Jürgen Becker – Ja, was glauben Sie denn? – 07.06.2008 – Erftstadt
Gasthaus Zum Schwan, Erftstadt-Liblar
Warum gibt es Religion? Und warum gibt es so viele Sorten davon? Braucht der Mensch nur einen Gott oder braucht er viele Götter, und was kann man überhaupt noch glauben?
Wer könnte geschichtliche Vorkommnisse, politische und religiöse Zusammenhänge und den Ablauf der Welt besser erklären als Jürgen Becker? Das dachten sich neben mir auch die anderen Leute, die in das Gasthauses “Zum Schwan” gekommen waren und sich, trotz des verregneten Tages und der dunklen Wolken am Himmel, mutig in den kleinen, gemütlichen und rappelvollen Biergarten setzten. Vielleicht hatte jemand vorher extra ein Räucherstäbchen angezündet oder Gebete an einen Wettergott geschickt, auf jeden Fall hatte es genützt und kurz vor Beginn der Veranstaltung ließ sich sogar die Sonne sehen.
Jürgen Becker kam auf die Bühne, zog sein Jackett in der kühlen Luft etwas fester um sich und grinste: “Von der Klimaerwärmung ist ja nicht mehr die Rede.” Lockeres Gelächter eines sehr gut gelaunten Publikums kam als Reaktion und alle waren froh, dass es nur etwas frisch, aber nicht nass war.
Zunächst einmal musste der Unterschied zwischen Mensch und Tier geklärt werden, was gar nicht so einfach war. Es stellte sich heraus, dass der Mensch lachen konnte, zum Beispiel über Torten im Gesicht, was Tiere überhaupt nicht komisch fanden, und dass Tiere keine Religion haben. “Gut, ich habe schon mal Kakerlaken in der Kirche gesehen …” gab Jürgen Becker zögernd zu, aber das galt nicht. Außerdem konnte er überzeugend erklären, dass sich Tiere gerne ausruhten und mal gar nichts taten, während der Mensch immer dabei war, sich Geräte zur Arbeitserleichterung zu erfinden. Mit der freien Zeit wusste er dann allerdings nichts anzufangen.
Locker und lässig, immer aber konzentriert, erklärte Jürgen Becker die großen und die kleinen Zusammenhänge und wechselte dabei gerne übergangslos von der Wahrheit auf die überspitzte Satire oder irgendwelchen Unsinn. Dass das gut gelaunte Publikum manchmal schallend über die reine Wahrheit lachte und sie für einen Witz hielt, nahm er dabei bewusst in Kauf. Immer wieder streute er vermeintlich fundierte Informationen ein, erzählte über Maulwürfe, die durch die unterirdischen Gänge laufen und überall Larven und Würmer fressen – “Daher kommt die Redensart: mehrgängiges Menü!”, und er stellte fest, dass “das menschliche Gehirn das einzige Organ ist, das über sich selbst nachdenken kann”.
Entzückt folgte ich seinem Vortrag und lachte immer wieder vergnügt los. Dabei war das Thema der verschiedenen Religionen und was es für Unterschiede gab und wo sie zusammenhingen oder die gleichen Wurzeln hatten, nicht nur lustig, sondern hochinteressant. Lachen und lernen in einem Programm – wie immer bei Jürgen Becker. Warum waren die drei großen monotheistischen Religionen, das Christentum, das Judentum und der Islam, die nur einen Gott anerkannten, so kriegerisch gestimmt, während die meisten der anderen Religion, die viele Götter hatten, friedlich waren? “Man soll keine Religion bei 60 Grad im Schatten machen!”, stellte Jürgen Becker fest.
Ist die Vielgötterei nicht viel bunter und interessanter als nur ein Gott? Und gab es nicht auch im monotheistischen Christentum viele Schutzheilige, die die Aufgabe der früheren Götter übernommen hatten? Wie war das mit Petrus? Hatte an diesem Abend ja anscheinend funktioniert, das jemand was zu ihm gesagt und er den Regen gestoppt hatte. “Jede Religion wird passend gemacht”, stellte Jürgen Becker fest und behauptete auch: “Eine Religion ohne Auferstehung lässt sich heute am Markt nicht mehr platzieren!”
Es ging um Mythen, Wissenschaft und Aberglauben. Jürgen Becker sprach verständlich, nicht überintellektuell oder in komplizierten Sätzen. Die Zuschauer fühlten sich angesprochen, familiär behandelt und nicht belehrt. Besonders wenn es Bemerkungen zum Rheinländer gab, reagierten sie mit schallendem Gelächter, weil der, der es sagte, auch über sich selber lachen konnte. Mir persönlich war ein Großteil des Publikums schon zu sehr in lachbereiter Schützenfest- und Kegelklublaune, aber das lag am Einzugsgebiet und war immerhin besser, als still und ernst herumzusitzen.
Sehr schön war, dass keine Religion als die einzig Richtige hervorgehoben wurde. Alle wurden kommentiert, verglichen und nicht immer ganz ernst genommen. Oder da ernst genommen, wo man sie lieber nicht ernst nehmen sollte. Mit Logik und gesundem Menschenverstand konnte man sowieso nicht an Glauben rangehen und Jürgen Beckers Kommentar zu Religionskriegen: “Habt ihr sie noch alle? Wegen so einem Quatsch haut ihr euch die Birne ein?”, konnte ich nur zustimmen. Warum war es nicht möglich, dass jeder an das glauben konnte, was für ihn wichtig war und er alle anderen auch einfach glauben ließ, was sie wollten?
Am Ende gab es als Zugabe und passendes Abschlusslied “Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin!” Passend, weil es gut zum Schützenfestpotential einiger Besucher gehörte, weil es zum katholischen Rheinländer passte und weil es sich noch einmal über Engstirnigkeit lustig machte. Wenn schon evangelische und katholische Christen nicht reibungslos miteinander auskommen konnten, wie sollte es dann mit allen anderen Religionen funktionieren?
Schlussbemerkung: Als Scheuklappen-Fundamentalist einer Religion dürfte man am Programm nicht viel Vergnügen haben. Mit tolerantem Geist und kritischem Blick erlebt man einen unterhaltsamen Abend, der nicht nur viel Gelächter bringt, sondern auch nachdenklich macht. Der Blick aus der anderen Richtung kann manchmal ganz gut sein, um eigene Einstellungen zu überdenken. Atheisten zur Religion hinführen, wird der Abend allerdings ziemlich sicher nicht.