Wise Guys – 16.12.2003 – Feierabendhaus – Hürth … mit live and let die
Ganz kurzfristig wurde unser älterer Sohn von seinem Freund zu einem Konzert eingeladen. Zu den Wise Guys nach Hürth. Was für ein Glück, dass er die endlich mal sehen konnte! Netterweise konnten wir also unseren Sohn in Hürth treffen, denn wir hatten ebenfalls Karten für das Konzert. Der Plan, noch ganz schnell eine Karte für den jüngeren Sohn zu besorgen, damit der nicht völlig alleine zu Hause bleiben musste, erledigte sich, denn er erklärte heldenhaft, dass er wegen der anstehenden Deutscharbeit am nächsten Tag auf keinen Fall den Abend im Konzert verbringen könne. Grammatikarbeit in der 5. Stunde. Konjunktiv I und II, das sei auch ausgeschlafen schwer genug. Der Konzert-Sohn würde es allerdings am nächsten Morgen auch nicht leicht haben, denn sein Bus zum Klassenausflug startete um 6 Uhr an der Schule, und ihm und seinem Freund standen dann mehrere Stunden Wanderei durch Wald und Aachen bevor. Aber wenigstens konnten sie dazu Wise Guys Lieder singen und selber entscheiden, ob sie dabei den Konjunktiv verwenden würden.
Freudiger Beifall begrüßte die Wise Guys, als sie auf die Bühne kamen. (Ich weiß, dass jetzt einige Leute erstaunt gucken, weil der Bericht nach der ungewöhnlich kurzen Einleitung schon anfängt, aber mehr fällt mir momentan nicht ein.) Einige Besucher suchten noch ihre Plätze und waren vom Konzertbeginn um 2 Minuten nach 8 wirklich überrascht worden. Mit Weil ich ein Kölner bin ging es sanft los. Das Publikum war entspannt und lachbereit und brach beim ersten Refrain in lautes Lachen und fröhlichen Applaus aus. Die Wise Guys mussten erst eine kurze Pause einlegen, ehe sie weitersingen konnten. Auch im weiteren Verlauf saß das Gelächter locker und die Zuschauer waren eindeutig auf “Spaß haben” eingestellt.
Es ging sofort mit Ruf doch mal an weiter, das durch heftiges Mitklatschen unterstützt wurde. Bei den gleichmäßigen Sprüngen auf der Bühne quiekten einige Besucher um mich herum lachend los. Sah auch wieder mal klasse aus. Leider suchten aber immer noch einige Leute in meiner Nähe ihre Plätze und diskutierten das halblaut aus, ohne sich von den singenden und hüpfenden Wise Guys dabei stören zu lassen. Zuerst fand ich es sehr blöde, dass die Leute einfach laut in den Saal kamen und sich in die Reihen drängten. Das war so unruhig! Konnten die nicht bis zur Beifallpause zwischen den Liedern warten? Aber dann kam mir der Gedanke, dass es alles Kenner waren, die möglichst schnell in der Masse verschwinden wollten, ehe Dän die Möglichkeit hatte, sie persönlich anzusprechen und scheinbar mitfühlend fragen konnte, woran die Verzögerung gelegen hatte.
Dän begrüßte nach dem Abklingen des Applauses: “Vielen Dank für die freundliche Begrüßung hier im Feierabendhaus im Chemiepark Hürth-Knapsack. Im letzten Jahr musste das Konzert ja ausfallen und das wäre in diesem fast wieder passiert, denn Clemens war wieder krank.” Das Publikum reagierte mit einem: “Oooooh!” und Dän kommentierte: “Nee, er ist ja wieder gesund!” Dann schilderte er, was der Arzt in Köln alles machen kann, um einen Sänger sofort wieder fit zu machen. “Der Arzt filmt das mit einer Kamera im Hals. Da sieht man den ganzen Schleim, da kann man die Sachen dann wegätzen, Cortison drauf … macht Spaß!” Das Publikum reagierte leicht angewidert, und Dän beeilte sich zu sagen, dass man an diesem Abend nicht nur die “Rachengeschichten”, sondern auch andere, intime Dinge erfahren könne. Das geschah sofort bei Kinder, aber das Publikum reagierte nicht geschockt, sondern lachte nach fast jedem Satz sehr vergnügt und fröhlich los. Dän zeigte sich etwas irritiert, denn zum ersten Mal war das fiktive Baby, das quer über die Bühne und am Ende ins Publikum geworfen wird, von den dort sitzenden Zuschauern nicht aufgefangen worden. Im Gegenteil. Die zuständigen Leute hatten sogar noch interessiert auf die “Einschlagstelle” geguckt, dabei aber keinen Finger gerührt.
Es kam zur Zuschauerbefragung, und das grelle Saallicht, das plötzlich erstrahlte, entlockte dem Publikum ein gequältes “Uaaaah!” Dän erklärte die auffallende Deckengestaltung im Feierabendhaus, die aus weißen Quadraten mit großen, runden Reliefpunkten in den Ecken bestand. (Wobei ich jetzt der Phantasie des Lesers überlasse, wie man Punkte in Ecken bekommt.) “Das ist entweder Lego, oder es sind Würfel mit Vieren. Ein gewaltiger Pasch!” Die Neuhörer waren bei der Nachfrage eindeutig in der Minderheit, was ihm ein freudiges: “Ach, es werden immer weniger – das ist schön!” entlockte. Dann kam die Frage: “Wer wohnt in Hürth oder direkt im Chemiepark?” und die Besucher lachten los, denn eine Wohnung im Chemiepark hörte sich nicht nach allerbester Adresse an. Ein Besucher gab an, dass er mehr als 50 km Anfahrt gehabt hätte und aus Lindlar kam, und Dän fragte ungläubig: “Lindlar? 50 km???” und grinste dann zwinkernd: “Bisschen verfahren …”
Eddi startete die nächste Ansage: “Wir haben bis jetzt drei Lieder gesungen und kommen zum vierten”, was ihm einen kurzen, anerkennenden Applaus einbrachte. Er wehrte das Lob aber ab, indem er kurz auf seinen Mathe-Leistungskurs hinwies. Als “Oldie der Woche” war das Frühlingslied dran. Beim ersten Refrain wurde ringherum im Publikum textsicher mitgesungen. Ich erinnerte mich daran, wie ich es zum ersten Mal hörte. Es war beim Tanzbrunnen-Konzert 2000, ich stand auf dem Brunnenrand, ein heftiger Wind zog zwischen mir und der etwas entfernten Bühne vorbei, und ich glaubte ganz ernsthaft, dass ich mich verhört haben musste. Solche eindeutigen Anspielungen machten die Wise Guys doch nicht! Das musste am Orkantief Ginger liegen, das gerade über das Gelände zog und die Wörter verwehte, so dass sie verändert bei mir ankamen. War aber nicht so. Inzwischen hatten die Wise Guys noch ganz andere Sachen drauf und das Frühlingslied war nur der Einstieg gewesen. Das Publikum in Hürth hatte Spaß, besonders, als Dän danach erzählte, dass sie eine Mail von einem Mann erhalten hatten, dessen Frau unter Migräne litt, und der das Lied darum als unpassend empfand. “Wir nehmen das Lied dann SOFORT aus dem Programm!” betonte Dän und forderte auf: “Wenn Ihnen was auffällt, mailen Sie, wir werfen das Lied raus. Dann stehen wir hier und machen Pantomime.”
Pantomimisch war danach auch zu erkennen, dass die Sonnenbrillen für Was für eine Nacht nicht alle vorhanden waren. Während Dän das Lied anmoderierte, zeigten hinter ihm Clemens, Eddi und Sari abwechselnd betroffene Gesichter, fragende Blicke und absprechende Gesten, wer die vorhandenen zwei Brillen tragen solle, bis Eddi dann schnell eine weitere Sonnenbrille von der Seite holte. Es war eine Sonnenbrille, die für ein späteres Lied gedacht war, aber ich habe keine Ahnung, warum es unterschiedliche Brillen für unterschiedliche Lieder gab. Das waren eben die Geheimnisse der Stars, würde ich sagen, vielleicht die Geheimnisse ihres Erfolges. Superkräftig kamen die ersten Töne und waren damit richtig klasse. Erst war es etwas schnell, dann merklich abgebremst, aber mit einem etwas zu lauten Clemens, der Sari fast übertönte. Im Saal gab es nur zögernde Klatscher, obwohl zu spüren war, dass Spannung in der Luft lag. Viele Zuschauer wollten mitklatschen, trauten sich aber nicht so ganz. Erst als Sari vorklatschte, ging’s ab.
Sofort ging es mit den Sonnencremeküssen weiter. Diesmal eindeutig weicher und ruhiger gesungen als bei meinem letzten Konzertbesuch. Ich schmolz dahin, als Däns Stimme leicht und schwebend bei “du liegst einfach da” nach oben hüpfte und war endgültig verloren, als sie gegen Ende auch noch leicht brüchig, wie bei einer beginnenden Erkältung wurde. Anscheinend können mich erkältete Männer, die am Strand singen, beeindrucken. Ferenc lief los, um sein “Bum” an passender Stelle, ganz nah bei den anderen Wise Guys zu singen, marschierte aber unplanmäßig an seinen Kollegen vorbei und blieb nur ganz kurz stehen, um ihnen aus der Entfernung ein lässiges “Bum” hinzuwerfen und dann einfach weiter ans andere Ende der Bühne zu gehen. Sehr, sehr cool. Eddi starrte ihm erstaunt hinterher, und Dän hatte einen hörbaren Lacher in der Stimme, als er weitersang. Ich grinste mich auf meinem Platz weg und fand es sehr witzig. Gerade der Kontrast zwischen Ferenc’ Emotionslosigkeit und der erkennbaren Verwunderung der anderen Wise Guys war schön. Aber auch sonst gefiel mir das Lied sehr und mein leichtes Dauergrinsen war ein sicheres Zeichen für meine Zufriedenheit.
Das war gut regte meine Gedankengänge an, und plötzlich ertappte ich mich bei ernsthaften Gedanken darüber, WAS genau Sari meinen könnte. Aber irgendwie wurde mir das Thema sehr schnell zu heiß, und ich verdrängte es, denn ich wollte gar nicht weiter darüber nachdenken. Immerhin wollte ich Sari auch in Zukunft gegenüberstehen können, ohne in verlegenes Kichern oder wissendes Augenkniepen zu verfallen. Außerdem SANG er ja nur davon, und der Text war nicht mal von ihm.
Bei Däns Moderation zum nächsten Lied gab es spontanen Applaus, als er von der Überlegung sprach, eine Daily Soap über die Wise Guys zu schreiben. Huch? Schlechte Zeiten begann, und ich stellte fest, dass es anfing, mir zu gefallen. Aber vermutlich hatte ich mich nur daran gewöhnt. Nur den Anfang, den Schluss und die erste Strophe mochte ich wirklich sehr gerne. Clemens presste sehr stark beim Singen und konnte damit nicht leicht und locker zwischen den Tönen hin und her springen. Schade, denn das Lied braucht einen lässigen Erzähler. Vielleicht lag es ja noch an der gerade überstandenen Kehlkopfentzündung. Dän erinnerte danach an die Macht der Zuschauermails: “Sollten Sie selbst Darsteller in einer Daily Soap sein, dann schreiben Sie uns …” und erhielt Gelächter.
Leider saßen und standen einige Leute in meiner Nähe, die sich aktiv beteiligten. Sie redeten ständig über das Bühnengeschehen, die Künstler und irgendwelche Stories. Es war absolut störend, auch wenn ich konzentriert versuchte, das fast ununterbrochene Gewisper zu überhören. Warum man lange Gespräche über das Bühnengeschehen führen muss, wenn vorne jemand spricht, ist mir ein Rätsel.
Sari rannte für seine Powerfrau herum und wurde umjubelt, als er am Ende der Refrains seine Arme hob und dabei, wie jedes Mal, der Bauch ein Stück unter dem T-Shirt hervorblitzte. Am Schluss des Liedes gab es laute Pfiffe und lachende Gesichter. “Wir singen jetzt das letzte Lied vor der Pause,” kündigte Dän an, und nicht nur er, sondern auch viele Zuschauer blickten auf ihre Uhr. Es war 10 vor 9, und Dän sagte: “Ja, ist etwas früh heute. Hätten wir gewusst, dass Sie so kurz klatschen, hätten wir ein Lied MEHR eingeplant.” Er hatte Recht, denn der Beifall war meistens laut und kräftig gewesen, hatte aber immer schnell und ziemlich plötzlich aufgehört. Etwas seltsam. Ein lachfreudiges, gut gelauntes Publikum, das sich aber nicht komplett mitreißen ließ.
Bei Deutscher Meister gab es sofort ein Mitsingen von leisen, textsicheren Stimmen, und sogar mein Mann sang mit, nachdem er mir beim letzten Konzert dabei nur zugesehen hatte. Na, das Zuhören bei meinem Gesang war vielleicht schlimmer als das Selbersingen. Bei der ersten Stelle mit dem “Karnevalsverein” platzte das Publikum in lautes Lachen und Applaus los, und ab da wurde das Mitsingen immer lauter. In vielen Bereichen des Saales wurde geschunkelt und es wurden sogar einige FC-Schals hoch über den Kopf gehalten. Unter der vollen Applausdröhnung formierten sich die Wise Guys zum Tambour-Corps und zogen eine Runde pfeifend und schnaubend über die Bühne. Eine LANGE Runde, denn Dän führte den Zug an und machte einige Extraschleifen. Als er dann endlich auf den Bühnenausgang zuging, tat Ferenc so, als ob er ihn strafend in den Hintern treten wolle.
Die Pause dauerte fast 30 Minuten, in der ich mal kurz meinen Sohn besuchte (schön, wenn man die Kinder abends mal sieht), dann begann die zweite Hälfte. Nachdem das Licht im Zuschauerraum heruntergefahren worden war und die meisten Zuschauer auf ihren Plätzen saßen, betraten die Wise Guys die Bühne und sangen den Ohrwurm. Die restlichen Zuschauer kamen daraufhin aus dem Foyer in den Saal geeilt, um zu ihren Plätzen zu gelangen. Das war unruhig, aber dass sie sich dabei zum Teil unterhielten, laut ihre Platznummern wiederholten oder ihren Bekannten in der Reihe erklärten, warum sie so spät kamen, war doof. Warum geht das nicht leise? Irgendetwas müssen die Wise Guys sich einfallen lassen, um die Pause klar zu beenden. Vielleicht kann es vom Mischpult aus laut gongen? Oder die Wise Guys engagieren breitschultrige, sonnenbebrillte Aufpasser, die sich drohend vor die Saaltür stellen und jedem Prügel androhen, der nach der Pause noch eintreten möchte. Drei blaue Augen, und die Leute haben verstanden! Ich ärgerte mich einfach, weil ein Lied so verquatscht wurde. Die zuhörenden Leute wurden dadurch gestört und die Wise Guys wie als Hintergrundmusik behandelt. Erst bei der letzten Strophe gingen endlich die Saaltüren zu und es wurde konzertmäßig, was einige Leute aber nicht hinderte noch NACH dem Lied in den Saal zu kommen. “Hallo!” winkte Dän einem Pärchen zu, “’Tschuldigung, dass wir so früh wieder angefangen haben.”
Mit den Chocolate Chip Cookies zog aber wieder Aufmerksamkeit ein, obwohl es hinter mir weiterhin intensive Unterhaltungen über die Show gab. Die sinnlichen Bewegungen der Sänger wurden vom Publikum freudig zur Kenntnis genommen, und Ferenc löste mit seinem luftdichten Behälter lautes Geschrei und Gejohle aus. Da sich mein Mann zur zweiten Hälfte einen anderen Platz gesucht hatte – es lag nicht an mir! -, konnte ich von ihm völlig unbeobachtet hemmungslos mitjohlen. Da ich aber auch hemmungslos johle, wenn er direkt neben mir sitzt, war das kein wirklich großer Unterschied. Verblüfft hätte ihn wohl nur, wenn ich NICHT gejubelt hätte.
Eddi hatte seine Rezept-Anmoderation verkürzt und damit entschärft, sie blieb aber weiterhin etwas schräg und nicht für jeden verständlich. Dafür wirkte sie aber überhaupt nicht mehr konfus und einige Zuschauer werden die Unverständlichkeit vermutlich für ihr eigenes Problem gehalten haben. Beim folgenden Zu spät lachte ich vergnügt über die anklagenden, leidenden Blicke der Sangeskünstler und fand das Lied einfach klasse. Da waren ein paar Jungs beleidigt, weil sich früher keine Frau für sie interessiert hatte, und jetzt, wo sie Angebote bekamen, durften sie nicht mehr. Am Ende des Liedes gab es viel Gelächter, und ich vermute, dass manche der jüngeren Frauen einen tragischen Moment erlebten, weil sie ihre Träume wegschwimmen sahen.
Die Bahn kommt machte die Stimmung melancholischer, und ich fand es interessant, wie man sich als Zuschauer angesprochen fühlt, wenn Dän an der Stelle mit dem “Wochenendticket, das keine Gültigkeit hat” plötzlich bewusst ins Publikum blickt und man ihm eigentlich nickend zuzustimmen möchte. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer geht in diesem Moment merkbar nach oben.
Zu schön für diese Welt begann hämmernd, und Dän zog mit ungewöhnlichen Handbewegungn die Blicke auf sich. Er stand seitlich am vorderen Bühnenrand, wurde von einem Scheinwerfer grell erleuchtet, und bewegte seine linke Hand fast passend im Rhythmus der Musik in seltsamen Verrenkungen. Sie ging flach ausgestreckt hoch und runter, die Finger bogen sich zu seltsamen Zeichen, dann zeigte nur der Zeigefinger nach unten und die Hand bewegte sich wieder ausgestreckt hinauf und hinab. Und das alles, während er mit der anderen Hand ein Micro vor den Mund hielt und die Percussion hinein hämmerte! Super interessant und ein echter, gut beleuchteter Hingucker. Was wollte er Reinhard am Mischpult damit wohl sagen? War irgendeine Box zu laut? Sogar der Mann in der Reihe vor mir drehte sein Gesicht interessiert in Richtung Mischpult, um zu sehen, ob Reinhard reagieren würde. Als der Applaus nach dem Lied – wie üblich ziemlich schnell – verebbt war, sagte Dän laut zu Eddi: “Hat das so’n kleinen Blaustich, dein Hemd?” Er guckte genauer und sagte deutlich: “Nee, ich habe eben in den Scheinwerfer geguckt. War zu hell. Ich habe alles blaue Flecken im Blick.” Aha! Hatte er vielleicht ganz subtil und unauffällig zu verstehen geben wollen, dass der Scheinwerfer zu hell war? Eine Überlegung, auf die ich wahrscheinlich nie eine Antwort bekommen werde. Nur dass die weißen Scheinwerfer alle viel zu knallig waren, sah ich die ganze Zeit, aber das schien ein nicht lösbares Problem des Raumes zu sein.
“Es steht 1:0 für Köln!” verkündete Dän stolz, denn zeitgleich zum Konzert lief ein Fußballspiel des 1. FC Köln gegen Hertha Berlin. Er wurde aber gleich von mindestens zwei Zuschauern korrigiert: “3:0!” und reagierte überrascht: “Häh? 3:0 für Köln?? Wer hat hier ein Radio?” Er guckte interessiert in die vordersten Reihen: “Kann ich mal sehen, wer das Radio hat? Aufstehen, nach vorne kommen!” Etwas ungläubig, aber durchaus beeindruckt fragte er: “Du hast einen Knopf im Ohr und hörst auf der einen Seite Radio und auf der anderen uns?”, bekam aber die Erklärung, dass die Infos per SMS gekommen wären. “Wer hat die Tore gemacht?” wollte Dän unbedingt noch wissen und gab erst Ruhe, als er alle drei Namen kannte. Dann musste er bedauerlicherweise zum Konzert zurückkehren, obwohl man ihn bestimmt leicht zu weiteren Fußballfragen hätte überreden können.
Eddi quiekte ab und zu ungewohnte Geräusche bei Du Doof und hörte sich an, als ob er dabei Luft einsog und sich verschluckt hatte. War nicht geplant, wie ich nachher erfuhr. Na, hätte auch eine Improvisation sein können. Das Publikum sah in sein Gesicht und prustete los, was eigentlich nicht nett war, von Eddi aber toleriert wurde. Sofort danach ging es mit Sing mal wieder los. Viermal musste Eddi zum Mitsingen auffordern, ehe der Saal ziemlich komplett und sehr laut eingestimmt hatte, aber dann ging es kräftig weiter. Es machte viel Spaß, aber als Eddi einen langen Ton über viert Takte vorsang, lachten viele Zuschauer los, weil ihnen das zu lang vorkam. Und richtig: Einigen blieb schon nach zweieinhalb Takten die Luft weg. Trotzdem war es eine tolle Einlage, die das Publikum am Ende des Liedes zu schrillen Pfiffen und tosender Klatscherei herausforderte. Selbersingen macht Spaß, das war es doch, was Eddi das ganze Lied über behauptet hatte!
Bei King of the road gab es in der Ansage zunächst keine Begeisterungsrufe für Ferenc, weil sich alle auf das Schnippen konzentrierten, dafür waren dann ein paar gurgelnde, spitze Schreie zu hören, als das Lied schon ein paar Takte hinter sich gebracht hatte. Sie sollten wohl enthemmte Leidenschaft ausdrücken, ließen Ferenc aber nur verwundert ins Publikum gucken. (Ich war das übrigens nicht, denn ich gurgel nie enthemmt! Auch nicht, wenn mein Mann woanders sitzt.) Natürlich kam der Song klasse an, um mich herum wurde an allen Ecken leise mitgesungen, und am Ende wurde laut und jubelnd geklatscht. Aber nicht superlange. Hohe Begeisterung, die plötzlich nachließ. Etwas seltsam in Hürth. Die beleidigten Kollegen kamen aus ihrer Ecke und klatschten demonstrativ ätzend langsamen Beifall, der den Publikums-Beifall für Ferenc sofort wieder beginnen ließ. Eddi hielt Ferenc ein Stück Papier hin, und der griff ohne Zögern nach dem Stift in seiner Jacke und gab ihm, zur Freude des Publikums, lässig ein Autogramm.
Ein verzücktes Publikum bestaunte Schlag mich baby und ließ sich von den hinreißenden Tanzbewegungen in Boy-Group-Welten entführen. Am Ende kam plötzlich so viel Nebel auf, dass die Wise Guys darin fast verschwanden. Eigentlich schade, dass das Lied demnächst mal rausfliegen muss. Inzwischen habe ich mich innerlich schon so oft von ihm verabschiedet, dass ich bestimmt einen Schock bekomme, wenn mir irgendwann auffällt, dass es tatsächlich nicht mehr dabei ist.
Und dann kam ein neues Lied, das davor nur eine erste Aufführung in Leverkusen gehabt hatte. Es war Live and let die von den Wings, und war mal eine andere Art von Performance, als sie bisher bei den Wise Guys zu sehen war. Ein Ton- und Bilderrausch, fast unreal, wie in einem Traum. Mit Spots und aufblitzenden Bildern lief ein Film mit vielen wechselnden Szenen und Stimmungen vor mir ab, den ich eigentlich nur noch wirken lassen konnte. Mein Sohn brachte es nachher auf den Punkt, als er sagte: “Ich habe überhaupt nicht verstanden, um was es ging, aber ich habe noch nie so eine extrem gute Performance gesehen!” Es lief akustisch und auch optisch noch nicht ganz perfekt, aber ich bin davon überzeugt, dass es eine richtig starke Nummer im Programm wird! Die Zuschauer werden von einer Art Monumental-Aufführung überrollt und am Ende verschwinden die Wise Guys im Nebel und lassen ein verblüfftes und erstaunt Luft holendes Publikum zurück. Um diesen Eindruck zu erreichen, muss die Nummer aber supergut ausgearbeitet sein, denn nur wenn die Bilder perfekt stehen, sobald der Spot aufleuchtet, wirkt es knallerhart.
Ich war von dieser ersten Aufführungs-Version schon sehr angetan und sah mit Spannung im Bauch zu. Obwohl ich sonst nicht so wild auf Cover-Versionen bin, fand ich gerade hier den Kontrast zu “normalen” Wise Guys Nummern sehr reizvoll und freute mich sehr, dass “Live and let die” auf dem Weg ins Programm ist! Jungs, das wird was! Das Publikum klatschte laut und erstaunlich lange, auch wenn einige Zuschauer nachher erzählten, dass sie etwas verwundert waren und nicht genau wussten, worum es eigentlich gegangen war. Egal. Wirken lassen und genießen! Es ist keine Geschichte, es sind Impressionen.
Bei Rasier dich wurde aber bis in die letzten Reihen klar, was sich abspielte, denn Sari und Ferenc knisterten sich verführerisch an und ihre Bewegungen wurden butterweich. Normalerweise ist Sari für mich das Wunder an Biegsamkeit und der Beweis für die Existenz von Gummiknochen, aber was Ferenc da an geschmeidigen Bewegungen drauf hatte, war schon erstaunlich. Wow! Ich staunte wirklich, wie lasziv der sich bewegen konnte – und das war jetzt kein bisschen ironisch gemeint! Das Publikum jubelte und brach bei der gemeinsamen Tanzszene in Geschrei aus. Sari blickte Ferenc herausfordernd an und hob dann blitzschnell und nur für einen kurzen Moment sein T-Shirt bis zur Brust hoch. Doch dieser Versuch sein Gegenüber zum Lachen zu bringen, entlockte Ferenc nur ein mildes Lächeln und ein Zucken der Augenbrauen, das besagte: Das war nix, Junge! Ach, süß, was die beiden da brachten! Das Publikum reagierte am Ende mit gellenden Pfiffen und sehr lautem Applaus, der in energisches Klatschen überging, als die Wise Guys nach ihrem Abgang nicht sofort auf die Bühne zurückkamen.
Aber dann kamen sie mit Jetzt ist Sommer, und nach und nach standen die Zuschauer im ganzen Saal auf. Übrigens von hinten beginnend, was etwas ungewöhnlich war. Meistens begann das vorne und die folgenden Reihen mussten auch aufstehen, weil sie sonst nichts mehr sehen konnten, aber in Hürth war die Stimmung in den hinteren Reihen besonders gut. Lauter Jubel folgte am Ende, es gab noch ein paar Blumen vom Veranstalter, eine letzte Verabschiedung, dann begannen die Wise Guys nochmal mit dem Ohrwurm. Der Saal setzte ein, und als alles lief, gingen die Hauptdarsteller winkend ab. Das Ohrwurm-Singen schaffte noch drei Runden, brach ganz schnell ab, ging in einen kurzen Applaus über, und die meisten Zuschauer drehten sich um, rafften ihre Sachen vom Stuhl und eilten zu den Ausgängen. Da das viele machen wollten, kamen sie alle schon nach drei Schritten in dem plötzlich gebildeten, großen Pulk zum Stehen und es ging nur noch ganz langsam weiter.
Warum die Zuschauer nicht auf die Idee kamen, den Ohrwurm noch etwas weiter zu singen, wusste ich nicht, obwohl es mich in Hürth an diesem Abend gewundert hätte, wenn sie es gemacht hätten. Es gibt es kein vorhersehbares Zuschauerverhalten, was für die Wise Guys heißt: Entweder singen die Zuschauer noch zwei Minuten lang weiter und wollen mehr, dann bekommen sie noch eine Strophe hinterhergereicht, oder sie haben das Gefühl genug zu haben, gehen raus und die Wise Guys haben Feierabend. An diesem Abend im Feierabendhaus war der Feierabend eigentlich sehr passend.
Fazit: Ein gut gelauntes, kräftig, aber relativ kurz klatschendes Publikum, das nicht vollkommen ausflippte, aber trotzdem Spaß hatte. Außerdem für mich die große Freude “Live and let die” zu sehen und es als wirklich beeindruckend zu empfinden.
Weil ich ein Kölner bin
Ruf doch mal an
Kinder
Frühlingslied
Was für eine Nacht
Sonnencremeküsse
Kinder
Schlechte Zeiten
Powerfrau
Deutscher Meister
Ohrwurm
Chocolate Chip Cookies
Zu spät
Die Bahn kommt
Zu schön für diese Welt
Du Doof
Sing mal wieder
King of the road
Schlag mich baby
Live and let die
Rasier dich
Jetzt ist Sommer
Privater Nachtrag:
Der jüngere Sohn, der seiner Grammatikarbeit zuliebe auf das Konzert verzichtet hatte, konnte so ganz alleine nicht einschlafen und lag wach, bis wir gegen Mitternacht zu Hause eintrafen.
Ich ging gegen 1 Uhr ins Bett und stellte den Wecker auf 5 Uhr, um rechtzeitig wach zu sein, damit der ältere Sohn pünktlich um 6 Uhr am Bus war. Plötzlich wachte ich auf und wusste, dass ich verschlafen hatte. Mir sehr vertraute Stimmen sangen laut in meinem Kopf: “Jetzt ist es zu spät, zu spät, jetzt ist es vorbei, bye-bye”, und ich glaubte ihnen, sprang erschrocken auf und starrte auf den Wecker. Es war halb Vier und die Stimmen wiederholten ununterbrochen: “Jetzt ist es zu spät, zu spät …” Dabei war es gar nicht zu spät, sondern zu früh! Fast eine Stunde lang lag ich wach und überlegte, ob ich zuerst von diesem Lied geträumt hatte und dann mit Schrecken wach geworden war, oder ob mir beim Aufwachen, vor Angst verschlafen zu haben, diese Zeilen durch den Kopf gegangen waren. Dabei wuchs die Sorge, dass ich bestimmt verschlafen würde, wenn ich JETZT nochmal einschlafen würde. Außerdem sangen die Stimmen ununterbrochen weiter und waren in einer blödsinnigen Schleife gelandet. Als es fast halb Fünf war, stand ich auf und die Wise Guys hatten mir den Schlaf geraubt. Superklasse, vielen Dank!
Der ältere Sohn startete um 6 Uhr mit dem Bus zum Klassenausflug, wanderte durch Wälder und Aachen, und kam am Nachmittag gutgelaunt und hellwach zurück.