Klimbim – 20.10.2004 – Düsseldorf
Elisabeth Volkmann, Ingrid Steeger, Horst Jüssen, Wichart von Roell und Peer Augustinski
Theater an der Kö, Düsseldorf
Leute, die nach 1965 geboren sind, sollten diesen Bericht vielleicht gar nicht erst lesen. Vieles wird ihnen unverständlich und seltsam vorkommen, weil sie damals eben nicht dabei waren, als Klimbim in den 70er Jahren die deutsche Fernseh-Nation beschäftigte. Bis dahin hatte es den Humor von Peter Frankenfeld und Heinz Erhardt gegeben, aber Klimbim war ganz anders. Es war sehr schnell, albern und witzig, es gab Slapstick, Filmeinspieler, tolle Gags, schlechte Pointen, versaute Kommentare, nackte Busen und jedes Mal einen Stargast, der bei einigen Szenen mitspielte.
Ab 1973 kamen sechsmal im Jahr die Folgen einer neuen Staffel, und ich denke, ich habe keine einzige versäumt. Mutter Jolanthe mit ihrem Liebhaber, die freche Tochter Gaby und der sprücheklopfende Opa gehörten ebenso dazu, wie das kesse Straps-Nummerngirl und am Ende die Outtakes mit den Versprechern. Michael Pfleghar prägte als Regisseur den schnellen Ablauf der Sendung und schaffte es, Klimbim zur Kultserie zu machen. Ende der 70er Jahre verschwand die Klimbim-Familie. Das hatte sie sowieso am Ende jeder Staffel gemacht und war dann zu Beginn der nächsten ohne jede Erklärung wieder aufgetaucht, aber diesmal war es für immer. Die Klimbims waren weg und blieben verschwunden.
30 Jahre nach der ersten Ausstrahlung, es war inzwischen 2003, tauchten sie plötzlich wieder auf. Nicht im Fernsehen, aber auf einer langen Tournee, die durch viele Städte führte. Die Original-Schauspieler waren nach 30 Jahre wieder in den alten, vertrauten Rollen zu sehen. Das war ja fast unglaublich. Aber, wenn ich so an mich dachte, es waren vielleicht 30 Jahre vergangen, aber ich war ganz sicher nicht 30 Jahre älter geworden. Gefühlt höchstens 15. Als sie in meiner Nähe waren, fuhr ich natürlich hin. Klimbim hatte meinen Humornerv gestählt und meine Liebe für schnelles Timing geprägt, und ich wollte einfach ganz sentimental meine Klimbim-Familie wiedersehen.
Das Theater an der Kö passte wunderbar, denn es hatte den passenden 70er-Jahre-Charme. Die Musikbeschallung war auf Hits aus der gleichen Zeit ausgerichtet, und es fiel mir nicht schwer in eine jugendliche Stimmung zu fallen. Allerdings fiel mir das auch sonst nicht allzu schwer. Es wurde dunkel, und auf der Bühne gab es wenig Licht, düstere Begräbnismusik, wallenden Nebel und dunkle Särge, die in einem Wohnzimmer standen. Als sie sich knarrend öffneten und nach und nach die vertrauten Familienmitglieder heraussahen, grinste ich breit und entzückt. Hey! Die sahen ja fast genauso aus wie früher! Hatte man sie bis jetzt eingefroren??
Wichart von Roell als preußisch-militanter Opa trug seinen gelben Bademantel mit der Reihe von Orden, der Monokel baumelte herunter, und er brüllte: “Wie damals in den Ardennen!”. Elisabeth Volkmann kletterte aus dem Sarg und lief leichtbekleidet mit schwarzen Strapsstrümpfen und einem duftigen, rosafarbenen Negligée durch die Gegend, hatte Lockenwickler in den roten Haaren und schmetterte das immer in den Ohren gebliebene: “Diii- dadadaaa- dada- da- da- daaaah!” Der Liebhaber Adolar wurde immer noch von Horst Jüssen gespielt, den ich damals total nett fand, der mir aber noch zu Klimbimzeiten von Lena Valaitis weggeschnappt wurde. Aber das war schon OK so, denn ich hatte mir keine wirklichen Chancen ausgerechnet.
Ingrid Steeger spielte die kleine Gaby, war zierlich und schmal, hopste herum, warf sich mit kindlicher Haltung ins Hohlkreuz und war einfach süß. Nur der Hund, der horizontal lange Hush Puppie mit den senkrecht langen Ohren, hatte die 30 Jahre nicht überstanden und war inzwischen ausgestopft worden. Vom Bewegungsdrang her war das aber kein großer Unterschied zu seinen früheren Auftritten. Peer Augustinski übernahm, weil er kein Familienmitglied war, alle andere Rollen und zeigte sich darin extrem wandlungsfähig.
Auch nach 30 Jahren war Gaby frech und frühreif, hasste den Liebhaber ihrer durchgedrehten Mutter, machte dicke Sprüche und bekam von ihrer Mutter zu hören: “Es ist an der Zeit dir mal wieder eine zu scheu0ern!”, woraufhin der Mann in der Reihe vor mir sofort: “Genau!” zustimmte, und ein lauter Knall aus00 der Regie zeitgleich Jolanthes Schlag unterstützte. Immer noch wirkte Ingrid Steeger ein wenig unsicher und hatte damit den Charme, der das sofortige Beschützersyndrom auslöste. Irgendwie wusste ich sie in dieser Gruppe aber gut aufgehoben. Sollte sie mal aus dem Text kommen, würden die anderen sofort helfen und sie sicher auffangen. Sie war wirklich total süß! Die Stimme inzwischen etwas tiefer, das Gesicht etwas älter, aber da lagen auf keinen Fall 30 Jahre dazwischen! Die sahen alle noch verdammt gut aus!
Elisabeth Volkmann traf es, als sie während des Stückes auf ihre typische Klimbim-Art sagte: “Also wenn ich in den letzten 30 Jahren nicht 8 Jahre älter geworden wäre…” Wichart von Roell hatte sogar den Vorteil, dass ihm jetzt nicht für jede Aufführung eine hauchdünne Glatze auf den Kopf geklebt werden musste, sondern dass er sich nur noch einen Haarkranz um den Schädel legen musste. Ich vermute aber, dass er die eigenen vorhandenen Haare dafür täglich abrasierte.
Die Kostüme waren so, wie ich sie kannte, und die Figuren der Darsteller waren auch gleich geblieben. Die Damen sahen eher noch schmaler, als früher aus. Ich war wirklich begeistert und fühlte mich völlig problemlos in der Zeit zurückversetzt. Ich war wieder in der Pubertät und traf “meine” Klimbim-Familie zum ersten Mal in echt!
Natürlich war es nicht ganz so laut und schrill und schnell wie damals im Fernsehen. Das lag aber daran, dass es auf einer Bühne stattfand und nicht mit schnellen Schnitten und lauten Geräuschen gearbeitet werden konnte. Wo damals die Großaufnahme ZACK im Bild war und sofort ein Schnitt die nächste Einstellung zeigte, musste heute die Bühne erst überquert oder die kurze Pause nach dem Gag abgewartet werden. Aber es waren die gleichen dummen Sprüche wie damals und die Familie kopierte sich einfach selber. Das war ja auch Sinn der Sache und genau das, was ich sehen wollte.
Eine richtig durchgehende Handlung oder ein sich aufbauendes Theaterstück gab es nicht, hatte es bei Klimbim aber auch nie gegeben. Ich vermisste es auch nicht, sondern freute mich, wenn der Opa den altvertrauten Ruf: “Zack, zack! Alles hört auf mein Kommando!” ausstieß und Gaby den Liebhaber ihrer Mutter lautstark beleidigte. Ich wollte Blödsinn hören, alberne Gags und eine bekloppte, unlogische Familie sehen. Freie Busen gab es nicht zu sehen, aber sexistische Witzchen zu hören (die Klimbim-Familie darf das!) und bei Elisabeth Volkmann viel Figur und freie Haut zu bewundern (die kann das!). Peer Augustinski verblüffte daneben mit den unterschiedlichsten Rollen, die er hervorragend spielte.
Hin und wieder brachen die Schauspieler aus ihren Rollen und trafen sich zu zweit vor dem Vorhang, redeten über die damalige Zeit und machten Witze über ihr Älterwerden. Manchmal heftig, aber doch immer liebevoll. Es war zu spüren, dass auf der Bühne kein Konkurrenzkampf herrschte, sondern dass dort eine Truppe stand, die sehr vertraut und freundschaftlich miteinander umging.
Zur Pause und etwas später nochmal, gab es dann sogar Slapstick-Filmeinspieler auf einer Leinwand. Zu meiner Freude waren es nicht alte Aufnahmen, sondern neu gedrehte, die aber ganz im Stil der früheren waren. Und da gab es Ingrid Steeger sogar wieder als eine Art Nummerngirl. Schön! Und sogar die “Fensternummer”, bei der früher abwechselnd kleine Fensterchen aufgingen, in denen jemand erschien, der einen blöden Reim oder witzigen Spruch aufsagte, war ansatzweise zu sehen.
Am Ende gab es natürlich die Abschlussszene, bei der aus der chaotischen Klimbimfamilie wieder Ingrid Steeger, Elisabeth Volkmann, Wichart von Roell, Horst Jüssen und Peer Augustinski wurden, die in festlicher Abendgarderobe den Endapplaus entgegennahmen. “Klimbim ist unser Leben … dann mach ich mir’n Schlitz ins Kleid und find es wunderbaaaahar!”
Es gab viel Applaus, auch wenn sich das Publikum während des Stückes oft als sehr amüsiert, aber wenig klatschfreudig gezeigt hatte. Ein wenig lahm, und wir starteten oft den Applaus, der dann aber auch sofort übernommen wurde. Ein bisschen wie Abo-Publikum, das sich manchmal etwas bequem verhält.
Ich fand den Abend sehr schön. Empfehlen kann ich den Besuch bei der Klimbim-Familie allen Nostalgikern, die damit aufgewachsen sind. Es ist so wie früher, die Schauspieler sind total vertraut und eben einfach die “Klimbims”. Auch Menschen, die etwas vom Charme der Serie erleben wollen, sind gut aufgehoben. Ob die Gags aber auch bei jungen Leuten ankommen, ob sie Spaß an den Anspielungen haben, über die ich laut lachen musste, weil ich sie allzu gut kannte, weiß ich nicht. Vermutlich hätten meine Kinder sich trotzdem sehr amüsiert. Und eigentlich ist es eine Bildungslücke, wenn man Klimbim nie erlebt hat.