WG Konzertberichte

Wise Guys – 17.02.2003 – Philharmonie – Köln … mit CD-Premiere

Endlich war der 17. Februar erreicht. Am Morgen stürmten viele Wise Guys Fans die CD-Läden, um so schnell wie möglich an die neue CD „klartext“ zu kommen. Am Mittag stürmten weitere Fans die Läden, die morgens keine Zeit dazu gehabt hatten. Und wer wollte und rechtzeitig eine Eintrittskarte gekauft hatte, konnte am Abend in die Kölner Philharmonie stürmen, um bei der Präsentation der CD dabei zu sein. Wobei nicht ganz klar war, ob und wie sich der Abend „mit CD-Präsentation“ von einem “normalen” Konzert unterscheiden und ob es nach dem Konzert einen Afterglow geben würde. Für nette Afterglows war die Philharmonie nämlich nicht bekannt, da die Besucher das große Foyer üblicherweise unmittelbar nach Konzerten zügig verlassen mussten.

Vielleicht gab es also nur ein ganz übliches Konzert, bei dem einmal kurz die neue CD hochgehalten wurde, vielleicht war aber auch ein großes Event geplant, bei dem für den Song “Träum vom Meer” ein riesiger Sandstrand im Konzertsaal aufgeschüttet und ein überdimensionales Wasserbecken mit kräftiger Wellenmaschine für die richtige Atmosphäre sorgen würde. Ich hatte keine Ahnung, konnte mir aber bei der pingeligen Philharmonie nicht vorstellen, dass die Wise Guys auch nur einen Eimer Sand mitbringen durften.

Den ganzen Tag über war ich ein wenig aufgeregt. Völlig blödsinnig, denn ich musste am Abend nur auf meinem Platz sitzen und zuhören, aber ich spürte, dass mit der neuen CD eine weitere Stufe in der Karriere der Wise Guys erreicht war. Ab jetzt war es anders als vorher. Die Jungs hatten sich seit dem letzten Jahr musikalisch und vor allem textlich in eine etwas ernsthaftere, ehrliche Richtung weiterentwickelt und waren reifer geworden. Womit ich nicht “älter” meine. Sie hatten einen Stand erreicht, von dem aus sie auch zurückblicken und das Leben mit allen verpassten Chancen und den wirklich wichtigen Dingen sehen konnten. Und ich merkte, wie selbstbewusst sie ihren Weg gingen, auch wenn sie von der Presse und den Medien immer noch viel zu häufig übersehen wurden. Mit der CD “klartext” war ein neuer Abschnitt erreicht und ich war sicher, dass es einen dicken Schritt nach oben gehen würde. Hach, war ich stolz auf sie, was ebenfalls völlig blödsinnig war, aber irgendwie fühlte ich mich in einer Mischung zwischen quietschendem Teenie und besorgter Mutter, was für meinen Körper nicht so einfach zu verkraften war und ihn mit gesteigerter Nervosität reagieren ließ. Würde ich ihnen heute Abend um den Hals fallen oder ihnen Butterbrote schmieren?

In der Philharmonie angekommen, sah ich ziemlich schnell, dass es zwei Unterschiede zu sonstigen Konzerten gab. Der erste Unterschied war im Foyer am Artikelstand zu bemerken: Viele Zuschauer kauften VOR dem Konzert eine CD, weil sie die Befürchtung hatten, dass sie in der Pause ausverkauft sein könnte. Nebenbei bemerkt: Sie kauften fast alle die “klartext”. Ganz am Rande bemerkt: Ich auch. Der zweite Unterschied war für die erfahrenen Philharmonie-Besucher im Saal zu erkennen: Der Z-Block, das berüchtigte “Gepäcknetz” im Rücken der auftretenden Künstler war weg. Also weg war es nicht, aber ein riesiger, schwarzer Vorhang hing davor, auf den in weißen Kleinbuchstaben   wise guys klartext  projiziert wurde. Rechts und links auf dem klaren Bühnenhalbrund standen zwei elegante Stehtische, den vorderen Abschluss bildeten mehrere schwarze Monitorboxen. Edel, edel. Nur die seltsamen blauen Becher auf den Tischen, die bestimmt ebenfalls edel und extra passend zu den blau gekleideten Philharmonie-Angestellten gefertigt worden waren, sahen nach Ikea-Kinderbechern aus Plastik aus. Aber wahrscheinlich habe ich nur keinen Geschmack und keinen Sinn für gutes Design.

Zwei Minuten nach 20 Uhr versuchten die ersten Klatscher ergebnislos zum Auftritt zu animieren, um fünf nach Acht waren immer noch die letzten Besucher im hellerleuchteten Saal zu ihren Plätzen unterwegs. Aber eine Minute später wurde das Saal-Licht dunkler, die Zuschauer klatschten 20 Sekunden lang, hörten dann wieder auf und zischten immer lauter werdend: “Pscht! Pssssst! Psssssscht!” in den Raum.  (Lieber Ferenc H. aus Köln, (Name aus Personenschutzgründen abgekürzt), auch diesmal ist die Einleitung fast länger als der Konzertbericht geworden, aber jetzt geht’s los.)

Das gezischte „Psssst“ war zu hören, weil die ersten Zuschauer sahen, dass die Wise Guys von der Seite auf die Bühne kamen. Sie stockten kurz an der kleinen Treppe, um nicht im hellen Scheinwerferlicht eine ungeplante Stunt- und Sturznummer beim letzten Schritt auf die Bühne einzubauen, und standen dann, von langem Applaus umtost, in der Mitte. Sie sahen aus wie immer, als ob sie nichts von der Besonderheit des Abends bemerken würden. Hey, Jungs, das war euer Tag! Ab jetzt begann das Zeitalter der “klartext”, das mindestens bis zur nächsten CD anhalten würde.

Die Wise Guys taten so, als ob sie meine Gedanken nicht lesen konnten und starteten wie üblich mit Showtime. Der Klang war noch etwas hallig, aber die Stimmung des Publikums schon ziemlich gut. Gegen Ende des Liedes wurde heftig mitgeklatscht und sogar gejubelt. Als der Applaus aufhörte, ging es sofort mit dem “Ding-ding-ding”-Anfangsgeklimper von Köln ist einfach korrekt los. Während sich das “Ding-ding-ding” in einer Endlosschleife befand, sagte Dän: “Wir haben uns gedacht, bevor wir anfangen mit dem neuen Zeug, singen wir erstmal unsere Hymne.” Und er ergänzte grinsend: “Die ha’m wir seit ungefähr fünf Jahren nicht mehr gesungen.” Großer Jubel bei den Fans, als es losging, und vergnügtes Gelächter, als Dän durch die Zeile “Zwei Euro vierzig, oder so, kostet jetzt’n Bier” stolperte. Schön, schön. Ich fand es prima, auch wenn ich an diesem Abend eher an Neuerungen, als an einen Oldieblock gedacht hatte. Aber die Jungs machten das schon richtig.

Dän begrüßte danach die Zuschauer, erwähnte, dass sie “dem Neuen das Alte entgegensetzen” wollten und gab zu: “Wir waren selten so aufgeregt.” Das konnte ich gut nachvollziehen, denn mir war es den ganzen Vormittag schon so gegangen. Als Zuschauerin!

Er erklärte, wie normalerweise CD-Präsentationen gefeiert würden: In einem kleinen Saal mit Presse, Prominenz und Fingerfood. In diesem Jahr würden sie eine Präsentation für die machen, für die es gedacht sei. (Das Publikum klatschte freudig.) Lächelnd wies Dän auf den großen Vorhang hin: “Da sich bei den vergangenen Konzerten die Besucher des Z-Blockes beschwert haben, dass sie alles nur von hinten sehen, gibt es jetzt einen Vorhang.” Er grinste sehr zufrieden: “Da sitzen jetzt AUCH Leute, die sehen jetzt GAR NICHTS!“

Weiter ging es mit dem Deutschen Meister, der schon in der Ansage lockeres Gelächter beim Publikum auslöste. Der erste Refrain brachte beim “Karnevalsverein” dann laute Lacher, Geklatsche und Gejohle. Im Verlauf des Liedes wurde immer wieder gelacht, meistens aber nett und leise, damit die nächste Textzeile auch verstanden werden konnte.

Wenige Besucher schunkelten, einige sangen mit, und der Beifall danach dauerte so lange, dass die Wise Guys genug Zeit hatten, um in Ruhe aus ihren Ikea-Bechern zu trinken. Danach kündigte Dän die “CD-Präsentations-Konzert-Umfrage” an und erzählte, dass das Konzert so schnell ausverkauft war, dass sogar einige Freunde und Verwandte nur noch Stehplätze bekommen hätten. Er setzte sich für die Umfrage extra seine Brille auf und sagte: “Die Brille ziehe ich sonst nie an. Allerdings nicht aus Gründen der Eitelkeit, sondern …  weil’s einfach blöd aussieht.”

Bei der Umfrage zeigte sich, dass etwa 1/4 der Besucher Ersthörer waren, was Dän “Es ist nicht zu fassen!” ausrufen ließ, als er die vielen gehobenen Arme sah. Bei den “Mehrfachtätern” ging er ins Detail und fragte nach, wer mehr als 10 Mal bei Wise Guys Konzerten war, und dann sogar, wer mehr als 50 mal dabei war. Ich konnte meinen Arm gleich oben behalten, überlegte noch schnell, ob er das im Jahr, oder quasi auf Lebenszeit meinte, da grinste er: “Da traut man sich dann schon langsam nicht mehr.” Was sollte denn das heißen? Zuerst zerstörte er mein Ansehen als völlig normaler Mensch, indem ich mich vor meinen unbekannten Sitznachbarn als bekloppter Extrem-Fan outen musste, und dann wollte er mir anscheinend verschlüsselt zu verstehen geben, dass ich zu oft kam. Völlig geknickt brach ich schon fast auf meinem Sitz zusammen, da fiel mir plötzlich auf, dass wenigstens fünf Leute in diesem Saal geschwindelt hatten. Ich war mir ganz sicher, dass die fünf Wise Guys selber schon mindestens bei 50 Konzerten dabei waren. Im letzten Jahr sogar bei noch mehr, das wusste ich aus sicherer Quelle, aber sie hatten alle nicht aufgezeigt! Na, und wenn DIE das machten, warum sollte ich mich das nicht trauen? (Tja, Daniel D. aus Köln, das hat nicht geklappt! Ich bin immer noch nicht abgeschreckt!) 

Die Umfrage war aber noch lange nicht beendet. Damit sich das CD-Präsentations-Konzert von anderen Konzerten unterschied, gab es etwas zu gewinnen. Es wurde der Besucher mit der weitesten Anreise gesucht. Wer war mehr als 100 km, mehr als 200 km, mehr als 400 km für dieses Konzert angereist? Dän zählte höher, und wer nicht mithalten konnte, musste sich hinsetzen. Es ging auf 800 km, dann sogar auf 1000, aber da bemerkten die Wise Guys, dass eigentlich nur noch die Leute auf den Stehplätzen standen, die sich ja nicht hinsetzen konnten, auch wenn sie nur 100 Meter neben der Philharmonie wohnten. Dän zählte also wieder rückwärts, bei mehr als 800 km gab es doch niemanden, aber bei mehr als 700 km meldete sich eine Dame. “Ehrenwort?” fragte Dän. “Dann dürfen wir Sie auf die Bühne bitten!” Eddi eilte ihr entgegen, um ihr den Weg quer durch die Reihen zu zeigen, und in der Zwischenzeit wurden der älteste und der jüngste Zuschauer gesucht. “Wer ist jünger als 8? – Wer ist jünger als 7, als 4?” Da die Übersicht auch bei stehenden Kindern schlecht war, sollten sich die betreffenden Kinder auf ihren Sitz stellen. Ferenc, Sari und Clemens liefen durch die Reihen, um die Kinder zu erspähen. Bei “jünger als 6” hatte Dän jemanden gefunden. “Wann bist du denn geboren?” fragte er freundlich, und das Kind drehte sich bei dieser schweren Frage hilfesuchend zur Mama um. Dän grinste: “Ach, die Mutter fragen. Tja, wer weiß das schon?” Weiter oben im Saal gab es noch ein passendes Kind. Dän fragte: “Da oben? Älter? Jünger?”, dann stöhnte er: “Oh, das ufert ja total aus! Wir kürzen das ab. Ihr kriegt beide eine CD. Du und du und er auch.” (Ich hatte keine Ahnung wer “er auch” war, aber die Entscheidung gefiel mir.)

Es ging immer noch weiter. “Wenn es nicht uncharmant ist, wer ist älter als 70 Jahre?” Keiner meldete sich, aber es war unruhig und unübersichtlich im Saal. Dän zeigte Ansätze von Verzweiflung: “Wer glaubt von sich, der Älteste, die Älteste zu sein?”, eine Frage, die lautes Gelächter im Publikum auslöste. “Hört mal Jungs,” sprach er danach seine im Saal verteilten Kollegen an, “ich schlage vor, ihr sucht euch jetzt jemanden raus!” Inzwischen waren die 700-km-Dame und Eddi nach einem langen Fußmarsch quer durch den Zuschauerraum auf der Bühne angekommen. Die am weitesten angereiste Gewinnerin war Hannelore aus der Nähe von Zürich. Sie konnte bald nochmal weit anreisen, denn sie bekam Freikarten für das Tanzbrunnenkonzert im Mai, dazu aber gleichzeitig einen Hotelgutschein für den “Wasserturm”. Mir sagte das nichts, aber die staunenden “Oooohs” einiger Zuschauer ließen mich ein Luxus-Hotel vermuten. “Das hat jetzt’n bisschen gedauert”, stellte Dän ganz richtig fest, als alle Gewinne vergeben waren, aber es war ja auch der Präsentations-Abend, und da durfte es anders als sonst zugehen. 

Du bist dabei war das nächste Lied, und Dän sprach die Ansage deutlich schneller, um wohl unbewusst die Zeit aufzuholen. Der Song war sehr schön, und es gab eine nette, neue Choreographie mit wunderbar kleinen Schritten und äußerst guten Hüftschwüngen von Clemens, Sari und Dän. Die begeisterten Publikumsreaktionen darauf waren fast wie auf einem Boygroup-Konzert, und ich hatte auf keinen Fall mütterliche Gefühle, als ich ein lautes “Wouwouwou!!” brüllte. Jedenfalls dachte ich nicht ans Butterbrotschmieren. 

Im Halbkreis um den Leadsänger herum ging es mit Das wär’s gewesen weiter. Wunderbares rotes Licht, alle standen ganz still und gaben ein ganz ruhiges Bild ab. Optisch und akustisch sehr klasse! Clemens stand verloren am Rand und wirkte völlig überzeugend, wie er nachdenklich von der verpassten Liebe sang. Im Saal war es ganz still, die Wise Guys konnten leise singen, alles kam an, und ich fand es superschön. Die Aufstellung auf der Bühne passte wirklich perfekt zum Lied.

Als Kontrast gab es danach Kinder, bei dem auch wieder der Lichtwechsel von gelb-rot zu blau-grün supergut war. Um mich herum gab es viel amüsiertes Gelächter und Saris Verzweiflung überzeugte auch Kinderlose.

Die Abmischung am Mischpult bei Was für eine Nacht war allerdings nicht so gut. Der Bass hämmerte ganz gut, wenn auch etwas brav, aber Clemens war zunächst viel zu dominant, dann fehlte plötzlich das Gesamtfundament, danach waren die Gesangsstimmen zu laut und schneidend, dann wieder Clemens zu stark, dafür aber Sari zu leise. Ab der Hälfte des Liedes wurde es besser, und es wurde auch fast sofort mitgeklatscht, als es endlich zog. Ich saß übrigens ziemlich in der Mitte der Zuschauerreihen und war mit dem Klang des Konzertes einigermaßen zufrieden. Etwas hallig, aber meistens akzeptabel. Ganz vorne und ganz hinten muss es, wie ich von anderen Besuchern hörte, aber nicht immer so gut gewesen sein. Tja, die Philharmonie ist nicht für eine kleine A-cappella-Gruppe konzipiert.

Die nächste Ansage machte Clemens, und ich fragte mich bis fast zum Schluss, bei welchem Lied er ankommen wollte. Es ging über “viele Substantive”, “Ungetümwörter aus vielen Substantiven”, “negativem Beigeschmack” und “Beamtendeutsch” bis zu den “Sonnencremeküssen”. OK, das war originell, aber ich fand es nicht so richtig gut. Das fade Wort “Beamtendeutsch” noch im Ohr, konnte ich mich nicht sofort auf die lässigen Sonnencremeküsse einstellen. Die Differenz war mir etwas zu groß. Als Dän dann aber mit dem Singen begann, war es softig, sanft lächelnd und träumerisch. Hach! Das war es! Ich groovte völlig relaxed in den Urlaub ab, ließ mich von Däns leicht rauchiger Stimme umwerfen und an den Strand kippen. Was hat diese Stimme für eine Ausstrahlung!
Außerdem war es die etwas lässigere Version, die mir so viel besser gefällt, als die schnellere. Das Tempo zog zwar in den Strophen ein wenig an, aber ich blieb an meinem Strand und spürte die warme Sonne auf der Haut. Große Klasse!

Danach brachte mich die Powerfrau wieder in den Haushalt zurück. Zu Dän, der mir am Strand etwas ins Ohr singen würde, wünschte ich mir noch die Perle Sari, die mir meine Wohnung so gründlich, eifrig und temperamentvoll in Ordnung bringen würde. Seine Besenperformance war einfach toll und sah super perfekt aus. Es gab Jubel, Gelächter und am Ende dicken Applaus.

Dann gab es wieder eine Neuerung für diesen Abend. Dän musste bei Konzerten endlich nicht mehr auf das Erscheinungsdatum der neuen CD hinweisen, sondern konnte sagen: “Es mir eine große Freude ansagen zu dürfen, dass die neue CD da ist!” Als kleines Präsent für den heutigen Tag kündigte er außerdem Din-A3-Poster an, dass es nur an diesem Abend geben würde. “Das kriegt ‘nen tierischen Sammlerwert. Das können Sie dann bei Ebay versteigern!” Er schlug vor, dass jeder höchstens zwei Stück nehmen solle, überlegte dann: “Wir haben 2000 Stück. Also besser nur eins. Aber vielleicht wollen nicht alle eins?” Eddi lachte los und fand es schön abgedreht. Dän erklärte kurz und knapp, was der Besitz eines Plakates aussagen würde: “Ich war dabei, ätsch, du nicht!” Das überzeugte.

Das letzte Lied vor der Pause war Mädchen lach doch mal, und das gut gelaunte Publikum klatschte ab dem ersten Refrain laut mit. Es war eine sehr gute Stimmung im Saal und auf der Bühne, die Kängurus konnten mit weiten Sprüngen über die Bühne rennen, und am Ende gab es viel Beifall, die Wise Guys gingen ab, das Licht ging an, und fast alle Zuschauer strömten ins Foyer, um an Getränke, Toiletten und tierisch wertvolle Poster zu kommen.

Nach der Pause wurden ringsherum noch raschelnd Plakate zusammengerollt, als schon das Licht ausging und die Wise Guys in schwarzer Auftrittskleidung zurückkamen. Sie stellten sich in einer Winkelformation auf, bei der Clemens die hintere Spitze war, und sangen ganz sanft das neue Lied Dialog. Während die vier anderen ruhig auf ihren Plätzen blieben, lief Clemens langsam herum, blieb immer wieder stehen und sang nachdenklich und sehr eindringlich. Wunderbar! Auf dem Rückweg hatte er plötzlich die mittleren Monitorboxen wie ein Hindernis im Weg stehen, aber er drehte sich noch einmal zum Publikum, sang ganz ruhig eine Zeile und schritt dann leicht und wie geplant zwischen den Boxen hindurch an seinen Platz zurück. Sehr wirkungsvoll! Im Backgroundchor erschien es mir manchmal noch ein wenig wackelig, aber es war ja alles noch bühnenneu und wird schon klasse werden. Der Text war toll, die Melodie sehr schön, der Background schön und Clemens überzeugend. Auch der optische Aufbau gefiel mir, und ich hatte die Empfindung, dass es zeigt, wie Clemens mit seinen Gedanken über sein Leben aus der festen Formation ausbricht und sich am Ende wieder eingliedert. Vielleicht fehlinterpretiert, aber ich fand es toll. 

Es folgte eine kurze Danksagung, weil ja CD-Präsentation war, und so wurde zunächst ein Spot auf Uwe Baltrusch, den Produzenten gerichtet und ihm ein Geschenk bei der Nachfeier versprochen (vielleicht ein Plakat, das später mal bei Ebay teuer zu verkaufen war?), dann gab es ein Danke an die Plattenfirma Pavement, die Choreographen, Mark Britton, das Büro und die Technik, wobei der Dank an die Technik nochmal zurückgenommen wurde, weil Dän erstmal abwarten wollte, wie es bis zum Ende des Konzertes war.

Passend dazu wurde als nächster Song Danke gesungen. Erst war es etwas mager im Sound, dann sang Dän die erste Strophe etwas zu schnell, so dass sie nicht problemlos zu verstehen war, aber die zweite Strophe wurde ruhiger und lässiger. Bei den Chocolate Chip Cookies danach war der Ton sofort laut und kräftig. Schön! Es zog gut ab, laute Lacher nach der ersten Zeile verrieten die Neuhörer, und die Jungs kreisten so lasziv mit Becken und Hüften, dass es nicht mehr jugendfrei war. Meinen Kindern hätte ich sofort die Augen zugehalten, aber da sie nicht dabei waren, konnte ich ohne Ablenkung selber hingucken. Im Background gab es einige neue Choreografiesachen, die mir alle sehr gut gefielen. Im Anschluss gab es einen wahren Jubelsturm vom Publikum.

When I’m 64 wurde vom Publikum erstaunlich ruhig angenommen, erst bei Saris Strophe gab es laute Lacher, und auch das “Plem-Plem” am Ende des Liedes war problemlos zu hören. Danach gab es zwar starken Beifall mit Pfiffen, aber es war doch ungewöhnlich ruhig geblieben. Ohne Ansage ging es mit Sing mal wieder los. Ich hatte den Mitsingteil erst einmal erlebt, darum bekam ich einen Schrecken, als Eddi nicht pünktlich mit der nächsten Strophe einsetzte, sondern sich plötzlich an das Publikum wandte und zum Singen aufforderte. Aber es machte mir sofort Spaß, und es war mir völlig egal, ob meine Sitznachbarn auch Spaß an meinem Gesang hatten. Das ganze Lied groovte und knallte richtig gut rein. “Vielen Dank, Sie haben super mitgemacht,” bedankte sich Eddi danach, “dafür, dass Sie hier in der Philharmonie sind.”

Alle Huster sollten nochmal husten und dann für zwei Minuten still bleiben, weil das Schlaflied Träum vom Meer dran war. Bei blauem Licht und fast totaler Stille im Zuschauerraum begann es und war einfach wunderbar. Ich hörte, wenn zehn Sitze weiter leise ein Plakat raschelte, so ruhig war es um mich herum. Hätte ich mir Notizen gemacht, wäre das Geräusch der Kugelschreibermine auf dem Blatt zu hören gewesen. Aber ich war ja wieder mal lahmgelegt, wie mir das bei diesem Lied fast immer passiert. Unglaublich! Ich atmete nur noch dreimal in der Minute, der Blutdruck hatte sich auf Winterschlafniveau gesenkt, und ich wünschte mir, diese Stimmung speichern zu können. Dieses Lied, und so wie es gesungen wird, ist einfach traumhaft schön! Völlig bewegungslos und in absoluter Entspannung versunken starrte ich auf die fünf blauen Gestalten, deren Gesichtszüge bei der Entfernung in dem schwachen Licht unscharf zerflossen, und wusste, dass es mir nicht möglich sein würde, genau diese Situation für mein Leben lang abzuspeichern. Sehr schade.

Zum Aufwachen gab es gleich z wei Lieder nacheinander, die mir in dieser Reihenfolge auch gut gefielen. Zunächst Spaß beiseite, das Lied, von dem ich glaubte, dass es niemals live auf der Bühne gebracht werden würde. Falsch geglaubt. Es war live, es war irre, es war klasse! Außerdem so kurz, dass es wie ein überraschender Sturm über das Publikum zog, und vorbei war, ehe man überlegen konnte, was das war. Sehr, sehr witzig! Beim Endton ging das Licht aus, und als es wieder anging, standen die Wise Guys in anderer Formation und begannen sofort mit Du Doof. Sari sang ganz cool und lässig, Eddi ääähte und blökte rein, der Bass hämmerte gut dazu – sehr schön! Seltsamerweise gab es einen recht kurzen Applaus vom Publikum, was mich wunderte, denn um mich herum hatten sich alle sehr amüsiert und viel gelacht.

Bei King of the road war Ferenc’ Stunde gekommen, und während um mich einige der gut angelernten 2-und-4-Schnipper nach und nach das Schnippen einstellten (ich vermeide hier mal die Beschreibung “abkackten”), schnippte ein Herr in meiner Nähe munter auf die 1 und die 3 weiter. Am Ende gab es Riesenjubel für Ferenc, ein großer, runder  Scheinwerfer wurde auf ihn gerichtet, und er stand ganz alleine im Licht, während die anderen hinter ihm über die halbdunkle Bühne gingen. Plötzlich stellte sich Clemens sauer guckend dicht neben Ferenc in den Lichtkegel und Eddi kam von der anderen Seite dazu. Er hielt gerade eines der blauen Gläser in der Hand, das Ferenc zur Freude des Publikums sofort annahm, um lässig einen Schluck daraus trinken. Eddi war zum Wasserbringer degradiert. Der Applaus hielt auch an, als der Lichtkegel schon längst erloschen war, und Ferenc winkte schließlich den ganzen Jubel sehr plötzlich mit einer Armbewegung ab. Das klappte sehr gut und die vier Kollegen guckten säuerlich. Dän dankte dem Publikum und nahm es “als Bestätigung für Teamwork.” Ganz orakelig gab er für die CD den Hinweis: “Nicht jeder Song, der nicht außen draufsteht, ist auch nicht innen drin – wenn Sie wissen, was ich meine.” Nun, ich wusste es.

Dän sagte, dass es mit dem Afterglow in der Philharmonie schwierig sei. Darum gäbe es eine Sondermaßnahme. Die Wise Guys würden nach dem Konzert zum Künstlereingang kommen, dort Fragen beantworten und Autogramme schreiben. Die Bemerkung: “Es gibt ja immer wieder Kinder …” reizte dann aber doch zum Lachen. Als er dann auch noch eine Kneipe in Zollstock angab, in der die Wise Guys danach privat feiern würden, und freundlich aufforderte: “Kommen Sie doch dazu!”, lachten Ferenc, Eddi und Sari sofort los. Dän murmelte grinsend: “Ich glaub, die Kneipe gibt’s gar nicht.” Dann wies er kurz auf die Fernseh-Ausstrahlung am 22. Februar hin. ”20 Uhr 15 in 3sat. Die Konkurrenz ist chancenlos: “Wetten, dass?” und “Deutschland sucht den Superstar.” Er guckte leicht resigniert, während das Publikum loslachte.

Schlag mich baby kam natürlich supergut an. Als von der Seite ein dicker Nebelstrahl auf die Bühne gepustet wurde, gab es Gejubel. Der Nebel raste, wie es von ihm erwartet wurde, mit Schwung zur Mitte und zog dann langsam nach oben weg. Die Wise Guys tauchten singend daraus auf und es wirkte mit dem Licht und dem lauten Sound richtig klasse. Unter lautem Applaus verbeugten sie sich nach dem Lied und gingen ab, während die ersten Philharmoniebesucher erwartungsgemäß zu den Ausgängen eilten, um zuerst im Parkhaus zu sein. Ganz malerisch blieb ein Rest des Nebels noch einige Zeit über der Bühne in der Luft hängen, die Wise Guys kamen zurück und sangen Rasier dich. Sehr schön und einfach witzig. Besonders freute ich mich auf die Stelle, an der sich Sari und Ferenc so nah gegenüberstehen, dass sie ins gegenüberliegende Mikro singen. Die Ton- und Lautstärkeveränderung in diesem Satz ist jedes Mal sehr faszinierend.

Während des Endbeifalles kam eine blaue Philharmonie-Dame und überreichte jedem Wise Guy eine dicke, weiße Rose. Die Jungs gingen ab, aber Pfeifen und rhythmisches Klatschen holte sie zurück. Auf der ganz dunklen Bühne stellten sie sich auf und fingen bei schwach blauer Beleuchtung mit Golden Eye an. Es wurde heller, und sehr schönes Licht unterstützte die Vorführung. Ich staunte, als der in unheimlichem Blau beleuchtete Boden plötzlich rot wurde, während die Wise Guys blau blieben. Großes Lob für die Lightshow!

Wieder gab es großen Beifall, die Hauptdarsteller gingen ab, aber bei allem Klatschen und Jubeln blieb das Saal-Licht abgedunkelt. Das ließ hoffen. Und wirklich, die Wise Guys kamen zur letzten Zugabe, es gab ein gemeinsam gegroovtes Jetzt ist Sommer mit Philharmoniebesuchern, die völlig unabhängig von der Anreise-Entfernung oder dem Alter aufstehen durften und mitklatschten. Ein schöner Schluss!

Wie versprochen, zogen die Wise Guys nach dem Konzert warme Jacken über und stellten sich in die kalte Luft vor den Künstlereingang, um CD-Booklets und “Plakate mit tierischem Sammlerwert” zu unterschreiben. Es war weniger los als erwartet, und so endete der Afterglow, bevor einer der Künstler erfroren war.

Fazit: Das Konzert war sehr schön, der Ton etwas hallig, aber für die Philharmonie recht akzeptabel, die Wise Guys waren fröhlich, weil die CD das Licht, beziehungsweise die Ohren der Öffentlichkeit erblickt hatte und sofort im ganzen Land eifrig gekauft wurde, die Zuschauer waren für ein Philharmonie-Publikum sehr locker und aufgeschlossen, wenn auch nicht extrem überschwänglich. Und ich hatte nach dem schönen Konzert noch einen schönen Abend, inklusive nächtlicher Polizeikontrolle mit Blaulicht, Alkoholtest und großer Enttäuschung bei den Beamten, weil der Fahrer weder Alkohol getrunken hatte noch landesweit gesucht wurde. Jetzt warte ich auf die Wertsteigerung meines leicht verknitterten Plakates, freue mich über die neue CD, warte ganz gespannt auf die Chartergebnisse und wünsche den Wise Guys, dass es allerbestens weitergeht.

Jungs, das habt ihr klasse gemacht! Und ich glaub, ich will euch gar keine Butterbrote schmieren. Oder nur manchmal. 

Showtime
Köln ist einfach korrekt
Deutscher Meister
Du bist dabei
Das wär’s gewesen
Kinder
Was für eine Nacht
Sonnencremeküsse
Powerfrau
Mädchen lach doch mal

Dialog
Danke
Chocolate Chip Cookies
When I’m 64
Sing mal wieder
Träum vom Meer
Spaß beiseite
Du Doof
King of the road
Schlag mich baby
Rasier dich
Golden Eye
Jetzt ist Sommer