Wise Guys – 24.03.2002 – Millowitschtheater – Köln … in Ferienstimmung
Es war der letzte Abend der sechstägigen Millowitsch-Reihe und überhaupt das letzte Konzert der Wise Guys vor ihrer Osterferien-Pause. Das Millowitsch-Theater finde ich auch ohne Wise Guys schon schön. Es ist schnörkelig altmodisch verziert, eine geschwungene Treppe führt zum Saal, an den Wänden hängen Szenenfotos von vergangenen Theateraufführungen und im Saal gibt es rotplüschige Polstersessel und eine hübsche, kleine Bühne. Mit etwa 400 Sitzplätzen ist es auch von der Größe her genau das, was ich bei Wise Guys Konzerten haben möchte.
Sehr gut gelaunt fuhr ich am Sonntagabend zum Millowitsch-Theater und freute mich auf das Konzert. Dass es mit dieser unneutralen Haltung keinen objektiven Konzertbericht geben würde, war mir klar, aber die Wise Guys hätten schon eine sehr miese Show abliefern müssen, um mich aus dieser Stimmung herausreißen zu können. Es war mein letztes Konzert für die nächsten Wochen und das wollte ich genießen.
Wie üblich ging zuerst das Saallicht aus, ehe das Programm begann. Die Wise Guys betraten mit flottem Schritt die Bühne, warteten den Begrüßungsapplaus ab und begannen mit Showtime. Um auch das eventuell anwesende internationale Publikum anzusprechen, stellte Dän die Kollegen während des Liedes nicht mit: „Meine Damen und Herren – die Band!“ vor, sondern beeindruckte mit: „… – les rois de la rue“ (die Könige der Straße). Ehrlich gesagt beeindruckte mich das erst NACH dem Konzert, als Dän auf die Frage, was er da so schnell und unverständlich gesagt hatte, die Zeile wiederholte und ich sie endlich kapierte. Für alle verständlich stellte er nach dem Eröffnungslied die Hauptakteure vor: „Wir sind die Wise Guys aus Köln.“ Ach.
Das Konzert war eine Dernière, im Gegensatz zur Première die letzte Vorstellung, und nicht nur das Ende der Millowitsch-Reihe, sondern auch der letzte Auftritt vor dem Urlaub der Wise Guys. Dän erklärte außerdem, dass es das Sonntagspublikum immer besonders schwer hätte den Publikumspreis zu gewinnen, und dass der Begrüßungsapplaus dieses Abends an vierter Stelle der Millowitsch-Abende gestanden hätte. Was? Ich fühlte mich schwer in meiner Ehre gekränkt und klatschte ab da doppelt so laut.
Das Frühlingslied wurde mit Erheiterung und überraschtem Auflachen kommentiert und die Zweideutigkeiten kamen sehr gut an. Sofort ging es mit dem RTL-Lied weiter, und mit guter Laune wurde vom größten Teil des Publikums kräftig und ohne Zögern auf 1 + 3 mitgeklatscht. Bei der Lightshow gab es dazu lilaweiße Kringel, die sich auf Decke und Vorhang drehten und krass an die 70er Jahre erinnerten. Danach gab es lauten Jubel, denn den Publikumspreis wollte wohl nicht nur ich nicht kampflos aufgeben. Die gute Laune ging auch bei Däns Einteilung in „musikalische“ und „konsequente“ Zuschauer nicht verloren.
Der große, prachtvolle Kronleuchter in der Mitte der Saaldecke strahlte hell auf, damit die Zuschauerbefragung starten konnte. Es gab recht viele Ersthörer, etwas mehr Wiederholungstäter und erstaunlich viele Kölner. Den anwesenden Düsseldorfern wurde gesagt: „In Köln im Millowitsch-Theater beim Konzert der Wise Guys – wie willst du das morgen erklären?“
Alt und doch wieder neu im Programm: Die wahre Liebe. Sehr schön gesungen, gefiel mir gut. Als Dän seine lange Anmoderation zum Thema ‘Singleleben’ machte, lauschten die Zuschauer entzückt und das Lachen saß locker. Der Anblick von Dän war grandios. Er stand in der Bühnenmitte und wurde von oben mit einem Scheinwerfer angeleuchtet. Ein heller Lichtkegel begann sehr schmal am oberen Vorhangrand, wurde nach unten zunehmend größer und bildete auf dem Boden einen Kreis. Genau in diesem Lichtstrahl stand Dän wie in einem Enterprise-Beamer und seine Haare sahen aus wie ein großer, weißblond-gelockter Helm. Sehr abgedreht und ungewöhnlich.
Oh, Scheiße wurde ziemlich langsam gesungen und kam mir schön homogen im Background vor. Mir gefiel es sehr. Allerdings stutzte ich wie immer an derselben Textzeile. Wie kann man jemanden lieben, wenn man ihn widerlich findet? Entweder – oder. Textliche Freiheit hin oder her, aber es muss schon korrekt bleiben! Dass es Leute gibt, die ich widerlich finde, die aber trotzdem von irgendjemand geliebt werden, bestreite ich nicht. Auch die Möglichkeit, dass ich erst jemanden liebe und dann widerlich finde, ist klar, aber gleichzeitig lieben und widerlich finden, geht nicht.
Bei Meine heiße Liebe sang Clemens sehr intensiv eine Frau in der ersten Reihe an und der neben ihr sitzende Mann sah sie überrascht an. Ich grinste vor mich hin, denn so was könnte schöne Ehekräche auslösen. „Nein, Liebling, ich kenne ihn wirklich nicht!“ „Und warum hat er dich dann vor dem kompletten Saal angesungen und heiße Liebe genannt!?“ Dän imitierte grinsend Ferenc’ Rassel-Bewegung und auch Sari und Eddi lachten und machten sich darüber lustig. Eine sehr schöne Einlage, die wieder alle Blicke von Clemens ablenkten. In den heftigen Schlussapplaus hinein starteten die Wise Guys sofort mit Die Frau hat Rhythmus, und es war sehr temperamentvoll und klasse. Eddis Tanzeinlage war … äh … sehr kraftvoll, originell und … äh … einmalig. Er überzeugte weniger durch Eleganz als durch Einsatz und Bewegungsfreude.
Nachdem Dän kurz vor der Pause noch Eddis Songbook hart verrissen und zusammen mit den anderen Kollegen vom Kauf der gehefteten Kopien dringend abgeraten hatte, begeisterte Mädchen lach doch mal das Publikum. Besonders die durchgehenden Känguru-Trommeln, der hüpfende Eddi und der springende Sari lösten lautes Gelächter aus. Der Publikumspreis schien nicht ganz verloren. In der Pause quetschten sich fast alle Besucher in das kleine Foyer und mir verging der Durst als ich sah, durch welche dichtgedrängte Menschenmenge ich bis zur Theke vordringen müsste.
Nach der Pause war die Atmosphäre plötzlich ganz anders. Die Wise Guys sangen Wenn sie tanzt, hatten ihre schwarze Sachen an, blaue Strahler warfen Lichtkringel bis an die Decke und alles war ganz ruhig und wie verzaubert. Toll. Als das Licht nach dem Lied plötzlich wieder normal wurde, war das ernüchternd. Da standen auf einmal nur noch fünf Männer auf dem braunen Bretterboden einer Bühne und hinter ihnen hing ein schwarzer Vorhang. Der Ausgleich kam aber sofort. Dän sagte mit ernster Miene, dass er hinter der Bühne eine traurige Nachricht erfahren hätte: „Das dritte Klingelzeichen ist raus. Wir verabschieden uns von ihm und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute!“ Andächtige Stille, das beeindruckte Publikum wusste sofort: Hier war der ultimative Witz. Unglaublich gut, einzigartig in seiner subtilen Komik und trotzdem mörderkomisch. Die Zuschauer schwiegen ergriffen, nur Sari senkte den Kopf und lachte los. Hinterher entschuldigte er es mit seiner Überraschung, dass Dän den Witz tatsächlich ein drittes Mal gebracht hatte.
Die Atmo-Ballade brachte wieder Bewegung in die beeindruckte Zuschauermasse. Die Grillen auf der rechten Seite waren erst ziemlich schlecht, bei der Wiederholung dann aber recht gut, die Kröten auf der linken Seite waren zunächst schlecht und blieben das auch, und die Eulen erhielten nach der ersten Probe von Dän ein staunendes: „Das war auf Anhieb perfekt!“ Ich war natürlich wieder eine Eule, allerdings eine der weniger perfekten. Dabei hatte ich mir meinen Platz nicht ausgesucht. Köln-Ticket hatte die Karten für diesen Platz verkauft, und demnächst werde ich dort telefonisch verlangen: „Ich möchte eine Karte für Wise Guys, aber mit Grillen oder Kröten und auf jeden Fall ohne Eulen!“
Die ‘Atmo’ begann, mit lautem Zischen wurde von der Seite Nebel auf die Bühne gepustet und er kam mit so viel Schwung an, dass ich dachte, er haut den Wise Guys die Beine zur Seite weg. Es sah aus wie auf dem Bahnsteig unmittelbar neben einer Dampfeisenbahn, ganz unpassend für einen Wald. Als der Dampf in die Zuschauerreihen absickerte, wurde dort heftig gewedelt, um wieder freie Sicht zu bekommen. Insgesamt ein sehr aktives Lied.
Bei When I’m 64 blieb Clemens mit angeblichem Bandscheibenschaden in gebückter Haltung stehen und wurde von Eddi liebevoll bis an den seitlichen Bühnenrand gebracht, wo er im Oberkörper abgeknickt, mit dem Gesicht zum Vorhang regungslos stehenblieb. Erst kurz vor Ende des Liedes brachte Eddi ihn zurück und richtete ihn wieder auf. Eigentlich ein sehr witziger Einfall, der aber leider von Saris sächsischer Strophe ablenkte, was schade war, denn es gab nur wenig Applaus für ihn.Zwei gute Sachen gleichzeitig heben sich auf.
In der Ansage vom Root Beer Rag erläuterte Dän die Nachteile des harten Showlebens in einem verbitterten, ‘ihr-versteht-mich-alle-nicht’-Ton. Wunderbar! Das Tempo des Liedes war dann superschnell und ich bekam vom Zuhören Atemschwierigkeiten. Wahnsinn! Es gab viel Beifall und das Publikum trampelte sogar. Danach King of the road. Ferenc hatte einen sehr schönen Wechsel zwischen sanfter und aggressiver Stimme, aber ich fand das Lied etwas zu langsam. Ein klein wenig anziehen und es wäre mehr Schwung drin. Den meisten Zuschauern gefiel es aber wohl so und es gab wildes Geklatsche und Getrampel für Ferenc. Die anderen vier Guys standen im Hintergrund und guckten säuerlich. Nach ewig langer Zeit winkte Ferenc den Applaus schnell ab, es wurde sofort still und in diese akustische Leere hinein klatschten die vier anderen betont langsam und gelangweilt. Klatsch – klatsch – klatsch. Großartig!
Die Zugaben kamen. Bei Jetzt ist Sommer stand keiner aus den gemütlichen Polstersesseln auf, es wurde aber mitgeklatscht. Dann kündigte Dän ernst das letzte Lied an und endete: „Vier Wochen Pause. Ja, da wird man schon etwas schwermütig.“ Das konnte nicht stimmen, denn bei den letzten Liedern waren die Wise Guys schon ziemlich albern, wenn nicht leicht überdreht gewesen, vor lauter Vorfreude auf die konzertfreie Zeit. Clemens zeigte mit einer schnellen Handbewegung vor seinem Gesicht ein klares ‘Plem-Plem’ und Dän, der es aus den Augenwinkeln sah, musste lachen.
Allerletztes Lied war Schlag mich, baby und das machte es mir besonders schwer, in den nächsten Wochen auf Konzerte zu verzichten. Im Publikum gab es quietschendes Gelächter, die nette Boygroup auf der Bühne bewegte sich toll, schöne Lichteffekte untermalten die Szene und Ferenc vergaß, was er mit seinen Armen machen sollte. Mit strahlendem Grinsen sah ich den letzten Verbeugungen zu, wünschte den Wise Guys beim Abgang leise einen schönen Urlaub und tröstete mich mit dem Gedanken, dass es bis Mai gar nicht mehr so lange war.
Fazit: Schöne Stimmung im Publikum, wenn auch von der Ekstase entfernt, auf der Bühne nicht immer so ganz perfekt gesungen, dafür aber witzig aufgedreht wegen der herannahenden Urlaubszeit, zusammen mit der kuscheligen Atmosphäre im Millowitsch ein schönes Endkonzert.
Showtime
Frühlingslied
Ich war noch nie bei RTL
Das Leben ist zu kurz
Die wahre Liebe
Oh, Scheiße
Ohne dich
Meine heiße Liebe
Mädchen, lach doch mal
Wenn sie tanzt
Kaiser Franz
Willst du mit mir gehen
When I’m 64
Root Beer Rag
King of the road
Golden Eye
Ich will keine a-cappella
Jetzt ist Sommer
Schlag mich, baby