Wise Guys – 05.04.2005 – Halle Münsterland – Münster … mit Synchronklatschern
Eigentlich hatten die Wise Guys ein paar Tage Ferien. Nach der schönen, aber anstrengenden Südtour und vor dem Tanzbrunnen-Wochenende waren ein paar Tage Pause eingeplant. Doch genau mittendrin, am Pfingstsamstag, stand ein Konzert in Münster auf dem Plan. Nichts gegen Münster, aber ausgerechnet an dem Wochenende, das schon mitten im Urlaub lag? Während drei der Wise Guys aus Köln anreisten und zum Teil den Beginn ihres Kurzurlaubes auf den folgenden Tag verschoben hatten, unterbrachen zwei andere ihren schon angetretenen Kurzurlaub in Holland, um, weit weg von Meer und Strand, einen Abend in Münster singend auf der Bühne zu verbringen. Zum Glück war der Congress-Saal in der Halle Münsterland als Stehkonzert total ausverkauft, so dass die gute Chance bestand, ein schönes Konzert zu haben und die Urlaubsunterbrechung positiv zu sehen.
Da bei einem Stehkonzert nicht mit nummerierten Stellplätzen vor der Bühne gerechnet werden konnte, waren viele Zuschauer früh da, um sich einen guten Platz zu sichern. Dicht gedrängt standen sie um 19 Uhr vor den Saaltüren und strömten los, als sich diese endlich öffneten. Nur die Besitzer der Sitzplatzkarten auf der oberen Galerie konnten sich Zeit lassen und strömten nicht, sondern hatten die Möglichkeit, im Foyer noch in aller Ruhe ein Getränk zu sich zu nehmen, bevor sie sich um kurz vor 20 Uhr zu ihren Plätzen begaben.
Die Stimmung im Saal war schon in der Zeit vor dem Konzert sehr gut und angenehm gespannt. Erste Klatschattacken versuchten die Wise Guys aus dem Backstagebereich zu locken, und als das Saallicht dann wirklich erlosch, ging ein großer Jubel los. Pfiffe, Applaus, laute Rufe und allgemeines Getöse begrüßten die Wise Guys, die auf die Bühne kamen und zunächst untätig herumstanden und freudig in die laute Menge grinsten. Bei dieser langen, jubelnden Begrüßung war die Anreise aus den Ferien und der verpasste Tag am Meer schon fast vergessen.
Schließlich stellten sich die Wise Guys zusammen, Sari gab den Ton an, das Publikum wurde schnell ruhig und es ging mit Wo der Pfeffer wächst los. Sofort setzten die Zuschauer klatschend ein und sangen beim Refrain laut mit. Der Sound kam voll durch den Saal zu mir auf die Empore, wo alles kräftig klang und gut zu verstehen war. Vermutlich war das unten im Saal ähnlich. Das Saalpublikum ging jedenfalls ab und klatschte auch danach bei Was für eine Nacht laut und exakt mit. Von oben sah das besonders gut aus, weil die Arme beim Klatschen oben waren und in ihrer Synchronität eine starke optische Wirkung hatten. Was für eine tolle Stimmung gleich von Anfang an!
“Guten Abend, wir sind die Wise Guys aus Köln”, informierte Dän danach das Publikum und hatte damit eventuelle Fehlzuschauer aufgeklärt, die erst am nächsten Abend in der Halle bei den Toten Hosen sein wollten. Dem Jubel nach zu urteilen, der auf diese Worte folgte, waren die Zuschauer aber genau beim richtigen Konzert. “Wir freuen uns sehr, dass so viele von euch heute Abend gekommen sind, um uns zuzuhören,” fuhr Dän fort, “denn wir haben für dieses Konzert unseren Pfingsturlaub unterbrochen. Zwei von uns waren in Holland,” er starrte betont auf Sari, der neben ihm stand, “und sind jetzt hergefahren und müssen heute Nacht wieder zurück. Der Rest ist gar nicht erst losgefahren, die fahren erst morgen.” Er blickte auf Eddi, welcher nickte. “Oder die fahren auch gar nicht weg.” Kurzer Blick zu Ferenc und Clemens. Er stellte fest: “Tja, war von unserem Büro ein bisschen scheiße geplant, aber jetzt sind wir hier. Wir sind in entsprechender Urlaubsstimmung, das ist ja auch ganz schön, und hoffentlich stehen hier alle bequem.” Die Zuschauer lachten laut, aber in dem Gelächter waren auch leichte Protesttöne zu hören. Dän stellte mit Blick zur Galerie fest: “Ach, da oben sind ja auch noch welche. Hallo! Wie ist es so im Sitzen?“ Mit donnerndem Fußgetrampel wurde eine dröhnende Antwort gegeben, die die Tribüne leicht erzittern ließ, und Dän mahnte freundlich besorgt: „Passt ein bisschen auf mit dem Balkon!“
Bei Du kannst nicht alles haben zeigte Münster, was es draufhatte. Den Doppelklatscher, den das Publikum mitklatschen konnte, habe ich noch nie so gewaltig und synchron wie dort gehört. Äußerst präzise und sicher geklatscht. Vielleicht einen Hauch zu schnell und hektisch, aber da es alle synchron etwas eilig hatten, klang es sehr homogen. Es war zu vermuten, dass es vorher in Münster ein Klatschseminar für diesen Abend gegeben hatte. Allerdings war dort vermutlich nicht auf die Stelle eingegangen worden, an der NICHT geklatscht werden sollte, so dass ein Großteil der Zuschauer auch dann synchron und laut klatschte, als es gar nicht gefragt war. Aber egal, es war beeindruckend. Für mich war Münster ab diesem Lied nicht mehr die Stadt der Fahrräder, sondern die der Synchronklatscher.
Vor der Zuschauerbefragung gab es inzwischen bei den Konzerten eine Wise Guys Befragung. Dän machte ein kleines Quiz über den jeweiligen Auftrittsort. Seine Kandidaten – oder sollte ich Opfer sagen? – waren seine vier Kollegen. „Es gibt auch was zu gewinnen“, kündigte er strahlend an, „diesmal einen halben Liter Vanille-Vla.“ Kleine Erinnerung an den Holland-Urlaub. Sari war zuerst dran und hörte aufmerksam zu, als Dän die Frage von seinem Zettel ablas. „Es gibt in Münster eine Clemens-Kirche, was schon lustig ist. Wann wurde diese Kirche gebaut?“ Das Publikum lachte los und vermittelte damit, dass die Antwort auch nicht jedem Münsteraner geläufig war. Sari bat: „Kannst du das mal ein bisschen eingrenzen?“ Dän half ihm bereitwillig: „Zwischen 1000 und 2000.“ „Ähmm …“, sagte Sari und probierte dann, selber nicht ganz überzeugt: „1837“. „1745, nicht schlecht“, antwortete Dän und ergänzte: „1745 ging’s los, 1753 war das Ding fertig. Kann ja nicht so toll sein, eigentlich.“ Protestierendes Gelächter der Münsteraner.
Eddi wurde nach dem Getränk ‘Pinkus’ gefragt. „Ich sag mal, das ist Bier mit Sprite“, behauptete er optimistisch und erntete ein empörtes „Ooooooh!“ vom Publikum, was ihn pessimistisch zusammensinken ließ. „Nee, nee, es ist kein Bier, es ist ein ALT!“, korrigierte Dän, “und zwar die älteste Bio-Brauerei der Welt”. Ferenc wurde nach der Einwohnerzahl von Münster gefragt. „281.000“, nannte er lässig und hatte sich wahrscheinlich heimlich vorbereitet. Eventuell saß auch Igor am Mischpult, hatte ein Lexikon auf den Knien und gab ihm die Antwort blitzschnell über den Knopf im Ohr durch. Nützte aber nichts. „Nee, ich habe nach EinwohnerINNEN gefragt“ behauptete Dän sofort und sagte: „Leider falsch. 145.768.“
Er wandte sich an Clemens: „281.000 Einwohner INSGESAMT. Wie viele Fahrräder hat jeder im Schnitt?“ “Ich sag mal, jeder hat im Schnitt 0,6″, riet Clemens nach kurzem Überschlagen der Einwohnerzahlen und unter Berücksichtigung der Babys und Greise. Aber da erntete er ein empörtes, lautes „Ohhh!“ von den Zuschauern. Dän erklärte: „Es gibt 500.000 Fahrräder in Münster, also im Schnitt knappe 2 für jeden Einwohner.“ Da staunte nicht nur Clemens, und mich hätte interessiert, warum es in Münster den Trend zum Zeit- und Drittfahrrad gab, manche Leute ja sogar noch die Fahrräder der Babys und Greise übernehmen mussten, also mindestens vier der Dinger im Hausflur rumstehen haben mussten. Während ich noch grübelte, wurde Ferenc zum Sieger erklärt und ihm wurde der Vanille-Vla versprochen, über den er sich aber nicht sehr freute, weil er kräftig am Abnehmen war. „Kannste ja weiterverschenken!“, riet ihm Dän freundlich und teilte dem Publikum vertraulich mit: „Man nennt ihn intern schon Kate Mross“, was auch auf der Bühne Erheiterung auslöste.
Anschließend kam die Zuschauerumfrage. Es gab sehr viele Neukonzertbesucher, was fast verwunderlich war, weil so laut und textsicher mitgesungen wurde. Die mussten alle die neue CD kennen. „Wer von Ihnen ist evangelisch?“, fragte Dän und es reckten sich vereinzelte Arme hoch. „Wer von Ihnen ist katholisch?“ Wusch! – Ein Wall von hochgereckten Armen stand im Saal. „Wooooouw!“, staunte Dän und startete spontan eine katholische La-Ola Welle, die schnell und gewaltig durch den Saal ging. „Und jetzt mit dem Eddi die Protestanten!“, forderte er seinen Kollegen auf, der sofort übernahm und die evangelische Welle anführte. Die strengten sich alle an und waren doppelt eifrig dabei, so dass Eddi ein triumphierendes „Siehste!“ zu Dän rufen konnte.
Mit Hallo, Berlin ging der Konzertteil weiter. Nach der Stelle „… dass ich nicht lache“ sang das Publikum wunderbar laut „ha-ha-ha“ mit. Klasse! Da waren wirklich viele Kenner im Saal. Es gab langen Beifall. Das nächste Lied war Monica, das schon bei der Ankündigung bejubelt wurde. Gut, dass es trotzdem immer noch genug Leute im Publikum gab, die überrascht loslachen mussten, weil ihnen der Text neu war. Dass nicht nur lustige Titel im Programm waren, zeigte Erzähl mir die Geschichte. Faszinierend, wie ruhig das Stehpublikum sofort wurde. Auch der antreibende Rhythmus im Refrain löste kein Geklatsche oder eine andere laute Reaktion aus. Manche Paare rückten enger zusammen bewegten sich leicht im Takt hin und her, die meisten Zuschauer standen ganz ruhig und guckten zur Bühne. Ein wunderschönes Lied. Als es ausklang, blieb es einen Moment lang ruhig, ehe der Applaus losplatzte. Hach, so hin und wieder eine sanfte Ballade, ist doch das Salz in der Wise Guys Suppe. Außerdem lache ich gerne bei lustigen Liedern, wenn ich weiß, dass es auch ganz ernsthaft und ruhig werden kann. Mir persönlich sind sowieso immer zu wenig Balladen im Programm. Ein oder zwei mehr könnte das Programm vertragen. Nicht umsonst stehen die auch oft auf den Listen der Lieblingslieder. Dass es dabei nicht so heftig abgeht wie bei schnellen Songs, ist ja klar, aber sie sind darum nicht weniger beliebt.
Sari überzeugte bei Das war gut und der hämmernde Bass brachte die lautstarke Zuschauerstimmung wieder zum Vorschein, die sich in gutem Mitklatschen auf der 2 und der 4 zeigte. Sofort ging es mit Achtung! Ich will tanzen weiter. Schon bei den ersten Takten kam schottische Volksfeststimmung auf. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Menge wäre losgehopst. Allerdings fehlte dazu dann doch etwas, nämlich zwei Meter Platz am Saalrand. Da der von rechts bis links voll war, blieb nicht genug Raum, um sich zu bewegen. Sonst hätte das die größte Massen-Square-Dance-Tanzerei, vielleicht nicht von der Welt, aber immerhin von Münster geben können. Zwischendurch verlor Eddi sogar unbemerkt die Brille und Clemens bückte sich und rettete sie vor den tanzenden Füßen. Der Applaus danach explodierte fast und ließ den angestauten Bewegungsdrang der Zuschauer raus. Eddi atmete schwer und stellte fest: „Die Brille ist ein bisschen hops gegangen bei der Nummer“, während er an ihr herumbastelte, um sie wieder in Form zu kriegen.
Es gab eine Münsterpremiere, ein brandneues Lied, wie Eddi ankündigte, das die prophetischen Eigenschaften der Wise Guys zeigte. Weltmeister war erst zweimal beim Afterglow und einmal beim letzten Konzert gesungen worden, und damit wirklich noch ganz neu. Es sah erst nach einem Fußballthema aus – ging dann aber doch nicht um Fußball. Die Bejubler der ersten Strophe änderten sich schnell in Lacher, und beim Papst explodierte dann alles. (Ich will jetzt nicht mehr verraten, weil sonst für Neuhörer alles langweilig wird.) Auf jeden Fall klatschten die Zuschauer das restliche Lied über sehr laut mit und klatschten, pfiffen und schrien danach gleichzeitig. Noch bevor sie fertig waren, setzte die Powerfrau ein, und mit einem freudig ausgerufenen „Ooooh!“ ging der Applaus des Publikums sofort in den neuen Rhythmus über. Also wenn das keine extrem gute Stimmung in Münster war!
Du bist dran machte auf der gleichen Gute-Laune-Schiene weiter. Das war gesungenes Theater auf der Bühne, das beim Zuhören genauso viel Spaß machte, wie beim Zusehen. Die neue Bühnenkleidung im ersten Teil war übrigens luftig, sommerlich und schön. Nur Eddi hatte anscheinend nach dem Anstreichen seiner Wohnung die Arbeitsjeans anbehalten, die reichlich mit weißen Farbspritzern versehen war. Gerüchten zufolge war das modisch, und ich freute mich, denn dann hatte ich auch ganz aktuelle Jeans zu Hause. Allerdings mit weißen UND blauen Spritzern von zwei Anstreichaktionen. War vielleicht doppelt modisch.
Letztes Lied vor der Pause war Nur für dich. Clemens schlich mit seinem dämlichsten Gesichtsausdruck auf die Bühne und diesmal lachten zuerst seine vier Kollegen los, die eigentlich wussten, wie er aussah und singen mussten. Die musikalische Begleitung wurde holperig vor nur schlecht unterdrücktem Lachen und das brachte auch Clemens aus der Fassung. Es dauerte etwas, bis er wieder eine ganz ernste Mimik hatte, das Lachen aus seiner Stimme verschwunden war und auch Ferenc die Hand vor den Augen wegnehmen konnte, mit der er sich vor Clemens’ Anblick zu schützen versucht hatte. Das Ende jedes Satzes sang das Publikum laut mit und beim Refrain übertönte es Clemens schon fast. Fast alle Zuschauer kannten den Text, aber keiner dachte enttäuscht: „Ach, kenn ich ja schon!“, sondern alle freuten sich: „Super, kenn ich!“ und machten begeistert mit. Und es war wirklich mitreißend. Ich saß auf meiner Empore, grinste begeistert und dachte wieder mal, dass das, was da unten abging, nichts mehr mit üblicher A-cappella zu tun hatte. Das war rockig, laut, fetzig und viel besser als manches Bandergebnis. Was war ich froh, dass ausgerechnet diese Jungs meine Lieblingsgruppe waren! Besser hätte ich es nicht treffen können!
Am Ende gaben die Zuschauer Zeit genug für die kleine Pause vor dem „Nanananana“, das dann aber lautstark mitgemacht wurde. Jubelnder Applaus schloss die erste Konzerthälfte ab, und die Wise Guys gingen unter lautem Geklatsche zur Seite ab. Erstaunlich viele Leute verließen in der Pause den Saal, was für ein Stehkonzert ungewöhnlich war. Ob sie nach der Pause alle wieder auf den alten Plätzen standen, oder ob einige die Chance genutzt hatten sich unnummeriert nach vorne zu schieben, weiß ich nicht. Auf jeden Fall sah der Saal zu Beginn des zweiten Konzertteiles von oben genauso aus, wie zum Ende des ersten Teils.
Es gab Jubel, als die Wise Guys auf der noch verdunkelten Bühne wieder zu erkennen waren, aber das Geklatsche hörte sofort auf, als die ersten ruhigen Töne durch den Raum klangen. Mad world machte eine ganz unwirkliche Stimmung, die Gänsehaut verursachte. Sehr homogen gesungen, und im Dynamik-Wechsel von kräftig gesungen Stellen zu ganz sanften, und vom Gesang aller fünf Wise Guys zu Stellen, an denen Dän alleine sang, sehr gelungen. Wobei sich „sehr gelungen“ jetzt etwas förmlich anhört. Ich liebe das Lied und finde die Version der Wise Guys total klasse und sehr berührend.
Als starker Kontrast zur düsteren Stimmung des ersten Liedes kam gleich danach der Ohrwurm, der in Münster besonders aufdringlich war, denn er wollte gar nicht mehr aufhören. Dem Publikum war er ins Ohr gekrochen und auch als er eigentlich beendet war, tauchte er im lauten Endapplaus plötzlich wieder auf, schwoll gewaltig an, bis der Saal dröhnte und nichts außer: „Hallo, hallo, ich bin dein Ohrwurm“ zu hören war. Dän hatte Mühe, nach einigen Runden akustisch durchzukommen, doch als er mit den Händen fuchtelte und zu sehen war, dass er sprach, wollten die Wurmsinger dann doch ganz gerne wissen, was er dazu sagte und wurden leise. „Als wir die Nummer geschrieben haben, wollten wir GENAU diesen Effekt erreichen“, grinste Dän und erzählte, dass sie jetzt für die nächste CD an Teil 2 arbeiten würden: „Wir arbeiten an einer Nummer, die musikalisch SO WENIG WIE MÖGLICH haften bleiben soll.“ Er sang den geplanten Refrain für ‘Hallo, Hallo, ich bin KEIN Ohrwurm’ in einer 12-Ton-Version vor, die wirklich alles andere als eingängig war und trotzdem große Freude beim Publikum auslöste. Ehe der alte Ohrwurm-Refrain wieder auftauchen konnte, redete er schnell weiter und wies auf die neuen Bühnenmonturen hin, die aus schwarzen Anzügen bestanden. Ganz besonders erwähnte er Clemens‘ Gürtel, der eine große Schnalle hatte, die mit reflektierenden, roten Plättchen besetzt war. Das Publikum johlte und pfiff, und Dän betonte: „Das ist ein Gürtel, neben dem alle anderen Gürtel verblassen.“ Witzigerweise war der Gürtel auch auf der Empore immer gut zu sehen, denn das Scheinwerferlicht wurde von den Plättchen reflektiert und es sah aus, als ob auf der Gürtelschnalle rote LEDs blinkten.
Während Dän geredet hatte, war Eddi hinter ihm vorbei gegangen, hatte sein Jackett ausgezogen und hinter eine der Boxen gelegt. Als er wieder an seinem Platz stand, sagte Dän gerade das nächste Lied an, drehte sich dabei um: „Wir möchten jetzt …“, stockte und fragte ihn in vorwurfsvollem Tonfall: „Hast du JETZT SCHON das Jackett ausgezogen, Eddi?“ „Äh, ja, war so warm …“, grummelte der. „Das stört doch total das Gesamtbild!“, stellte Dän leicht genervt fest und wandte sich an das Publikum: „Wer ist dafür, dass der Eddi das Jackett wieder anzieht?“ Sehr viele Arme hoben sich sofort, auch die von Ferenc und Sari. Dän machte die Gegenprobe: „Wer ist damit einverstanden, dass Eddi die zweite Hälfte komplett ohne Jackett bestreitet?“ Das waren weniger. Eddi ging seufzend los, um sein Jackett zu holen, und Dän sagte laut: „Ich will dich jetzt nicht zwingen, aber das ist ein klares Zuschauervotum.“ Versöhnlich schlug er ihm leiser vor: „Du ziehst es jetzt für zwei Stücke wieder an und dann ist gut.“ Das Publikum johlte, als Eddi wieder korrekt angezogen auf der Bühne stand, und der sah etwas betrübt in seinem warmen Jackett aus.
Vor dem nächsten Lied demonstrierte Dän das Mundschlagzeug und ließ dabei das Publikum mitmachen. Das machte die Geräusche sogar erstaunlich gut nach, auch wenn Dän die Geräusche für die Bassdrum als „ziemlich weiblich“ bezeichnete. Nach der kurzen Anleitung und der Vorführung von drei verschiedenen Schlagzeuggeräuschen forderte Dän munter auf: „Ich mach’s vor, ihr steigt einfach mit ein!“, und legte gewaltig los. Natürlich kam da keiner mehr mit und das Zuschauer-Mundschlagzeug löste sich in Gelächter und Mitklatschen auf. Es ging sofort in Einer von den Wise Guys über, und am Ende des Liedes gab es großen Beifall. Kaum war der verklungen, hörte man Dän gespielt gereizt zu Eddi sagen: „Wieso hast’n du das überhaupt gekauft, das Jackett? Das ist ja Quatsch – auch finanziell.“ „Ist dir NICHT warm?“, fragte Eddi leise zurück. „Doch, mir ist AUCH warm, aber ich muss da irgendwie durch!“, antwortete Dän genervt und lachte kurz danach ein: „Ist OK“, hinterher. Irgendwie kam die Urlaubsstimmung bei ihm recht albern und für die Zuschauer sehr vergnüglich durch.
Bei der nächsten Ansage sagte Dän nachdenkliche Frage: „… was hast du eigentlich geleistet?“. Die vier anderen Wise Guys standen still auf der Bühne, warteten ab und guckten ernst. Dän drehte sich zu ihnen um und motzte: „Ihr müsst das jetzt nicht so total übertrieben ausspielen!“ Die Zuschauer lachten los und wurden dabei laut. Dän drehte sich nach vorne, winkte und wies freundlich zurecht: „Hallo, ich wollt was erzählen!“, woraufhin sofort wieder der Ohrwurm sein Stichwort hatte und aus dem Zuschauerraum gewaltig als „Hallo, hallo, ich bin dein Ohrwurm!“ zurückkam. Es dröhnte, und Dän rief nach der zweiten Runde auffordernd: „Und jetzt die neue Version ‘Ich bin KEIN Ohrwurm’!“, und gab den Einsatz. Natürlich bröckelte alles sofort und der Gesang hörte auf. Dän blickte sich sehr zufrieden zu seinen Kollegen um: „Der funktioniert auch! Genauso wie der andere!“
„Also jetzt mal ernsthaft“, wandte er sich wieder an die Zuschauer, die daraufhin vergnügt loslachten. Er drohte: „Ich zieh die jetzt durch, die Ansage!“, und blickte auf seine Uhr. „Ich muss nach Holland zurück, aber ich muss nicht selber fahren, also … ich hab Zeit.“ Dann legte er aber doch los, machte eine Anmoderation und die Chocolate Chip Cookies waren dran. Auf der Empore gab es einige Neuhörer, die vor Lachen fast zusammenbrachen, weil sie nicht mit dieser Kombination von Sex und Backrezept gerechnet hatten. Es war sowieso schön zu beobachten, wie die Emporenzuschauer, die ja weit weg und entfernt von oben auf das Geschehen blickten, immer weiter auftauten und immer lauter reagierten, bis sie am Ende zum Teil standen und trotz Stuhl ein Stehkonzert hatten.
Ohne Ansage ging es mit Zu spät weiter. Der für viele weibliche Fans niederschmetternde Text löste trotzdem Lachstürme aus und ließ die Augen blitzen. Junge, weibliche Stimmen sangen laut „Jetzt ist es vorbei!“, und schienen die Aussage doch verdrängen zu wollen. Clemens machte die Ansage für Deutscher Meister und ging dann nach hinten, wo Sari den Ton angab. „Piiiiep“, klang es durch den Raum, und dann sofort nochmal in einer höheren Tonlage „Piiiiep“. Sari hatte sich beim ersten Mal vertan, aber die beiden Töne unmittelbar nacheinander klangen so witzig, dass nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Wise Guys loslachten.
Dän schüttelte den Kopf und stöhnte: “Der Sari”, aber dann konnte es losgehen. Ein großer, sanfter Zuschauerchor begleitete schon die erste Strophe und änderte sich in liebevolles Gelächter, als bei der Zeile „… nur rot und weißer Schaum“ langsam ein großer, einsamer, glitzernder Konfettischnipsel eines längst vergangenen Konzertes von den Scheinwerfergerüsten heruntergesegelt kam und, von Dän konzentriert beobachtet, sanft vor der Bühne landete. Süß! Und perfektes Timing.
Münster zeigte beim Deutschen Meister, dass man auch stehend schunkeln kann und im Saal wurden sogar einige Schals geschwenkt. Am Ende gab es wilde, rhythmische Klatscherei mit hoch erhobenen Armen und einen Saal voll mit ansteckender Stimmung. Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf sang Sari und es groovte heftig. Sofort danach gab es Sing mal wieder und Eddi machte mit dem Publikum, was er wollte. Also gesangstechnisch gesehen. Das machte aber auch willig mit. Kleine, leise „Dut-dut-duuhs“, lange, laute „Aaaaaahaaaas“ und was ihm sonst noch einfiel. Er sang vor, das Publikum sang nach. Nach dem Schlusston gab es Riesenjubel mit donnerndem Fußgetrampel, obwohl einen großen Teil des Liedes ja die Zuschauer selbst übernommen hatten. Guter Trick. „Großartig!“, lobte auch Dän.
Ferenc machte bei der guten Stimmung gleich mit King of the road weiter. Ich war gespannt, denn der Backgroundchor von Eddi, Sari und Clemens dachte sich manchmal für eine kurze Passage in der Begleitung eine überraschende Sache aus. Meistens etwas ungewöhnliche Akkorde oder Geräusche. Was würden sie diesmal machen, mit welcher akustischen Aktion den Hauptsänger Ferenc überraschen? Er sang schön tief und trotzdem wunderbar leicht von seinem Autobahnleben, und dann kam die besagte Stelle: „… doch das liegt in meinen Genen drin.“ Es passierte – nichts. Und zwar so überhaupt nichts, dass im Background nicht mal der übliche Gesang an dieser Stelle zu hören war. Die blieben einfach einen Takt lang stumm. Ferenc drehte sich überrascht in die Stille um und man konnte ihn während des Singens leicht auflachen hören. Überraschung gelungen! Etwas später sang ihn Clemens mit dem üblichen Text: “Idiot!”, an, ging dabei aber völlig unüblich NICHT auf ihn zu, sondern guckte unbeteiligt in die andere Richtung. Ferenc drehte sich gespielt sauer um und sah nur abgedrehte Gesichter, so dass seine Reaktion völlig überflüssig erschien. Sehr witzig. Und vor allem: Sehr unauffällig. Neuhörer werden diese kleinen Extras überhaupt nicht bemerkt haben, weil sie den Ablauf des Liedes nicht beeinflussten.
Nach dem Extra-Applaus für den Bass bereitete Dän auf das Konzertende vor: „Wir sind mit einem Bein praktisch schon wieder in Holland“, was eine ziemlich falsche Aussage war, denn schließlich wollten von den 10 Bühnenbeinen nur vier wieder nach Holland zurück. Aber egal. Das schöne, federleichte, südamerikanisch angehauchte Feierabend beendete den offiziellen Konzertteil lustig und sehr schön. Ach, ich liebe es ja, wenn Konzerte mit einem eindeutigen Opener beginnen und mit – äh, … heißt der dann Closer? … OK, nochmal: Ach, ich liebe ja eindeutige Begrüßungs- und eindeutige Verabschiedungslieder bei Konzerten. (Hört sich nicht unbedingt besser an.) Damit wird ein Konzert jedenfalls richtig rund.
Es gab viel Applaus für den ‘Feierabend’ und schon beim Abgang der Wise Guys Zugaberufe, die für die münsteraner Synchronmitklatscher und Ohrwurmsinger in Bezug auf Lautstärke Durchfühgung kein Problem darstellten. Und natürlich stellten sich die Wise Guys nicht zickig an und diskutierten in der Garderobe noch stundenlang, ob sie ein weiteres Lied bringen sollten, sondern sie kamen recht schnell zurück, als hätten sie da schon mit gerechnet.
Live and let die war mal wieder eine Ton-, Licht- und Spannungsorgie. Ganz ungewöhnlich, nicht in das restliche Programm passend, und darum eine echte Bereicherung, die zeigte, was man mit A-cappella noch alles machen konnte. Das Scheinwerferlicht ließ die Silhouetten der Wise Guys manchmal als große Schatten über die Wand wandern und machte alles noch bedrohlicher und unheimlicher.
Eigentlich hätte ich gerne mal Paul McCartney im Publikum sitzen, weil ihm sein Lied in der Wise Guys Version wahrscheinlich gefallen würde. Na, vielleicht ist er beim nächsten Mal in Münster dabei, wenn er zufällig liest, wie lustig es dort war. Oder wenn er mehr als zwei Fahrräder hat und mal sehen will, wie die das in Münster mit dem vollgestellten Hausflur regeln. Aber ich schweife ab. Unter großem Applaus gingen die Wise Guys danach ab, und sofort tauchte in großer Lautstärke der Ohrwurm wieder in den Zuschauerreihen auf und erfasste den Saal. “Hallo, hallo, ich bin dein Ohrwurm!” Ein bisschen nervig war das schon, fand ich, aber das war wahrscheinlich MEIN Problem. Zum Glück wurde das Ohrwurm-Singen gleich vergessen, als die ersten Töne von Ruf doch mal an durch die Dunkelheit klangen. Das Bühnenlicht ging an und der Saal rockte ab. Hämmernder Bass, mitreißende Musik, lautes Klatschen, eine wogende Zuschauermasse – wow!
Riesenjubel bei der anschließenden Verbeugung und schon wieder tauchte der Ohrwurm auf. Da überlegte ich schon, ob es den Münsteranern ausgereicht hätte, am Abend 15 Mal den Ohrwurm von den Wise Guys zu hören und ihn 12 Mal selber zu singen? Oder hätten sie nach dem vierten Durchgang dann doch genug gehabt? Die Wise Guys, seit den Zugaben übrigens überwiegend ohne Jacketts, sangen Jetzt ist Sommer. Die unteren Saal-Zuschauer standen sowieso, aber auch die meisten auf der Empore standen und sangen laut mit.
Und dann wurde der Ohrwurm nochmal angesungen, bevor die Wise Guys die Bühne verließen. Hätten die Münsteraner vorher andere Sachen lautstark verlangt, wären diese vielleicht überlegt worden, aber so konnte es nur einen Abschluss geben. Es wunderte mich nicht, dass die Melodie sofort vom Saalpublikum übernommen wurde und der Refrain laut durchgesungen wurde, bis die Wise Guys kurz danach wieder auf die Bühne zurückkehrten und die definitiv letzte Strophe des Abends sangen.
Danach dicker Applaus, Verbeugung, Abgang und längeres Zuschauergeklatsche, weil der abgedunkelte Saal Hoffnung auf weitere Zugaben machte. Aber das lag nur an der Fernbedienung für das Deckenlicht, die nicht sofort reagierte und den Lichttechniker Mike fast zum Wahnsinn brachte. Endlich hatte das Deckenlicht begriffen, dass es gemeint war und angehen musste, und da wurde auch den Zuschauern klar, dass das Konzert vorüber war und nur noch der Afterglow wartete. Der war erwartungsgemäß recht voll und zunächst unübersichtlich. Da wo ein dichter Pulk von Fans stand, war der Mittelpunkt vermutlich ein Wise Guy, und wer Autogramme haben wollte, musste sich nur anstellen und warten, bis er durch konstante Abgänge im Innenkreis in die Mitte gerückt war. Liest sich jetzt komplizierter als es war.
Zwei Gruppen von Nachwuchs-Wise Guys sangen jeweils zwei Wise Guys Lieder, so dass es auch beim Afterglow noch musikalische Untermalung gab. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele junge Leute durch die Wise Guys zum Singen motiviert werden. Da werden in den nächsten Jahren noch Karrieren gestartet, deren Anschub und deren musikalische Entwicklung die Wise Guys ganz stark beeinflusst haben. Ich finde das total klasse! Und die Leute nennen dann später in Interviews nicht mehr “Beatles, Lennon/McCartney” als Wurzeln, sondern “Wise Guys, Dickopf/Hüneke”. Oder beim Ausdruckstanz: “Sari”.
Noch in der Nacht ging es für drei Wise Guys zurück nach Köln, für die beiden anderen sofort wieder nach Holland, wo am nächsten Tag der Bau einer extrem flutresistenten Sandburg auf dem Plan stand. Außerdem musste Vanille-Vla für Ferenc gekauft und mitgebracht werden.
Mein persönliches Fazit: Tolles Konzert, supergute Stimmung, ein langer, sehr schöner Abend. Und nach längerer Zeit endlich mal wieder ein Konzert, bei dem ich einfach nur zugucken und genießen konnte. Es war mir ja schon vorher klar, aber mir wurde es wieder ganz deutlich, als ich grinsend auf der Empore saß und ihnen bei ihrer Show zusah: Die Wise Guys sind meine allerliebste Lieblingsgruppe!
Wo der Pfeffer wächst
Was für eine Nacht
Du kannst nicht alles haben
Hallo, Berlin
Monica
Erzähl mir die Geschichte
Das war gut
Achtung! Ich will tanzen
Weltmeister
Powerfrau
Du bist dran
Nur für dich
Mad world
Ohrwurm
Einer von den Wise Guys
Chocolate Chip Cookies
Zu spät
Deutscher Meister
Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf
Sing mal wieder
King of the road
Feierabend