Wise Guys – Voll auf die Ohren, WDR 5 – 2002
13.10.2002 – Köln, Schauspielhaus
Die WDR5 Comedy Nacht
Dieter Nuhr, Wise Guys, Horst Evers, Bodo Wartke, Alfred Dorfer & Band
Das war mal eine interessante Sache. Der Abend war eine Aufzeichnung für das Radio, und da ich fast alle auftretenden Künstler kannte, musste ich gar nicht hingucken, sondern konnte mit geschlossenen Augen im Schauspielhaus sitzen bleiben. Was hätte es auch für einen Sinn gemacht, einer Radio-Sendung zuzusehen? Bei Dieter Nuhr, Horst Evers und den Wise Guys wusste ich ganz genau, wie sie aussahen. Auf Bodo Wartke und Alfred Dorfer musste ich nur einen kurzen Blick werfen, um fürs Hören ausreichend informiert zu sein. Aber natürlich konnte ich mich nicht beherrschen und blinzelte immer wieder, ach was, ich guckte sogar durchgehend zur Bühne und sah intensiv zu. Bei einer Radio-Sendung!
Bevor die Veranstaltung im WDR-Sendesaal losging, standen noch viele Leute an der Abendkasse, die ebenfalls Radio gucken wollten. Bevor aber alle eine Karte hatten, wurde schon ein “Ausverkauft”- Schild ins Fenster gehängt. Im Saal war es dann knackevoll und mehr als ausverkauft – einige Leute blieben sogar am Rand stehen.
Das Stimmengewirr wurde sofort leiser und gegen ein gespanntes Gemurmel ausgewechselt, als die Saaltüren zugingen. Dann wurde das Licht runtergefahren und in die Stille hinein tönte eine Ansage für die spätere Radio-Sendung. Dieter Nuhr kam auf die Bühne, kündigte “wunderbare Gäste” an und betonte: “Wirklich wunderbar. Da brauch ich nicht mal lügen – wie schön!” Er erinnerte an das Abschalten der Handys, erklärte den Notausgang und wies auf die spätere Ausstrahlung der Sendung hin, die als “Köln-Comedy-Radio- Nacht” galt, aber an einem Samstag von 16 bis 18 Uhr laufen würde.
Dieter Nuhr sprach bedächtig, leise und wenig bühnentypisch. Eher so normal. Bei mir zu Hause am Küchentisch bei einer Tasse Tee würde er vermutlich genauso erzählen. Gleiche Tonlage, gleiche Lautstärke, nur eben ohne Mikro. Allerdings ist das eine reine Vermutung, denn Dieter Nuhr saß bei mir noch nicht am Küchentisch und ich weiß nicht mal, ob er nicht lieber Kaffee trinkt. Vielleicht spricht er auch immer mit Mikro, ich kann da eben wirklich nichts Genaueres sagen. Ist aber auch völlig egal.
Aus dem Publikum ertönten plötzlich laute Zwischenrufe. Was waren das denn für Störer? Ich guckte etwas entsetzt (spätestens hier hätte ich sowieso die Augen aufgemacht), und auch Dieter Nuhr war etwas aus dem Konzept gebracht. Er fragte besorgt in den Lärm hinein, hörte kurz und sagte dann: “Oh! Sie verstehen nichts? Warum lachen Sie dann?” Es stellte sich heraus, dass der Ton hinten im Saal ziemlich gut war, dafür vorne kaum zu hören. Die vorderen Boxen waren viel zu leise, und nachdem sie lauter gestellt waren, grinste Dieter Nuhr in die ersten Reihen: “Ihnen bläst es jetzt den Schädel weg. Na, das müssen wir jetzt hinnehmen.” Ganz freundlich erkundigte er sich: “Geht es jetzt? Gut, dass Sie sich gewehrt haben. Soll ich nochmal auftreten?” Er trat unter Jubel nochmal auf und grinste erfreut: “Das wird jetzt Arbeit für die, die müssen das zusammenschneiden!” Das Publikum war freudig aufgedreht und fand alles sehr lustig. Leider war der Ton durch das Aufdrehen der vorderen Boxen im hinteren Bereich sehr hallig geworden, aber wenigstens konnten jetzt alle hören, um was es ging.
Der erste Künstler des Abends kam aus Berlin und war Horst Evers. Er kam auf die Bühne und begann nach einer Einleitung mit seiner Geschichte “Zwei Plätze für Scholz”. Das Publikum reagierte nicht sehr laut und temperamentvoll, amüsierte sich aber doch ziemlich gut. Die Geschichte war schön schräg und sehr lustig. Horst Evers las aber manche Stellen etwas zu schnell, so dass sie bei der halligen Tonabmischung im Saal nur schwer zu verstehen waren. Schade. Wahrscheinlich wird die Radioabmischung später sehr gut sein, aber für das Live-Publikum war es nicht ideal.
Das Publikum war allerdings selbst etwas lahm und es gab tatsächlich einige Zuschauer, die gar nicht oder nur äußerst selten applaudierten. Die hatten das mit dem Radio und dass später Zuhörer an den Apparaten zuhören würden, irgendwie ganz falsch verstanden.
Dieter Nuhr kam zur Zwischenmoderation und kündigte einen weiteren Künstler aus Berlin an: Bodo Wartke. Von dem hatte ich noch nichts gehört, war aber interessiert. Ich erwartete nichts Besonderes und freute mich generell über gute Unterhaltung, die ich wohl haben würde. Mit der “guten Unterhaltung” hatte ich mich aber getäuscht, denn schon beim ersten Stück wurde mir klar, dass ich da ganz unerwartet supergut unterhalten wurde.
Bodo Wartke spielte lässig am Flügel und sang dazu seine eigenen Texte, aber er sang sie nicht nur, sondern spielte sie mimisch, drosselte das Tempo, um dem Publikum etwas zu sagen, stieg wieder ein und “erzählte” intensiv und spannend in Liedform. Sehr gut gemacht und dazu noch witzig. Auch der Ton war wesentlich besser als vorher bei Horst Evers. Bodo Wartke war ganz locker, hatte immer wieder Kontakt mit den Zuschauern, spielte mal forsch, mal schüchtern, und das Publikum konnte auf einmal laut lachen und zeigte gute Stimmung. Ein Lied über die “Love-Parade” in Berlin spielte er mit strahlendem Lächeln im 3/4-Takt und sang dazu freudig: “Der Duft nach Kot und Urin, das scheint sie zu sein: die Luft von Berlin.” Ich fand es superkomisch und sehr schön abgedreht.
Das Publikum jubelte inzwischen laut und hatte Bodo Wartke voll ins Herz geschlossen. Der sang noch ein Lied über den geplanten Axt-Mord an seiner Frau, und zum Schluss ein internationales Liebeslied, bei dem die Zuschauer immer wieder in lautes Lachen ausbrachen. Wenn ein Auftritt als voller Erfolg zu werten war, dann dieser. Der Applaus am Schluss war wirklich riesig und sehr, sehr laut. Große Klasse! Bodo Wartke – den muss man sich merken! Ich weiß schon, dass ich ganz sicher mal auf einen Soloabend von ihm gehen werde. Der End-Beifall für ihn war so stark, dass er nochmal auf die Bühne zurückkommen musste. Wahnsinn! Er verbeugte sich lächelnd, ging wieder ab, und Dieter Nuhr sagte grinsend: “Das geht jetzt von Ihrer Zeit ab, denn eigentlich ist schon Pause.” Und die war dann auch sofort.
Zwanzig Minuten später ging es weiter im Programm. Allerdings begann es mit der Abmoderation von Bodo Wartke, die von Dieter Nuhr nochmal gemacht werden musste, “weil die das nachher aneinanderschneiden. Man wird zu Hause nur beschissen.” Sehr bereitwillig gab das Publikum nochmal großen Applaus für Bodo Wartke und jubelte völlig ohne weitere Aufforderung laut.
“Der nächste Künstler kommt aus so was Ähnlichem wie Berlin,” erklärte Dieter Nuhr, “er kommt aus Wien.” Alfred Dorfer, der Träger des aktuellen Kleinkunstpreises der Sparte Kabarett kam mit drei Band-Herren auf die Bühne. Mit erstaunlich tiefer, voller Stimme sprach er in starkem Wiener Dialekt und ich fand es zunächst witzig. Dann fiel mir aber auf, dass es fast immer kurze und nicht jedes Mal originelle Gags waren, die mir oft nicht gut genug waren.
Das erste Lied war nicht mein Fall und im weiteren Verlauf lachte ich zwar immer mal wieder etwas, aber meistens fand ich es nicht umwerfend. Trotz Kleinkunstpreis war es nicht ganz meine Humorschiene. Am Schluss stellte Alfred Dorfer ein lautes Metronom an und es ging um “die Zeit, die vergeht”. Die Band spielte leise dazu, und er seufzte “Eieieiei” und “Jaaa, so ist das” oder auch mal ein langes: “Aaaaaaaaaach. So ist das. Man erwartet was und dann kommt nix.” Es war nichts los, aber gerade diese Idee gefiel mir sehr und ich fand es gut. Zwei der Bandleute waren ebenfalls so skurril, dass das dann sehr witzig war.
Während Dieter Nuhr den letzten Auftritt des Abends anmoderierte, wurde um ihn herum die Bühne freigeräumt. Er kündigte an: “Vielleicht den Höhepunkt des Abends, hier sind die Wise Guys!” Die fünf jungen Männer kamen auf die Bühne und starteten ohne Ansage mit einem A-cappella Lied ‘Sing mal wieder!’ Der Sound war knallig, kräftig und wunderbar präsent, der Bass wummerte fest und der Sound gefiel mir richtig gut. Das Publikum blieb während des Liedes allerdings weitgehend ruhig. Das nächste Lied war ‘Kinder’ und nach der ersten Zeile “Kinder find ich nicht so toll!” blieb es im Publikum sehr ungewohnt still. Sonst reizte diese Stelle das Publikum immer zu lautem Lachen, aber im Saal des Schauspielhauses blieb es ruhig. Die Zuschauergesichter um mich herum guckten jedoch breit grinsend und sehr amüsiert.
Von Lied zu Lied stieg der Endapplaus an, aber während der Stücke blieben die Reaktionen eher leise. Etwas ungewohnt und ich fand keine richtige Erklärung. Der Sound war gut, die Darbietung auch – eigentlich hätte es jubelnder ankommen müssen. Manchmal ist es nicht zu begreifen. ‘Deutscher Meister’ wurde laut beklatscht und nach langem Endapplaus kamen die Wise Guys nochmal auf die Bühne und sangen ‘Jetzt ist Sommer’. Im Saal wurde heftig mitgeklatscht, die Stimmung war also grundsätzlich da, aber es wirkte trotzdem ein wenig lahm.
Zum großen Abschlussbild kamen die Wise Guys auf die Bühne, stellten sich am linken Rand auf und sangen eine textfreie Variante von ‘Sing mal wieder’ als Hintergrundmusik. Währenddessen sagte Dieter Nuhr alle Künstler nochmal an, holte sie dabei auf die Bühne und moderierte mit der Wise Guys Begleitung die Radio-Sendung ab. Eine sehr gute Idee, die dazu noch wirklich klasse klang.
Fazit: Ein sehr schöner Abend mit dem überraschenden Star: Bodo Wartke. Mir hat es sehr gefallen und ich bin froh, dass ich ziemlich kurzfristig Karten geholt habe. Und ohne Gucken wäre es nur halb so schön gewesen.
Die Wise Guys haben gesungen:
Sing mal wieder
Kinder
Chocolate Chip Cookies
Powerfrau
Deutscher Meister
Jetzt ist Sommer