Wise Guys – 30.06.2002 – Johanneskirche – Köln … mit der Domäne Harste
Niemals hätten die Wise Guys freiwillig ein Konzert auf den Tag des Fußball-WM-Endspieles gelegt, aber als Dän im Januar krank wurde und das Klettenberg-Konzert in den Juni verschoben werden musste, konnten sie nicht ahnen, dass ausgerechnet an diesem Tag Deutschland das Endspiel bestreiten würde. Die besorgten Berechnungen der Wise Guys ergaben, dass das Spiel wohl fertig sein würde, ehe das Konzert begann, falls es keine Verlängerung und erst recht kein Elfmeterschießen geben würde. Ich vermutete, dass ansonsten der Platz für einen kleinen Monitor unter dem Altar schon vorbereitet war, aber die deutsche Mannschaft reagierte richtig und verlor pünktlich 2:0 gegen Brasilien.
Ich kam erst zum zweiten Konzert am Abend und musste mir darum keine Sorgen machen, ob es da noch Probleme mit dem Endspiel geben würde. Der Altarraum der Kirche war mit einem großen, hellen Tuch abgehängt, das irgendwie an ein Kasperletheater erinnerte. Ich wartete fast auf fünf kleine Puppen, die am oberen Rand auftauchen, ihre kleinen Stoffbeinchen über die Kante baumeln ließen und zu singen begannen: “Tri-tra-trullala, die Wise Guys, die sind wieder da!”, aber im tiefsten Inneren war mir klar, dass es soweit nicht kommen würde.
Dafür kam ein Mann (war es der Pfarrer? Ich habe leider mal wieder keine Ahnung) vor das Tuch, stellte die Wise Guys als “beliebteste, bekannteste und berühmteste A-cappella-Gruppe zwischen Köln-Sülz und New York” vor und erklärte, dass das jährliche Wise Guys Konzert in der Johanneskirche “die bestbesuchteste und beliebteste Veranstaltung gleich neben Heiligabend” wäre. Fröhliches Gelächter, und die Wise Guys kamen auf die Bühne und begannen mit Showtime. Diesmal hatten sie wieder die bunten Sommersachen an, und ich hatte keinen Plan, nach welchen Kriterien sie entscheiden, was für Klamotten in welcher Hälfte dran sind. In der Kirche war es sehr warm und Eddi schob sofort die Ärmel seines wärmenden Pullovers bis zu den Oberarmen hoch.
Dän entschuldigte sich gleidch nach dem Lied für den Ausfall des Konzertes im Januar, “Ich war schuld!”, betonte aber sofort: “Es hat einen Vorteil: Wir haben zahlreiche neue Songs, die wir im Januar noch nicht hatten!” Blitzschnell erkannte ich die Logik dieser Worte und überlegte, ob ich zwei Jahre Konzertpause einlegen sollte, um dann extrem viele neue Songs zu hören, aber ich hatte das Gefühl, dass es keine wirklich gute Idee war.
Das Frühlingslied kam gut rüber, und danach wurde von der Kanzel aus Licht gemacht, um die Zuschauerbefragung durchzuführen. Es gab immer noch einige Neuhörer, viele Bewohner der Stadtteile Sülz und Klettenberg und natürlich die obligatorischen Düsseldorfer. Auf die überraschende Frage: “Wer ist heute zum ersten Mal in diesem Jahr in einer Kirche?” schnellten auch ganz brav einige Finger in die Luft. Sehr zart und süß begann Deutscher Meister, war total schön und steigerte sich so, dass bei jedem Refrain mehr Leute mitschunkelten. Ich muss sagen, dass ich in einer Kirche schon öfter mal mitgesungen habe, aber beim Schunkeln war es meine Premiere. Das Lied kam sehr gut an und wurde am Schluss mit gellenden Pfiffen belohnt.
Bei der Ansage zu Das wär’s gewesen wurde noch gelacht, aber schon beim ersten Ton spürten die Zuschauer den Ernst des Liedes und hörten ganz leise zu. Es war superschön, und ich glaube, dass Clemens noch nie ein Lied hatte, das so gut zu seiner Stimme passte. Er kann es ganz ohne Grimassen und lustigen Text singen und es kommt sehr beeindruckend rüber. Große Klasse. Nach der ersten Zeile von Kinder brach das Gelächter los und blieb bis zum Schluss. Ein Lied aus dem wahren Leben. In der Kirche saßen viele Betroffene, die laut jubelten und bestätigend lachten und gute Laune hatten. Die coole Performance bei Was für eine Nacht wurde durch die Altartreppen noch schöner, weil sich die Wise Guys fast pyramidenförmig aufbauen konnten. Es fetzte gut los und am Ende gab es viel Applaus dafür.
Eddi kam nach vorne und machte die nächste Ansage. Er wollte noch etwas zur Zeile “Das war’s wert” erläutern und redete über den Fachmarkt Runkel (ein Teppichgeschäft in der Nähe), der sich inzwischen in die “Domäne Harste” umgenannt hatte, und was wäre, wenn man dort eine Nacht eingeschlossen wäre. Die anderen guckten ihn interessiert an und warteten gespannt, was er noch erzählen würde, nur Clemens lachte schon breit los. Eddi erzählte von der Nacht im Teppichladen, von den dicken Rollen, auf denen man dann liegt, und als er bemerkte, dass die anderen Wise Guys kurz vor Lachanfällen standen, sagte er fast verzweifelt zu sich selber: “Mann, mach doch mal ‘ne vernünftige Ansage, nicht so’n Scheiß!” Die anderen platzten los, und Eddi versuchte die Kurve zu kriegen mit 200 Euro, die man nach dieser Nacht bekommt: “Das war’s wert”, und dann brachte er die Geschichte nochmal, aber diesmal ging es um einen Mann, der zusammen mit einer Frau im Teppichgeschäft ‘Domäne Harste’ eingeschlossen wurde und der eine heiße Nacht auf den Teppichrollen erlebte. Es war total quer und daneben, aber superlustig, weil sich die anderen auf der Bühne fast weglachten. Eddi nahm es locker, brachte es souverän zu Ende und alles war ziemlich blöd und trotzdem total gut. Riesengelächter und supergute Stimmung in der Kirche. Auch die Wise Guys auf der Bühne hatten merkbar gute Laune, und die doppelte Konzertbelastung merkte man ihnen überhaupt nicht an.
Mädchen, lach doch mal brachte die Stimmung noch ein Stück höher, und es ging nach lauten Pfiffen, viel Gejubel und wirklich aufbrandendem Applaus supergut gelaunt in die Pause. Die Pause war lang genug, aber trotzdem fehlten noch viele Leute in der Kirche, als das Licht abgedunkelt wurde und die Wise Guys zurück auf die Bühne kamen. Sie warteten noch etwas ab, begannen schließlich aber mit Wenn sie tanzt. Wegen der vielen herbeieilenden Leute war es am Anfang ziemlich unruhig. Schade. Es wurde dann aber noch schön und am Ende gab es dicken Applaus.
Chocolate Chip Cookies war sowas von lasziv und heiß gesungen, dass die Chippendale Boys mit ihrer Stripshow nicht mehr Sexappeal verströmen können. Wow! Doppel-Wow!! Kaum zu glauben, dass es dabei um ein Backrezept geht. Und noch’n Wow! hinterher. Bei When I’m 64 blieb es während des Liedes erstaunlich ruhig, es gab keine Lachausbrüche, keinen Szenenapplaus und sogar das “Plem-Plem” am Schluss war ganz deutlich zu hören, aber dann brachen Geschrei, Jubel und laute Begeisterung aus. Sing mal wieder war klasse, hatte Jazzfeeling und in der Choreographie waren es die Freeze-Stellen, bei denen ich unwillkürlich die Luft anhielt, als alle Bewegungen für einen kurzen Moment eingefroren waren.
Ich habe ja einige Lieblingslieder der Wise Guys, aber ganz an der Spitze steht Träum vom Meer. Als es begann, merkte ich, wie Herz-, Puls- und Atemfrequenz bei mir sofort runtergingen. Echt der Wahnsinn, wie dieses Lied auf mich wirkt. Allerdings könnte ich dabei nie einschlafen, denn es ist viel zu schön, als dass ich freiwillig etwas verpassen würde. Beim Root Beer Rag versuchten die Wise Guys mal wieder ihren eigenen Geschwindigkeitsrekord zu brechen und es war fast unglaublich, wie viele Silben in eine Sekunde passten.
Danach sagte Dän King of the road an: “Das Lied wird vom Ferenc, der das besonders gut machen kann, gesungen.” Ferenc, der direkt neben ihm stand, guckte ihn ernst und lange an. “Es ist eine Charakterstudie des deutschen Mannes.” Ferenc guckte noch ernster und sehr intensiv, Dän grinste amüsiert vor sich hin, die Einleitung wurde vom Background begonnen und Ferenc platzte lachend los. Er schaffte es so gerade, bis zum ersten Ton wieder ernst zu sein und seinen Einsatz zu bekommen, während Dän sehr zufrieden grinsend den Bass in sein Mikro wummerte. Und jetzt fällt mir ein, dass ich immer mal fragen wollte, ob sie wissen, dass sich “Waffe des kleinen Mann‘s” nicht auf “Ego” reimt. Das merke ja sogar ich. Na, kann ich ja nach der Sommerpause mal ansprechen.
Bei Schlag mich, baby gab es die gewohnt tolle Tanzeinlage, die Nebelmaschine pustete mit lautem “Pffffffffft” Dampf dazu, und im Altarraum sah es aus wie in einer Waschküche, in der im Hintergrund die Bettwäsche auf der Leine hängt. Der offizielle Konzertteil war vorbei, es gab langen, begeisterten Applaus und als die Wise Guys wiederkamen, wurden ihnen von kleinen Kindern große Sonnenblumen überreicht.
Rasier dich löste wieder großes Gequietsche und Gelächter aus, von dem ich mich nicht ausnehmen kann. Supersuperwitzig und einfach klasse! Die intensiven Blicke von Ferenc und Sari, der enge Tanz, die romantische Hintergrundmusik – einfach toll! Viel Applaus, Zugaberufe und rhythmisches Klatschen waren dann der große Unterschied zur Heiligabend-Veranstaltung in der Johanneskirche. Jetzt ist Sommer war dran und die Gemeinde erhob sich und klatschte mit. Mein Nachbar wurde an amerikanische Gottesdienste erinnert und fand das gar nicht so befremdlich.
Am Schluss gab es noch ein Golden Eye, von mir schon so oft erlebt, aber immer noch nicht als überflüssig empfunden, bei dem der Anfang ein unerwartetes optisches Erlebnis war. Durch das helle Tuch im Hintergrund, das sich im Windzug leicht bewegte, erinnerten die Schatten sehr an die James-Bond-Filmanfänge. Verschwommene Konturen, weiche, flüssige Bewegungen, wie unter Wasser – einfach toll! Als Ferenc im starken Scheinwerferlicht seine Hand vor das Tuch hielt und typische Schattenriss-Bewegungen machte, Typ: bellender Hund, fiel ich auf meinem Sitz lachend nach vorne.
Am Ende verbeugten sich die Wise Guys unter lautem Jubel, lachten glücklich und gut gelaunt ins Publikum und sahen trotzdem plötzlich müde, verschwitzt und etwas ausgepowert aus. WM-Endspiel und zwei Konzerte – das war schon was.
Showtime
Frühlingslied
Das Leben ist zu kurz
Deutscher Meister
Das wär’s gewesen
Kinder
Was für eine Nacht
Meine heiße Liebe
Sensationell
Mädchen lach doch mal
Wenn sie tanzt
Chocolate Chip Cookies
When I’m 64
Sing mal wieder
Träum vom Meer
Roor Beer Rag
King of the road
Schlag mich, baby
Rasier dich
Jetzt ist Sommer
Golden Eye