Berichte

Purple Schulz, Josef Piek, Stoppok – 14.06.2004 – Köln

Purple Schulz & Josef Piek machen Gemeinsame Sache mit Stoppok.
Theater im Bauturm, Köln

Das kleine Theater im Bauturm wurde immer voller. Das Durchschnittalter der Besucher lag beruhigend hoch und ich fühlte mich fast wie beim Klassentreffen. Viele Leute meines Jahrganges waren dabei und auffallend viele nette Leute, wie ich fand. Das Programm in der Reihe “Gemeinsame Sache” startete wie gehabt mit einer wunderbaren ersten Hälfte von Purple Schulz und Josef Piek, die jedoch zur Vorwoche einige kleine Änderungen in der Liedauswahl hatte, um es für Dauerbesucher abwechslungsreicher zu machen.

Es war sehr, sehr schön, ich hätte noch viel länger zuhören können und schreibe jetzt nur nicht ausführlich darüber, weil ich das im Gemeinsame-Sache-Bericht von letzter Woche schon getan habe. Wäre etwas blöde, das ganz ähnlich wieder zu beschreiben, obwohl es kein bisschen blöde war, es ähnlich wieder zu erleben.

Darum fange ich gleich mit der Pause an. In die gingen die Zuschauer nach einer Stunde mit Purple und Josef leicht verschwitzt, fröhlich und sehr gut gelaunt. Etwas abgekühlt, immer noch fröhlich und sehr gut gelaunt kamen sie danach zurück und freuten sich auf den zweiten Teil mit dem Gast. Der war kein Geheimnis und einige Zuschauer waren extra wegen ihm da.

Purple setzte sich ans Keyboard und erklärte zur Einleitung: “Wir laden hier nur Leute ein, bei denen man sagen muss, die haben Sachen geschrieben, die hätten wir gerne selber geschrieben. Und jetzt kommt einer, von dem haben sie mir früher immer gesagt: Da musst du mal hingehen. Vor allem ZWISCHEN den Stücken ist das total klasse bei dem!” Das Publikum lachte zustimmend und Purple ergänzte: “Ich kann das bestätigen, hab aber dann auch gemerkt, dass zwischen den ANSAGEN ein Haufen toller Stücke gespielt wurde. Ich bin total froh, dass er heute hier ist: Stefan Stoppok!”

Unter Jubel und Geklatsche kam Stoppok auf die Bühne, setzte sich auf den Klavierhocker, der für ihn auf der Bühnenmitte bereitstand, stöpselte seine Gitarre ein und grinste: “Wir können jetzt überlegen: Welches Programm machen wir? ZWISCHEN den Stücken, oder STÜCKE?” “Beides!” kamen Zuschauerrufe. “Beides? Ihr seid ja unersättlich!”

Purple stellte einen Ventilator um, damit es etwas frische Luft auf der Bühne gab, und Stoppok machte sich Sorgen um seine Frisur, weil die Haare dadurch von hinten nach vorne geweht wurden. “Das sieht scheiße aus”, grinste er, stimmte dabei in aller Ruhe seine Gitarre und quatschte währenddessen weiter: “Die Jungs haben eine unglaubliche Kohle hingelegt, um mich heute Abend hierher zu bekommen.” Josef und Purple lachten und er blickte zu ihnen: ”An eurer Stelle hätte ich mir ‘nen neuen MP3-Player gekauft!” Außerdem betonte er, dass Purple und Josef die Lieder für den Abend ausgesucht hätten und darum schuld wären, wenn sich einer beschweren würde.

Das Publikum lachte immer wieder fröhlich los, machte Zwischenrufe und hatte Spaß. Endlich war die Gitarre gestimmt, Stoppok ging zu den ersten Akkorden über und während diese rhythmisch erklangen, sagte er: “Schön, dass ihr da seid, schön heiß, heute abend …” Josef setzte taktmäßig passend mit einer einleitenden Gitarre ein und Stoppok guckte ihn ernst an: “Wir hatten abgesprochen, dass du noch nicht anfängst!” Die Zuschauer quietschten los, Purple und Josef fingen an zu lachen und Stoppok, unermüdlich die ersten Akkorde wiederholend, redete davon, dass sie den ganzen Nachmittag geprobt hätten und dabei alles geklappt hatte. Josef beugte sich zum Mikro vor und erklärte dem Publikum: “Er hat nur gesagt: Den einzigen Fehler, den du machen kannst, ist zu früh anzufangen!”

Kaum war das Zuschauergelächter leiser, begann Stoppok mit ‘Tage wie dieser’. Seine brüchige, leicht gequetschte Stimme, die ich so supergern höre, die etwas nuschelige Aussprache, bei der oft die letzten Buchstaben der Wörter verlorengehen, die lässige Ausstrahlung – das war Stoppok. Diese Stimme hatte was. Es war keine klassisch schöne Stimme, aber eine sehr ausdrucksstarke, die rau los sang und von ganz alleine Musik war.

Josef und Purple begleiteten ihn auf Gitarre und Keyboard und sangen im Refrain mit. Toller Klang, doch plötzlich riss mitten in einer Strophe eine Gitarrenseite an Stoppoks Gitarre und baumelte schlaff herunter. “Das war nicht geplant”, stellte er mit kurzem Zwischensatz klar, spielte und sang aber bis zum Ende des Liedes durch. Danach erklärte er mit Blick auf die nicht voll einsatzfähige Gitarre: “Wir müssen kurzfristig das Programm ändern – äh … wir überspringen den nächsten Titel.” Er überlegte laut, wie sich das Problem lösen ließe. “Josef, kann ich mir nicht eine Gitarre von dir leihen? Du hast doch so viele …” Josef brauchte die aber selber, und Stoppok blickte suchend in den schwarzen Zuschauerraum und rief wie nach einem Arzt: “Ist ein Gitarrist unter uns?” Nach einem Augenblick der Stille erklang eine klare Frauenstimme aus den hinteren Reihen: “Ich würd mich bereit erklären, die Saite aufzuziehen!”. Pe Werner eilte nach vorne auf die Bühne, begrüßte Stoppok mit Küsschen “Tach!”, nahm die Gitarre und lief in den hinteren Bereich der Bühne, wo Josef für sie eine passende Saite suchte.

Stoppok guckte erstaunt zu Purple: “Das wusste ich gar nicht, dass die das kann.” Purple, sehr lässig: “Die hat letzte Woche bei uns angefangen. Das ist unsere Tourschnalle.” Pe, von hinten: “Ich habe nichts gehört!” Purple: “Ich habe nichts gesagt!” Stoppok, bewundernd: “Das hat sicher ‘ne Stange Geld gekostet.” Purple, bedeutungsvoll: “Die zieht ja nicht NUR Gitarrensaiten auf.”

Das Publikum lachte hochvergnügt und Stoppok blickte zu Pe, die am Rand saß und damit begann, die Saite aufzuziehen: “Das hat Köln noch nicht erlebt. Nur vielleicht noch zu steigern dadurch, wenn Andy Borg mein Mikrofon halten würde.” (Ich überlegte minutenlang, warum ein Tennisspieler das Mikro halten solle, bis mir einfiel, dass der Tennisspieler Björn hieß und Andy der Schlagersänger war.)

Stoppok sang ‘Wie tief kann man sehen’, die Stimmung im Saal wurde andächtig. Es gab anschließend dicken Applaus, und Pe kam auf die Bühne und brauchte eine neue Saite, weil die frisch aufgezogene sofort wieder gerissen war. Das Programm wurde kurz unterbrochen. Josef ging mit Pe ins Magazin, um nach einer neuen Saite zu gucken, ein Techniker eilte dazu, um dort Licht anzumachen. Purple zog ab, um an der Theke Kölsch zu holen, und Stoppok saß als ruhender Pol in der Mitte der Bühne, griff hinter sich und sagte lässig: “Ich nehm jetzt einfach mal dem Josef seine Gitarre. Muss ja nicht sein, dass wir jetzt Längen im Programm schon am Anfang haben.”

Allerdings war die Gitarre in einer anderen Tonart gestimmt. Er begann neu zu stimmen und stutzte plötzlich: “Jetzt hab ich gerade was entdeckt: ein eingebautes Stimmgerät.” Er ließ es sich von Josef erklären und versuchte den Anweisungen zu folgen. “Höher, tiefer!” “Es ist nie in der Mitte”, stöhnte er, “Ich glaub, ich brauch ‘ne Brille.” Nach einigen Versuchen gab er auf: “Ich versuch jetzt die Gitarre nach Gehör zu stimmen. Das ist der Grundton.” Er schlug auffordernd eine Saite an und das hilfsbereite Publikum summte ein entspanntes “Ommmmm”.

Nach Gehör ging er die Tonabstände durch und war anschließend ganz zufrieden: “Also, ich find jetzt eigentlich … bin selber erstaunt darüber, auch wenn ich schlecht sehen kann, ich würd mal sagen, … das stimmt so Pi mal Daumen … nicht sooo schlecht.” Während Purple immer noch unterwegs war und Josef Pe beim Saitenaufziehen assistierte, spielte Stoppok einfach mal ganz alleine ein Lied. Kaum war er fertig, kam Purple mit mehreren Kölsch zurück, Josef mit der wieder 6-saitigen Gitarre und Pe lief zu ihrem Zuschauerplatz zurück.

Purple brachte schnell noch der Pe ein Glas und sagte: “Du bist ein Schatz!”, und Stoppok meinte zufrieden: “Jetzt geh’n wir weiter wie geplant.” Purple grinste: “Was ist hier geplant?” und Stoppok, verwundert, als wäre nichts Ungewöhnliches geschehen: “Läuft doch alles gut, oder?”

Er klimperte testweise an seiner Gitarre mit der neuen Saite herum, stimmte nach und schlug dann mit Blick auf den Programmzettel vor: “Wie wär’s mit Nummer Zwei?” Das war ‘Zwischen TwenTours und Seniorenpass’, das an diesem Abend mit einer angepassten Textzeile begann: “Wir sind jetzt EXTREM weit über 30”. Das Publikum sang locker mit und klatschte im Takt, was einfach war, da die Gitarren und das Keyboard sehr rhythmisch und mitreißend spielten. Im Übrigen war das Publikum wirklich toll drauf und hatte ebenso viel Spaß wie die Musiker auf der Bühne.

Stoppok stimmte anschließend die Gitarre nach, was wegen der neuen Saite nötig war, so dass der ganze Abend auch von den immer wieder aufklingenden Tönen einzeln hochgezogener Gitarrensaiten geprägt war, zu denen Stoppok teilweise den größten Blödsinn erzählte. Er sprach vom Stimmgerät seiner Mutter, das im Nebenraum stünde und einen riesigen Generator bräuchte, weswegen es im Saal so warm wäre. Als er für das nächste Lied eine “Coverversion von einer Band” ankündigte, stellte sich der Song als ‘Schöne Leute’ von Purple Schulz heraus.

Stoppok hatte die Textblätter vor sich auf dem Boden liegen, musste immer mal wieder ablesen und hatte manchmal eine leicht stockende Textverteilung, aber das Publikum stieg im Refrain sofort ein und fand alles klasse. Es war wirklich schön das Lied in dieser Umkehrung zu erleben, bei der Stoppok die Leadstimme sang und Purple Schulz den Nebenpart übernahm.

Wegen der Scheinwerfer, der vielen Leute und der mangelhaften Klimaanlage wurde es im Raum immer heißer. “Ich hol mal’n Handtuch”, sagte Purple, der völlig verschwitzt war, und verschwand. Stoppok guckte verständnisvoll und erklärte dem Publikum: “Ach, der sagt, er holt ‘n Handtuch, muss aber pinkeln.” In diesem Augenblick war Purple schon zurück und Stoppok fragte entsetzt: “Hast du jetzt ins Handtuch gemacht??”

Die Atmosphäre im Bauturm-Theater war total locker, entspannt und hatte etwas von einem Wohnzimmer-Konzert. Wenn es nach mir ginge, müsste ich als Zuschauer niemals größere Konzerte haben. Gerade die private Stimmung machte den Abend intensiv und unvergesslich. Stoppok laberte gut gelaunt herum, hatte alle Zeit der Welt und schien sich sehr wohl zu fühlen. Immer wieder stimmte er seine Gitarre, die hochgezogenen Töne klangen durch den Raum, und als Josef gleichzeitig mit ihm seine Gitarre stimmte, hörte Stoppok plötzlich aufmerksam hin und fragte dann amüsiert: “Wo drehst du denn jetzt hin?” Es war eben auch ZWISCHEN den Stücken sehr unterhaltsam.

Zufällig hatten Purple und Josef bei der Programmauswahl der Stoppok-Lieder fast alle meine Lieblingslieder gewählt. Es war ein best-of und ich hatte überhaupt nichts zu meckern. Nebenbei gesagt: Manchmal sah Stoppok ein wenig wie Gérard Depardieu aus, so dass es von der Optik her auch ein französischer Chanson-Abend hätte sein können, aber die Musik war dann doch anders.

Nach vielen wunderbaren Stücken und witzigen Ansagen ZWISCHEN den Stücken, der zweite Programmteil war nun schon 1 Stunde und 20 Minuten dran, sagte Stoppok: “So, das war’s dann im Prinzip auch. Ihr wart ein Super-Publikum, oder hast du das schon gesagt, Purple?” Purple erklärte, dass es eine Einlasskontrolle gab, bei der nur Super-Publikum hereingekommen wäre und das Publikum fühlte sich geschmeichelt und freute sich schon wieder.

Obwohl es schon spät und sehr heiß war, ging es auf der Bühne in unvermindertem Einsatz weiter. Die letzten Stücke wurden gespielt, das Publikum sang bei den Refrains laut mit und klatschte im Rhythmus, die drei Musiker schwitzten, gaben trotzdem volle Power und es war einfach klasse.

Als letztes Lied kam ‘Gute Nacht, Freunde’, von Reinhard Mey, bei dem Stoppok die Leadstimme sang und das schnell abgebrochen werden musste, weil er im leicht abgedunkelten Bühnenlicht den Text, der auf dem Boden lag, nicht mehr lesen konnte. Purple schlug vor Nino de Angelo zum Texthalten zu nehmen, aber Josef reichte einen Klebestreifen, Stoppok pappte das Textblatt an den Mikroständer, und es konnte in ruhiger, wunderschöner Stimmung weitergehen. Es war nicht nur eines von Stoppoks Lieblingsliedern, sondern auch eines von meinen und als Abschluss des schönen Abends wirklich passend.

Unter lautem Gejubel und Geklatsche verbeugten sich die drei Hauptdarsteller verschwitzt und plötzlich müde aussehend. Nach einer Stunde Programm im ersten Teil, hatte der zweite Teil 1 Stunde und 45 Minuten gedauert, was neben der gerissenen Gitarrensaite zum größten Teil an den langen Zwischenkommentaren von Stoppok lag. Lang, aber nicht ZU lang, denn es war sehr unterhaltsam gewesen und ich hätte nicht darauf verzichten wollen.

Die Zuschauer waren begeistert, johlten laut, verlangten nach dem umjubelten Abgang der Musiker aber keine weitere Zugabe, da auch sie plötzlich sehr erschöpft und kaputt waren. Es ging auf Mitternacht zu und die meisten Zuschauer mussten am nächsten Morgen früh aufstehen.

Mir wird das Gelächter von diesem Abend im Ohr bleiben, die gezogenen Töne beim Gitarrenstimmen und die supertolle Musik. Außerdem das Gefühl der guten Laune, der lockeren Wohlfühlatmosphäre und der kleinen, fast privaten Gemeinschaft von Künstlern und Zuschauern im heißen Bauturm-Theater. Wer diesen Konzertabend verpasst hat – schade!