Berichte

Purple Schulz, Josef Piek, Pe Werner – 07.06.2004 – Köln

Purple Schulz und Josef Piek machen Gemeinsame Sache mit Pe Werner.
Theater im Bauturm

Einen Bauturm stellte ich mir sehr schmal und hoch vor. Das „Theater im Bauturm“ sah wie ein Keller aus und war damit zwar schmal, aber eher tief. Vor der Eingangstüre hing ein fotokopierter Presseartikel, der mit der Schlagzeile: „Purple Schulz und Pe Werner poppen gemeinsam“ die Blicke auf sich zog. Na, das versprach ja spannend zu werden. Gut, dass ich die Kinder zu Hause gelassen hatte! Um es gleich zu sagen, ehe jemand nur deswegen den ganzen Bericht weiterliest und am Ende enttäuscht ist: Es war mal wieder eine der typischen Boulevard-Zeitungs-Überschriften, die nicht ganz hielt, was sie versprach.

Um 20 Uhr sollte das Konzert beginnen, wenige Minuten vorher standen die Besucher immer noch träge im Foyer herum oder hatten sich auf Stühlen oder Treppenstufen festgesetzt. Es war sommerlich heiß und die Energie fehlte, um sich laut über die immer noch geschlossene Eingangstür zu wundern. Würde schon seine Gründe haben. Ich sah mich um und überlegte, wer von den Besuchern wohl wegen Purple und wer wegen Pe gekommen war. Mein Gatte meinte: „Die meisten wohl wegen beiden, das ist die gleiche Zielgruppe“, aber ich war mir nicht so sicher. Mit scharfem Blick versuchte ich Unterschiede im Verhalten zu sehen, die Kleidung zu beurteilen und von dort aus auf die Lieblingsmusik zu schließen. Hier vorne, das waren bestimmt Purple-Fans, während die dort hinten ganz sicher Pe sehen wollten. Oder?

Wunderlicherweise verwandelte sich die träge Zuschauer-Masse ganz plötzlich in eine lebendige Gruppe, als der Einlass begann. Zack, zack stellten sich alle fröhlich an, hielten ihre Eintrittskarte abreißbereit in den Händen und suchten sich dann einen Platz im schwarzgestrichenen Kellerraum. Etwa 120 Stühle standen in kleinen Reihen, und die Bühne war so dunkel, dass im Licht der dort stehenden zwei kleinen, gelb leuchtenden Nachttischlämpchen nur schemenhaft einige Gitarrenhälse im Hintergrund zu erkennen waren.

Einige Zeit lang plätscherte die Wartemusik vor sich hin, dann begann die schmissige Anfangsmusik der Duo-Konzerte von Purple Schulz und Josef Piek. Die beiden Damen vor mir drehten sich neugierig um, ob vielleicht Purple gerade von hinten mit Schellenbaum den Gang entlangkommen würde, aber der kam von der anderen Seite zusammen mit Josef Piek auf die Bühne. „Siehst du was?“, fragte Purple halblaut, aber gut verständlich im Dämmerlicht zu Josef und grinste: „Ich seh gar nix!“

Sie bewegten sich vorsichtig zu ihren Sitzen, Josef griff zur Gitarre, schrammte testend über die Saiten und war kaum zu hören. Kein Licht auf der Bühne und auch kein Ton. Plötzlich strahlte das Bühnenlicht auf, die Gitarre war nach drei weiteren Test-Schrammern zu hören, und es konnte losgehen. Spannend gemachter Anfang, aber wohl nicht beabsichtigt.

Purple Schulz und Josef Piek gestalteten die erste Hälfte des Konzertabends und baten ihren Gast erst nach der Pause dazu. Das gab mir die Gelegenheit, wieder einige ihrer Lieder aus ihrem Duo-Programm zu genießen. Mit „Bis ans Ende der Welt“ ging’s los, bei „Keine Zeit für Tränen“ versank ich in eine absolut entspannte Haltung, bei der ich das Blut in den Adern kribbeln fühlte, und „Sehnsucht“ mit dem entsetzlichen Schrei: „Ich will raus!!“ machte mich für einige Minuten fertig. Ich bin wahrscheinlich ein emotionales Weichei, aber bei diesem Schrei fühlte ich mich einfach tief getroffen. Puh! Zu meiner Beruhigung musste sich Purple Schulz auf der Bühne nach dem Lied auch kurz schütteln und mit den Händen über das Gesicht reiben, ehe er wieder lächelnd in der Jetzt-Welt auftauchen konnte. Nicht, dass ich das Lied nicht gerne hören würde – ganz im Gegenteil. Ich bin nur immer wieder erstaunt, dass es so tief geht.

Das Publikum schwitzte vor sich hin, und die beiden Musiker unter den Bühnenscheinwerfern noch mehr. Es war sehr warm im Raum, was aber beide Seiten nicht am Spaß und an der guten Laune hinderte. Vorne in der ersten Reihe saß ein Paar mit etwa einjährigem Kleinkind und ich wunderte mich, warum sie unbedingt mit Baby in ein manchmal doch lautes Konzert gehen mussten. Aber entgegen meiner Befürchtungen blieb das Kind leise, turnte zwar von Mama zu Papa und zurück, störte aber nicht mit lautem Geschrei. Vielleicht war es schon im Mutterbauch täglich mit seiner Dosis „Purple Schulz“ beschallt worden und jetzt jüngstes Fanclubmitglied? Allerdings guckte es nach dem lauten Schrei von Purple bei „Sehnsucht“ wohl etwas erschreckt, denn dieser nickte danach freundlich zu ihm hin und tröstete: „Der Opa schreit jetzt nicht mehr!“, was beim restlichen Publikum Erheiterung auslöste.

Es war ein schöner erster Konzertteil. Purple machte nette, sehr persönlich wirkende Ansagen, Josef warf trocken kleine Witzchen dazu und die Musik war einfach klasse. Als die Pause begann, hätte ich zwar noch länger zuhören können, freute mich aber auch auf ein wenig frische Luft, die es nur draußen gab.

Zum zweiten Programmteil kam Purple Schulz zunächst alleine auf die Bühne und hatte einen dicken Noten- und Textpacken dabei, den er auf dem Keyboard ablegte. Er setzte eine Brille auf und las über „die Bühnensau“ aus einem Buch von Pe Werner. Mit Buch und Brille wirkte es so, als hätte er seine Bühnengestalt abgegeben und sei privat da. Mir gefiel das. Als er einen witzigen Versprecher beim Vorlesen hatte, quietschte eine Frau auf und er guckte sie ernst und vorwurfsvoll an, woraufhin auch die anderen Zuschauer loslachen mussten.

Danach kam Pe Werner auf die Bühne getorkelt. Im orangefarbenen Hängerkleid, mit halblangen, durch Klämmerchen zurückgesteckte Haare, sehr mädchenhaft. In der einen Hand hielt sie eine offene Weinflasche, mit der anderen schwenkte sie ein Glas und sang dazu mit schwerer Zunge: „Oh, oh, oh, Pöööööörpel, isch hab ja nur aus Liebe ssssu dir, ein Glas suviiiiiel getrunken.“ Es war sehr witzig, besonders als sie Purple, der sie am Keyboard begleitete und immer wieder freudig grinste, um den Hals fiel, dann ihr Glas füllte und den Inhalt bei der nächsten großen Geste mit Schwung quer über die Bühne schüttete.

Ein überzeugender Auftritt, bei dem es aber auch beruhigend war, dass sie sich im Schlussapplaus von der stark angetrunkenen, hemmungslosen Frau in eine normal lächelnde, nette Pe verwandelte, die freundlich „Guten Abend“ sagte.

„Sie werden es nicht weitersagen“, verschwor sie sich mit dem Publikum, zog ihre flachen Schuhe aus und sang einen Joni-Mitchel-Song. Konzentriert stand sie in der Bühnenmitte und wurde von Purple und Josef begleitet. Ihre Stimme war toll, und das Publikum klatschte danach donnernd los. Pe atmete lachend auf und zeigte sich erleichtert über die gelungene Nummer. Was für eine Stimme!

Als Purple danach schon zum zweiten Mal von der Bühne in den Backstagebereich eilte, weil er etwas vergessen hatte, guckte Pe ihm nach und behauptete: „Es ist die Prostata!“ Sie wandte sich nach vorne: „Die wenigsten Männer wissen, wo ihre Prostata sitzt.“ Ihr Blick ging zur Seite und sie sagte auffordernd: „Josef…?“ Der meinte aber nur, wenn man sie spüre, sei es zu spät. Pe erklärte, dass die Prostata so groß wie eine Kastanie sei und las danach ein weiteres Kapitel aus ihrem Buch vor.

Es gab abwechselnd Lieder von Purple Schulz und von Pe Werner, immer natürlich gemeinsam gebracht, was einen neuen, ungewöhnlichen, schön anhörbaren Klang brachte. Die Stimmen passten sehr gut zueinander und ich dachte manches Mal, dass die Lieder auch vom jeweils anderen hätten geschrieben sein können. Die Behauptung meines Gatten, dass die Fans sowohl Pe, als auch Purple hören würden, konnte also durchaus stimmen.

Die Zwischenmoderationen übernahm Pe fast alleine, wobei sie einmal erschrocken sagte: „Muss ich was Schlaues sagen? Nee, ne? Wir singen einfach drauf los!“ Etwas später erzählte sie über gute Freundinnen, die bei Gewichtsproblemen trösten, wenn man mit zu viel Speck auf den Hüften aus dem Badezimmer käme, woraufhin Josef seufzte: „Ich brauche das auch!“ Purple sagte sofort: „Ich komm überhaupt nicht ins Badezimmer rein!“, woraufhin Pe direkt konterte: „An dir ist ja auch nix dran!“ Das Publikum lachte schallend los, und Pe wehrte lachend ab: „So hab ich das gar nicht gemeint!“

Nach einem mixed Song mit „Good day sunshine“, „Rain“ und „Raindrops keep falling on my head“ beklagte sich Purple: „Jetzt wird’s extrem langweilig – wir singen schon vom Wetter.“ Pe überlegte laut: „Ich hab im Express gelesen, dass wir poppen würden heute. Da warte ich ja immer noch drauf.“ Purple grinste mit Blick ins Publikum: „Da müssen erstmal die Kinder raus!“ und griff in die Tasten, um das nächste Lied zu beginnen.

Die Stimme von Pe Werner war toll. Sehr sauber, wunderschön bei den leisen Tönen und beeindruckend kräftig, wenn sie richtig laut wurde. Immer wieder schnippte oder schlug sie den Takt mit und war ebenso hochmusikalisch wie die beiden Herren. Dabei wirkte sie sensibel und verletzlich. Es war schön zu sehen, wie die beiden Männer sie in die Mitte genommen hatten und auch optisch zum Mittelpunkt der zweiten Konzerthälfte machten. Sie fügte sich völlig harmonisch in den Klang ein und war kein Fremdkörper im Herren-Duo.

Als Purple etwas später schon wieder von der Bühne sausen musste, rief Pe ihm: „Kokosnussgroß!“ hinterher und die Zuschauer lachten vergnügt. Nach den temperamentvollen „Weibsbildern“, die Purple mit heftigem Tastenhauen über Eck auf zwei verschiedenen Keyboards begleitete, kamen die „Verliebten Jungs“ in der soften „Young boys in love“-Variante. Lautes Publikum-Gelächter begleitete die ersten Zeilen, und eine Frau brachte in ersticktem Lachen nur ein: „Super!“ raus. Warum lachten die so? Ich fand auch die lässig-groovende Variante sehr schön und überhaupt nicht zum Lachen. Eher zum Lächeln, weil’s so schöne Musik war.

Die Akteure wurden am Ende des Liedes langsamer und Purple sagte: „Ich habe das Gefühl, das geht an der Zielgruppe vorbei!“ Pe gähnte gelangweilt und plötzlich begannen alle drei das ursprünglich schnelle Tempo der „Verliebten Jungs“ zu spielen. „Ist das jetzt die Stelle mit dem Poppen?“, rief Purple freudig. „Aber es sind ja immer noch die Kinder da!“ Das Publikum setzte laut und begeistert beim Refrain ein, und die heiße Luft erhitzte sich weiter.

Bei den letzten Stücken erwies sich Purple als Teufelsgeiger auf der Mundharmonika und bestand dabei nur noch aus Bewegung und Musik. Natürlich gab es von Pe das „Kribbeln im Bauch“ und dann von Purple „Immer nur leben“, das eigentlich einen besinnlichen Schluss machen sollte, dann aber doch laut und unbesinnlich umjubelt wurde.

„Beim nächsten Mal bringen wir eine Klimaanlage mit!“, versprach danach Purple, der ein Handtuch um die Schultern liegen hatte und mit den schweißnass verstrubbelten Haaren wie nach einem Tennismatch aussah. Es gab Standing Ovation, das Publikum war begeistert und Pe sagte: „Ich tät noch unglaublich gerne ein Lied spielen, das zu meinen Lieblingsliedern gehört.“ Natürlich hatten die Zuschauer nichts dagegen und hörten „You’ve got a friend“ als Abschlusslied, bei dem auch Josef eine Solostelle hatte, an der man endlich mal seine gute Singstimme alleine hören konnte.

Wieder gab es Standing Ovation. Pe strahlte, Josef grinste und Purple wedelte mit dem Handtuch frische Luft durch die Gegend, die allerdings nicht mal bis in die 5. Reihe kam. Ein tolles Konzert mit drei hervorragenden, sehr sympathischen Musikern!

Einige Fans warteten nach dem Konzert, um Autogramme von Purple, Josef oder Pe zu bekommen, und ich stellte fest, dass gerade die beiden Leute, die ich mit großer Sicherheit für Purplefans gehalten hatte, auf Pe zustürmten und sie offensichtlich kannten. Naja. Ich hab ja gleich gesagt, dass man den Leuten das nicht unbedingt ansehen kann.