Berichte

Guildo Horn – Konzert – 16.08.2004 – Bonn

Gäste: Henry Maske, Jens Streifling und Tobias Künzel
Bierbörse, Bonn

Nein, ich werde nicht plötzlich zum Guildo-Horn-Fan, ich bin nämlich schon lange einer. Dass mein erstes Live-Konzert erst vor drei Wochen stattfand und jetzt sofort mein zweites, lag eher an den günstigen Terminen, die plötzlich in meiner Nähe waren. Guildo Horn fand ich schon lange vor seiner Grand-Prix-Teilnahme in Birmingham gut, aber die Konzerte danach habe ich mir lieber gespart, denn der Rummel, der damals um ihn gemacht wurde, versprach einen Haufen durchgedrehter Fans, auf die ich locker verzichten konnte. Spaß ist ja schön, aber manche Leute werden gleich zu militanten Hardcorefans, die dann überhaupt keinen Spaß mehr verstehen.

Die Bierbörse in Leverkusen war gigantisch. Zunächst musste man gigantische Umwege fahren, um auf den Parkplatz in der fast komplett abgesperrten Innenstadt zu kommen, dann gab es gigantisch viele Menschen, die sich zwischen den vielen Bier- und Imbissbuden bewegten, und auf der Wiese ein gigantisch großes Zirkuszelt, in dem das Konzert stattfinden sollte. Ich fühlte mich etwas unwohl, als wir uns langsam im Strom der vielen Leute über das Gelände bewegten. Zu viele Leute, zu viel Bier, zu viel Gegröle. Auch der Gatte stöhnte leise vor sich hin und war sichtlich genervt. Im Zelt war es zum Glück noch ziemlich leer und wir hatten sofort einen Platz in der zweiten Reihe. Eine knappe Stunde Wartezeit bis zum Beginn des Konzertes lag vor uns, aber ich ging davon aus, dass es nicht pünktlich anfangen würde. Nicht, dass ich das gut fand, aber es schien bei Guildo Horn normal zu sein.

Das Zirkuszelt sah auch von innen schön aus und war wirklich unglaublich groß. Nach und nach kamen immer mehr Leute hinein und es wurde voller. Ein kleiner, schmaler Junge, schätzungsweise acht oder neun Jahre alt, landete mit seiner Mutter in unserer Nähe und mehrere Leute winkten ihn nach vorne, damit er sich an das Absperrgitter stellen konnte, um überhaupt etwas zu sehen. Dort standen einige Frauen, die zum Teil T-Shirts mit aufgedruckten Guildo-Fotos trugen und sich dadurch als wahre Guildo-Fans kennzeichneten. Knallhart und ohne Zögern weigerten sie sich, den Jungen nach vorne zu lassen. “Nee, hier nicht!”, hieß es kategorisch und als Argument kam: “Das ist viel zu gefährlich, weil hier gleich gedrängelt wird.” “Supernette Fans!”, quetschte der Gatte durch seine Zähne und guckte verächtlich, während ich den Kopf schüttelte und mir dachte, dass es eben etwas anderes ist von “Gemeinschaft” und “Wir haben uns alle lieb” zu singen, als es zu praktizieren. Der Junge lächelte freundlich und versuchte mit seinen knappen 100 cm Größe über die fest geschlossene Frauenrücken-Wand von 170 cm Höhe vor ihm zu gucken. Hey, der ging mir nicht mal bis zum Ellenbogen und es wäre wirklich kein Problem gewesen, so ein schmales Persönchen vor sich am Gitter zu haben! Naja, was so ein richtig verbissener Hardcorefan ist … Dass ich kurz danach ein noch ausgeprägteres Modell erleben sollte, wusste ich da noch nicht.

Die letzten Stücke der Vormusik liefen vom Band und Bill Haley sumpfte mir mit ‘Rock around the clock’ um die Ohren. “Wegen DER Aufnahme hätte HiFi nicht entstehen müssen“, stellte der Gatte mit gequältem Gesichtausdruck fest und grübelte: “Ich weiß gar nicht, wo man so eine schlechte Aufnahme herbekommt.” Mit nur 15 Minuten Verspätung ging die wunderschöne Böttcher-Winnetou-Musik los, die den Beginn des Guildo-Konzertes ankündigte. Die Scheinwerfer über der Bühne blitzen auf, drehten sich farbig, und der kleine Junge, der seinen Platz jetzt vor mir gefunden hatte, blickte hoch, sah sich die Farben über seinem Kopf an und strahlte: “Wie eine Sonne!” Der war auch ohne Guildo schon begeistert. Außerdem hatte er uns vorher verraten, dass er Guildo gerne als Vater hätte. Hätten die weiblichen Fans gewußt, dass das fast Guildos Sohn war, den sie vom Bühnenblick ausgeschlossen hatten, hätten sie ihn höchstwahrscheinlich sofort liebevoll auf die Schultern gehoben und mit Schokolade gefüttert.

Das Konzert ging mit Ti amo los und die Stimmung war sofort klasse. Mein bis dahin angenervter Gatte sang plötzlich bestens gelaunt mit und hatte lachende Augen, und ich hob zwischendurch den netten Jungen hoch, der völlig fasziniert und mit leuchtenden Augen dem Geschehen auf der Bühne zusah. Guildo schwitzte und hatte sich sehr schnell seiner Oberkörperbekleidung entledigt, wodurch man noch viel besser sah, wie sehr er schwitzte.


Die langen Haarzipfel klebten an Kopf und Schultern, der Schweiß floß über den Körper, und der ganze Guildo Horn tropfte wie gerade im Freibad aus dem Wasser aufgetaucht. Manche Leute haben damit ja ein Problem, aber ich mag das. Er setzt sich voll ein, macht eine tolle Show und schwitzt eben wie Sau. Ich mag das genauso wie seinen kleinen Speckring am Bauch, sein nettes Lächeln in den Augenwinkeln und seine tolle Stimme. Lieber Waschbär- als Waschbrettbauch.

Als Gast kam der Boxer Henry Maske auf die Bühne und sang nicht mal schlecht und sehr geschickt gewählt Drink doch ene mit, wobei ihn Guildo Horn, die Band und das Publikum begleiteten. Dieses Lied im Rheinland und dann noch bei der Bierbörse konnte nicht schiefgehen. Außerdem war Henry Maske sehr sympathisch und wurde schon alleine für sein Erscheinen laut umjubelt. Ein sehr schöner Auftritt!

Kurz danach kam Jens Streifling auf die Bühne, der für Furore gesorgt hatte, als er von BAP zu den Höhnern gewechselt war. Das waren natürlich unterschiedliche Musikrichtungen, aber jetzt kam er als Gast zu seinem Freund Guildo, griff abwechselnd zum Tenorsaxophon, der Gitarre oder der Mandoline und hatte Spaß. Das war auch der Zeitpunkt, zu dem ich das noch ausgeprägtere Hardcore-Fan-Modell erleben konnte. Es war weiblich, trampelte mir rücksichtslos über die Füße und rempelte mit starrem Blick an allen in ihrem Weg stehenden Zuschauern vorbei, um einen Meter näher an Jens Streifling zu kommen. Sie war überhaupt nicht mehr ansprechbar und winkte hektisch los, sobald der Mann ihrer Träume auch nur ungefähr in ihre Richtung blickte. Guckte er zur anderen Seite, hörte ihr Winken und Lachen auf, um verstärkt und angespannt einzusetzen, sobald er den Kopf in ihre ungefähre Richtung drehte. Es war klar zu erkennen, dass der Begriff ‘Fan’ von ‘fanatisch’ kommen musste.

Zu meinem Glück wechselte Jens Streifling nach dem Lied seine Position auf die andere Bühnenseite und die Fanin quetschte sich energisch über die Füße und durch die Massen, um dort in seine Nähe zu kommen.

Um so auszusehen wie Guildo Horn, wie er selber versprach, machte die inzwischen gigantisch angewachsene Menge von Zuschauern unter seiner Anleitung Übungen, kreiste die Arme, machte Hasenohren oder bildete mit den Händen eine Zipfelmütze auf dem Kopf. Hemmungslos machte ich mit und hatte eine Menge Spaß. Der kleine Junge sah mit verwunderten Augen zu, wie sich die Erwachsenen um ihn herum zum Affen machten, und ich hatte das Gefühl, dass er das zwar unerwartet, aber gut fand.

Tobias Künzel von den Prinzen kam als dritter Gast auf die Bühne, hatte kein Krönchen auf dem Kopf, dafür aber gewagt gemusterte Kleidung an, die zu einem Guildo-Horn-Konzert passte. Zehn Tage vorher war er in Berlin beim Wuhlheide-Konzert sehr nah an mir vorbeigegangen. Was heißt gegangen – wir strichen unter leichter Berührung aneinander entlang, was aber nicht an romantischen Anwandlungen oder einer großen Zuneigung lag, sondern nur an einer engen Wegstelle zwischen Bühne und Cateringpavillon. Ich vermute nicht, dass ich ihm irgendwie im Gedächtnis geblieben bin und mir war damals auch nur sofort aufgefallen, dass er kein Krönchen trug, obwohl er ein Prinz ist, was aber auch keinen besonders schlauen Gedankengang zeigte. Den Prinzenauftritt hatte ich in Berlin dann leider verpasst, weil ich mich gerade mit einem anderen, mit mir befreundeten Teilnehmer unterhielt, weswegen Tobias Künzel jetzt wahrscheinlich netterweise gekommen war, um das beim Guildo-Horn-Konzert nachzuholen.

Es gab mit Guildo und Band zwei fetzige Beatles-Lieder zu hören, Komm gib mir deine Hand und Sie liebt dich, und während ich nur laut mitsang, lieferte mein Gatte sogar die zweite Stimme. Das machte Spaß!

Dass sie danach Dich gibt’s nur einmal für mich von den Flippers schmachteten, war völlig in Ordnung. Normalerweise flüchte ich sofort vor Schlagern, aber bei Guildo Horn war das richtig gut gemacht und es gefiel mir. Wahrscheinlich weil die Musik dazu fetzig war und ich nicht das Gefühl hatte, dass mich jemand mit tropfendem Schmalz zusülzen wollte. Guildo war in Wahrheit ein Rockmusiker, der auch die Schlager als Musik und nicht als seichtes Gelalle bringen konnte. Dass der Sound am Abend generell etwas sumpfig war und anscheinend auch Guildo Probleme hatte, über die Monitorboxen gut zu hören, war schade. Gegen Ende des Konzertes gab es sogar manchmal seltsame Klänge, als ob das Keyboard eine andere Tonart als die restlichen Musiker spielen würde. Sehr verwirrend, aber da Guildo kräftig und sicher weitersang, versuchte ich diese schrägen Geräusche zu überhören und alles auf den leicht matschigen Klang zu schieben. Richtig schlimm fand ich es nicht.

Nachdem Guildo todesmutig auf einen nicht wirklich gut abgesicherten Boxentrum geklettert war und von dort aus ‘Amarillo’ in die mitsingende Menge schmetterte, kam er sogar heil wieder runter und es gab noch viel Liedgut, Schweiß und gute Laune.

Der kleine Junge war schon müde geworden und hatte das Konzert an der Hand seiner Mama gähnend, aber mit strahlenden Augen vorzeitig verlassen, die Zuschauer im Zelt hopsten wild und sangen laut mit, und Guildo tobte ungebrochen über die Bühne. Der Jens-Streifling-Extrem-Fan kam nochmal über meine Füße getrampelt, irgendwelche stark angetrunkene Leute drängten nach vorne und hätten damit fast einen Domino-Umkippeffekt im Publikum erreicht, ließen sich aber durch sofortige Prügelandrohung anderer Zuschauer einschüchtern, und meine Energie ließ langsam nach. Schließlich hatte ich über längere Zeiten auch den Jungen hochgehoben, damit er über die Köpfe der Fans in der ersten Reihe gucken konnte.    

Mit Blumen für zwei Gäste, Henry Maske hatte die Veranstaltung schon verlassen, kam es nach 2 Stunden und 45 Minuten pausenlosem Konzert zur letzten Verbeugung. Guildo Horn und die orthopädischen Strümpfe kamen im Tanzschritt nach vorne, winkten nochmal unter dem Gejohle und den schrillen, begeisterten Pfiffen des zahlreichen Publikums und gingen dann ab.

Auch wir gingen ab. Es war ein langer Abend, das Konzert ein voller Erfolg mit tollen Gästen und ich fand Guildo Horn immer noch total klasse. Es war bestimmt nicht mein letztes Konzert, allerdings werde ich die Leverkusener Bierbörse in Zukunft eher vermeiden und mir einen etwas kleineren, ruhigeren Veranstaltungsort suchen. Die Stimmung war zwar sehr gut und oft gellend laut, aber ich mag es lieber in einer etwas kleineren Ausgabe.



Und als Nachtrag: Es gibt auch total viele nette Guildo-Horn-Fans. In der zweiten Reihe einige, die dem kleinen Jungen immer wieder Platz machten und darauf achteten, dass er etwas vom Konzert sehen konnte. Wahrscheinlich sind auch die Fans in der ersten Reihe furchtbar nett, wenn man nicht gerade verlangt, dass sie ihren Platz am Absperrgitter aufgeben und einen schmalen Jungen vorlassen sollen. Und sogar die Jens-Streifling-Extrem-Fanin ist ganz sicher immer supernett, wenn sie nicht Jens Streifling vor Augen und Füße im Weg hat. Und sogar ich kann nett sein. Bei manchen Leuten will ich das aber gar nicht.