrille Faden im Programm.“

Er haute noch ein paar Witze über Nonnen heraus und lief plötzlich auf die Gebärdendolmetscherin im Bühnenrand zu. Ehrlich interessiert fragte er: „Wie übersetzen Sie das eigentlich alles?“ Das Publikum lachte schallend los. Kay erkundigte sich bei der Dolmetscherin: „Wie übersetzen Sie ‚ficken‘?“ Sie bewegte kurz die Arme hin und her. Grinsend ging Kay ein Stück weg, rief dann schnell: „Ficken, ficken, ficken!“ und guckte mit Freude zu, wie sie es sofort mehrfach in Gebärdensprache umsetzte.

Das Publikum war inzwischen äußerst lachbereit und die Stimmung sehr ausgelassen, wenn man bedachte, dass Cover me gerade mal zehn Minuten dran war. Kurze Zeit und gefühlte zwanzig Gags später kündigte Kay Ray den ersten Gast an: „Bühne frei für Hugo Egon Balder!“ Der kam lächelnd auf die Bühne, setzte sich an der Flügel und sagte: „Ich freu mich!“ Das Publikum tat das auch und jubelte. Die Band setzte ein, und Hugo Egon Balder begleitete sich selber an den Tasten zu „She’s a woman“ von den Beatles.

Er hatte eine schöne rauchige Stimme, zog die Töne lässig, hatte den richtigen Groove, und es konnte nicht überhört werden, dass er neben seinen ganzen Talk- und Quizshowjobs auch Musiker war. Vermutlich war er im Herzen sogar an erster Stelle Musiker. „Danke!“, rief er am Schluss nur kurz, machte mit zwei Fingern das Peace-Zeichen, stand auf und ging wieder ab.

Sofort füllte sich die Bühne wieder. Vier fesche Buam in Lederhosen und zwei Madln im Dirndl stellten sich auf, und einer der Buam begann mit strahlender Tenorstimme ein paar Zeilen zu singen, die sich schnell als der Anfang des Jürgen Marcus Hits „Eine neue Liebe“ erkennen ließen. Kaum war der Refrain erreicht, setzten auch die anderen ein, Motto: Alle gemeinsam einstimmig durch. Was aber bei Cover me kein Problem war, gerade wenn die auftretenden Künstler nicht aus dem musikalischen Bereich kamen.

In diesem Fall waren sie Darsteller der Soap „Verbotene Liebe“, hießen Jana Julie Kilka, Thore Schöllermann, Marcel Spang, Romina Becks, Jo Weil und Lutz Marquardt, und sie brachten den Schlager mit Spaß und guter Laune, ein wenig wie spontan beim Oktoberfest-Karaoke auf der Bühne gelandet. Im Publikum kam die lockere Art gut an, in einigen Reihen wurde sogar geschunkelt.

Kay Ray kam zurück, schoss einige Salven gegen die Bayern ab und dann noch gegen Rudolf Mooshammer, der seiner Meinung nach von seiner Hündin Daisy umgebracht worden war, und reagierte enttäuscht auf das Oh-weia-so-was-sagt-man-nicht-Lachen des Publikums: „Och, Mensch, nun tut doch nicht so verklemmt!“ Schnell schob er noch hinterher, dass ein Arzt zum Mann sagt: „Ihre Frau gefällt mir gar nicht“, und der antwortet: „Mir auch nicht, aber sie ist so nett zu den Kindern.“ Der eine Lacher war noch nicht mal abgeklungen, da platzte der nächste los. Ich grinste breit und hatte echt Spaß.

Die nächsten beiden Künstler hatten in den letzten Jahren Background bei Cover me gesungen. In diesem Jahr gab es eine neue Backgroundgruppe, „drei Grazien in Rot“, wie Kay sie nannte, aber noch in der Anmoderation bemerkte er, dass eine neue Gebärdendolmetscherin am Rand stand. Es gab drei und die wechselten sich immer ab. Überrascht sagte er: „Die andere Dame hat das mit dem Ficken nicht vertragen, die haben sie jetzt erstmal ausgetauscht.“ Lachend überlegte er: „Was kann ich mir da denn jetzt mal ausdenken?“, drehte sich zu ihr hin und sagte: „Analverkehr.“ Sie übersetzte sofort in Gebärdensprache. Das Publikum lachte los, und er kam näher und fragte hoch interessiert: „Wie geht ‚Analverkehr‘?“ Sie zeigte es mit den Bewegungen von ‚Ficken‘ und einer Drehung, bei der sie auf ihren Po wies. Kay lachte freudig: „Die Drehung war so schön!“

Dann kam er auf Lisa Ruland und Michèl Felgner, die vorherigen Backgroundsänger zurück, die endlich auftreten konnten und mit knallender Bandbegleitung und Nebel auf der Bühne „The look“ von Roxette sangen. Michèl eher mit weicher, sanfter, Lisa dafür mit mehr als kraftvoller Stimme. Von der Tontechnik wurde beides auf eine gleiche Lautstärke geregelt, aber vermutlich hätte Lisa auch ohne Mikrofon die Hörer in den letzten Reihen erreicht.

Ich sah bei ihren zwischendurch laut ausgestoßenen Schreien ständig einen blassen Tontechniker vor mir, der sich gerade am Mischpult in Panik den Kopfhörer von den Ohren riss und nach Luft schnappte. War aber nur ein inneres Bild, ich hatte keinen Blick auf das Tonmischpult, der das hätte bestätigen können. Am Ende wurden die Beiden laut beklatscht und Kay holte sie noch zu einer zweiten Verbeugung zurück auf die Bühne.

Die drei roten Grazien wollten nach dem Lied, das sie im Background begleitet hatten, unauffällig abtreten, da bat sie Kay nach vorne auf die Bühne und sang dabei schmachtend: „Ladies in reeeeeed ….“ Er stellte sie von rechts nach links einzeln vor: Sabine van Baaren, Jemma Endersby und Katja Symannek. Sie trugen coole Showanzüge mit ein bisschen Glitzer und breiten Schlaghosen-Enden und sangen nicht nur professionell, sondern sahen auch so aus.

„Die nächsten Gäste kennen viele von Ihnen von Kassette, glaube ich“, begann Kay Ray, was überlegen ließ, wie alt die wohl waren, wenn die noch aus dem Kassettenzeitalter waren. Er erzählte, dass er Kassetten zu seiner Schulzeit gehört hatte, gab gleich noch Witze über die Schule dazu, und kommentierte danach: „Man muss das Leben locker sehen. Kennen Sie so Menschen, die einen nur verbessern wollen?“ Er äffte nach: „Man kann auch lustig sein ohne Alkohol zu trinken!“ „Ja“, bestätigte er genervt und schob hinterher: „Man kann auch Sportschau gucken ohne Beine. Aber wer will das?“ „Hohoho“, lachte das Publikum wieder düster, und Kay machte das zurückschreckende „Hohoho“ nach und schickte gleich noch mehr Hohoho-Witze hinterher. Auf einmal fiel ihm ein, dass er ja in einer Anmoderation steckte: „Ich muss auch mal voran kommen, ich möchte ja Weihnachten im Kreis der Familie verbringen. Weihnachten, das Fest der Liebe. Ich hab mich schon mit Gummis eingedeckt…“, und sofort brach der nächste Lacher los. Es war total kurzweilig und sehr unterhaltsam. Manchmal dachte ich noch: Nee, DEN Witz kann man wirklich nicht bringen!, lachte aber schon heftig los und wusste, Kay Ray konnte JEDEN Witz bringen. Der war völlig unberechenbar, und ich fand das faszinierend.

Wieder in die Moderations-Spur gebracht, kam er auf die Männer von den Kassetten zurück und versprach, dass man ihre Stimmen kennen würde. „Nämlich die „Drei Fragezeichen“, und davon haben wir zwei Fragezeichen hier!“ Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich kamen ganz cool in Anzügen und Turnschuhen auf die Bühne, die Geigen setzten schmachtend ein, und sie sangen „Worte, nur Worte“, eine deutsche Version von Dalidas „Parole“.

Jens sang mit sanfter Stimme vom Ende der Liebe und schien enttäuscht, aber fest entschlossen, zu gehen, während Andreas ihn mit rauer, verführerischer Italo-Macho-Stimme eindringlich vom Gegenteil überzeugen wollte und Sätze gurrte wie: „Ach, du siehst so schnuckelig aus in deinem Anzug!“ Erstaunlich leichtfüßig machten sie ein paar Tanzschritte, und am Ende gab Jens den Widerstand auf und sie küssten sich unter dem Jubel des Publikums sehr innig.

Kay Ray kam mit schwungvollen Schritten zurück und entdeckte überraschenderweise einen neuen Gebärdendolmetscher anstelle der vorherigen Dolmetscherin. „Da ist ja schon wieder… Verschleiß ich die denn so schnell? Mmh, da fällt mir jetzt kein Wort mehr für ein. Was könnte man denn Kompliziertes ….. ?? Mähdrescher!“

Der Dolmetscher übersetzte problemlos, und es gab einen Lacher, weil jeder von Kay Ray garantiert etwas anderes als den Mähdrescher erwartet hatte. Es gab wieder gefühlte 25 Witze, die viel Spaß und viele Hohohos brachten, dann sagte Kay die nächste Künstlerin an: Ingrid Peters. Die wurde jubelnd begrüßt – im letzten Jahr war sie bei Cover me in vielen Nummern dabei gewesen – und schritt in einem langen, schwarzen Kleid lächelnd in die Bühnenmitte. Mit klarer, strahlender Stimme sang sie „Après toi“ in der französischen und dann auch in der deutschen Version, die „Dann kamst du“ hieß. Eine tolle Stimme!

Mich verwirrte nur, dass sich die Zeile: „Après toi/Nach dir“ inhaltlich doch sehr von „Dann kamst du“ unterschied. Aber egal, da ich den Rest der französischen Strophen nicht verstand, hoffte ich, dass das schon irgendwie passen würde. Die Zuschauer klatschten am Ende laut und Ingrid Peters freute sich über die kräftige Zustimmung.

Sie ging, freudig aufjuchzend über den gelungenen Auftritt und das jubelnde Publikum, ab, während im Halbdunkel eine große Kiste an ihr vorbei auf die Bühne geschoben wurde. Ein runder Scheinwerferkegel richtete sich auf den oberen Kistenrand, und im Licht war ein hellblaues Zirkuspferd zu sehen, auf dessen Kopf bunte Straußenfedern wackelten. Es sah sich interessiert um, zeigte seine großen gelben Zähne, lachte quietschend los und rief: „Schönen guten Abend. Mein Name ist Horst-Pferdinand und ich bin ein altes Zirkuspferd.“ Die Zuschauer jubelten auf. Das Pferd erzählte, dass es in diesem “reizenden Unterhaltungsprogramm” ein Duett mit “der reizenden Margarine Schreinemakers” singen sollte, dann aber hinter der Bühne jemanden NOCH prominenteren gefunden hätte. „Kleiner Spaß!“, lachte es in das Lachen des Publikums hinein. Dann bat es seine alte Jugendliebe Gitte Haenning auf die Bühne.

Die kam unter dem begeisterten Jubel der Zuschauer auf die Bühne, hatte zwar blonde Haare und eine S-betonte dänis-se Aus-sprache, war aber Margarethe Schreinemakers. Natürlich täuschend echt. Ganz Gitte. „Wollen wir ein Liedchen singen?“, fragte das Zirkuspferd und forderte die Band auf: „Legt los, Musikanten!“ Süß! Margarete und Horst-Pferdinand sangen zusammen „Ich hab die Liebe verspielt“, was besonders beim Zirkuspferd manchmal temperamentvoll neben der Tonlage lag, bei einem Pferd dieses Alters aber völlig akzeptiert wurde. Kunst darf auch mal weh tun. Sogar in den Ohren.

Eine witzige Nummer, die ebenfalls mit einem großen Kuss und in einer engen Umarmung der Hauptdarsteller endete. Wobei in diesem Fall Gitte-Margarethe das Pferd umarmte, weil das zu kurze Vorderbeine für eine Umarmung hatte. „Danke-ssöhn!“, freute sich Margarethe über den lautstarken Applaus und ging ab, während das Zirkuspferd auf seinen Abtransport wartete. Kay Ray ging zur Kiste und sagte zärtlich: „Hallo!“, woraufhin Horst-Pferdinand begeistert auf ihn zukam und sagte: „Hallo, ich bin ein altes Zirkuspferd!“ „Du musst dringend mal zum Zahnarzt!“, schlug Kay vor. „Ich weiß“, sagte das Pferd, drehte sich zu einem Helfer um, der die Kiste anschob und forderte auf: „Fahr los mit der Kutsche!“ Im Hinausfahren hörte man, wie es den Kistenschieber anquatschte: „Wie heißen Sie mit Vornamen, junger Mann?“ (Dass mit dem Zirkuspferd auch Martin Reinl in der Kiste saß, erwähne ich jetzt nur am Rande. Aber es scheint zu sein, dass das Pferd niemals ohne ihn unterwegs ist, auch wenn er meistens nicht zu sehen ist.)

In rascher Folge erzählte Kay Ray Witze über Zahnärzte, deutsche Schlager, Heino und Pornofilme. „Lieber unter Niveau amüsiert als über Niveau gelangweilt!“, kommentierte er und lag damit an diesem Abend absolut richtig. Dem Publikum im E-Werk gefiel es, und er war nicht nur Moderator des Abends, sondern machte auch seine eigene Show. Es gab keinen Aufmerksamkeits- Schwund wenn die Ansagen liefen, sondern Kay Ray hatte das Publikum bei sich, sobald er die Bühne betrat. Vermutlich hatte jeder Zuschauer Angst, einen ganz unzumutbaren Witz, den man auf keinen Fall öffentlich erzählen durfte, zu verpassen. Kay verriet, dass er hingegen vor dem nächsten Künstler Angst hätte. „Wenn einer wie Bobby Brown aussieht, dann dieser Mann. Raten Sie, wer es ist!“

Er ergänzte, dass Max Mutzke ihn begleiten würde, in diesem Moment kam eine Gestalt hinter ihm auf die Bühne, die einen Trainingsanzug, Adiletten, einen Schnauzbart und eine Sonnenbrille trug und unfreundlich guckte. Kay sagte: „Ich krieg Angst! Ich krieg da echt Angst!“ und verzog sich.

Der unheimliche Bobby Brown guckte ernst, sagte mit tiefer Stimme: „Here we go!“ und schlurfte mit langsamen Bewegungen über die Bühne, während die Band das Intro zu „Bobby Brown“ spielte. Dann sang er mit tiefer Stimme los, dass er „the cutest boy in town“ sei, was bei seinem unsportlichen Anblick und der seltsamen Minipli-Frisur nicht einfach zu glauben war.

Naja, ich kannte die Town nicht, in der er lebte, wer weiß, was da sonst noch so rum lief. Er sang auf jeden Fall klasse, mit tiefer, volltönender Stimme, die Backgrounddamen sangen schön amerikanisch gefärbt dazu, er hatte das Feeling für die Musik, alles passte – nur zu erkennen war er nicht.

Am Ende ging er ganz einfach unter dem Jubel der Zuschauer ab, und Kay Ray rief: „Bobby Broooooown!“ Das half nun auch nicht weiter. Zum Glück kam Herr Brown auf die Bühne zurück, zog sich die schreckliche Perücke vom Kopf und die Brille aus dem Gesicht, und war – Wilfried Schmickler. Super! Er grinste gar nicht mehr gefährlich ins Publikum und ging winkend ab. „Und backstage sang für Sie Max Mutzke!“, rief Kay Ray noch, was gut war, denn von Max Mutzke war nichts zu sehen gewesen. Irgendwo hatte er vermutlich im Halbdunkel gestanden und mitgesungen.

Was man alles in den Moderationen von Kay Ray erfuhr! Nicht nur über die Zustände im Backstagebereich, die wild und spaßig waren, sondern auch über das Innenleben der Kühlschränke. Wie er halblaut verriet, war das Loch, in dem angeblich das Kühlwasser ablaufen sollte, kein Kühlwasserablaufloch. „Es stimmt nicht!“, verkündete er mit heiserer Stimme. Gespannt hörten alle zu: „In diesem Loch wohnt der Kühlschrankpinguin. Wenn du die Tür zu machst, kommt er aus dem Loch und macht das Licht aus!“ Och, nee, wie süß! Er kündigte als nächsten Künstler seine lesbische Handarbeitslehrerin Wolfgang an und ging ab. Häh?

Katy Karrenbauer, Michèl Felgner, Margarethe Schreinemakers und Bernd von Fehrn kamen zum Intro der Band angeschlendert und waren stumme Partygäste, die mit Gläsern in den Händen am Rand standen und leise smalltalkten. Dann kam Pe Werner dazu, war mittelpiefig gekleidet, hatte eine große Handtasche über dem Arm und schien angetrunken. Sie ging etwas unsicher bis zum Standmikro und sang leicht angesäuselt „Aufrecht geh’n“. Der Inhalt des Liedes, der ja ursprünglich eine stolze Haltung ausdrücken sollte, wurde in Verbindung mit dem Übermaß an Alkohol verblüffend eindeutig. „Aufrecht geh’n, aufrecht steh’n. Ich hab endlich gelernt, wenn ich fall, aufzusteh’n!“ Sie lallte sich durch den Text, schwankte in den musikalischen Zwischenspielen zur Seite, um den anderen Partygästen die Gläser zu entreißen und in großen Zügen zu leeren, und steigerte sich in gelallte Drohungen und hysterisches Geschrei. Großartig!! Und unglaublich komisch!

Im letzten Refrain warf sie den Mikroständer um, kämpfte mit ihrer Jacke, die sie ausziehen wollte, mit den Haaren, die ihr ins Gesicht fielen und mit dem Gleichgewicht bei schätzungsweise 2,5 Promille. Schwankend ließ sie nach dem letzten Ton auch noch das Mikro einfach auf den Boden fallen – das gute Mikro! – und stapfte von der Bühne. Grandios!

„Komm, Wolfgang, kooooomm!“, lockte Kay Ray sie auf die Bühne zurück und rief: „Das war die Ex-Frau von WolfgangSchmickler!“, um sie dann richtig vorzustellen: „Diese Frau ist wie die Flut, die kommt immer wieder: Pe Werner!!“ Es gab großen Jubel für Pe, die jetzt gar nicht mehr schwankte, sondern fröhlich lachte, und für diese Nummer dicken Applaus bekam. Danach war Barbara Schöneberger dran, die schon beim Auftreten wild umjubelt wurde, zwei knackige Tänzer dabei hatte und im engen, glitzernden Kleid „Young hearts run free“ sang.

Feuersäulen unterstützten die heiße Nummer, und als sich bei einem der Tänzer der Hosenträger bei den vielen wirbeligen Drehungen zur Hälfte verabschiedete, grinste Barbara: „Schatz, du löst dich ja schon auf!“ Tosender Jubel brauste am Ende auf, und Kay stöhnte begeistert: „Allein schon dieses Kleid! Ich werd verrückt!“

Stefanie Heinzmann war die Nächste, und die sah ja immer recht unspektakulär aus, sang aber spektakulär. Wobei ich „unspektakulär aussehen“ keinesfalls negativ meine, sondern damit ‚wenig Hollywood und viel Natürlichkeit‘ verbinde. Schmal, mädchenhaft, lächelnd kam sie auf die Bühne, wirkte sehr sympathisch und mit ihrer markanten Brille und dem Pferdeschwanz ganz harmlos, nur die Tatoos und Piercings zeigten, dass sie anscheinend auch andere Seiten hatte. Und dann legte sie mit geballter Energie und toller Soulstimme los. „Put your hands on me“. Diese große Stimme und diese Riesenenergie konnten doch eigentlich gar nicht in ihren zierlichen Körper passen. Taten sie aber.

Die Begleitagentur fetzte ebenfalls und schien richtig Spaß an der souligen Nummer zu haben. Total klasse! „Dankeschön!“, bedankte sich Stefanie am Ende auch bei der Band und hatte plötzlich wieder eine sanfte Mädchenstimme.

Sofort ging es weiter. Knallrosa gekleidet und mit blonden Haaren kam Dirk Bach vorfreudig grinsend auf die Bühne und gleich hinter ihm ging Mirja Boes. Sie trug, genau wie Dirk, einen kugelrunden Bauch, der bei ihr allerdings in den letzten Monaten gewachsen war und ein fertiges Baby enthielt. Quasi schlupfbereit. Gemeinsam sangen sie „Be my little baby“, was in dieser Hinsicht wunderbar passte. Es gab sogar eine Tanzeinlage, bei der sie voreinander standen und ihre Bäuche aneinander rieben und danach einen schnellen Ausfallschritt machten, der durchaus Wehen auslösend hätte sein konnte.

Am Ende kniete Dirk vor Mirjas Bauch und sang das Baby darin an: „Be my little darling …“ Sehr niedlich! „Das war das erste Lied, das wir zu dritt gesungen haben“, sagte Dirk danach. Kay staunte über Mirja, die mit prallem Bauch auf die Bühne ging. „Das du das so wagst und auch noch hüpfst!“ „Es soll ja raus!“, erklärte sie. „Aber doch nicht HIER!“, wandte Kay entsetzt ein. Mirja meinte: „Wieso denn nicht? Wär doch ganz gut, oder?“, und Dirk bestätigte zufrieden: „Wir haben alles da!“

Kay betrachtete nach Mirjas Bauch nun auch fasziniert Dirks Bauch und meinte: „Mit dir ist man dreimal im Bett gewesen und war immer noch nicht überall dran.“ Dirk platzte, völlig überrascht von dieser Bemerkung, laut lachend los und ging dann, immer noch lachend, mit Mirja ab.

Kay blieb alleine zurück und wünschte sich, dass Dirk mal eine Parodie auf Milva machen würde. „Das wär was für mich“, nickte er und behauptete, dass Milva die Vogelgrippe vorausgesagt hätte. Im Milva-Akzent und mit starkem Vibrato begann er zu singen: „So täuschte sich eine Taube. Wie sie sich täuschte. Sie flog Nordost, kam nach Südwest. Sie hielt den Weizen für Wasser – wie sie sich täuschte…“ Er sang immer weiter, wurde ganz strahlend im Ton – es war toll. Plötzlich brach er ab und rief: „Die war krank!“ Das Publikum applaudierte begeistert, weniger wegen der kranken Taube, als vielmehr wegen seines Gesanges. Er brachte noch weitere Musikbeispiele, die meistens genau so frech wie seine anderen Witze waren. Ich mochte es sehr, mit welchem Einsatz und wie energiereich und gefühlvoll er sang.

Der nächste Gast wartete schon backstage, und Kay sagte ihn an: „Der ist so heterosexuell, da können Sie machen, was Sie wollen, da ist nichts dran zu tun. Eltooooooon!“ Das Intro von „Johnny B. Goode“ begann temperamentvoll, und ganz im Gegensatz zur Musik kam Elton recht schleppend auf die Bühne gelaufen und nur sein silbern glitzernder Umhang und eine Hose aus dem gleichen Stoff strahlten Feuer aus. Lässig wischte er mit einem Taschentuch über die Stirn und ließ es dann vom Bühnenrand in die erste Reihe fallen. „Johnny B. Goode“ wurde in seiner deutschen Version zu „Johnny, is‘ ja schon gut“. Elton sang es in der Tonfolge sauber und richtig, aber sogar ein alter, dicker Elvis hätte hinter dem Mikro deutlich mehr Energie versprüht. OK, es war viel Text, aber den einfach nur lächelnd mit normaler Stimme runterzusingen, war der bequemste Weg.

Die Background-Grazien im Hintergrund bewegten sich im Takt, die Musik fetzte, und Elton drehte sich nach den ersten runtergesungenen Strophen um, holte in aller Ruhe eine große Tank-Wasserpistole, pumpte sie auf und spritzte während der letzten Strophe ein paar Wasserstrahlen ins Publikum. Das schien ihm Spaß zu machen. Der größte körperliche Einsatz kam, als er für den letzten lauten Schlusston einen Schritt hoch auf eine Box machte und dann runtersprang. Alles zusammen ein freundlicher Praktikantenauftritt ohne persönlichen Einsatz – so wie es seine Art war. Dabei hätte er hier doch mal die Chance gehabt, eine ganz neue Seite zu zeigen. Also nee, da hörte ich lieber ein paar falsche Töne, erlebte dafür aber Einsatzfreude und Energie. Auch als Praktikant muss man was tun, wenn man mal was sein will.

Kay Ray kam etwas verspätet an und stöhnte: „Jetzt haben wir hier mein Mikrofon gesucht. Wo das nur gesteckt hat? Ich sage kein Wort.“

Er sang ein paar Titel von Zarah Leander mit stark rollendem R an, und behauptete, sie hätte auch Lieder mit Rs in den Sätzen gesungen, in denen gar keine waren. Als Beispiel sang er: „Sarrg mirr worr dirr Blurrrmen sirrnd, wrrr sirrrrnd srrr geblirrrrrribrrnn …“ Klaus Tenner am Flügel setzte leise in der genau richtigen Tonlage ein, und Kay freute sich überrascht: „Ich liebe diese Band!“ Nach einigen Varianten anderer Sängerinnen und Sänger über das Wo-sind-die-Blumen-Thema, ging es zum letzten, großen Programmpunkt des ersten Teils. Kay rief laut: „Einen tosenden Applaus für das Cover-me-Show-Ensemble! Wir präsentieren Ihnen Kylie Minogue bis zum Abwinken!“, und er verließ unter dem vorfreudigen Gejohle des Publikums die Bühne.

Anett Louisan war die erste Kylie, machte große Augen, sang mit Kinderstimme „I should be so lucky“, und die Bläser konnten mal richtig schön strahlend einsetzen. Wahnsinn, dass drei Bläser so wie mindestens acht klingen konnten. Phantastisch, was die wenigen Musiker der Begleitagentur für gewaltige Klänge erzeugen konnten!

Margarethe Schreinemakers und Bernd von Fehrn kamen sexy und mit lasziven Bewegungen an, begannen langsam und verrucht mit „The Loco-Motion“ und wurden, umgeben von Feuerfontänen, schneller und temperamentvoll.

„Especially for you“ sang Barbara Schöneberger und wurde dabei von Wiwaldi, der mit rauer Stimme mitsang, unterstützt. Ich hatte Wiwaldi noch nie englisch singen hören, so dass er mir akustisch ganz fremd vorkam. Zu meiner Freude hielt er sich an meinen Wunsch: Lieber falsche Töne, dafür aber voller Einsatz.

Auch hier sollte es zum Endton einen schmachtenden Kuss geben, der aber vom noch verwendeten Mikrofon vor Barbaras Mund verhindert wurde. Sie sang den letzten Ton aus, und Wiwaldi meckerte: „Nimm doch das Scheiß-Mikro weg!!“ Immerhin gab es noch eine Umarmung, und während Barbara danach schnell zur Seite abging, saß Wiwaldi in seiner Kiste fest und rief fordernd: „Nun komm in die Kiste! Los, komm in die Kiste!! Schöneberger!!!“ Aber es war nichts zu machen. Sauer schlug er mit der Pfote auf den Kistenrand, rief: „Scheiße!!“ und versank im Dunkel.

Stattdessen kamen Stefanie Heinzmann und Dirk Bach zu einem Duett auf die Bühne. Sie sangen wunderschön und sehr ernsthaft „Where the wild roses grow“. Stefanie sang sehr emotional und mit vibrierender Energie, aber auch Dirk war plötzlich ganz anders als sonst, weil er die Töne nicht lustig presste, sondern ganz ruhig, volltönend und erstaunlich tief sang. Gänsehautatmosphäre. Ich war beeindruckt und fand es sehr berührend. So würde ich ihn gerne öfter singen hören.

Am Ende strahlte Dirk, sah total glücklich aus und nahm Stefanie in die Arme. In diesem Moment kam schon die nächste Medley-Gruppe auf die Bühne. Jana Julie Kilka, Romina Becks und Jo Weil von der ‚Verbotenen Liebe‘ sangen „Can’t get you out of my Head“.

Ingrid Peters und Kay Ray brachten „Dance“, und Kay warf sich mit strahlenden Augen und so hingebungsvoll an Ingrid ran, hatte nur Augen für sie, als wäre er frisch in sie verliebt. Total süß.

Andreas Zaron und Ralph Morgenstern kamen mit „Your Disco needs you“, und Andreas sah erstaunlicherweise fast wie Milva aus und bewegte sich auch sehr fraulich. Katy Karrenbauer kam dazu, betonte in einem gesprochenen Zwischentext laut, dass die Disco uns alle braucht, und schon kamen nacheinander alle Kylie-Vertreter nochmal dazu, weil sie den Ruf natürlich gehört hatten.

Mit Sprühfontänen auf dem letzten Ton schloss das Medley fulminant ab und die Pause war erreicht.

Während der Pause war auf der Leinwand eine große Uhr zu sehen, die zuverlässig fünfundzwanzig Minuten herunter zählte. Es wäre ganz einfach gewesen, pünktlich in den zweiten Teil zu starten, aber leider kümmerten sich die meisten Zuschauer gar nicht um die Uhr, sondern unterhielten sich angeregt in den Gängen stehend und im Foyer. Lautes Bimmeln mit einer Glocke brachte keine Bewegung in den Pausenhof, und auch zwei laute Ansagen, dass doch bitte alle wieder ihre Plätze einnehmen sollten, hatten kaum merklichen Erfolg. Die Besucher zeigten sich gut gelaunt, aber eigenwillig. Bei einer Durchsage: “Es brennt. Bitte verlassen Sie unverzüglich das Gebäude!” hätten sie vermutlich gedacht: “Oooch, wir warten mal, bis die ersten Balken runter stürzen.”

Natürlich hätte knallhart die erste Shownummer auf der Bühne losgehen können, aber bei der dann auftretenden Unruhe, weil alle währenddessen in den Saal geeilt wären, wäre das unfair gegenüber den Künstlern gewesen. Mit einer deutlichen 15-Minuten-Verlängerung klappte es endlich, und der zweite Teil von Cover me ging ohne Ansage sofort los. Vier junge Damen kamen tanzend auf die Bühne, und erstaunlicherweise waren es ganz echte Damen. War bei Cover me ja nicht unbedingt zu erwarten. Sie waren aber nur das schmückende Beiwerk für Kay Ray und Ralph Morgenstern, die „Americano“ sangen. Auffällig war, dass tanzende Jungs, die bei auftretenden Damen auf der Bühne dabei waren, immer die Beachtung der Damen fanden, während Kay und Ralph die tanzenden Mädels kaum zu bemerken schienen. Dabei waren die echt süß.

Aber vielleicht lag es am Text, den Kay gut konnte und bei dem er Ralph immer mal wieder in die Spur brachte. Das brauchte viel Konzentration, die dann nicht mehr für die Mädels übrig war. Beim letzten Ton kippten die Mädels synchron auf den Boden – war es die Enttäuschung? -, und die beiden Männer guckten hin und machten: „Oh!“ Kay wusste aber wenigstens ihren Gruppennamen und stellte sie vor: Die Mehdi Haris Company. Ralph zog mit ihnen ab, und Kay versprach dem Publikum, dass es tosend weiter ginge. Aber vorher wollte er es dunkel auf der Bühne haben. „Ich hab einen super Anzug an“, versprach er, und er versprach nicht zu viel. Das Licht ging aus, und auf seinem Anzug leuchteten und blinkten die Lämpchen wie am New Yorker Time Square. „Ist das nicht toll?“, fragte er entzückt. „Meine Filipinos trampeln sich ’nen Wolf da unten.“

Vor der Anmoderation des nächsten Künstlers machte Kay schnell einen Abstecher zu Sex im Flugzeug und neuartigen Verhütungsmitteln, das Publikum ging inzwischen willig mit und lachte nicht mehr Hohoho, sondern Hahaha, dann kündigte er Katy Karrenbauer an. Mit tiefer Stimme sagte er: „Da fragt man sich ja, wie diese Stimme aus diesem elfenhaften Körper kommt.“ David Goldrake sollte dabei sein und den Auftritt magisch machen. Kay rief im Stakkato den Liedtitel: „Für – mich – soll’s – rote – Rosen …“, er zeigte auffordernd ins Publikum, das sofort laut mit „regnen!!“ antwortete, rief: „Bingo!!“ und machte Platz für Katy und David Goldrake.

Unten mit langen Beinen, oben mit langen Haaren, kam zuerst Katy Karrenbauer singend an, und ihre tiefe, kräftige Stimme stand im Gegensatz zu ihrer miniberockten Figur. Hinter ihr wurde schon wieder eine Kiste auf die Bühne geschoben, diesmal war sie aber nicht der Aufenthaltsort von Zirkuspferden oder Hunden, sondern von Magie. David Goldrake kam hinterher, warf Blatt für Blatt Rosenblüten auf den Boden, die aus dem Nichts in seine Finger kamen, und Katy sang in den „regnenden Rosen“ eine Textänderung: „Und David will mich heute zersägen, und ich hoffe, ich werd das überleben!“

Der versuchte auch sofort sie aufrecht in seine Kiste zu sperren, was etwas dauerte, denn sie wollte lieber draußen weitersingen und war auch etwas groß für die Kiste. Aber schließlich hatte er sie drin, klappte die Tür zu und ein ovales Loch, aus dem sie gucken konnte, gab ihr die Möglichkeit weiter zu singen. Ein kleines Feuerstreifchen züngelte an der Kiste entlang, und zack!, zerrte Herr Goldrake den Kistenteil mit Katys Oberkörper zur Seite und ließ ihre Beine im anderen Kistenteil zurück.

Sie schrie einmal kurz auf, sang aber tapfer weiter, und als er sie zurück auf ihr Unterteil geschoben hatte, konnte sie in einem Stück aus der Kiste steigen. Genau passend zur letzten Zeile. Der Magier schüttelte noch schnell Punkte aus einem Tuch, die zu einem Regen von Rosenblättern wurde. Die Zuschauer waren entzückt und klatschten wild.

Auf der Bühne wurde es dunkel und einige Techniker packten Besen aus und kehrten die Romantik weg, während es auf der Leinwand einen kleinen Einspielfilm von mir gab, den ich an den letzten beiden Probetagen gefilmt hatte. Das Zirkuspferd (beziehungsweise Martin Reinl) hatte die Künstler dort vollgequatscht, was bei denen viel Heiterkeit ausgelöst hatte. Der Einspielfilm war extrem aktuell, denn viele Szenen waren erst am Vortag gemacht, alles in der Nacht geschnitten und in den Morgenstunden fertig gestellt worden. Das Publikum hatte beim Ansehen Spaß, und als der Film fertig geguckt war, war die Bühne wieder sauber.

Eine musikalische Höchstleistung versprach Kay Ray bei der nächsten Künstlerin, die Céline Dions „It’s all coming back to me now“ singen wollte. Joanna Zimmer war blind und kam mit einer Begleitung auf die Bühne, die sie zielgerichtet vor das Mikrofon brachte. Schmal und grazil, mit langen Haaren stand sie in der Bühnenmitte, und einzelne Flügeltöne begannen das Intro. Mit ihrer klaren, kräftigen Stimme sang Joanna Zimmer sehr amerikanisch geprägt, im Hintergrund setzte zart der Backgroundchor ein, die Begleitagentur ging perfekt auf jeden Stimmungswechsel ein – ich fühlte mich wie in Amerika im Las-Vegas-Konzert. Das Publikum johlte schon in den letzten Tönen auf und applaudierte laut.

„What a voice!“, brüllte Kay und im Zuschauerraum wurde nach Zugabe gerufen. Joanna Zimmer ging aber schon mit ihrer Begleitung ab und so konnte sofort weiter geklatscht werden, als Kay stattdessen die Musiker der Begleitagentur vorstellte. „Josef Kirschgen, Eberhard Schröder, Gero Körner, Felix Petry, Christoph Fischer, Mirco Rum, Thorsten Heitzmann, Klaus Tenner!“, rasselte Kay runter und das Publikum applaudierte ohne Pause.

Gleich danach wurde schon wieder ein großartiger Sänger angekündigt. Max Mutzke kam unerwartet ernsthaft an – meistens lächelte man doch erst ins Publikum, wenn man auftrat -, aber die Band spielte schon ein ruhiges, balladiges Intro und er konzentrierte sich auf die Stimmung des Liedes. Und dann legte er los. Wumm! Ich kippte aus den Schuhen – zumindest innerlich. Mit rauer, leicht belegter Stimme, sehr emotional und wunderbar soulig begann er „Me and Mrs. Jones“, und nicht nur ich kippte. Dieser Anfang riss auch andere Zuschauer zu entzückten Rufen und spontanem Applaus hin, weil er einfach so sensationell gut war. Aber es blieb auch im weiteren Lied so gut. Boah, was konnte Max Mutzke Töne ziehen, Endkonsonanten vibrieren lassen, sanft und zart, fast flüsternd, oder auch aufwühlend laut singen! Er litt, er liebte, er hoffte. Es war ein Erlebnis. Großartig!

Noch in den letzten Tönen gab es laute, begeisterte Pfiffe und großen Applaus. Und ich holte tief Luft, kam in die Realität zurück und richtete mich innerlich wieder auf. Was für eine Stimme!!

Der Applaus hörte gar nicht auf und konnte gleich für Barbara Schöneberger genutzt werden, die sich zu Max Mutzke gesellte. „Let me be your Mrs. Jones“, gurrte sie. Die Band begann balladig, Barbara setzte mit warmer Stimme ein und sie sangen als Duo „Summer Wine“. Barbara mit weicher Stimme, Max mit rau belegter, die sehr sexy wirkte, zumal er Barbara dabei intensiv ansang und manchmal zärtlich an den Federpuscheln ihres Mantels spielte. Prickelnd. Und sehr schön.

Kay kam zurück und rief, in Anspielung auf Barbaras Singprogramm: „Jetzt singt die auch noch!“ und ergänzte: „Und dann mit DEM. Und der singt auch so gut! Frechheit!!“ Als die Beiden die Bühne verlassen hatten, verlangte er, dass jetzt endlich mal „Schick, Charme und Anmut“ auf die Bühne müssten und sagte Ingrid Peters und Andreas Zaron mit „Felicita“ an. Ingrid Peters schritt in wallendem Rock und mit langen Haaren in die Bühnenmitte und neben ihr watschelte Andreas Zaron auf Knien mit.

Sie waren eindeutig Albano und Romina Power, er sang italienisch, sie deutsch, in den Refrains sangen dann beide italienisch, wobei Ingrid immer wieder mit ihren langen Haaren kämpfen musste, die ihr ins Gesicht fielen. Witzig. „Albino und Romana Power!“ rief Kay am Ende und erklärte: „Sie sahen Ingrid Peters als Dunja Rajter!“ Stimmte! Die Ähnlichkeit war verblüffend, das fiel mir aber jetzt erst auf.

Während Kay unterhaltsam über die Börse, Bankmanager und die Mafia philosophierte, gab es Bewegung am unbeleuchteten Bühnenrand. Irgendjemand kletterte auf den Flügel und hüllte sich unter weiße Laken. Kay drehte sich um und kommentierte: „Da hat sich ja schon jemand breitgemacht auf dem Geflügel“, und der Lichtkegel zeigte viel Laken und zwei Füße, die darunter heraus schauten.

Kay blickte liebevoll auf den Haufen Laken und bat um einen Applaus für diese Dame. „Sie macht das Duett, das für heute geplant war, alleine. Warum das so ist, werde ich Ihnen nachher sagen.“ Und dann verriet er endlich, zu wem die Füße gehörten: Pe Werner. Die tauchte zu den ersten Tönen verschlafen aus den Decken auf und benahm sich, als läge sie nicht im E-Werk auf der Bühne, sondern in ihrem eigenen Bett. „I can’t make you love me“, stellte sie fest und verabschiedete sich ganz sanft, wunderschön singend und sehr berührend von ihrer Liebe. In träumerischer Atmosphäre lag sie am Ende des Liedes auf dem Flügel und Lichtstreifen wanderten langsam über das Laken. Schön!

Großer Jubel vom Publikum, und barfuß und nur unordentlich in das Laken gehüllt, verbeugte sich Pe und dankte dafür. Als sie abging, erklärte Kay, warum das Duo keins war. „Es fehlt nämlich jemand. Das Lied stimmt traurig, und zu Recht, denn Juliette Schoppmann ist heute nicht dabei.“ Juliette, die sonst immer bei Cover me dabei war, war von der Grippe erwischt worden und musste ihr eigenes Bett hüten, anstatt das Flügelbett auf der Bühne nutzen zu können. Schade.

„Holde Weiblichkeit“ versprach Kay aber auch beim nächsten Gast, der klein sei, sich aber ein Lied von der großen Lady Madonna ausgesucht hätte. Annett Louisan hüpfte in einem weit schwingenden Rock auf die Bühne, und bei ihrer mädchenhaften Stimme, der puppenhaften Aufmachung und dem Blick aus den großen Augen war sofort zu glauben, dass sie „Like a virgin“ war. Wer sie nur akustisch wahrnahm, überlegte bei ihrer zarten Stimme vermutlich, ob sie so ein Lied in diesem Alter überhaupt schon singen durfte. Es hatte dadurch seinen ganz eigenen Reiz.

Danach zogen mehrere Gestalten auf die Bühne, die phantasievoll russisch kostümiert waren. Das Publikum juchzte freudig auf. Bernd von Fehrn, Ingrid Peters, Katy Karrenbauer, Barbara Schöneberger und Ralph Morgenstern waren „Dschingis Khan“, und in der Mitte drehte sich Dirk Bach mit großer Ernsthaftigkeit und stellte den Tänzer der Gruppe dar. Sein weiter Umhang ließ ihn wie eine große Fledermaus aussehen und lange, dunkle Locken und ein dünner, langer Kinnbart standen ihm erstaunlich gut. Er drehte sich und schwenkte den Umhang, während die anderen temperamentvoll „Moskau“ sangen.

Eine schöne, bunte, wirbelige Nummer. Kay kam danach an, nannte laut alle Namen der Dschingis-Khan-Gruppe und machte dabei aus Katy Karrenbauer eine Katja Karrenberger.

Er wandte sich ans Publikum: „Und wenn Sie sich fragen, wer all die Kostüme gemacht hat, – ich weiß jetzt nicht, ob das kleine von Albano auch dabei war, ich hasse kleine Männer, die hängen immer so lästig am Knie – da gibt es einen wunderbaren Menschen, der hier für alle Kostüme zuständig ist.“ Das war Hazy Hartlieb und der kam auch sofort auf die Bühne.

Er trug einen bestickten Seidenanzug und legte eine elegante Verbeugung hin, wie sie eine Primaballerina nach dem Solo-Spitzentanz nicht besser machen könnte. Ein Strauß Rosen wurde ihm gereicht und er freute sich: „Passend zum Rosa des Anzugs“. „Du siehst aus wie eine schneidernde Wiese“, lobte Kay Ray und guckte ihm beim Abgehen verzückt hinterher. „Wunderschön! Ein Gesamtkunstwerk!“ Ganz abgesehen von den tollen Kostümen und seinem großen Einsatz hinter der Bühne, fand ich Hazy Hartlieb klasse. Er wirkte wie aus einer anderen Welt, so als wäre er gerade mit seiner Kutsche und sechs Schimmeln über die Zugbrücke seines Märchenschlosses gefahren, um Cover me zu besuchen und mal eben mit großen, alten Holzkisten voller Kostüme auszuhelfen.

Kay rief auch die Maskenbilderinnen nach vorne, die sich hinten nach dicht beschriebenen Ablaufplänen und in kleinen Eckchen um alle Schmink- Haar- und Umdekorierfälle kümmerten. Bernd von Fehrn eilte mit einem Strauß Rosen dazu, gab jeder eine Rose, verlor ein paar und ging die kleine Reihe mehrfach ab, um dann auch alle Rosen zu verteilen. Kay sang dazu: „Für dich soll’s rote Rosen regnen, euch sollten sämtliche Pinsel begegnen“, und ich würde sagen, er meinte diesmal wirklich nur die Schminkpinsel. Vielleicht aber auch nicht.

„Der Wahnsinn nimmt keine Ende!“, verkündete Kay, sprach davon, dass der nächste Gast auch beim Grand Prix … und sofort wurde freudig der Name reingerufen. Einige Gäste waren gut informiert. Die meisten Namen standen allerdings auch auf den Plakaten. Kay ließ zuerst die Frauen im Saal laut jubeln, dann die Männer und schließlich alle zusammen. „Einen tosenden Applaus füüüüüür …. Johnny Logaaaaaaan!“ Das Schlagzeug knallte los, und Johnny Logan kam, ein wenig grauhaariger als früher, aber immer noch mit rockig-geschmeidigen Hüften auf die Bühne und bewegte sich rhythmisch, um noch mehr einzuheizen. Dann sang er los, hatte die vertraute, junge Johnny-Logan-Stimme und rockte das Haus mit „Addicted to Love“. Große Klasse.

Ich fand den sowieso seit seinem ersten Grand Prix Auftritt toll und sehr sympathisch und hatte mich sehr gefreut, dass er zu Cover me kam. Und dann legte er auch noch so eine super Bühnenshow hin, rockig, mit rasanter Doppeldrehung um die eigene Mitte und schönem Improvisationsteil.

Das Publikum tobte am Ende. „Thank you“, lachte Johnny Logan glücklich ins Publikum, und sagte dann ruhig und ernsthaft: „What a lovely evening. I’m very honoured to be here, to be part of the show.“ Er dankte Dirk und den Leuten, die ihn eingeladen hatten, und startete ein weiteres Lied, das sanftere „One“.

Nach der ersten Strophe machte er etwas Platz in der Bühnenmitte und sagte: „Ladies and gentlemen, Damen und Herren – Pe Werner!“ Es war faszinierend die beiden Stimmen als Duo zu hören. Seine sehr sanft und warm, ihre souliger und härter. Ein wunderbarer Kontrast, bei dem sich die Stimmen ergänzten. Man konnte Johnny Logan ansehen, dass er sich wohl fühlte. Getragen von einer so tollen Band, dazu eine Gesangspartnerin, die souverän und richtig gut war – wenn er vorher vielleicht gerätselt hatte, was das für eine undefinierbare Veranstaltung mit extrem unterschiedlichen Musikstilen war, jetzt wusste er, dass er richtig und gut aufgehoben war. Im schnellen Liedteil am Ende war Pe dann leider zu leise eingestellt und kam gar nicht über den Backgroundchor drüber. Schade. Aber dafür gab es dann eben mehr von Johnny Logan zu hören, da konnte man nicht klagen.

Im frenetischen Applaus kam Dirk Bach auf die Bühne und rief: „Die unvergleichliche Pe Werner and Johnny Logan!“ Er ging auf Johnny Logan zu und sagte gerührt: „You were my Grand Prix Dream Vote!“ Oh, da hatten wir was gemeinsam, der Dirk und ich. Die beiden umarmten sich herzlich, Dirk sagte liebevoll: „Thank you so much!!“ und Johnny gab zurück: „It’s a pleasure, an honour“. Er wünschte dem Publikum noch: „Enjoy your evening, guys!“ und ging winkend und unter jubelndem Applaus ab.

Hinter Dirk waren Elfi-Scho-Antwerpes, die Vorsitzende der Kölner Aids-Hilfe, und zwei riesige Kartoffelecken, Werbeträger einer Firma für Kartoffelprodukte auf die Bühne gekommen. Dirk begrüßte Elfi mit einem Kuss auf die Wange und drehte sich dann grinsend um: „Und wir haben Kartoffeln auf der Bühne. Ich war noch nie mit Kartoffeln auf der Bühne.“ Er erklärte Elfi die beiden unterschiedlichen Gestalten: „Das ist ein Kartoffel-Wedge und das ist eine Kartoffel-Ecke.“ „Welcher ist leckerer?“, erkundigte sich Elfi. „Ich weiß es nicht, aber innen drin sind auf jeden Fall zwei sehr leckere junge Männer“, antwortete Dirk.

Die etwas seltsam anmutenden Riesen-Kartoffeln auf der Bühne waren Vertreter eines Sponsors der Veranstaltung und bildeten die Deko, während Elfi Scho-Antwerpes berichtete, dass Cover me vor neun Jahren von Dirk Bach und Bernd von Fehrn aus der Wiege gehoben wurde. „Die Mutti!“, rief Dirk erfreut, als Bernd auf die Bühne geeilt kam und sich neben ihn stellte.

Elfi Scho-Antwerpes guckte ins Publikum, es war aber nicht ganz klar, ob sie noch zu Bernd und Dirk sprach, und fragte laut: „Jetzt sagt doch mal, wart ihr mit dem Programm -NICHT- zufrieden?“ Das Publikum blieb verwirrt stumm. Dirk erstarrte und guckte sehr, sehr fragend und Bernd riss entsetzt den Mund auf. Allgemeiner Gedanke: Häh???

„Soooo still!“, freute sich Elfi orakelhaft, und Dirk und Bernd, denen langsam ungefähr dämmerte, was die Frage bedeuteten sollte, atmeten erleichtert auf. „Zeigt ihnen das Gegenteil!“ rief Elfi Scho-Antwerpes auffordernd ins Publikum, was vermutlich heißen sollte, dass man klatschen musste. Das taten alle brav, sogar die Kartoffeln. Bernd drehte sich um und applaudierte der Band, und Dirk nickte: „Genau! Ohne euch hier hätten wir es natürlich nie machen können. Die beste Band der Welt!“

Ich fand Elfi Scho-Antwerpes sehr nett, aber mit ihrer bedächtigen Art zu reden, den Pausen in den Sätzen und den manchmal unfreiwillig etwas komplizierten Formulierungen, dauerte die ganze Kartoffel-Danke-Ehren-Nummer doch recht lange. Na klar, man musste vielen Leuten danken und manches erklären, aber das hätte Kay Ray vermutlich in weniger als drei Minuten geschafft und dabei noch fünfunddreißig kurze Witze untergebracht. Dirk und Bernd standen etwas verloren herum und warteten, die Zuschauer wurden langsam unruhig, die Kartoffeln winkten hin und wieder, und es hörte nicht auf.

Endlich schaffte es Bernd an das Mikrofon zu kommen. Die Kartoffeln und Elfi wurden verabschiedet, und Bernd rief Kay Ray nach vorne. Es gab Küsschen und Blümchen für Kay, Dirk und Bernd, und Kay konnte endlich das Finale ankündigen. „Das größte, das es je gegeben hat!“, rief er, änderte dann seine Stimme in den Normaltonfall und legte den großen, hindernden Rosenstrauß auf dem Flügel ab. „Ich leg mal meine Rosetten hierher.“

Er griff nach seinen Infokarten und nannte am Stück die Namen aller im Hintergrund arbeitenden Leute, schrie dem durchgehend klatschenden Publikum zu: „Nicht aufhören! Ich hab noch zwei Zettel. Und danach gibt es noch eine Lesung aus meinem Buch!!“, und las weiter Namen für Namen laut präsentierend runter. Dann holte er Luft und sagte, fast erschöpft: „Und nun kommen alle auf die Bühne“, nahm einen weiteren Zettel in die Hand und atmete tief durch: „Noch’n Zettel.“

Wie in jedem Jahr kamen die Künstler nicht so schnell an, wie sie zum Finale vorgelesen wurde. Kay fragte laut nach hinten: „Wo seid ihr?“, aber Bernd riet: „Lies einfach weiter, die kommen nach und nach!“ So war es, sie kamen alle nach und nach an, und sogar für die kranke Juliette Schoppmann, die ja gar nicht da war, gab es einen Extra-Applaus.

Als alle teilnehmenden Künstler aufgerufen waren, rief Kay Ray noch Dirk und Bernd, die zum Verbeugen in die Bühnenmitte eilten. Bernd rief schnell: „Und Kay Ray!“, und ein weiterer dicker Applaus folgte. In diesem Moment bekam Kay einen kleinen Hinweis von Jonathan Briefs, der Backstage alles regelte, und gleichzeitig kam schon Elton in depressiv gebückter Haltung auf die Bühne geschlichen. Kay eilte zu ihm hin und sagte entschuldigend: „Elton, du standest nicht auf dem Zettel.“ Alle lachten schallend los – das passte doch wieder perfekt zum Praktikantenstatus -, und Dirk nahm Elton tröstend in die Arme.

Die Bühne war voll, einige Nachzügler, deren Name schon lange genannt war, eilten dazu, und am Schluss wurden die drei Backgroundsängerinnen Sabine, Jemma und Katja nochmal nach vorne gerufen. Sie blieben gleich dort, denn zum ersten Mal in der Geschichte von Cover me sollte es ein professionelles Finale geben. Also nicht das abwechselnde Singen, bei dem nach den ersten Sätzen nicht mehr ganz klar war, wer jetzt dran war, ob der ein Mikro hatte und wo er sich überhaupt im Bühnengewimmel befand, sondern ein klar durchdachtes Arrangement, bei dem die Backgroundsängerinnen den Gesang anführten.

Das klappte auch, und „I never can say Goodbye“ klang professionell und geordnet, aber trotz der drei guten Stimmen fand ich es nicht so lebendig und herzergreifend wie die chaotischen Versionen der vorherigen Jahre. Es war zu glatt und zu richtig. Die anderen Künstler, die mitsangen, waren kaum zu hören und wurden zur Bühnendekoration, zum Teil nicht mal mit viel Licht bedacht. Musikalisch war es deutlich besser als in den Jahren davor, aber ich wollte doch keine saubere Radio-Unterhaltungs-Version, sondern „meine“ fröhlich singende Cover-me-Familie.

Am Ende gab es wieder einen dichten Regen von wirbelnden, silbernen Schnipseln, die von oben kamen und alles bedeckten, und das schon seit langem stehende Publikum applaudierte wild, pfiff und johlte. Kay brüllte: „Vielen Dank! Bis zum nächsten Mal! Cover me 2011!“

Sofort setzte die Begleitagentur nochmal ein, um den Refrain ein letztes Mal anzustimmen. Auch hier waren die drei Sängerinnen wieder die akustischen Hauptakteure. „Fröhliche Weihnachten!“, rief Bernd von Fehrn im Anschluss, und das großartige Cover me 2010 war beendet. Das Publikum klatschte noch etwas, einige Künstler warfen Blumen ins Publikum, es wurde gewinkt, und ganz langsam löste sich die die Versammlung auf der Bühne auf. Wieder mal ein tolles Konzert, ein einmaliges Erlebnis, das sich nicht wiederholen lässt. Ein wundervoller Abend!