Wise Guys – 30.10.2002 – H.G.-Halle – Bad Münstereifel … im Eifelnebel
Die letzten Konzert-Orte der Wise Guys waren: St.Louis USA, Lansing USA, New York USA, Toronto CANADA, Montréal CANADA, Washington USA, Solingen NRW und jetzt: Bad Münstereifel, Eifel. Wow! Dass die Wise Guys es bis nach Bad Münstereifel schaffen würden, hätten sie vor zwanzig Jahren selber nicht geglaubt. Vor dreißig hätten sie den Namen vermutlich nicht mal ordentlich aussprechen können. Bad Münstereifel – “If I can make it there, I’ll make it anywhere” – dieser weltbekannte Ausspruch galt auch heute noch. Ein Auftritt in der Heinz-Gerlach-Halle war etwas, das nicht jeder im internationalen Showbusiness vorweisen konnte. Nur wenige waren bis dorthin gekommen.
Die Wise Guys Show war sicherheitshalber in New York und Washington getestet worden und konnte jetzt mit gutem Gewissen in der Eifel gezeigt werden. Hier lenkten keine gleißenden Lauflichter und riesenhaften Leuchttafeln vom eigentlichen Konzert ab, und sogar die Straßenbeleuchtung war durch herbstlichen Nebel auf ein Mindestmaß reduziert, um die ganze Aufmerksamkeit der Zuschauer auf die pure, ehrliche, mundgesungene a-cappella-Show zu lenken. Die Wise Guys hatten weder enge Glitzeranzüge, noch Plateauschuhe an und verzichteten außerdem bewusst auf ein knapp bekleidetes Showballett. In Bad Münstereifel zählte allein die Leistung.
In den USA hatten die Wise Guys gelernt, dass es völlig egal war, WAS sie sangen. Zitat einer dortigen Konzertbesucherin: “I didn’t understand anything, but it was great!” (Ich hab nix kapiert, aber es war klasse!) Schade für Dän, der sich immer Mühe mit den Texten gegeben hatte und auf der Amerika-Tour bitter lernen musste, dass das völlig überflüssig war. Er ließ sich allerdings nichts anmerken und machte auf der Bühne weiter, als ob alles in Ordnung wäre. Sehr tapfer. Ich bewunderte diese Haltung.
Ich persönlich freute mich jedenfalls sehr, die Wise Guys wiederzusehen, wenn ich auch zunächst bei Nebel und Dunkelheit in der Warteschlange vor der Halle stand. Pünktlich zum Einlass um 19 Uhr waren wir angekommen, wer nicht da war, war der Einlass. Die Feuchtigkeit lag in der Luft und kroch unaufhaltsam und unangenehm in die Jacke hinein. Um die Lichtquellen herum lagen dicke Nebelringe, der Atem der Wartenden dampfte über den Köpfen und alle Geräusche waren in Watte gepackt. Herbstliche Eifel, in der es anscheinend nichts außer der Heinz-Gerlach-Halle und ihrer Warteschlange gab.
Um 19 Uhr 15 ging ein freudiges Aufrufen durch die Reihe, weil die Eingangstür endlich aufging, aber das war auch schon alles. Ich stand weiter am gleichen Platz, fror vor mich hin und sah den vielen Leuten zu, die unverfroren (Wortspiel!) an der ganzen langen Reihe vorbeigingen, um sich bei Bekannten weiter vorne einzureihen. “Drängen die sich beim Metzger auch ganz nach vorne, weil sie da einen kennen?” ist ein Spruch meines Gatten, der mir bei solchen Gelegenheiten immer sofort einfällt. In der halben Stunde Wartezeit waren es bestimmt 100 Leute, die nach mir kamen, im Saal aber vor mit sitzen würden. Mein Vorschlag, alle im Vorbeigehen mit Sprühfarbe am Rücken zu kennzeichnen und am Eingang auszusortieren, wurde freudig zur Kenntnis genommen, konnte aber leider wegen fehlender Farbe nicht durchgeführt werden. Die Gruppe hinter mir einigte sich grinsend auf die Erklärung, dass das alles Musiker wären, die gleich auf der Bühne begleiten würden. Bei einer fünfköpfigen A-cappella-Gruppe eine logische Sache.
Kurz vor halb acht kam dann endlich Bewegung in den Anfang der Reihe. “Die tanzen da vorne nur vor Kälte”, erklärte jemand, aber es ging wirklich los. In der Heinz-Gerlach-Halle war es … groß. “Die Betonung liegt auf Mehrzweck-…” kommentierte der Gatte. Es war eine streng viereckige Turnhalle, in der etwa 800 Stühle im leichten Halbkreis vor eine schmucklose, viereckige Bühne gestellt waren. Mit schaudernder Vorfreude wollte ich einen Blick auf das Heino-Café-Werbeschild werfen, auf dem Heino so aussieht wie Dieter Bohlen, aber es war weg. Im letzten Jahr hatte es noch zwischen den vielen anderen an der Wand gehangen. Was war passiert?
Kurz nach 20 Uhr war das Publikum so bescheiden und dankbar geworden, dass es sofort losklatschte, als nur das Saallicht ausging. Die Wise Guys kamen schnell auf die Bühne, Ferenc hatte dasselbe Hemd wie bei meinem letzten Konzertbesuch an, dafür Eddi aber einen neuen Pullover. Sie wissen ihr Publikum immer zu überraschen. Showtime begann und ich verzog gequält das Gesicht. Oh je. Kein richtiger Bass zu hören, hallig, metallisch und dazu leicht quäkig. “Das ist weniger als ein Kofferradio!” motzte der Gatte und sah genauso gequält aus. Zwei Mädels neben uns klatschten sofort auf 1 und 3 mit, aber eher aus Freude über den Anblick, als aus musikalischer Begeisterung, nahm ich an. Trotzdem gab es nach dem Lied Begrüßungsjubel und schönen Applaus.
Dän entschuldigte sich zunächst für den späten Einlass. “Es lag an uns. Es gab technische Probleme bei einigen von uns in den Köpfen. Wir sind insgesamt etwas langsamer geworden. In den zwei Wochen USA haben wir eine höhere Bewusstseinsebene erreicht.” Ohje. Bad Münstereifel bezeichnete er als “Stadt der Musiker”. Er zählte auf: “Hannes Schöner von den Höhnern, … da war doch noch einer?” Fragender Blick zu seinen Kollegen, dann der zögerliche Vorschlag: “Jimmi Hendrix? Der hat doch hier ein Café, oder so.” Zum Glück ging es im Programm weiter mit dem Frühlingslied. Clemens begeisterte mit seiner Mimik und es wurde gut gelacht. Der Klang war allerdings immer noch nicht viel besser. Die Sprache war sehr gut verständlich, aber die Stimmen untereinander nicht immer gut abgemischt und vor allem fehlten Bass und Volumen.
Die Umfrage war dran, Dän bat um “die Ausleuchtung des Zuschauerbereiches, also des Sportfeldes” und staunte: “Oh, ist knackig voll hier!” Die Neuhörer waren in der Minderheit, aber trotzdem relativ viele, dafür waren nur sehr wenige Bad Münstereifeler da, und die anwesende Düsseldorferin wollte nur winken, aber nicht aufstehen.
Nach Das Leben ist zu kurz kam Deutscher Meister. Es fing ganz zart an, und der erste Refrain “Ich will einmal im Leben …” war sanft und leise, aber so voll Inbrunst gesungen, dass es total schön war! Aus dem ganzen Lied hört man sowieso eine verzweifelte, aber tiefe Liebe zum FC. Sehr schön. Das Publikum schunkelte zum Teil mit, ein anderer Teil klatschte mit und der Rest saß still auf den Stühlen. Allerdings wurde das Tempo gegen Ende so schnell, dass ich nicht mehr mitschunkeln konnte. Ich wäre nur noch mit heftigen Zuckungen von links nach rechts geschleudert und die Gefahr eines Gleichgewichtverlustes war mir einfach zu groß. “Beim Schunkeln vom Stuhl gefallen” – wie sollte ich so was im Krankenhaus erklären? Vom Publikum gab es im Anschluss an das Lied trotzdem langen, lauten Applaus und begeisterte Pfiffe. Der Nerv war getroffen. “Tschuldigung, war nur Spaß!”, rief Dän kleinlaut in Richtung Saaltür, als einige Zuschauer während des Beifalles den Raum verließen.
Bei Das wär’s gewesen kamen dann einige Leute mitten im Lied an der Bühne vorbei zurück, und ich verdrehte außerdem genervt die Augen über andere Zuschauer, die unbedingt an den leisen Stellen husten mussten oder sogar flüsternd reinquatschten. Dän kommentierte: “Wenn man pinkeln muss, dann immer während des Liedes gehen und auch während des Liedes wieder reinkommen. Das ist die Etikette.” Kurze Pause, dann: “KANN man so machen.”
Der Sound war inzwischen etwas besser geworden, erinnerte immer noch an mein altes Radio, aber die Ohren gewöhnten sich langsam daran. Das Lied Kinder brachte den Zuschauern viel Spaß. Es gab ersten, spontanen Applaus bei der Erwähnung der “stolzen Eltern” und auch weiterhin viel vergnügtes Gelächter. Danach kam Was für eine Nacht und ich sank zusammen. Was war das denn? Ein magerer Basston machte: “Pöm, pöm. Pöm, pöm”, und als die anderen Stimmen einsetzten, wurde es nicht viel besser. Hey! Das muss knallen und im Zuschauerbauch grummeln. Wenn schon mit Mikros und Verstärker singen, dann darf das gehört werden! Was ich hörte, war ein zaghafter Jugendchor, der versuchte, rockig zu singen. Sorry, aber bei dem Sound konnte ich das Lied nicht nachvollziehen. So singt man es vielleicht am nächsten Tag gleich nach dem Aufwachen mit dickem Kopf, aber nicht, wenn man “Wow, das war’s wert!” brüllen möchte.
Den Wise Guys konnte ich da nicht mal einen Vorwurf machen, denn das wurde wirklich am Mischpult vergeigt. Schade, schade – so ein tolles Lied. Ungefähr nach der Hälfte des Liedes wurde der Knopf für das Volumen hochgedreht und es wurde besser, aber es hätte noch mehr brauchen können. Ein Teil des Publikums klatschte gut mit, aber insgesamt hätte die Reaktion viel besser sein können, wenn das Lied richtig kräftig gewesen wäre.
Die Sonnencremeküsse im Anschluss waren dagegen wunderbar. Auffällig war, wieviel Zeit sich die Wise Guys ließen – im positiven Sinne. Kein Stress, kein Druck, Zeit für Pausen. Schon nach den ersten Tönen hatte ich ein Sunshine-Reggae-Feeling: Pures Entspannen, relaxen und die Zeit tropfen lassen. Schööööööön. Am Ende des Liedes blieb dann bei mir eine Sehnsucht nach Meer, Strand und Nichtstun. Die Powerfrau schraubte den Kreislauf wieder hoch und brachte fröhliche Stimmung. Sari sang es wieder sehr überzeugend und war einfach süß. Nachdem die Sonnencremeküsse mich in den Sessel geworfen und die Seele plattgemacht hatten, konnte ich bei der Powerfrau ausgelassen und fröhlich mitlachen. Eine schöne Mischung des Programmes.
Dän lobte kurz vor der Pause das Songbook von Eddi und benutzte dabei Worte wie: “geschmackvoll”, “geschickt” und “wunderschön”. Dabei fiel kaum auf, dass er “von Musikkritikern wurde es in den höchsten Tönen ignoriert” sagte, denn er verblüffte auch mit der Angabe: “Es kostet nur 18 Euro, umgerechnet also 9 Mark!” Am Schluss erklärte er das System der Adressenkartei und endete: “… Adresse aufschreiben und am CD-Stand draußen abgeben.” Dabei winkte er mit dem Arm in Richtung Türe. Wortlos, ernst und mehrfach. Die anderen starrten ihn verblüfft an und platzten dann lachend los. Mädchen, lach doch mal war fetzig wie immer und ein guter Schlusspunkt der ersten Halbzeit.
Nach der Pause, die knackig und kurz sein sollte, dann aber doch so lang wie immer war, ging es mit Wenn sie tanzt weiter. Nachdem der Gatte am Anfang der Pause auf die fröhliche Anfrage vom Mischpult: “Na, wie klingt es?” vernichtend geantwortet hatte, wurde extra für ihn mehr Volumen gemacht. Das freute mich auch. Und siehe da: Der Sound war satter, der Bass fetter (die Stimme, nicht der Ferenc!) und der ganze Klang präsenter, ohne übersteuert oder zu viel zu sein. Ein kleiner Dreh für den Mann am Mischpult, ein größerer Hörgenuss für das Publikum.
Bei den Chocolate Chip Cookies hatte Dän noch betont, dass sie sehr stolz auf den Text wären, umso größer war das Gelächter, als klar wurde, um was es sich handelte. Es war klasse, einen Blick ringsherum in das Publikum zu werfen, denn überall war lachendes Kopfschütteln und fröhliche Begeisterung zu sehen. Ferenc’ Solostelle wurde von weiblichem Gejohle kommentiert (ich johlte natürlich lautstark mit) und noch in den Endakkord hinein gab es sehr lauten Applaus, vermischt mit Pfiffen. In der gleichen Stimmung ging es mit When I’m 64 weiter und da gab es am Ende dann sogar noch Getrampel.
Sing mal wieder knallte dann sogar richtig im Sound, der Bass grummelte im Magen und es war sehr wirkungsvoll und zog das Publikum mit. Na also, ging doch. Dän sagte danach: “Dieser Song hieß ‘Sing mal wieder’ und heißt auch in Zukunft so.” Er teilte noch mit, dass das nächste Lied ein Schlaflied wäre, das sich nicht zum Mitklatschen eignen würde und das Licht wurde dunkler. Normalerweise setzt bei mir mit den ersten Tönen ein Kribbeln in den Blutbahnen ein. Diesmal bemerkte ich mit Erstaunen, dass es schon während der Stille vor dem Lied einsetzte, BEVOR der erste Ton erklang. Ganz wie der Pawlow’sche Hund, der beim Klang der Futterglocke anfing zu sabbern, sabberte meine Seele los, sobald ich wusste, dass gleich das wunderbare Lied kam. Hätten die Wise Guys jetzt überraschend ein ganz anderes Stück gesungen, hätte ich überraschend blöde geguckt! Das blieb meiner Umgebung erspart, denn natürlich kam Träum vom Meer. Sehr süß zu sehen, wie einige Reihen vor mir ein Kind, das auf dem Schoß seiner Mutter saß, die kleinen Arme nach hinten um ihren Hals legte und sich ganz eng an sie kuschelte, während es still zuhörte. Als sehr störend empfand ich allerdings die vielen Huster, die herbstlich in das sanfte Lied platzten.
Ich könnte wetten, dass die Jungs für den Root Beer Rag am synchronen Kopfwackeln geübt haben! Es war überhaupt kein Vergleich mit den nur ungefähr gleichzeitigen Bewegungen der letzten Monate. Das saß wie eine Eins und war wirklich klasse! Man sollte nicht unterschätzen, was solche Kleinigkeiten für den Gesamteindruck ausmachen! Ferenc war natürlich der King bei King of the road, die Stelle mit dem “Idiot” war noch ausgeprägter als sonst und damit noch besser. Sehr schön! Das ganze Lied über war ich gespannt, ob Dän am Schluss wieder mal das Steuer übernehmen und bestimmen würde, wann und wie der Song endet. Zu meinem großen Vergnügen hatte er eine neue Variante. Zunächst ließ er Ferenc bei “Ich bin der King of the road” mehrfach musikalisch kreisen. Der hatte schon ein gespanntes, augenblitzendes Lachen im Gesicht. Dann setzte Dän ganz plötzlich zu einem viel zu schnellen “Dabadaba …”-Ende an und würgte alles blitzschnell ab. “Schweinebacke!”, grinste mein Gatte vergnügt. Dän versuchte, möglichst lässig auszusehen, konnte die Freude aber nicht verbergen. Sie strahlte aus allen Ritzen, während Ferenc sich machtlos, aber innerlich auf Hochtouren, brav für den Applaus bedanken musste.
Bei Schlag mich, baby erwischte ich mich wieder beim breiten Grinsen. Ganz gerührt dachte ich daran, dass mich schon bei meinem ersten Wise Guys Konzert dieses Lied sehr beeindruckt hatte. Eigentlich mehr die Performance des Liedes. Ich trampelte und johlte darum am Ende des Liedes mit und schrie auch laut “Zugabe!” als die Wise Guys von der Bühne verschwanden. Natürlich kamen sie wieder und führten Rasier dich vor. Süß! Ich liebe es! Bei der Tanzszene gab es einen romantischen Lichtstrahl von oben, und es war einfach ein Genuss. Normalerweise bin ich nicht für gecoverte Lieder, wenn die Wise Guys selber so gute Lieder machen können, aber das Stück ist ein kleines, hübsches Perlchen geworden.
Pfiffe und Getrampel holten die Darsteller erneut auf die Bühne zurück, und als sie blaubleich im Nebellicht mit “Diring-ding-ding” begannen, ging das übliche, erfreute “Uuuaaaah!” durch das Publikum. Eddis Stimme war hoch, laut und fast schneidend, und am Ende von Golden Eye gab es dann doch fast überall Standing Ovation. Sogar der Mann vom Licht stand auf, vermutlich aber nicht aus plötzlicher Begeisterung, sondern weil er sonst die Bühnenausleuchtung nicht mehr sehen konnte. Vielleicht war es aber auch Begeisterung. Wer weiß.
Mit Jetzt ist Sommer klang der nebelige Eifelabend karibisch aus, es gab viel Endapplaus und einen neuen Rekord, als die Wise Guys hinter dem Vorhang verschwunden waren: Die Zeit zwischen dem Anschalten des Saallichtes und dem Versiegen des Applauses betrug höchstens drei Sekunden. Eher zwei. So schnell konnte nicht mal Ferenc ein begeistertes Publikum abwinken.
Showtime
Frühlingslied
Das Leben ist zu kurz
Deutscher Meister
Das wär’s gewesen
Kinder
Was für eine Nacht
Sonnencremeküsse
Powerfrau
Mädchen lach doch mal
Wenn sie tanzt
Chocolate Chip Cookies
When I’m 64
Sing mal wieder
Träum vom Meer
Root Beer Rag
King of the road
Schlag mich, baby
Rasier dich
Golden Eye
Jetzt ist Sommer