Wise Guys – 18.03.2008 – Pantheon – Bonn … mit zu wenig Gejubel
Der Wise-Guys-Tag startete für mich schon früh morgens, denn da waren die Wise Guys Studiogäste beim ARD-Morgenmagazin. Kein Problem für mich, denn um diese Zeit war ich sowieso wach. Für die Wise Guys war es ein etwas größeres Problem, denn sie hatten am Vorabend schon ein Pantheonkonzert gehabt und waren – nach ihrem Zeitgefühl – noch in der Nacht abgeholt und zum Studio gebracht worden. Für nur wenige Stunden Schlaf sahen sie im Fernsehen dann aber erstaunlich wach aus, und sowohl die Laune als auch die Gesangsleistung war sehr gut.
Am Abend ging es dann wieder Pantheon. Ich vermutete, dass die Wise Guys am Mittag “nachgeschlafen” hatten und darum einigermaßen fit auf die Pantheonbühne treten würden, wobei mir klar war, dass ein Stündchen Schlaf auf dem Sofa die fehlende halbe Nacht nicht ausgleichen konnte. Aber es waren ja freischaffende Künstler. Lagen die nicht normalerweise sowieso immer nur herum, bis sie abends mal kurz singen gingen? Was machte ich mir eigentlich Gedanken.
Das Pantheon war natürlich knackevoll. Die Pantheonkonzerte hatten einen legendären Ruf und die Konzerte waren inzwischen immer blitzschnell ausverkauft. Und obwohl das Pantheon so klein und angenehm war, hatten die Wise Guys Konzerte dort nicht mehr die früher so schön private, jubelnd feiernde Atmosphäre. Irgendwie war es leiser und normaler geworden. Ich wusste nicht genau, woran das lag. Vielleicht kannten viele „harte“ Fans das Programm der Wise Guys durch häufige Konzertbesuche schon gut und lachten nicht mehr überrascht über unerwartete Pointen in den Liedtexten, weil sie nicht mehr unerwartet kamen. Vermutlich gab es bei einem Teil des Publikums die Erwartungshaltung, dass die Pantheonkonzerte einfach abgehen mussten, ohne dass man etwas dazu tun musste. Und nicht unerheblich erschien mir, dass die Wise Guys selber bei den Pantheonkonzerten ein laut jubelndes Publikum erwarteten und etwas gebremst erschienen, wenn das nicht gleich von Beginn an so war. Hohe Erwartungen von allen Seiten, die sich vielleicht gegenseitig hemmten. Nicht dass die Pantheonkonzerte langweilig oder öde waren, sie waren immer noch ein großes Vergnügen, aber sie waren im Regelfall nicht mehr legendär. Legendäre Konzerte liefen inzwischen woanders ab. Meistens ganz plötzlich und unerwartet.
Mir war das alles ziemlich egal, ich freute mich einfach mal wieder auf ein Konzert. Nicht mal durch Fotografieren wurde ich davon abgelenkt, denn mein war Fotoapparat kaputt. Zeit um einfach mal zu genießen, was auf der Bühne passierte. Abgesehen von meinem Notizen, die ich im Halbdunkel auf einen Block schrieb, woraufhin ich mir später bei Licht lange überlegen musste, was ich wohl mit dem krakeligen “Intuibät”, “Kisterein ausgemahlt” und “Lasse hanguertte” gemeint haben könnte. Es war “Intimität”, “Kriterien ausgewählt” und … tja, weiß ich beim besten Willen und aller Phantasie nicht mehr.
Ich mochte das Pantheon sehr, denn auch von den hinteren Plätzen, die nicht wirklich weit hinten waren, hatte ich alles auf der kleinen Bühne im Blick. Oben die bunten Scheinwerfer, unten den Fußboden, rechts und links die Bühnenbegrenzung und in der Mitte die fünf Wise Guys. Alles gleichzeitig. So konnte mir nicht links ein Schulterzucken von Sari entgehen, wenn rechts Eddi eine Grimasse zog. Im Unterschied zu Konzerten auf anderen Bühnen gab es nur einen einzelnen Stehtisch am Rand. Der übliche zweite auf der anderen Seite hätte einfach zu viel Platz weggenommen.
Die Wise Guys kamen ziemlich pünktlich auf die Bühne, sahen frisch und ausgeruht aus (ich sage nur Sofa) und begannen mit Am Anfang. Ein schönes Lied, bei dem mich nur stört, dass die Wise Guys nicht im Text vorkommen. Aber ich sah ja, dass sie es waren und musste es nicht unbedingt erklärt bekommen, auch wenn es mich gefreut hätte. Schon im ersten Refrain setzten gut gelaunte Klatscher des Publikums ein, die sogar weitgehend auf die 2 und die 4 kamen. Schön. Nach dem letzten Ton gab es Applaus und Dän ging zum Stehtisch, um kurz etwas Wasser zu trinken. Als er wieder nach vorne kam, mussten die Kollegen nach links zur Seite rücken, um ihm Platz zu machen. Vorwurfsvoll mäkelte er: “Wir hatten vereinbart, dass ihr nach der Schlussszene alle sofort nach links rutscht.” Die Zuschauer lachten vergnügt, das schien ja gut zu beginnen. Er holte einen Block vom Tisch und murmelte halblaut motzend, aber gut verständlich: “Super Anfang!” Dann fiel ihm auf, dass weder ein Stift, noch eine bereitgelegte CD auf dem Tisch lag. “Total flüssiger Anfang!” murmelte er, fand den Stift dann aber doch und notierte etwas.
“Das ist die vorerst letzte Konzertreihe im Pantheon”, verkündete er. “2009 geben wir hier kein Konzert.” Das Publikum reagierte mit einem enttäuschten: “Oooh!”, das zum Teil etwas ungläubig klang. Dän kommentierte: “Das war’n Test, ob Sie noch wach sind”, und schob hinterher: “Stimmt aber trotzdem.” Ehe es Gefühlsausbrüche geben konnte, zeigte er seinen Handrücken, auf dem eine Art Stempelabdruck zu sehen war. “Das ist ein Tatoo. Eine kleine gelbe Quietscheente.” Sie sei abwaschbar und auf Wunsch seines Sohnes angebracht worden. Mit ernster Stimme kommentierte er: “Das ist Rock’n’ Roll.” Anschließend berichtete er dem Publikum, wie ein normaler Tagesablauf bei den Wise Guys aussehen würde. “Um 6 Uhr 30 aufstehen, vom WDR mit einem Auto abgeholt werden, ins Fernsehstudio gehen, singen. So ist das meistens bei uns. Dann nach Hause, Haushalt, Kinder in den Kindergarten bringen, Proben, Fitness, Bürobesprechung, Steuerprüfung, dann Abfahrt zum Pantheon…. “ Das Publikum lachte los und ich staunte. Wo blieb das Sofa? Ich hatte doch fest damit gerechnet, dass sie sich noch etwas ausgeruht hatten! Stattdessen Steuerprüfung und Fitness – wow! Hätte ich ihnen gar nicht zugetraut. Dän grinste in das lachende Publikum und sagte mit fast monotoner Stimme: “Das Pantheon. Bekannt für seine Intimität, Nähe und einzigartige Stimmung.” Dann fügte er grinsend hinzu: “Seien Sie froh über diesen Monolog, denn ich habe Ihnen Werbung für die CD frei! erspart!”
Sofort ging es los mit Relativ. Sehr schön gebracht, die Refrains wurden jedesmal erstaunlich laut und mitreißend. Und zu meinem Vergnügen war der letzte Satz “OK, schon gut, ich liebe dich” dann mal wieder ein saftes Zurücknehmen und nicht ein so kerniges Statement, wie es manchmal war. Kaum war der Applaus weg, kündigte Dän freudig an: “Unser neues Album frei! ist da!” und die Zuschauer lachten laut los. Er berichtete noch schnell, dass das Album in der kommenden Woche auf Platz 7 der Album-Charts sein würde und damit seit vier Wochen in den Top Ten. Ich fand, das das ein tolles Ergebnis war, auf das er wirklich stolz sein konnte, auch wenn man ihm den Stolz gar nicht so ansah, weil er es freudig, aber nicht angeberisch erzählte.
Als Moderation für das nächste Stück erzählte er etwas leidend, dass sie eine zusammengecastete Band, ein Spielball der Musikindustrie wären. Nach psychologischen Kriterien ausgewählt, so dass für jeden Zuschauer etwas dabei wäre. Das Publikum kicherte Mitleid heuchelnd und freute sich danach über das thematisch passende Es ist nicht immer leicht. Ferenc’ Bassstimme war schön laut, was ich bei diesem Lied sehr mag und Sari spielte den Superstar wunderbar lässig aus. Sehr schön alles, es machte Spaß. Am Ende kopierte Sari wie üblich nacheinander seine Kollegen, musste beim Schlusston, als er die tieftraurige Miene von Clemens nachmachte, aber plötzlich loslachen. Clemens guckte ihn dabei tiefernst an, was besonders komisch wirkte, weil Sari sich einfach nicht mehr beherrschen konnte. Da erkannte man, wer der Könner im Ernstbleiben und Trauriggucken war.
Dän tauchte schon wieder mit dem Block in der Hand auf und notierte halblaut mitlesend: “Heute hat er “lenkt” gesagt, nicht “leckt”. Die Logopädie schlägt doch an.” Die erfahrenen Zuschauer kicherten los, weil die Stelle, an der Sari “während Angelina lenkt” sang, schon mehrfach falsch verstanden worden war und er inzwischen sorgfältiger artikulierte.
Wie in letzter Zeit üblich, wurde zwischendurch eine CD verschenkt. Diesmal bestimmte Dän Clemens zum Schenker und gab ihm eine Minute Zeit, einen der Zuschauer auszuwählen. Clemens bat Eddi sich seitlich zu ihm zu drehen und das Bein zu heben. Verwirrt hob Eddi das Bein ein Stück und guckte dumm. Clemens korrigierte Eddis Haltung, zog das Bein nach hinten und griff nach dem Unterschenkel. Er zog ihn ein Stück hoch und wies auf Eddis Schuh. “Jeder soll sich überlegen, ob er diesen Schuh schön findet. Die CD bekommt, wer diesen Schuh ehrlich schön findet und den Mut hat, das zuzugeben.” Natürlich meldeten sich sofort einige Zuschauer, denen vermutlich völlig egal war, was sie schön finden sollten, so lange sie von Clemens dafür eine CD geschenkt bekamen. “Ich kann’s gar nicht glauben”, murmelte Clemens zweifelnd und gab die CD schnell ab.
Bei Die ersten warmen Tage lag mein persönlicher Schmelzfaktor ganz niedrig. Oder ganz hoch? Auf jeden Fall so, dass ich unmittelbar nach den ersten Tönen debil grinsend vor mich hinschmolz. Ich mochte das Lied, ich mochte, wie Clemens es sang, ich mochte, dass ich an sanfte Sonne und warmes Meer erinnert wurde. Perfekt. Eben zum Hinschmelzen. Und dass, obwohl im Text von eiskalter Limonade gesungen wurde, die ich eigentlich überhaupt nicht mochte, aber egal. Einige Wochen vorher hatte Eddi bei der Spezialnacht eine Ansage zum Lied gemacht, die alles in Gelächter enden ließ und das Lied zum Lachanfall-Kandidaten machte. Zum Glück war das inzwischen nur noch eine nette, witzige Erinnerung, die keinen Einfluss mehr auf die Stimmung des Liedes hatte. Ich konnte lächeln und schmelzen.
Während ich im Applaus langsam wieder in die Realität kam, trat Clemens nach vorne und grinste: “Bei totaler Übermüdung ist eine Stimmung da, da findet man alles gut. Sogar Eddis Schuhe. Und Däns Quietscheente.” Das gehörte aber nicht zur Moderation, das war spontan und tagesaktuell. Als Moderation referierte er sehr schnell und wissenschaftlich über Wasserstoffatome, Tricium und Heliumatome, und ich verlor schnell die Übersicht und hatte auch überhaupt kein Interesse, die wieder zu bekommen. Mein Trick war: Abwarten. Und siehe da, nach einiger Zeit war er fertig und beendete mit: “Wenn Sie das nicht verstanden haben, können Sie das nächste Lied auch nicht verstehen.” Das war allerdings eine komplette Fehleinschätzung von ihm, denn ich hatte ganz sicher nichts von der Erklärung verstanden und mir war es auch völlig egal, warum Sonnenschein warm war, aber den Inhalt des Liedes Du bist ein Sonnenschein verstand ich intuitiv. Da ging’s nämlich gar nicht um Tricium und Heliumatome , aber das war vermutlich für einen wissenschaftlichen Physiker nicht nachvollziehbar.
Im Refrain machten einige Zuschauer das “U-hu” leise, aber hörbar mit, und Eddi nahm das schnell auf und gab ab da den Einsatz, was für kräftigere und lautere “U-hus” sorgte. Sehr schön. Das Ende des Liedes war doof, was aber nicht am Gesang lag, sondern daran, dass es so plötzlich und fertig war. Einfach aufzuhören ist keine Lösung. Mir fehlte da ein deutlicher Schlusssatz, aber vielleicht sah ich das zu altmodisch.
“Der nächste Song handelt von Identitätsstörungen im Leben”, begann Eddi und erklärte kurz: “Ich bin zum Animieren des Publikums gemacht. Ich bin der Mitmachheini.” Sari, der ein Stück rechts von ihm stand, hob kurz die Hände, grinste breit und zappelte herum, um einen typischen Eddi darzustellen. Das Publikum kapierte sofort und lachte laut los. Eddi guckte verwirrt und drehte sich dann fragend um. Sari hatte aber schon mit dem Gezappel aufgehört und war auf dem Weg zum Getränketisch, so dass Eddi den Grund des Gelächters nicht mehr erkennen konnte. Als er nach vorne sah, guckte er noch verwirrter. Ich fühlte mich wie vor dem Fernseher beim Ansehen eines Krimis, wenn ich den Mörder kannte, der Kommissar aber noch im Dunkeln tappte. Eddi machte weiter: “Es ist entscheidend, dass ALLE mitmachen!” In diesem Moment trat Sari mit ganz harmlosen Gesicht wieder in die Reihe zurück und einige Zuschauer lachten nochmal leise los, diesmal, weil Sari so betont gar nichts machte. Eddi blickte wieder verwirrt nach hinten, sah aber nur harmlos vor sich hin blickende Kollegen. Das warf ihn kurz aus der Moderationsbahn. “Ähm, worum ging’s nochmal?” fragte er, woraufhin Clemens breit losgrinste und sich freute.
Eddi übte mit dem Publikum schnell einen Doppelklatscher, der sofort perfekt klappte, dann ging es los mit Du kannst nicht alles haben. Die Klatscher kamen kurz, knallend und einfach perfekt. Bei der Nicht-Klatsch-Stelle waren nur etwa 10 falsche Klatscher, also ungefähr 20 Hände zu hören. Sehr schön. Ohne weitere Ansage ging es mit Jetzt und Hier weiter, bei dem im Rhythmus scharf und schnell mitgeklatscht wurde, so dass es voll abzog. Klasse! Ich klatschte tapfer mit, auch wenn ich die Handflächen voller Dornenverletzungen von meiner Gartenarbeit am Vormittag hatte. Es tat total weh, aber weniger zu klatschen, kam nicht in Frage. Ich wurde von der schnellen Stimmung mitgerissen und opferte mich sozusagen auf. Der Applaus danach war nicht übermäßig lang, aber schön. Trotzdem meckerte Dän: “Richtig lang ist das auch nicht mit dem Applaus. Na, besser als gestern.” Ein leichtes Empörungsgrummeln ging durch das Publikum.
Mit Seemann ging es weiter. Ferenc sang voll und tief und war der absolut souveräne Kapitän. Die anderen Wise Guys blickten heroisch in die Ferne und dumten ernsthaft vor sich hin. Wunderschön. Vielleicht nicht ganz so modern, aktuell und Klischees vermeidend, wie Dän vorher angekündigt hatte, dafür sehr witzig und einfach klasse. Im Publikum gab es immer wieder vergnügte Lacher und leichte Lachanfälle, die bei der Pointe dann vollends ausbrachen. Am Ende sag Ferenc einen langen, tiefen Ton, der das Pantheon bis in meinen Bauch vibrieren ließ. Die Zuschauer reagierten mit Gejubel, Pfiffen und sehr langem Applaus. Das mit dem zu knappen Applaus wollte man sich nicht nachsagen lassen! Dän versuchte mehrfach mit dem Reden anzusetzen, konnte das laute Geklatsche damit aber nicht beenden. Als es dann ruhig wurde, kam von ihm mäkelnd: “Das ist jetzt schon fast zu lang.” Dem konnte man es einfach nicht recht machen!
Jeden Samstag gefiel mir unerwartet gut, weil es inzwischen entspannter und lässiger als bei früheren Konzerten rüberkam. Der Background war inzwischen sogar schon sehr schön lässig. Die gemeinsamen Bewegungen waren toll und das Gegrunze der “Jungs aus dem Neandertal” einfach zum Weglachen schön.
Eddi wies danach auf die Möglichkeit hin, in der Pause spenden zu können. “Ich brauche neue Schuhe”, gab er als Grund an, lenkte dann aber geschickt auf Miseror über. Auch Dän wollte noch etwas los werden. Er erzählte, dass manchen Konzertbesuchern in der Vergangenheit zu viel Werbung für die neue CD gemacht worden war. Sie hatten böse E-mails geschrieben und sich beschwert. Daraufhin hätte er beschlossen, die komplette Werbung für das Album wegzulassen. Er schloß: “Nur als privater Kommentar von mir: Bitte kaufen Sie das neue Album!”, was natürlich sofort Gelächter auslöste.
Überhaupt waren die Wise Guys, und da besonders Dän, schräg und witzig drauf. Nicht total albern, aber schon auffällig aufgekratzt. “Was haben die genommen?”, fragte mich meine Tischnachbarin lachend. “Nur zu wenig geschlafen”, vermutete ich. Vielleicht war auch die Steuerprüfung in Kombination mit dem Fitnesstraining der Grund.
Das letzte Lied vor der Pause stand an und Dän sagte: “Noch ein Lied, das von unserem neuen Album frei! stammt, das schon vier Wochen in den TopTen ist…. “, dann begann liebevoll und wunderschön die Deutschlehrerin. In der ersten Strophe gab es nur sehr zögernde und wenige Lacher, im Verlauf des Liedes wurden es immer mehr. Auffälligerweise aber vorwiegend an den klar erkennbaren Stellen, bei anderen Problemzonen blieb es ganz ruhig. Aber ich habe ja selber die Befürchtung, dass ich noch nicht alle Stellen eindeutig erkannt habe und hin und wieder nicht grinse, wenn ich es besser tun sollte.
Beim Schlusston küsste Dän nicht mit verhaltener Leidenschaft die Finger seiner geschlossenen Faust – eine Geste, bei der ich immer hingerissen war – sondern den Handrücken mit dem Quietschentchen, was schön, aber nicht so herzergreifend war. Ein buntes Quietschentchen-Tatoo konnte ich nicht ganz mit dieser tiefen, starken Liebe in Verbindung bringen.
Der Applaus zum Abschluss war schön und eigentlich nicht zu kurz und nicht zu lang, aber da die Wise Guys abgingen, gab es keinen Kommentar mehr von Dän dazu. Der verbeugte sich einfach und war weg.
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In der Pause gab es ein volles Foyer, eine lange Schlange vor dem Damenklo und draußen Nieselregen. Gehörte aber alles nicht zum Programm der Wise Guys, ergab sich einfach so. Ich wählte den Nieselregen und dann eine Unterhaltung im Foyer.
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Nach der Pause ging das Saallicht aus und auch die Bühne blieb ziemlich dunkel. Schemenhaft konnte man sehen, dass sich die Wise Guys, auch ganz dunkel, dort aufstellten. Das Publikum machte “Aaaah!” und “Oooh!” als es ein wenig heller wurde und dunkle Anzüge zu erkennen waren. Dieses freudige Erstaunen über schwarze Anzüge wunderte mich immer wieder. Ständig wurde geschwärmt, dass die Wise Guys so natürlich und normal und gutgelaunt lebendig wären, aber dann gab es bewunderndes “Aaaah!”, wenn sie stocksteif in schwarzen Anzügen und mit ernsten Gesichtern auf der Bühne standen. Eine komplette Show in dieser Ausstattung müsste vermutlich sensationell ankommen.
Die Wise Guys begannen die zweite Hälfte mit Gute Zeit, für das die Position unmittelbar nach der Pause keine gute Zeit war. Das Publikum war unruhig, im Saal wurden noch Stühle gerückt, hier geräuspert, dort gehustet und da Kaffeetassen mit lautem Klackern auf die Unterteller gestellt. Zu der leichen Unruhe im Saal kamen Intonationsschwierigkeiten auf der Bühne. Es kam einfach keine ruhige, gelassene Stimmung auf. Sehr schade. Meistens trifft mich das Lied sehr und manchmal sogar zu sehr, aber dazu hatte es an diesem Abend keine Chance. Vielleicht wäre es an anderer Stelle im Programm dann doch besser untergebracht. Es muss einfach ruhig und entspannt im Saal sein, damit es auf die Zuschauer wirken kann.
Kaum war der Applaus verklungen, wies Dän den Lichttechniker des Pantheons gespielt mäkelnd darauf hin, dass es am Anfang zu dunkel gewesen sei. Er erwähnte die nachlassende Sehfähigkeit im Alter und fügte an, dass auch die Lüftung im Bereich der Bühne an wäre und bitte ausgestellt werden solle. “Das zieht trocken her und legt sich auf die Stimmbänder.” Das Publikum, das diesmal nicht Ziel der Kritik war, amüsierte sich grinsend über den meckerigen Tonfall. Dän schaltete um und strahlte das Publikum betont fröhlich an: “So, wir kommen zum nächsten Lied…”, was erneut Lacher brachte.
Das Lied Langsam genoss ich von vorne bis hinten. Es gehörte eindeutig zu meinen aktuellen Lieblingsliedern, weil ich die Idee und die Umsetzung so genial fand. Der Text war sehr originell und treffend, die Musik total gut und die Choreografie dazu klasse. Ich merkte, dass ich mich aufrecht hinsetzte, um vom Lied auch optisch möglichst nichts zu verpassen. Bei der netten, sanften Tanzeinlage staunten einige Zuschauer mit hörbarem “Ohoooh!”. Ich fand alles wunderbar! Die Wise Guys waren ja nicht die hervorragend ausgebildeten Musicaltänzer, aber der Charme, mit dem sie ziemlich synchron, jeder aber in seiner eigenen Art und Weise und dazu erstaunlich weich und geschmeidig, die Bewegungen ausführten, war eigentlich viel schöner, als wenn sie perfekt über die Bühne gewirbelt wären. Perfektionismus wurde bestaunt, ging aber nicht ans Herz. Erstaunlich gut zu tanzen, auch wenn man kein Tänzer war, und so lässig und selbstverständlich zu wirken, war viel charmanter und persönlicher.
Ohne weitere Ansage ging es mit Wo der Pfeffer wächst weiter. Mal sanft, mal sauer – richtig schön. Allerdings hielt sich das Publikum ganz zurück und Dän übernahm die Leadstimme alleine und versuchte erst gar nicht zum Mitsingen zu animieren. Irgendwie war das Publikum seltsam. Gut gelaunt und aufmerksam, aber trotzdem etwas zurückhaltend.
Clemens erzählte, dass die Gruppe bei Choreografie, Athletik und Erotik noch Entwicklungspotential habe. Aus diesem Grunde hätten sie einen Fitnesstrainer und Motivationsguru eingeladen. Während die anderen mit dem Backgroundgesang anfingen, kam der Trainer mit Schwung auf die Bühne und sah fast aus wie Sari mit Stirnband. Quäl dich fit war auch eines der neuen Lieder, die mit der Choreografie zusammen einfach toll waren. Ich guckte sehr gebannt zu und war hingerissen. Sehr, sehr super! Dän verriet danach, dass der Fitnessguru in Wahrheit der Sari gewesen sei, “unser Verwandlungskünstler.” Das Publikum war natürlich verblüfft, zeigte es aber nicht.
Paris war ebenfalls wundervoll und die Feuerzeuglichter auf der kleinen Bühne waren erstaunlich hell. Vielleicht nur, weil das Bühnenlicht vorschriftsmäßig gedimmt war, aber ich wunderte mich trotzdem. Dass Feuerzeuge so hell sein konnten! Die Gedanken darüber lenkten mich fast vom schönen Lied ab, aber nur fast.
Sofort ging es mit Hier fliegt gleich alles in die Luft weiter. Das flackernde Scheinwerferlicht und der Stroboskop-Effekt waren ein sehr guter Ersatz für die Pyros der Spezialnacht. Eigentlich mindestens genauso gut. Außerdem war Saris Stimme mal richtig kräftig, wenn er die Titelzeile schrie, und unter meinen Füßen dröhnte der Boden des Pantheons vom kräftigen Bass- und Rhythmus-Gehämmer. Super! Das gefiel mir mal richtig gut. Am Ende gab es eine in die Mikros gepustete Explosion, wo ich eigentlich eine Pause erwartet hatte. Dän meldete sich danach: “Ich hab’ gerad den Knall vergessen am Ende.” Er machte ihn nachträglich ins Mikrofon. “Prrrrrrr…!”, und dann nochmal “Pschrrrrrrr…!” Ratlos und stumm guckte ihm das Publikum dabei zu und wusste nicht, was jetzt genau verlangt war. Ich grinste vor mich hin und fand die Situation schön abgedreht. Dän merkte auch plötzlich, dass er in einer Sackgasse gelandet war und schlug Atemtraining vor. Alle sollten ein langes ffffffffff ausatmen. “Ffffffffffffff” machte das Publikum und Dän schwärmte: “Is’ schön, ne?” Dann bat er darum, die Augen zu schließen und an die letzte gescheiterte Beziehung zu denken, die nicht von einem selber, sondern vom Partner beendet wurde.
So eingestimmt war die Lage bestens geeignet für Nur für dich. Clemens brauchte vier Intro-Ansätze, bis er seine Sing- und Klagefähigkeit erreicht hatte, erreichte Lacher mit seiner traurigen Miene, aber kaum Mitsinger. Die wenigen, die leise starteten, fühlten sich alleine und hörten wieder auf. Ich fand die Stelle, an der Dän manchmal “Und alle!” rief, ziemlich doof, weil sie einerseits sinnvoll, andererseits aber uncool war. Gerade als ich überlegte, ob Dän es wieder rufen und ich es sinnvoll, aber doof finden würde, hob Eddi die Arme und rief: “Und alle!”, was mich verblüffte. Im schnelleren Teil hatte Clemens sein Hemd plötzlich bis fast zum Bauchnabel aufgeknöpft und schrille Schreie der Damenwelt belohnten den Anblick, der sich bot. Auch da wunderte ich mich immer wieder, wie aus einem bodenständigen Physiker plötzlich ein muskeltrainierter Strahleboy werden konnte. Wie viele Rollen steckten eigentlich in einem und woran lag es, welche man im Alltag spielte? Aber für psychologische Fragen war keine Zeit, denn nach Eddis Aufforderung sangen dann doch die meisten Zuschauer freudig mit.
Es gab langes Geklatsche und mittendrin einen neuen Ton, mit dem Sing mal wieder startete. Damit wurde der gerade gestartete Applaus sofort unterbrochen, was mir zeigte, dass die Wise Guys selber nicht so ganz wussten, was sie wollten. Sollte nun lang oder kurz geklatscht werden? Mir kam ‘Sing mal wieder’ am Anfang ein bisschen schnell vor, aber dafür war das Mitsingen des Publikums laut und wirklich sehr gut. Es machte Spaß und auch die kniffelig vorgesungenen Rhythmen kamen ziemlich ähnlich zurück. Eddi lobte danach freudig: “Großes Kino!”, was soviel hieß wie: “Klasse gesungen!” Das Publikum, das selber Teile des Liedes vorgetragen hatte, applaudierte tobend, und Dän guckte zu Eddi und lächelte: “Eddi, dein Applaus!” Dann setzte er hinterher: “Ich glaube, dein erster.”
Schiller war das Abschlusslied des Programmes und ich fand es klasse. Warum Eddi bei der Stelle “mit trock’nem Munde” so lasziv die Hüften kreisen ließ, hatte ich zwar noch nie verstanden, aber dafür fand ich die Zombiestellen supergut, in der sie alle gebückt über die Bühne stampften. Ferenc dröhnte supergefährlich und unheimlich die ersten Zeilen der Bürgschaft und ich stellte mir vor, wie zufrieden Lehrer momentan lächelten, wenn ihre Schüler unerwartet die ‘Bürgschaft’ auswendig vortragen konnten. Das Lächeln gefror aber vermutlich, wenn die Schüler mittendrin aufhörten und mit gefährlichem Ferenc-Lachen endeten, weil sie glaubten, das wäre der offizielle Schluss.
Es gab viel Applaus, das Publikum tat inzwischen lieber etwas mehr als zu wenig, und die ersten beiden Zuschauerreihen standen beim ersten Klatscher blitzartig zu Standing Ovation auf. War nett gemeint, wirkte aber nicht echt gefühlt, sondern zu schnell. Normalerweise starten echte Standing Ovation in den ersten Sekunden des Applauses, weil es die Leute vor Begeisterung von den Stühlen holt. Gleich beim ersten Klatscher hochzuspringen, erweckte den Eindruck, dass es harte Fans waren, die grundsätzlich alles gut fanden. Das wirkte auf die hinteren Zuschauer etwas befremdlich, so dass die dann lieber sitzen blieben. Wäre auch blöd gewesen dann mit 10 Sekunden Abstand auch noch aufzustehen. Ist jetzt mein persönlicher Eindruck gewesen, vielleicht sahen das andere Besucher ganz anders und trauten sich nur nicht aufzustehen, weil Dän vielleicht wieder einen Kommentar losgelassen hätte. Sah aber schon seltsam aus, dass zwei Reihen Zuschauer vor der Bühne Schulter an Schulter standen, während dahinter alle sitzen blieben.
Nach einem Abgang kamen die Wise Guys zurück und sangen Schunkeln. Clemens giftete das Publikum an und ließ mal so richtig alle Aggressionen raus. Ich überlegte, ob er ansonsten nur so nett und ruhig war, weil er fast jeden Abend die Möglichkeit hatte, angestaute Blockaden mit Schwung auf ein Gegenüber zu schleudern. Kaum einer nähme so ein Verhalten so locker hin wie ein gut gelauntes Publikum, das sich darüber sogar noch freute.
Jetzt ist Sommer war die nächste Zugabe, zum Glück in der entspannten Relax-Version. Die andere hatte ich inzwischen schon so oft gehört, dass ich sie nicht mehr unbedingt brauchte. Das Publikum schnippte zum Teil leise mit, und ich dachte an ein schon einige Jahre zurückliegendes Pantheonkonzert, bei dem ich das Lied in dieser Version zum ersten Mal gehört hatte. Schade eigentlich, dass es mit den Pantheonkonzerten jetzt erstmal vorbei war. Die waren viele Jahre lang ein fester Bestandteil in der Wise Guys Tour gewesen. Aber das Leben ist Veränderung. Ist vielleicht nicht immer schön, gibt aber Platz für neue Sachen.
Als schneller, dröhnender, aber kurzer Abschluss gab es den Tekkno mit Gehämmer, Lichtshow und Stroboskopblitzen. Super heftig, schnell vorbei und ein knallender Abschluss des Abends. Als nach dem lauten Applaus und dem Abgang der Wise Guys das Saallicht und und eine Dudelmusik angingen, erhob sich das Publikum protestlos und akzeptierte das Ende des Abends.
Ich war gut gelaunt, hatte das Konzert sehr genossen und auch in der Nicht-tobend-jubelnden Variante sehr schön gefunden. Lag vielleicht auch daran, dass ich Sitzkonzerte in kleinen Räumlichkeiten liebte. Alles war nah, die Mimik war zu erkennen und ich saß näher als bei den großen Konzerten, die manchmal so erfolgreich und gleichzeitig unpersönlich wirkten. Einer von 1500 Zuschauern zu sein, war ein anderes Gefühl als einer von 250 zu sein. Schön, dass ich nochmal ein Pantheonkonzert in meine Erinnerungsschublade legen konnte.
Am Anfang
Relativ
Es ist nicht immer leicht
Die ersten warmen Tage
Du bist ein Sonnenschein
Du kannst nicht alles haben
Jetzt und Hier
Seemann
Jeden Samstag
Deutschlehrerin
Gute Zeit
Langsam
Wo der Pfeffer wächst
Quäl dich fit
Paris
Alles in die Luft
Nur für dich
Sing mal wieder
Schiller
Schunkeln
Jetzt ist Sommer
Tekkno