Wise Guys – 19.06.2010 – Tanzbrunnen – Köln … mit den Bläck Fööss
Schafskälte hieß das, was an diesem Samstag über das Rheinland hereinbrach. Schafskälte hieß es nach dem uralten Bauernkalender, weil es die Zeit war, in der frisch geschorene Lämmer im Juni wegen eines Kälteienbruchs froren. Im Tanzbrunnen gab es keine Schafe, ich war nicht geschoren und trug sogar ein Sweatshirt, aber ich fror trotzdem. Außerdem regnete es in den Stunden vor Konzertbeginn zwischendurch leicht, was es nicht angenehmer machte. Ich trug es mit Fassung und stellte mich auf einen eventuell total verregneten, kalten Konzertabend ein. Irgendwie hatte ich aber das Gefühl, dass es so schlimm nicht werden würde.
Die Wise Guys machten am frühen Nachmittag ihren Soundcheck auf der Bühne, die Kameraleute bereiteten sich auf die Übertragung für die Videoleinwand vor und die letzten neugierigen Fans schauten vor der Bühne zu, ehe sie sich vor dem dann geschlossenen Tor anstellen und auf den Einlass warten mussten.
Die Bläck Fööss, Kölns Traditionsgruppe, die für viele Rheinländer ein Teil von Köln sind, kamen zum Soundcheck dazu, weil sie für einige Lieder Gäste am Tanzbrunnen waren. Besonders für Dän, der schon als Kind am Tanzbrunnen Bläck Fööss Konzerte miterlebt hatte, eine wunderbare Sache. Außerdem ging es musikalisch sofort mitreißend ab, als “Rollbrett” mit Instrumentenverstärkung und aus so vielen Kehlen gesungen, über den Platz fegte. Es machte schon bei der Probe Spaß und ich freute mich auf den späteren Auftritt.
Zweieinhalb Stunden vor Konzertbeginn wurden die Tore geöffnet und die Besucher strömten auf das Gelände. Bis auf wenige Restkarten war der Abend ausverkauft und alle hofften, dass das Wetter nicht komplett ins Nasse umschlagen würde. Auch für die Wise Guys begann die Wartezeit, und während vor der Bühne die Fans irgendwie die Zeit rumbringen mussten, hatten die Wise Guys im Backstagebereich ein ähnliches Problem. Allerdings mussten sie nicht fest auf ihren Plätzen stehen bleiben, um sie zu reservieren.
Ziemlich pünktlich versammelten sich die Wise Guys kurz vor Konzertbeginn im Seitenbereich der Bühne und die Fans, die sie durch den dunklen, aber nicht blickdichten Vorhang sehen konnten, begannen laut von der Zehn herunterzuzählen. “Zehn – neun – acht – …” Eddi stellte plötzlich Probleme mit seinem Sender fest und rief nach dem Techniker. “…. vier – drei – …” Der Techniker eilte herbei und besah sich das Gerät, “… eins – NULL!!!” Der Techniker probierte am Sender herum und die Wise Guys warteten ab. Das Publikumsgejubel erstarb enttäuscht. Schade, hätte im Timing gut gepasst. Aber Wise Guys Fans sind geduldig, und wer stundenlang vor dem Tor und stundenlang vor der Bühne ausgeharrt hat, sieht eine Verzögerung von zwei Minuten nicht als wirkliches Problem an.
Der Sender wollte dann doch mitmachen und es ging los. Die Sonne kam raus, und unter dem tosenden Applaus der erleichtert und freudig aufschreienden Zuschauer betraten die Wise Guys die Bühne. Es ging sofort mit Klassenfahrt los und das Publikum klatschte und sang begeistert mit
Ohne Ansage ging es mit Ich hab geträumt weiter und sofort danach mit Wo der Pfeffer wächst. Damit war das Publikum, das schon vor Konzertbeginn vorfreudig und innerlich auf 110 war, probblemlos auf 180 im Stimmungsbaromater gebracht. Und als wäre es nicht genug des Anheizens, wallte zwischendurch auch dicker Kumuluswolken-Nebel über die Bühne, der an die Überhitzung eines Monitors denken ließ und alles noch aufregender machte. Natürlich sangen die vielen Fans den Pfeffer-Text sicher mit und Dän konnte weitgehend pausieren und freudig grinsen. Beim Tanzbrunnen ging es immer ab.
Nach dem durchgehenden Drei-Lieder-Block begrüßte Dän das Publikum, stellte sich und seine Jungs als “die Wise Guys aus dem Rheinland” vor und machte sich weiterhin Sorgen wegen des Wetters. “Ihr steht hier teilweise brutal in der prallen Junisonne.” Die Zuschauer, die sich nach der grauen, kalten Wartezeit sehr über die leichten, unerwarteten Sonnenstrahlen freuten, sie aber nicht wirklich ernst nehmen konnten, lachten vergnügt. Hauptsache kein heftiger Regenguß im Verlauf des Abends. Was redete Dän da gleich von Sonnenmilch?
Dass sie in diesem WM-Jahr verpasst hatten, einen dazu passenden Song zu schreiben, bedauerte Dän, versprach aber, das nachzuholen. Sie würden an diesem Abend eine Live-Aufnahme machen, die am kommenden Montag veröffentlicht werden sollte. Dazu brauchten sie vom Publikum einen typischen Stadion-Sound, wie er von den lauten Vuvuzela-Tröten kam. Er machte einen trompetigen Ton vor und forderte die Zuschauer auf, ihn nachzumachen. “Trötiger!” forderte er, dann war der Sound überraschend echt. Ich fühlte mich wie vor dem Fernseher mit WM-Spiel, aber zum ersten Mal empfand ich den Dauer-Trötenlärm nicht als Belästigung, sondern hatte Spaß.
Tausende von mundgemachten Vuvuzela-Tröten trompeteten, die Wise Guys stellten sich auf, gaben den Einsatz und begannen zu singen. Nein, singen wäre die falsche Bezeichnung. Sie grölten. Sie grölten wie typische Fußballfans, laut und mit dicken Brüllaffenkehlen: “Deutschlaaaaand, Deutschlaaaaaand!” Mit den Vuvuzelas ringsherum mindestens genauso atmosphärisch echt wie in einem Stadion. Während die Zuschauer in Gelächter ausbrachen, brüllte Dän begeistert: “Ja!! Die Nummer Eins!!” und freute sich schon auf den kommenden Erfolg mit diesem passenden Fußballhit.
Lass die Sonne scheinen war das nächste Lied, die Fans wedelten im Refrain die Arme rhythmisch hin und her und beim letzten Satz “Lass die Sonne schei-hei-nen” schob sich dann völlig unpassend eine Wolke vor die Sonne. Aber immerhin kam sie im Verlauf des Abends immer mal wieder zum Vorschein und der Regen blieb dafür weg. Ohne jede Ankündigung begann Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf, zu dem die ‘Ladybugs’ auf die Bühne kamen. Fünf junge Frauen, die Musical studierten und von den Wise Guys schon mehrfach bei Auftritten eingebunden worden waren. Seltsamerweise passte diese Verbindung bisher aber nicht so richtig. Es war nicht rund, die ‘Ladybugs’ blieben Fremdkörper und wurden von vielen Fans nicht als Bereicherung empfunden. Mir war beim ersten Auftritt, den ich mit ihnen gesehen hatte, durch den Kopf gegangen, dass ich mich als Zuschauerin vermutlich ähnlich fühlen würde, wenn Günther Jauch bei “Wer wird Millionär” plötzlich von einer jungen Tänzerin umtanzt werden würde. Sie wäre für sich gesehen vielleicht ganz nett, aber sie würde die Show nicht wirklich bereichern und ich würde mich ebenfalls fragen, was das denn nun soll.
In diesem Fall tanzten die ‘Ladybugs’ ehrgeizig, mit Spannung und Power um die Wise Guys herum, ließen die Hauptdarsteller dabei unbeweglich und hölzern aussehen und zur Nebensache werden. Alle bemühten sich, aber die Bühne war plötzlich zu voll, weil sich beides nicht verband und darum nicht zu einer harmonischen Einheit wurde. Keine Ahnung, woran es genau lag. Es tat mir zwar leid für die ‘Ladybugs’, ich klatschte nett für ihren Auftritt, fand es aber nicht schlimm, dass sie dann erstmal wieder weg waren. Dän erzählte kurz, wie die Mädchen mal zu ihrer Überraschung bei einem Konzert tanzend auf der Bühne erschienen waren und versprach: “Die Ladybugs kommen nachher nochmal!” und zum Glück wurde das weitgehend mit Applaus aufgenommen.
Bei der anschließenden Umfrage gab es Fragen nach Neuhörern, Weit-Anreisern oder denen, die zum ersten Mal bei den Wise Guys am Tanzbrunnen waren. Dabei verpasste Dän eine ganz wichtige Frage: Wer ist in den vergangenen 10 Jahren bei ALLEN Tanzbrunnenkonzerten dabei gewesen? Im Mai 2000 hatte nämlich ihr erstes Konzert am Tanzbrunnen stattgefunden, mit 7000 Besuchern, Sturm und Regenschauern. Und ich war dabei gewesen, wie auch auf wirklich allen folgenden Konzerten am Tanzbrunnen, egal ob es Doppelkonzerte, wegen Pollen ausgefallener Konzerte oder Ersatzkonzerte waren. Für diese Leistung hätte ich doch mindestens eine CD geschenkt bekommen müssen. Signiert. Aber nichts. Stattdessen fragte Dän lieber, wer dafür wäre, dass die Vuvuzelas verboten werden sollen. Als sich sehr viele Hände hoben, wirkte er sehr überrascht und stellte die Gegenfrage: “Und wer ist tolerant?”, gab aber immerhin sofort zu, dass das jetzt eine sehr suggestive Frage gewesen sei.
Lisa war das nächste Lied. Es zeigte die Gefühlslage eines Scheidungskindes und entweder wurde man davon gefühlsmäßig getroffen oder eben nicht. Ich eher nicht. Da aber die meisten Zuhörer das Lied toll finden, halte ich mich jetzt einfach mal zurück. Vermutlich liegt es an meinem unsensiblen Charakter, denn sogar mein Gatte ist davon zu Tränen gerührt, während mich ganz andere Sachen zum Weinen bringen.
Sorge dich nicht war dann wieder mehr mein Ding. Besonders die Musik genoß ich, und auch wenn ich es eher als Schlaflied nutzen würde, fand ich die ruhige Atmosphäre am Tanzbrunnen klasse. Immer nur laut und schnell geht nicht, es muss da einfach auch mal Ruhepole im Programm geben, damit man danach wieder richtig hochfahren kann. Ich lächelte versunken vor mich hin und fand es wunderschön. Allgemein stehe ich ja oft auf die etwas ruhigeren Sachen ohne knallendes Schlagzeug und finde die Wise Guys ganz stark darin. Ist aber, ebenso wie bei ‘Lisa’, eine persönliche Einstellung und keine Wertung. Auch knallendes Schlagzeug kann sehr schön und genau richtig sein.
Eddi bedankte sich nach dem Lied bei Leuten, die sich nicht in den Mittelpunkt, sondern an den Rand stellen, meinte damit aber nicht die am Rand stehenden Konzertbesucher, sondern Sari. “Toll wie du dich auf deine Kernkompetenzen beschränken kannst”, lobte er und ergänzte: “… wie du den Schlips trägst.”
Dann forderte er Sari auf sexy die Hüften zu schwenken, weil er das besonders gut könne, aber Sari weigerte sich. Doch das Pubblikum nutzte die Gelegenheit und forderte laut: “Sa-ri, Sa-ri, Sa-ri!” Erstaunlicherweise blieb Sari bei seiner Weigerung und Ferenc lenkte die lautstarken Wünsche der Massen mit seiner Hauptstimme in Mein neues Handy ab. Charmant.
Das Publikum klatschte mit, konnte sich aber nicht entscheiden, auf welche Schläge. Schließlich kam ein Gemisch aus leisem Klatschen auf die 1 und die 3 und lauterem auf die 2 und die 4 raus, was nicht nur nicht schlecht klang, sondern sogar groovte.
Mit Hammer ging es weiter und die Bässe dröhnten, dass meine Lungen vibrierten und ich sogar das Gefühl hatte, dass das Mark im Brustbein umgerührt wurde. Unglaublich. Ich saß allerdings im Bühnengraben genau vor einer der Boxen, was vermutlich zu dieser Überreaktion führte. Bis dahin kannte ich nur Basstöne, die im Bauch vibrieren, aber dass sogar die Atemluft in der Lunge wackelt, war mir neu. Aber das Lied hieß ja auch ‘Hammer’. War eine tolle Erfahrung, und vermutlich zog die bassige Energie auch über den Bühnengraben hinweg über das ganze Gelände.
Gleich danach folgte Ruf doch mal an, was ein gewaltiges Mitklatschen auslöste, das bis nach hinten an den Brunnen reichte. Ein plötzlicher Vulkanausbruch aus der Nebelmaschine machte die Dramatik perfekt. Super Stimmung.
Dän erzählte, dass die Gruppe vor einem halben Jahr mit dem Büro und dem Proberaum nach Hürth gezogen waren. Hürth war ein Ort am Stadtrand von Köln, nur wenige Straßenbahnstationen vom früheren Bürostandort entfernt, aber es war eben nicht mehr Köln. Mit 4:1 hatte die Gruppe für Hürth gestimmt und es war klar zu erkennen, dass Dän nicht zu der 4 gehört hatte. Er sprach von einem Trauma und sagte tapfer: “Musik kann ja manchmal Grenzen sprengen, und ich hoffe, der folgende Song wird das auch irgendwann mal bei mir bewirken.” Es folgte Hürth, ein wunderbares Lied, das die Vorzüge von Hürth in Worte fasste. Erstaunlicherweise hatte es mehr als eine Strophe, denn Dän hatte wirklich gründlich gesucht, um wirklich alle möglichen Pluspunkte zu finden, was sicher nicht einfach gewesen war. Schmelzend und fast überzeugend sang er von “Hürth, meine Perle”, und das Publikum reagierte an den passenden Stellen mit spontanem Gelächter. Ich fand es toll. Als Essen im teuren Restaurant würde das Lied heißen: Scharfe Paprika unter sanftem Schmelz.
Nils sang Ikea und die Fans sangen den Refrain laut mit. Bei den schnellen, wortreichen Strophen kamen allerdings nur noch die wirklich textsicheren Besucher mit. Ich überlegte kurz, ob der komplette Aufbau eines Billy-Regales während des Liedes choreografisch zu schaffen wäre, verwarf den Gedanken aber wieder. Eine originelle Idee, aber will ich wirklich, dass die Wise Guys drei Minuten lang singend mit dem kleinen Sechskantschlüssel auf dem Boden knien und an einem Regal schrauben? Nein.
Zum nächsten Lied kamen die ‘Ladybugs’ zurück auf die Bühne und sangen aus dem Musical ‘Rent’ Seasons of love , während die Wise Guys den Background dazu sangen. Die hellen, zarten, ein wenig spitzen Mädchenstimmen waren ein Kontrast zum kräftigen, vollen Hintergrund, und ich hörte die Musicalausbildung der Stimmen und die klaren, sauber gesungenen Töne. Ein bisschen mehr Volumen in den Stimmen hätte mir aber auch gefallen. War aber auf jeden Fall eine Abwechslung im Programm, die mal einen ganz neuen Aspekt zeigte.
Es gab viel Applaus, die ‘Ladybugs’ gingen ab und Sari gab an, dass es gleich erstmal eine kurze Pause geben würde. “Oooooooh!” machte das Publikum und Sari wunderte sich: “Ihr kennt das Spiel doch! Bevor wir euch aber nach draußen lassen, ach nee, ihr seid ja draußen …”, und er wies auf Misereor und das Butterfly-Projekt und die betreffenden Stände auf dem Gelände hin. Ich saß wegen der Fotos gerade immer noch im Bühnengraben und hinter mir hingen einige Kinder am Zaun und blickten so gerade mit ihren Köpfen über die Absperrung. “Wie lange dauert es noch?” fragte eine hohe Kinderstimme, während Sari auf der Bühne redete. “Nur noch kurz, dann ist Pause”, beruhigte die mütterliche Anwort. “Und dann?”, wollte die Kinderstimme wissen. “Dann geht’s weiter”.
“Nach dem Konzert werden Vuvuzelas aus Südafrika verkauft”, versprach Dän, “und die verkaufen wir nicht ohne Grund erst NACH dem Konzert.” Er machte ein Trötgeräusch vor und rief: “Und alle!!” Sofort setzten die Zuschauer ein und ein gewaltiger Stadionlärm ertönte. Sari lachte: “Da kommt man gleich in Fußballstimmung!”
Schlechtes Karma war das letzte Lied des ersten Teiles und ich liebte es sehr. Vor allem die Choreographie fand ich spitzenklasse und war immer wieder begeistert. Cool, witzig und genau richtig. Abgesehen vielleicht vom komischen, mit den Fingern vor der Stirn gebildeten ‘L’, das ich erst nach längerem Überlegen als ‘L’ erkannt und dann ständig mit “Learner” wie “Fahranfänger” übersetzt hatte. Hieß natürlich “Looser”. Inzwischen hatte sich mir das erschlossen, aber ich stolperte bildlich gesehen immer wieder darüber. Egal, den Rest fand ich toll. Obercool, Jungs! Mit ihren Beckenbewegungen erzeugten Eddi, Nils und Sari so viel Spannung, dass heißer Rauch aus ihren Hüften aufstieg. Kam vielleicht doch aus der Nebelmaschine, aber ich fand die andere Erklärung besser. Mit dieser heißen Performance und einem letzten ‘L’ auf der Stirn – Learner? Ach nee, Looser! – verschwanden die Wise Guys von der Bühne und die Pause war da.
Die zweite Hälfte begann mit Pänz, Pänz, Pänz, einem Lied der Bläck Fööss. Für die Kölner im Regelfall gut zu verstehen, für Nichtrheinländer schon in der Titelzeile mit Logik nicht zu erschließen. Pänz waren Kinder, von denen es im Lied wimmelte und die sogar als “dreckelije Pänz” bezeichnet wurden, in Köln ein fast liebevoller Begriff, der woanders vermutlich mit “kleine Racker” übersetzt wurde.
Als mitten im Lied plötzlich die Bläck Fööss dazu kamen und schon beim Einmarsch auf ihren Instrumenten spielten und mitsangen, johlte das Publikum begeistert auf. Also zumindest die meisten Rheinländer, für die die Bläck Fööss nicht nur immer schon mit ihrem Liedgut vertreten waren, sondern bei denen sie quasi zur Familie gehörten. Das Pänzlied war kurz und am Ende gab es großen Beifall. Dän strahlte. “Jedem, der was mit Köln zu tun hat, sind die Bläck Fööss ein Begriff. Sie haben schon hier am Tanzbrunnen vor 20.000 Zuschauern gesungen, als wir noch in die Windeln geschissen haben.” Für die Wise Guys – und ganz besonders für Dän – waren die Bläck Fööss eine ganz wichtige Gruppe, die sie beeinflusst hatten und deren Lied “Rollbrett” sogar auf ihrer ersten CD Dut-Dut-Duah zu finden war. Und weil’s so gut passte, kam natürlich Rollbrett dran. Es ging voll ab und machte einen Riesenspaß. Den vielen Herren auf der Bühne ebenso wie den vielen Zuschauern davor.
Mit so vielen Singstimmen und den Instrumenten gab es sofort einen ganz anderen Klang und man konnte nur mitgerissen werden und mitfeiern. Die Bühne war schon wieder voll und mir ging durch den Kopf, dass sich diesmal aber alles harmonisch verband und zu einer großen Gruppe wurde. Es drängte sich keiner vermeintlich störend ins Bild, es gehörte jeder dazu. Außer vielleicht dem WDR-Reporter, der im Bühnengraben schräg vor der Bühne stand, in eine Kamera blickte, hinter seinem Rücken die singenden Musiker mit dem lautstarken “Rollbrett” hatte und im Lärm unmittelbar neben den Boxen eine kurze Livereportage machte. Er bewegte die Lippen und es war außer der Musik von der Bühne nichts zu hören. Ich vertraute darauf, dass das Mikrofon ihn akustisch von der tosenden Umgebung trennen würde und die Fernsehzuschauer seine Worte verstehen konnten. Sah schon witzig aus.
“Bömmel” Lückerath grinste breit in das vorwiegend jugendliche Publikum: “Neunzig Prozent von euch lebten noch gar nicht, als wir hier damals aufgetreten sind!”, womit er vermutlich Recht hatte. Die Wise Guys gingen ab, um den Bläck Fööss alleine die Bühne zu überlassen, und Bömmel erklärte: “Für alle, die mitsingen wollen: C, G7, C, so ähnlich wie ‘Wir lagen vor Madagaskar’.” Es folgte He deit et wih, der aktuelle Knaller der Bläck Fööss, der die Altersgebrechen ansprach, die von den Bläck Fööss während des Singens auch mimisch dargeboten wurden. Es war der gerne mitgesungene Hit für alle Verschleiß-Opfer ab 50, manchmal auch schon ab 40, aber ein bisschen neben dem Themenbereich der vielen jungen Tanzbrunnenbesucher. Die hatten noch alles vor sich und wurden nicht von Rücken, Knie oder Hüfte daran gehindert. Aber egal. Die Stimmung war gut und es wurde freudig mitgeschunkelt. “Hier tut es weh und da tut es weh. Alles, was Spaß macht, das kann man nicht mehr….” Wenn das sehr jugendliche Fans mitsingen, hat es fast etwas Komisches.
Die Wise Guys kamen zurück und gemeinsam mit den Bläck Fööss sangen sie zum Abschluss Stammbaum , ein wunderschönes Lied über das bunte Völkergemisch, aus dem der Kölner wurde und das auch heute noch das Kölner Blut immer wieder auffrischt.
Die Zuschauer schunkelten beim Refrain mit und es hätte in diesem Moment auch ein Bläck Fööss Konzert am Tanzbrunnen sein können, bei dem die Atmosphäre auch früher schon immer ähnlich aufgedreht wie bei den Wise Guys Konzerten war. Auf jeden Fall war es Gänsehautstimmung.
Unter viel Applaus zogen die Bläck Fööss ab und hatten einen wunderschönen und umjubelten Gastauftritt hinter sich. Auf der Bühne vollzog sich ein Stilwechsel. Nils und Sari wurden ganz coole Typen – sind sie das nicht immer? – und rappten los. Hamlet in Kurzform. Sehr witzig. Hinter mir hörte ich ein zartes Kinderstimmchen zum Nachbarkind sagen: “Das ist einfach so geil, das Lied, das musst du dir anhören!” Ich es schaffen sollte, das Lied NICHT anzuhören, hatte aber keine Lust, das wirklich rauszufinden.
Dän warnte danach, dass der Song bei Klausuren nicht als einzige Quelle verwendet werden solle. Guter Tipp. Mit der Angst vor der Blinddarm-OP ging es mit Nils und Blinddarm weiter, das noch als neues Lied galt und darum mit seiner überraschenden Pointe viel Gelächter auslöste. Ich mag es sehr, weil ich die Idee klasse finde, den Text mag und weil es sich so unkompliziert aber doch raffiniert ins Ohr frisst.
Sofort ging es mit Mädchen lach doch mal weiter, zu dem wieder die ‘Ladybugs’ kamen. Die Fans sangen begeistert mit und am Ende gab es auch für die Ladybugs viel Applaus. Dän widmete den nächsten Song Lukas Podolski, der einige Tage vorher beim WM-Spiel einen Elfmeter verschossen hatte. “Es ist nicht immer leicht, ich zu sein.” “Nein, lieber an Miroslav Klose!”, krähte die Kinderstimme hinter mir. Der hatte aktuell eine rote Karte bekommen und war vermutlich ähnlich unglücklich. Sari verhaspelte sich textlich gleich in der ersten Strophe und schien einen Schlag mehr im Takt zu brauchen, was auch bei ihm Gelächter auslöste. Später sang er statt: “Manchmal ist es einfach sauschwer” “Manchmal bin ich einfach sauschwer”, was gerade beim Anblick seiner schmalen Gestalt sehr lustig war.
Ohne Ansage ging es mit Jetzt und Hier weiter, und nach diesem Partysong machte Eddi eine seiner Ansagen, die legendär hätte werden können, wenn sie jemand verstanden hätte. Es fing ganz logisch an: “Ich brauche einen Chor für später, der dann schon weiß, was er machen muss.” Bis dahin klar. “Nehmt mal alle eurer Geburtsdatum und davon die hintere Zahl. Also wenn das die 23 ist, dann nehmt ihr die 3. Die teilt ihr durch 2, ach, nee, bei 3 geht das ja nicht.” Er überlegte kurz und ich grübelte, was ich mit meiner 0 von 20 machen sollte. Eddi hatte eine Idee für die 3: “Da runde ich dann auf und das ist dann 2.” Eine aufgerundete 3 wird zur 2?? Ich war verwirrt, bis mir einfiel, dass er nach dem Aufrunden vermutlich sofort durch 2 geteilt und den Schritt unterschlagen hatte. Es ging noch eine Weile weiter, ich verlor völlig die Übersicht und Eddi merkte, dass seine mathematischen Formeln nicht aufgehen konnten. Vermutlich verlor er die Übersicht noch vor mir, würde ich wetten. Schließlich zog er sich aus dem Zahlensumpf der Grundschulmathematik und sagte: “Jeder sucht sich mal eine Zahl zwischen 1 und 4”, und er gab vier Töne an, für jede Zahl einen. “So, wer hat die Eins? Ihr singt jetzt diesen Ton: Mmmmmmmh.” Gemeinsam wurden alle vier Töne gesungen und er nickte zufrieden: “Nachher wird’s sowieso ein ganz anderer Akkord”, was sofort erneutes Gelächter auslöste.
Im Flugzeug war dran, eins meiner Lieblingslieder, auch wenn ich immer einen Texthänger im Satz “doch am liebsten wär ich jetzt irgendwo anders” hatte. Mir fiel nämlich permanent an dieser Stelle ein: “Doch am liebsten wär ich jetzt weit weg in Kansas.” Vermutlich zu viel ‘Wizard of Oz’ geguckt. Egal. Ein superschönes Lied, bei dem ich am Ende am liebsten die Arme ausbreiten und abheben würde. Leider fühlen sich erstaunlich viele Leute an der Stelle, an der “Klatschen in die Hände” gesungen wird, animiert, laut zu klatschen. Bitte nicht! Es sind doch gerade die uncoolen Leute, die nach der Landung klatschen. Hey, der Pilot hat das gelernt und macht nur seinen Job. Ich klatsche ja auch nicht, wenn mir eine Käseverkäuferin vier Scheiben Gouda abgewogen hat.
Eddi entfernte seinen Zopfgummi, schüttelte die Mähne und headbangte Latein. Cooles Lied, aber wie mein Sohn, der in der Realität wirklich der Beste in Latein ist, lächelnd kommentierte: “Keiner findet einen cool, nur weil man Latein kann. Da muss man schon andere Sachen machen.”
Trotz des scharfen Vorbeischrammens an der Realität – muss ja nicht immer stimmen, was gesungen wird – wurde heftig abgefeiert. Es machte einfach Spaß. Das aufgedrehte Publikum startete danach seinerseits zu einem musikalischen Grenzausflug und stimmte angesichts Eddis langer Haare laut “Du hast die Haare schön” an. Ich finde es ja schon peinlich, wenn man Ballermann-Hits kennt. Oberpeinlich, wenn man sie singen kann. Immer wieder erstaunlich, wie viele das sogar mit Begeisterung tun. Dän wartete einen gesungenen Satz ab und brüllte dann energisch: “NOCH!” hinein, was die Masse lachend ausbremste.
Diejenigen, die gerade eine Beziehungskrise hatten, sollten beim nächsten Lied nicht auf den Text hören, empfahl er, bevor Wir zwei begann. Obwohl das Paar, von dem gesungen wurde, ja anscheinend trotzdem recht glücklich war und die Situation gar nicht ändern wollte.
Zu Jetzt ist Sommer kamen die ‘Ladybugs’ wieder dazu und das Lied passte perfekt zu einem fast schon sommerlichen Tanzbrunnenkonzert mit guter Laune, an dem es wider Erwarten nicht geregnet hatte. Der Sommer stand vor der Tür und würde nach den erfrorenen Schafen ganz sicher kommen. Die Ladybugs tanzten eifrig und die Wise Guys bewegten sich kantig im Hintergund und sangen vor sich hin.
Dän, der wusste, dass die Tanzgruppe auch immer wieder auf heftige Kritik stieß – oft sehr unhöflich im Gästebuch ausgedrückt -, grinste nach deren Abgang: “Wer auch immer sagt: Die lenken von euch ab, Guys! – Das WISSEN wir!” Immerhin hatte es im Tanzbrunnen auch viel Applaus gegeben, was zur allgemein guten und toleranten Stimmung passte.
Beim anschließenden Bedanken an diverse Mitarbeiter verlangte Dän La-Ola-Blitzwellen, die in Sekundenschnelle von vorne bis hinten zum Brunnen eilen sollten. “Geil!!” rief er begeistert, als es klappte, und seine Augen blitzten vergnügt. Es gab mehrere Danksagungen und dementsprechend mehrere Blitzwellen, und er rief: “Das ist sehr, sehr cool!”
Für das letzte Lied bat er um Feuerzeuge, aber dann fiel ihm ein: “Raucht ja keiner mehr”, und er schlug hochgehaltene Handydisplay vor. Am Ende des Tages beendete das offizielle Programm, ehe es zu den Zugaben ging. Alle kamen nochmal runter und wurden ein wenig besinnlich. Die Wise Guys winkten danach, verließen die Bühne, und in den starken Applaus kamen vom Publikum schon bald laute, regelmäßige Zugabe-Rufe. Musste gar nicht sein, fand ich, war doch klar, dass sie wiederkommen würden.
Das taten sie auch ganz schnell, stellten sich auf und wollten beginnen, da brandete übermütiges Jubelgegröle auf. An Spielstätten, an denen vorher schon Ballermann-Hits einen Teil des Publikums mitreißen können, muss man vorsichtig sein. Da schlägt “lustig” auch schnell mal in “nicht mehr aufhaltbar” um. Dän reagierte schnell und vorbildlich. Er trat nach vorne, begann laut mit “Er hat die Haare schön”, und kaum war das Publikum darauf eingegangen, rief er laut: “NOCH!” und alle Sing-Strukturen brachen sofort zusammen. In die entstandene Lücke hinein stellten sich die Wise Guys wieder auf und begannen mit Radio. Auch eins meiner Lieblingslieder, sogar noch einen Hauch vor dem Flugzeug. Manche Lieder treffen mich einfach immer wieder mitten ins Herz. Das Publikum sang laut mit, hinter mir brüllten die lauten Kinderstimmen textsicher zwei Oktaven höher, viele Arme schwenkten hin und her und es war superschön.
Kaum hatten die Wise Guys sich verbeugt und waren abgegangen, wurde schon wieder laut “Zugabe” gerufen. Die gab es natürlich und zwar mit Sing mal wieder. Eddis mathematische Vorübung erleichterte es dem Publikum, sich jetzt problemlos für eine Zahl zwischen 1 und 4 zu entscheiden. Aber es war egal, welche man nahm und es war egal, wenn man spontan wechselte. Merkte keiner. War auch egal, wenn man überhaupt nicht begriffen hatte, was Eddi meinte, denn dann sang man einfach irgendeinen Ton mit. Klasse war, dass Eddi mit der Dynamik und Stereoeffekten spielte. Es wurde lauter und leiser gesungen, dann wanderte der Akkord nach Anweisung von ihm von rechts nach links über das Tanzbrunnengelände und blitzschnell wieder zurück. Das war vermutlich auf der Bühne noch beeindruckender zu hören als mitten in der Masse und machte viel Spaß.
Wieder wurde nach dem lauten Schlußapplaus lautstark “Zugabe” gerufen, sobald die Wise Guys von der Bühne weg waren und ich empfand das als zu viel. Natürlich wollte ich sie auch noch hören, aber kräftiger Applaus mit Pfiffen und Schreien hätte mir besser gefallen. “Zugabe” brüllen ist so unfreundlich und hört sich eher fordernd als begeistert an. Ja, ich weiß, ich stelle mich manchmal bei Kleinigkeiten an.
Es ging weiter mit dem Tekkno , der schnell und auch schnell vorbei war, am Schluss aber schneller zu Ende war, als die Wise Guys singen konnten. Irgendwie hatten sie sich beim Versuch sich selber zu überholen verhaspelt und waren mit einem letzten großen Schritt über die Ziellinie gestolpert. Sehr lustig. Dass so ein uraltes Lied wie der Tekkno inzwischen immer mal wieder im Programm war und voll funktionierte, fand ich super. Kaum waren die Wise Guys abgetreten, begann schon wieder das fordernde Gegröle. Das forderte einen endgültigen Konzertschluss heraus. Fand ich. Erst Ballermann singen und dann fordernd Zugabe zu rufen, anstatt begeistert zu jubeln, das war zu viel.
Der Abschluss war Alles in die Luft. Es war tatsächlich das letzte Lied, aber es lag nicht an mir und meinen Gedanken. Noch einmal sprang das Publikum mit, klatschte und sang, und supergut war die Stelle, an der Sari sang: “… ganz easy in die Tat umsetzen kann”. Es folgte die kurze Pause, in der das Tanzbrunnenpublikum erst leise und dann immer lauter grollte “uuuuaaaaaaaaaaaaAAAAAAAA!”, bis die Wise Guys mit einem lauten Schlag wieder einsetzten. Unglaublich dynamisch.
Es gab eine Verabschiedungs-La-Ola-Welle, winkende Wise Guys, klatschendes Publikum und überall freudig strahlende Augen. Eine letzte Verbeugung, dann gingen die Wise Guys endgültig ab. Das Fan-Gegröle begann, als sie die Bühne noch nicht mal komplett verlassen hatten, aber diesmal setzte sofort Dudelmusik ein und bremste die lautstarken Rufer aus.
Was für ein schönes Konzert! Zehn Jahre Tanzbrunnenkonzerte der Wise Guys – und ich war auf allen gewesen. Diesmal hatte es Schafskälte, aber dann doch keinen Schafsregen gegeben. 13.300 Zuschauer und eine super Stimmung. Und die Bläck Fööss waren aufgetreten. Und ich war zehn Jahre lang auf allen Wise Guys Tanzbrunnen Konzerten gewesen!
Klassenfahrt
Ich hab geträumt
Wo der Pfeffer wächst
Lass die Sonne scheinen
Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf
Lisa
Sorge dich nicht
Mein neues Handy
Hammer
Ruf doch mal an
Hürth
Ikea
(Seasons of love)
Karma
Pänz, Pänz, Pänz
Rollbrett
(He deit et wih)
Stammbaum
Hamlet
Blimddarm
Mädchen lach doch mal
Es ist nicht immer leicht
Jetzt und Hier
Im Flugzeug
Latein
Wir zwei
Es ist Sommer
Am Ende des Tages
Radio
Sing mal wieder
Tekkno
Alles in die Luft
Und dann, eine Woche später, Post von meiner Lieblingsgruppe:
Kein Kommentar. Breites Grinsen.