WG Konzertberichte

Wise Guys – 08.11.2003 – Europasaal – Essen … mit vielen Nachzüglern

”Mittags gehen wir zum Essen und abends fahren wir nach Essen,” hörte ich am Vortag meinen Sohn am Telefon zu seinem Freund sagen. Kurz danach wiederholte er: “NACH Essen”, und nach einer kurzen Pause, leicht genervt: “Mittags essen wir beim CHINESEN und abends fahren wir nach ESSEN. Essen ist eine STADT.” So, damit war alles gesagt und unser Tagesplan geklärt. Wie lange hätte er wohl erklären müssen, wenn wir NACH Essen ZUM Essen gefahren wären?

Essen. Bei Essen war ich etwas zickig, weil ich mit dieser Stadt ein überaus peinliches Erlebnis verband. Vor vielen Jahren hatten wir dort unser Auto verloren. Ein tragischer Fall. Wir waren in die City des uns unbekannten Essen gefahren, hatten das Auto in einem Parkhaus abgestellt, waren stundenlang frohgemut durch die Fußgängerzone gestreift und fanden das Auto und das passende Parkhaus danach nicht wieder. In welches der Parkhäuser waren wir gefahren und in welcher Etage hatten wir geparkt? Die Essener Parkhäuser sahen sich alle sehr ähnlich, wie wir feststellen konnten, als wir sie nacheinander etagenweise durchwanderten, um unser Auto vielleicht doch noch vor der drohenden, abendlichen Schließung zu finden. Wir konnten nicht mal die Polizei um Hilfe bitten: “Wir haben unser Auto in irgendeinem Parkhaus verloren.” Superpeinlich! Kein Wunder also, dass das Wise Guys Konzert in Essen schon vor dem ersten Ton meinen Magen aufgeregt kribbeln ließ. Würde ich danach mein Auto wiederfinden?

Was ich die ganze Zeit über nicht bedachte: Würden wir überhaupt Essen finden? Von Köln nach Essen dauerte es mit dem Auto etwa eine Stunde. Ich druckte schnell die Wegbeschreibung bis zum Messegelände aus und packte sicherheitshalber den Autoatlas ein, um dann von meinem Gatten sehr lässig gesagt zu bekommen, dass Essen kein Problem für ihn sei. Zur Grugahalle könne er problemlos finden und der Zielort sei ja gleich daneben. Prima! Wir starteten um 18 Uhr, um völlig ohne Stress um 19 Uhr an der Europahalle zu sein. Entspannt tuckerten wir – mit den Kindern, die mal wieder mit zu einem Konzert wollten -, über die dunkle Autobahn und lauschten entzückt WDR 4, der die „Bastelstunde von Peter Frankenfeld“ brachte. Irgendwann bat mein Gatte mich, im Atlas mal nachzusehen, wo wir abfahren müssten. Ich stellte fest, dass wir uns auf direktem Weg auf den rechten Rand der Karte und damit auf Dortmund zubewegten, das beim Umblättern auf uns wartete. An Essen waren wir in weitem Bogen vorbeigefahren. Blitzschnell wurde ich vom Beifahrer zum Navigationssystem: “Oh, nee, wir müssen zurück! So ‘ne Kacke!” Während ich 10 Minuten vorher noch überlegt hatte, welche Stadt da so schön im Tal neben uns mit Tausenden von Lichtern funkelte, wusste ich jetzt, dass es Wuppertal gewesen war. Auf die Idee war ich vorher überhaupt nicht gekommen.

Mein Gatte bestand darauf, dass Essen immer neben Dortmund gelegen habe, eine Behauptung, die aus der Entfernung von Köln durchaus als richtig eingestuft werden konnte. Außerdem hatte er Geburtstag und ich durfte ihm nicht widersprechen, sondern musste nett zu ihm sein. Wir brausten gegen die tickende Uhr über dunkle Landstraßen auf Essen zu. Um 19 Uhr 30 standen wir immer noch in irgendwelchen Vororten an roten Ampeln und ich wurde nervös. Wir hatten Plätze in der dritten Reihe, und ich würde mich nie im Leben nach Beginn des Konzertes dorthin begeben, um von Dän grinsend begrüßt zu werden. Das Messegelände würde zu finden sein, aber wie schnell würden wir dort auch die Europahalle entdecken? Es kam auf jede Minute an! Plötzlich war das Messegelände neben uns, wir kreisten nur kurz, fanden – trotz äußerst sparsamer Beschilderung – das Parkhaus zur Europahalle, galoppierten zu viert lachend über lange Gänge, passierten betont lässig, aber leicht schnaufend den Eingang und waren wenige Minuten vor Konzertbeginn auf unseren Plätzen.

Etwa 1000 Leute saßen auf Stühlen in einer nicht unbedingt charmant zu nennenden Kongresshalle. Sie war groß und kahl und eher eine Fabrikhalle mit Bühne, als ein Theaterraum. Eine Aktionärsversammlung hätte gut gepasst, aber dafür wäre ich nicht nach Essen gefahren. Ich habe ja nicht mal Aktien. Die Dudelmusik vor dem Konzert lief noch, da wurde das Saallicht etwas heruntergedreht und die ersten Klatscher legten los. Aber nur kurz, dann brachen sie wieder ab. Immer noch kamen verspätete Besucher in den Saal und das Konzert konnte noch nicht losgehen. Doch ein paar Minuten nach 20 Uhr ging das Saallicht komplett aus, das Bühnenlicht an, und die Wise Guys kamen auf die Bühne. Dän in neuem, schräg gestreiftem Hemd, Eddi mit neuer Jeansjacke.

Unter viel Begrüßungsapplaus stellten sie sich am vorderen Bühnenrand zusammen und begannen, als der Applaus leiser wurde, mit Weil ich ein Kölner bin. Durch die hellen Notausgang-Schilder an den Seiten blieb es im Saal ungewohnt hell, und ich fühlte mich weiterhin eher wie in einer Fabrikhalle. Trotzdem kam das Lied sehr schön rüber. Bei den ersten lustigen Textstellen gab es lockere Lacher, die bis weit nach hinten in den Saal liefen. Ferenc warf an passenden Stellen immer wieder verwunderte Seitenblicke auf Dän, die weitere Lacher auslösten. Witzig! Die langen, gemeinsam gesungenen Töne, besonders, wenn sie laut anschwollen und den ganzen Raum füllten, waren sehr eindrucksvoll. Zwischendrin kamen weitere Zuspätkommer in den ersten Reihen an, und Dän sang seinen Text und beobachtete sie dabei interessiert. Am Ende des Liedes gab es kräftigen Applaus und die Wise Guys drehten sich um, um im Dunkeln auf ihre neuen Positionen zu gehen. Die Zuschauer konnten aber alles wunderbar sehen, weil das Bühnenlicht zwar komplett ausgeschaltet war, der Raum aber weiterhin gut durch die Notfall-Schilder beleuchtet war.

Ruf doch mal an zog los, das Publikum klatschte sofort mit, und der Applaus am Ende war schon wesentlich stärker und länger als nach dem ersten Lied. Mir erschien es etwas schwierig, eine richtig gute Stimmung in einen so großen, unpersönlichen Saal zu bringen, zumal die hinteren Reihen wirklich sehr weit weg von der Bühne waren. Auch die Bühne war riesig groß, und die Wise Guys standen zum Teil viele Meter voneinander entfernt. Da ich vorne saß, musste ich meinen Kopf ständig hin und her bewegen, um alles mitzubekommen. Fast wie beim Tennis, nur nicht so regelmäßig, weil das “Plop” fehlte.

“Guten Abend, meine Damen und Herren, die Wise Guys heute Abend in Essen”, begrüßte Dän die Zuschauer, um sich sofort an die Zuspätkommer in den ersten Reihen zu wenden: “Was war los? Stau?” Er freute sich außerdem, dass die Wise Guys an diesem Abend so viele Leute in das Konzert gelockt hatten, obwohl im Fernsehen “Wetten dass?” lief. Gerade hatte er von der “großen Pause im Jahr 2003”, über “Freizeit” auf “private Kontakte” übergeleitet, da unterbrach er: “Hallo! Kommt rein! Sucht eure Plätze und macht es euch bequem! Wir haben erst zwei Stücke gesungen, ihr habt noch nichts verpasst.” Verwundert bemerkte er dann weitere Zuspätkommer: “Oh, das reißt ja gar nicht mehr ab.” Ich war so froh, dass wir es pünktlich geschafft hatten, aber wir wären bei den vielen Zuspätkommenden eigentlich kaum aufgefallen. Eine bessere Beschilderung im Messegelände hätte da sicher zu mehr Pünktlichkeit verholfen.

Mit Kinder ging es weiter und eine kleine Saalfraktion klatschte sofort heftig mit. Häh? Bei “Kinder”? Glücklicherweise gaben sie schon nach vier Takten wieder auf und versuchten es nur in der zweiten Strophe nochmal kurz, aber ebenso wirkungslos. Der Lichtwechsel auf Blau-Grün an den Zwischenstellen war super und das Gucken und das Hören machte Spaß. Danach begann Dän: “Meine Damen und Herren, wir haben … “ und unterbrach gleich wieder: “Ah! Hallo! Schönen, guten Abend. Hi!” Es war fast unglaublich, aber es kamen weiterhin Besucher im Saal an. Dän startete die Umfrage und stellte fest, dass es sehr viele Neuhörer und eine eindeutige Minderheit von Mehrfachhörern gab. Einige Leute hatten noch nie irgendetwas von den Wise Guys gehört und ein paar waren ins Konzert gezwungen worden, was sie heftig winkend zu erkennen gaben. Dän versprach, dass die Wise Guys sich bemühen würden, und ich war mir sicher, dass sie alle nicht enttäuscht nach Hause gehen würden. Man musste ja nicht gleich ein bekloppter Fan werden, aber ein Konzert bei den Wise Guys versprach in der Regel gute Unterhaltung, viel Humor und einen schönen Abend.

Eddi erzählte sehr schön von den vielen Beratern, die sie bandintern für alle möglichen Sachen in Anspruch genommen hatten, und währenddessen bereiteten sich Clemens, Sari und Dän auf ihre nächste Choreografie vor. Genau genommen dehnten Sari und Dän ausgiebig Muskeln und Sehnen und Clemens machte ein dummes Gesicht dazu. Die Wise Guys starteten mit Du bist dabei, und es gab begeistertes Publikumsgejohle schon bei den ersten kleinen Choreografieschritten nach links und rechts, dann lautes Geschrei bei den gemeinsamen Hüftschwüngen. Clemens hatte Trippelschritte eingebaut und wackelte leicht debil, aber triumphierend grinsend im Kreis herum, und mit dem Leadgesang von Eddi war alles zusammen richtig gut und witzig.

Das wär’s gewesen war danach als Kontrast ganz ruhig. Ich fand es wunderschön. Rechts am Bühnenrand stand Clemens und sang nachdenklich mit seiner hellen, klaren Tenorstimme. Links vorne stand Ferenc ganz still, war nur schwach beleuchtet und gab tiefe, sanfte Basstöne und eingeschobene Rhythmus-Ts dazu, die sich perfekt um die Stimme von Clemens legten. Im Hintergrund, optisch wie akustisch, die drei anderen Stimmen, die einen ruhigen Background machten. Wirklich toll. Leider brachten weitere Zuspätkommer etwas Unruhe in den Saal, und ich fand es schade, dass sie nicht gewartet hatten, bis das Lied fertig war. Bei Was für eine Nacht ging es nach einem etwas seltsamen Anfang, der durch zu spät eingeschaltete Mikros verursacht wurde, fetzig weiter, auch wenn ich fand, dass die Atmosphäre in der großen Halle seltsam blieb. Es war schon gute Stimmung da, aber irgendwie verlor sie sich auch wieder in den hohen Raum nach oben. Außerdem gab es viele Leute, die dem Lied still und regungslos zuhörten, nachher aber begeistert klatschten.

Clemens verriet danach, dass Ferenc die mehrmonatige Auftrittspause dieses Jahres für einen Studiengang der Archäologie in Heidelberg genutzt hatte, und dass er weder Professor, noch Student, sondern Ausstellungsstück gewesen sei. Das Publikum platzte los, und Ferenc zog die Augenbrauen hoch und grinste amüsiert, hatte aber trotzdem Rachegedanken im Blick. Die Sonnencremeküsse begannen, und erstaunlicherweise verschwand der schmucklose, schwarze Vorhang im Hintergrund aus meinem Blick, der gelbe Scheinwerfer wurde zu warmem Sonnenlicht und die starre Lochplatten-Wandverkleidung zu sanft geschwungenen Sanddünen. Ich hatte ein locker leichtes Urlaubsfeeling und konnte beinahe Sonnencreme riechen. Und das in der Essener Messehalle bei kahler Bühne. Lag übrigens nicht nur an meiner Phantasie, sondern auch am Können der Wise Guys.  

Dän beobachtete während des Applauses neue Zuspätkommer und stellte fest: “Tja, immer noch ein bisschen Flughafenatmosphäre hier. Danke, dass ihr nicht im Lied reingekommen seid!” Er wandte sich an eine andere angekommene Gruppe: “Was ist mich euch da hinten? Wollt ihr da stehen bleiben? – Ihr wollt den Zug kriegen??”, woraus er schulterzuckend schloss: “Es gibt also auch Leute, die früher gehen wollen.”

Das war gut gefiel mir sehr gut. Sari war immer noch völlig platt vom Erlebten, alle zogen die Töne wunderbar lässig und das Lied lebte. Eddi stand rechts vorne am Bühnenrand und war mindestens ebenso überrascht vom Erlebten wie Sari, was mich sofort überlegen ließ, ob er zugeguckt hatte. Falls Clemens, der links vorne stand, auch dabei gewesen sein sollte, hatte es ihn jedenfalls nicht so sehr beeindruckt. Sari war also völlig aus der Bahn gehauen, Eddi war ebenfalls ziemlich weg, nur Clemens nahm es lässig. Hatte er den Vorfall nicht richtig mitbekommen, oder war das, was die anderen beiden so beeindruckt hatte, für ihn völlig normal? Wovon sang Sari eigentlich ganz genau? – An der Textstelle: “Das war alles andere als katholisch” warf sich eine Gruppe aus der Reihe vor mir grinsende Blicke zu, die zeigten, dass sie sich wiederum ganz genau vorstellen konnten, was Sari meinte. Der Applaus am Ende des Liedes machte klar, dass es sehr gut ankam, was mich freute, weil ich das Lied klasse finde.

Die Schlechte Zeiten waren besser geworden. Ich liebe den schrägen Anfang sowieso, aber durch den inzwischen ruhigeren Hintergrund war es einfacher, der springenden Leadstimme und dem vielen Text zu folgen. Auch an den Reaktionen des Publikums konnte man merken, dass das Lied viel besser rüberkam. Es gab Gelächter und sogar Applaus für Clemens’ dummes Gesicht. Trotzdem blieb das Lied ein etwas schwieriger Kandidat, von dem ich immer noch nicht begeistert war. Schade, denn die Idee war witzig und musikalisch war es eine andere Richtung und ich bin immer dafür, wenn es etwas jazziger und ungewohnter wird. Mal sehen, es entwickelt sich noch, und ich darf mich weiterhin weggrinsen, weil ich keine Ahnung habe, wie Katzen Selbstmord machen. Kopf in die Katzentoilette?

Bei der Powerfrau machte ich eine weitere seltsame Entdeckung. An der Stelle, an der Sari die Powerfrau im Lamborghini spielte, legte er darstellerisch seinen rechten Arm aus dem Autofenster. Das ging doch gar nicht! Wenigstens nicht, wenn die Powerfrau den Wagen selber fuhr. Saß etwa der junge Privatsekretär links am Steuer und der arme Sari merkte das nicht mal? Hatte der Lamborghini sein Steuer auf der rechten Seite? War die Powerfrau so groß, dass sie quer durchs Auto reichte?  Oder war es doch ein Smart?? Fragen über Fragen, die mich auch NACH dem Konzert noch lange beschäftigten. Die anderen Zuschauer schienen sich diese Gedanken nicht zu machen, sondern lachten laut und verfolgten die hektischen Bemühungen des Hauptsängers mit viel Freude. Beim letzten Satz gab es aufschreiende Lacher und danach tosenden Beifall. Sari erhielt einen rhythmischen Extra-Applaus und ich entschied, dass er auch bei mir gerne mal als Hausmann zum Durchwischen vorbeikommen könnte.

Dän sagte danach, dass der 1.FC Köln im heutigen Spiel gegen den VfL Bochum knapp verloren hätte, woraufhin Gelächter, Buh-Rufe und lautes Klatschen aus dem Zuschauerraum ertönten. “Ich fang nochmal an,” erklärte Dän schnell und formulierte umständlich: “Unser Heimatverein hat sich heute gegen Bochum nach heftigem Widerstand haarscharf mit 0:4 ergeben.” Es wurde gelacht, und Dän bat, dass die Zuschauer durch Mitsingen und Schunkeln zeigen sollten, dass sie mit den Wise Guys hofften, “dass das Tal der Tränen irgendwann durchquert ist.” Ganz sanft begann Deutscher Meister, das Publikum reagierte mit liebevollem Gelächter an den richtigen Stellen, Dän ließ den “Schaum” singen, ehe er ihn selber sang, und im Saal wurde geschunkelt, gesungen und geklatscht. An manchen Stellen sogar alles gleichzeitig. Sehr schön fand ich den meckernden Bock an passender Stelle, der bisher nur optisch als Ziegenbock-Hörnchen auf Saris Stirn erschienen war. Zur lauten Freude des Publikums liefen die Wise Guys als trötender Spielmannszug ab und hinterließen lachende Gesichter.

In der Pause gab es ein ziemlich volles Foyer, Getränke, Würstchen, Frikadellen, aber keinen Gong, der die Leute zum Ende der Pause wieder zurückrief. Nach einer halben Stunde ging im Saal das Licht aus, was von den meisten Im-Foyer-Stehern aber nicht bemerkt wurde. Sie blieben ahnungslos draußen, begutachteten die neu erstandenen CDs und unterhielten sich laut. Drinnen wurde mit dem Auftritt noch abgewartet. Dann hörte man plötzlich über die Lautsprecher eine von den Wise Guys gesungene, mehrstimmige Fanfare ertönen: “Papadapaaaaaaah!!” und die Leute stürzten vom Foyer in den Saal. Sehr witzig und vor allem wirkungsvoll! Ich grinste, denn ich konnte mir vorstellen, wie die Wise Guys unruhig hinter ihrer Tür gestanden und auf den Beginn der zweiten Hälfte gewartet hatten, ein Teil der Zuschauer aber nicht aus dem Foyer zurückkam.

Etwa drei Minuten später, es saßen immer noch nicht alle, kamen die Wise Guys auf die Bühne zurück und stellten sich für mich neu auf. Also nicht für MICH, es war mir nur in dieser Konstellation neu. Nichts mehr mit “Dialog” (schade), dafür der Ohrwurm (schön). Clemens sang die Leadstimme, im Refrain sangen die anderen ihn grinsend an, und die Melodie blieb tatsächlich sofort im Ohr kleben. Zunächst war Clemens etwas zu leise gegenüber dem Hintergrund, aber ab der dritten Strophe wurde es viel besser. Sehr schön!

Danach die Chocolate Chip Cookies, durch die die Atmosphäre so heiß wurde, dass der Teig in der schwülen Hitze fast von alleine gebacken wurde. Als Ferenc seinen ersten Satz sang, platzen die Emotionen im Publikum lautstark los und kreischender Jubel hallte durch die Messehalle. Solche Reaktionen hätten die dort auf den normalen Backwarenmessen auch gerne! Mitten im Lied kamen drei Mädchen nach vorne, die ich im ersten Moment für ziemlich dreiste Zuspätkommer hielt, die aber eine Tüte mit Cookies auf die Bühne stellten. Dän hob sie vom Boden auf, betrachtete sie aufmerksam und nickte in der Schlussphase des Liedes ein Danke an die Spenderinnen rüber. Das Publikum johlte und pfiff, begeistert vom Rezept.

“Oldie der Woche” waren Die Philosoffen. Von mir lange nicht mehr gehört und sehr interessiert begutachtet, zumal Eddi viel ausgeprägter als früher darstellerisch tätig war. Es war richtig klasse und mir gefiel alles. Ohne weitere Ansage dann Die Bahn kommt. Viel kann ich dazu nicht sagen. Es ist zurzeit mein Lieblingslied im Programm und ich starrte verzückt auf die Bühne und ließ mich einfach nur mitziehen. Wahnsinn!

Bei Zu schön für diese Welt konnte ich wieder aufwachen. Sari war einen Tick leiser als Eddi, aber insgesamt war es schön laut und knallte los. Das musste einfach hämmern und tat es auch. Eddi quietschte beim folgenden Du Doof entsetzlich blöde los, und das Publikum quietschte bei besonders dämlichen Gesichtsausdrücken auf. Manchmal musste ich einfach weggucken, damit der drohende Lachanfall ausblieb, aber meine Mundwinkel blieben unverrückt weit auseinandergezogen. Die in der Anmoderation nicht sehr geschickt verborgenen Anspielungen gegen Dieter Bohlen fanden beim Publikum große Zustimmung und wurden heftigst beklatscht.

Ohne weitere Ansage ging es mit Sing mal wieder los. Es zog von Anfang an richtig ab und war klasse. Zu Beginn des Mitsingteiles wunderte ich mich etwas über eine Frau schräg vor mir, die nicht nur beim Publikumsteil laut mitsang, sondern auch bei Eddis Part, aber dann entdeckte ich, dass sie mit offenem Mund Kaugummi kaute und gar nicht sang. Das Mitsingen machte mir und den meisten anderen Teilnehmern mal wieder richtigen Spaß, und der Riesenjubel und der lange Beifall danach spiegelten die tolle Stimmung wider. Dän lobte: “Das war wesentlich überzeugender als das Finden der Plätze zu Beginn des Konzertes”, was vergnügtes Gelächter auslöste.

Obwohl Ferenc bei King of the road etwas lauter hätte sein können, kam er überzeugend rüber und wurde bejubelt. Manchmal habe ich ja das Gefühl, dass kaum einer auf den Text hört, denn er stellt ja eigentlich einen recht unsympathischen Zeitgenossen dar, dem ich im Normalleben ganz sicher nicht zujubeln würde. Aber beim Blick auf sein charmantes Lächeln und die blauen Augen ist es mir völlig egal, ob er rechts überholt oder hupend drängelt. Außerdem ist er ohne Auto da und ich bin ja keine Politesse. In den letzten Ton des Liedes hinein gab es gellendes Geschrei, das sich in Getrampel und tosenden Beifall steigerte. Selten werden Verkehrsrowdies so gefeiert, wie in Wise Guys Konzerten, und ich bezweifle nicht, dass auch echte Politessen in Jubel ausbrechen und trampelnd applaudieren, wenn sie Ferenc im Parkverbot erwischen. Na, vielleicht auch nicht.

Als der lange Applaus endlich abklang, bewegte sich Dän langsam zur Bühnenmitte und stellte sehr besorgt fest, dass der Applaus 20 Sekunden kürzer als im letzten Jahr gewesen sei. “Wir merken schon, dass es insgesamt weniger wird.” Er begann mit einer Dankrunde an alle Beteiligten, und im ersten Applaus für die Helfer in der Messehalle ging Ferenc an ihm vorbei und flüsterte ihm etwas zu. Ich lachte vor mich hin, denn Ferenc versuchte es ganz unauffällig zu machen, aber jeder konnte natürlich sofort sehen, dass er Dän flüsternd an etwas erinnern wollte. Kaum stand er wieder an seinem Platz, sagte Dän ganz ernsthaft: “Ferenc hat mir gerade zugeflüstert, dass wir uns auch bei ihm bedanken sollen.” Ferenc lachte genauso los, wie das amüsierte Publikum.

Nach der Dank-Arie wurde Dän wieder ernst. “Dies ist ein besonderer Moment in unserer Karriere. Zum allerletzten Mal gibt es Schlag mich baby.” Er betonte, dass dieser historische Moment besonders für die Kinder und jungen Menschen wichtig sei, da sie später noch ihren Kindern und Enkeln erzählen könnten: “Ich war dabei, als die Wise Guys diesen Song zum allerletzten Mal gesungen haben!” Im Wegdrehen ließ er fast nebenbei die Bemerkung fallen, dass es aber auch durchaus möglich wäre, dass der Song in den nächsten Wochen noch mehrmals gesungen würde. Eigentlich würde ich mir gerne ein T-Shirt machen lassen: “Ich war dabei, als die Wise Guys “Schlag mich baby” zum allerletzten Mal gesungen haben. Mehrmals.”

Trotzdem guckte ich dem Song wieder mal ganz aufmerksam zu, denn vielleicht sah ich ja wirklich meine letzte Vorstellung davon. So oft hatte ich es schon gesehen, und jetzt würde es zu Ende sein, ehe Sari dem Dän oder dem Ferenc in der eng gestalteten Choreografie mal wirklich eins auf die Nase gegeben hätte. Eigentlich schade. Also, natürlich schade, dass der Song aufhörte. Nicht, dass jemand jetzt vielleicht verstehen könnte, ich würde mir wünschen, dass Saris gekreiste Faust mal millimeterweit daneben …

Der Jubel nach dem Lied war groß, die Wise Guys verbeugten sich und gingen ab. Gellendes Pfeifen, Zugabe-Rufe und Geklatsche holte sie nicht unerwartet zurück auf die Bühne. Sari und Ferenc blickten sich verliebt lächelnd an, und das Publikum lachte sofort los, weil das wirklich süß aussah. Rasier dich war wunderbar und wurde zudem auch noch unerwartet albern. Ferenc und Sari versuchten sich mit unerwarteten Haltungen zum Lachen zu bringen. Zuerst nahm Ferenc kurz eine Position Marke “kranker Storch” ein und Eddi prustete los, dann übernahm Sari unerwartet die gleiche seltsame Haltung und Ferenc verlor die Fassung und lachte laut. Nachher erfuhr ich, dass die Storch-Haltung eigentlich an “Matrix” erinnern sollte. Egal, sah auf jeden Fall wunderlich und sehr schön blöd aus. Ich finde es ja immer wieder klasse, wenn auf der Bühne überraschend gelacht werden muss, und das stört die Ernsthaftigkeit des Programmes überhaupt nicht, sondern zeigt eher den guten Zusammenhalt der Wise Guys untereinander. In Gruppen, in denen es kriselt, wird nie echt zusammen gelacht, aber als Zuschauer ist man immer sehr erfreut, wenn plötzlich ein Schwall guter Laune von der Bühne schwappt.

Noch im Applaus begann Golden Eye und brachte einen sofortigen Stimmungswechsel. Die Wise Guys wurden blau angestrahlt, der Vorhang hinter ihnen hatte knallrote Falten und tiefschwarze Schatten. Endlich war es durch die Notausgang-Beleuchtung mal nicht so sehr düster am Anfang und mir gefiel das viel besser. Als dann der erste Nebel aufkam, stieg er leicht hinter Eddis Kopf hoch und auch etwas zwischen seinen Beinen hindurch nach oben. Das war eigentlich fast witzig, aber in der eisigen Atmosphäre konnte ich überhaupt nicht darüber lachen. Es war wirklich beeindruckend, wie aus dem netten Eddi so ein gefährlicher Typ werden konnte, der mit stechenden Augen ins Publikum blickte. Gegen Ende hatte er im Song einen Text- und Melodiehänger, jodelte sich kurz irgendwie durch, um dann sofort den Anschluss zu finden. Ferenc warf einen kurzen, besorgten Blick zu ihm rüber, ich auch, aber Eddis Stimme war wieder fest und schneidend. In dem leicht aufsteigenden Dampf sah die Szenerie wie in der Bronx bei Nacht aus, und endlich war die Kahlheit der Bühne mal ein Vorteil. Ich fand es wieder mal sehr spannend. Nach dem Lied gab es Standing Ovation vom kompletten Saalpublikum. Also alles, was ich sehen konnte, stand auf. Sollten einige Leute sitzen geblieben sein, konnte ich sie nicht sehen, sie aber auch nichts mehr. Es gab große Begeisterung, die Wise Guys gingen ab und kamen kurz danach mit Jetzt ist Sommer wieder. Viele Zuschauer setzten sich hin, aber ein Großteil blieb stehen und groovte mit. Als das Lied fertig war, standen dann wieder alle auf und klatschten jubelnd.

Die Wise Guys verbeugten sich und stimmten dann noch einmal den Refrain vom “Ohrwurm” an. Natürlich sang das gesamte Publikum gleich lautstark mit, die Wise Guys trieben ein wenig an und gingen dann winkend von der Bühne ab. Das Publikum sang weiter. Immer wieder den Refrain: “Halloo, hallooooo, ich bin dein Ooooohrwurm, dein Ooooohrwurm …” Nach einigen Durchgängen konnte ich hören, wie ein Bass dazu erklang, der aber seltsam unrhythmisch war. Wer sang denn so falsch dazu? Der Bass wurde zunehmend lauter und endlich merkte ich, dass zum Gesang im Saal die Dudelmusik gemischt wurde, die nach einem Konzert von CD kam. Mir war ja vorher schon klar, dass das Ende des Konzertes erreicht war, aber als ich dort stand und mit aller Kraft gegen die Dudelmusik ansang, fühlte ich micht trotzdem irgendwie blöde. Ich sang hier und die Wise Guys kamen doch nicht mehr raus. Das war total unbefriedigend! Noch ein kurzer, letzter Refrain mit ihnen zusammen und ich wäre zufrieden gewesen und, den “Ohrwurm” summend, zum Ausgang marschiert, aber so gefiel es mir nicht. Das Lied war toll gewesen, das Singen als Publikum auch, aber das Ende nicht. Nach einiger Zeit standen die ersten Leute auf und verließen die Reihen, und auch die anderen brachen die Singerei dann relativ schnell ab. Netterweise hatte sich der Refrain bis dahin im Ohr festgebissen und dudelte bei mir immer mal wieder von alleine los.

Beim Afterglow war ziemlich viel los. Die Wise Guys mussten eine Menge Unterschriften geben und bekamen eines ihrer eigenen Lieder in einer vier Oktaven höheren Version von einer Damen-Mannschaft vorgesungen. Meine Kinder waren super gelaunt, weil ihnen das Konzert so gut gefallen hatte, dass sie sofort Fans geworden wären, wenn sie die Wise Guys nicht sowieso schon total klasse gefunden hätten. Mir hat der Abend viel Spaß gemacht, weil ich wieder mit Erstaunen festgestellt hatte, wie kurzweilig das Programm war. Wenn ich zur Pause und am Ende jedes Mal erstaunt denke: “Schon?? Waren das nicht zu wenig Lieder?” ist das immer ein gutes Zeichen.

Da es für uns bis zum Ende des Afterglows etwas länger dauerte, waren die normalen Ausgänge schon verschlossen, als wir zum Auto zurückkehren wollten. Wir mussten mit einem Fahrstuhl nach unten in ein falsches Parkhaus fahren und kamen an einer völlig unbekannten Stelle heraus. Es war wirklich witzig: Ich war wieder mal in Essen und suchte das richtige Parkhaus, in dem irgendwo mein Auto stand. Unverzagt wanderten wir los und nahmen sogar mit Humor, dass die Parkhaustore, an denen wir vorbeikamen, alle heruntergelassen und verschlossen waren. Aber es dauerte gar nicht lange, da fanden wir eine offene Türe in ein Parkhaus hinein, kurz danach unser Auto und dann noch eine offen Türe aus dem Parkhaus hinaus. Essen war eigentlich doch ganz nett. Wir brausten los in Richtung Köln und kamen nach 50 Minuten zu Hause an, da wir für den Rückweg einfach mal die direkte Verbindung gewählt hatten. Es war ein spannender, schöner Tag gewesen, mit Geburtstag und chinesischem Essen und Familienausflug und einem Wise Guys Konzert als sehr schönem Abschluss.

Weil ich ein Kölner bin
Ruf doch mal an
Kinder
Du bist dabei
Das wär’s gewesen
Was für eine Nacht
Sonnencremeküsse
Das war gut
Schlechte Zeiten
Powerfrau
Deutscher Meister

Ohrwurm
Chocolate Chip Cookies
Die Philosoffen
Die Bahn kommt
Zu schön für diese Welt
Du Doof
Sing mal wieder
King of the road
Schlag mich baby
Rasier dich
Golden Eye
Jetzt ist Sommer