Stoppok – w.e.l.l.n.e.s.s. – 19.03.2002 – Köln,
Live Music Hall, Köln
Mit nur zwei eigenen Stoppok-CDs, einer einzigen Live-Konzert-Erfahrung und meinen mehr als mangelhaften Textkenntnissen kann ich mich wirklich nicht als harten Fan bezeichnen. Aber ein Fan bin ich trotzdem, denn wenn ich Stoppok höre, fange ich an zu lächeln und es trifft mich ins Herz. Rumgekriegt hat er mich mit seiner so unnachahmlich lässigen Art zu singen, der brüchigen Stimme und der Zeile “das ist die harte Zeit zwischen Twen Tours und Seniorenpass”, in der ich mich sofort wiederfand. Dass er absolut unabhängig und eigenwillig rüberkommt, macht die Sache noch besser.
Seine Texte wirken sehr echt und glaubhaft, so wie man eben spricht, und zusammen mit seinem Äußeren, seiner Art der Musik und seinem Gesangstil ergibt das ein rundes, passendes Bild von einem Menschen, der einfach so ist, wie er ist. Natürlich kann ich in dieser Beurteilung voll danebenliegen. In Wahrheit kann Stoppok völlig anders sein, privat im teuren Anzug rumlaufen und immer das neueste Handy in der Tasche und die Börsenkurse im Kopf haben, aber dann spielt er seine Rolle so perfekt, dass es eigentlich auch keinen Unterschied macht, weil ich es nicht merke. Außerdem wäre diese Annahme so lächerlich, dass ich das mit größter Anstrengung nicht glauben könnte.
Die Live Music Hall war ausverkauft, das Publikum vorwiegend in Jeans oder Leder gekleidet und zwischen 30 und 40 Jahren alt. Kreischende Teenies fehlten völlig. Eine ruhige Atmosphäre, es wurde nicht gedrängelt und selbst vor der Bühne konnte man mit gutem Freiraum stehen und musste nicht kämpfen, um seinen Platz zu behalten.
Der ‘special guest’ Chris Whitley begann, und ich hörte fasziniert zu, wie er auf einer Gitarre spielte und es sich anhörte, als ob er zwei davon und sogar noch einen Bass hätte. Sehr rhythmisch, mit schnellen Fingern und ziemlich vielen Tönen. Allerdings stellte sich heraus, dass das nicht sehr wandlungsfähig war und sich der Sound in meinen Ohren schnell abnutzte. Beim fünften Lied, kam von zwei mir bekannten Herren hinter mir ein grinsendes : “Hatten wir das nicht gerade?”, und beim siebten ein leicht genervtes: “Ist schon interessant, was man dem Publikum zumuten kann.” Also es war nicht schlecht, aber mir persönlich hätten drei Stücke gereicht und ich wäre zufrieden gewesen. So starrte ich nur mit steigendem Interesse auf die dicke Ader, die quer über seinem rechten Unterarm verlief und immer weiter anschwoll. Wie dick würde sie werden? Ehe sie aber platzen konnte, hörte er auf, verließ die Bühne und wurde doch tatsächlich von einigen Zuschauern wieder rausgeklatscht! Na, super.
Konnte ich also nochmal auf die Ader starren und hoffen, dass Stefan Stoppok bald dran wäre. Immerhin war es inzwischen halb 9, ich stand seit sieben Uhr rum und musste mir auch noch Musik anhören, die ich gar nicht hören wollte. Oh, boah, nee. Nach Chris Whitley musste der Techniker alle Gitarren, die wie in einem Musikgeschäft am Rand aufgebaut waren, nochmal stimmen und um 10 vor 9 ging es endlich los.
Reggie, der Bassist begann mit tiefen Bassläufen, dann kamen nacheinander Schlagzeuger Thorsten, Gitarrist Mario und Keyboarder Danny auf die Bühne und begannen mitzuspielen. Und dann endlich Stoppok! Um meine letzten Zweifel an seiner Echtheit zu beseitigen, hatte er sich sehr typisch unangepasst und eigenwillig gekleidet. Enge Hose, enges Hemd, von Schnitt und Muster aus den 70er Jahren und wahrscheinlich aus einem Kleidersammlungssack entwendet, dazu seine zibbeligen Haare, die Ohrringe, eine Kette – Stoppok wie er sein musste. Ein nettes, natürliches Grinsen im Gesicht und die tatsächlich freundliche Ausstrahlung: Ich mach was ich will und es ist mir sowas von egal, was du davon hältst.
Es ging sofort fetzig und sehr gitarrenlastig los, der Schlagzeuger drummte los und überall war dicker, voller Sound. Es war einfach richtig gut. Die ersten gesungenen Worte von Stoppok ließen mich sofort liebevoll losgrinsen, denn da war sie wieder, die unverwechselbare, brüchige Stimme, die ich so klasse finde.
Nach dem zweiten Lied begrüßte Stefan Stoppok die Anwesenden zum “Wellness-Abend” und kündigte mit Kaffeefahrten-Verkäuferstimme an, dass es später mehr Informationen dazu geben würde. “Ohne mich jetzt festlegen zu wollen, es gibt noch tolle Tipps heute Abend. Ich freue mich für euch!” Weiter ging es im Programm, Stoppok grinste viel ins Publikum, hatte Spaß am Blickkontakt und sichtlich viel Freude am Konzert. Dabei war es Tag 19 einer 20tägigen Tour quer durch Deutschland, bei der es an jedem Abend ein Konzert gab. Die Musiker wirkten alle fit und waren mit viel Energie bei der Sache, nur der Keyboarder sah aus wie eine übernächtigte Angela Merkel. Sehr verblüffend. Optisch im oberen Bereich eine Angela Merkel, die lächelnd und mit ruhigen Bewegungen an der Heimorgel saß, wenn man mal von den Stiefeln an den Männerbeinen absah, die man unten erkennen konnte. Akustisch dann aber doch ganz anders.
Mein Lieblingslied des Abends war “Viel zu schön” von der neuen CD. Gänsehautmäßig gesungen und der Text eine Aufforderung, seinen eigenen Weg zu gehen. Refrain: “Viel zu schön hier auf der Erde, viel zu schön für’n Leben in der Herde, ich lass sie zieh’n, ganz egal wohin.” Das war natürlich genau der Stoppok, den ich hören wollte. Eine eher ruhige Ballade, mit sexy-brüchiger Stimme gesungen und von der Unabhängigkeit handelnd. Wer Stoppok hört, ist sowieso eher neben dem Trend und schwimmt auch mal gegen den Strom – oder er wünscht sich jedenfalls so zu sein.
Zwischen den Liedern kam Stoppok immer wieder auf seine Wellness-Tipps zurück, aber es war schon etwas störend, dass es ständig Zwischenrufe aus dem Publikum gab, sobald es auf der Bühne leiser wurde. Ab und zu ging er mal auf einen Zuruf ein, aber ein ungestörtes Reden von ihm war nicht möglich. Liedwünsche schmetterte er sofort freundlich ab: “Learning by burning? Das spielen wir heute nich, das sach ich gleich!” oder “Eine Ballade? Ja, aber eine Ballade UNSERER Wahl!” Trotz aller Zwischenrufe blieb er immer lässig und ließ keine Distanz zwischen Bühne und Publikum aufkommen.
Über eigene Sätze “Ist das hier nicht alles Wellness?” konnte er manchmal nur den Kopf schütteln: “Nee, das is doof. Also manchmal kann man sich seine Sprüche nicht aussuchen. Also MIR geht das so.” In seiner Verkäuferstimme bot er das esoterische Heft ‘Heilung als Weg aus der Krankheit’ an. “Lasst euch durch den Preis nicht abhalten. Erscheint mit 50 Euro total viel für ein 10seitiges Buch, aber das Papier ist total dick!” Es grinste aus reiner Freude über seinen gelaberten Schwachsinn und setzte hinterher: “Es soll euer Nutzen nicht sein. Sagen wir mal so”. Um ganz glaubhaft zu wirken, zitierte er: “Ich bin ‘der ehrliche Sänger aus dem Ruhrgebiet’. Steht immer in der Zeitung! Könnt ihr da nachlesen!” Sehr viel Spaß und Gegrinse also zwischen den Liedern, und beim Gesang ein Wechsel von mal sehr ernsthaft bis zu witzig.
Auch seine „Pott-Pouries“, die in Fankreisen anscheinend sehr umstritten sind, fand ich persönlich klasse. Es machte mir Spaß in ältere Sachen reinzuhören, und ich strahlte natürlich bei dem Kurzausschnitt von ‘der Zeit zwischen Twentours und Seniorenpass’ los und hätte genau dieses Lied lieber komplett gehört. Na, man kann nicht alles haben. Bis zur letzten Zugabe um 23:15 Uhr sahen die Jungs auf der Bühne fit und frisch aus und drehten nochmal richtig auf. Als dann endgültig das Licht an- und die Boxen ausgingen, hatte ich Watte auf den Ohren und war vom Bassgewummer richtig schön durchgerührt worden.
Fazit: Ein schönes Konzert mit gutgelauntem Stoppok, sehr guter Musik und schöner Stimmung. Mir persönlich gefallen einige ältere Lieder besser als einige von der neuen CD, und die hätte ich natürlich an diesem Abend gerne gehört und habe sie vermisst. Den ‘special guest’- Gitarristen hätte ich dagegen gar nicht vermisst. Da ich aber immer noch weiter auf meinem Weg der Fanentwicklung bin, inzwischen auf zwei Konzerten war und drei CDs besitze, werde ich mich mal in die neue CD einhören und meine Lieblingslieder entdecken. Im Übrigen finde ich, dass sich Musiker durchaus die Meinungen ihrer Fans anhören sollten, dann aber trotzdem genau das machen und durchziehen sollten, was sie wollen. Bei Stefan Stoppok habe ich da gar keine Sorge. Solange der ein „Pott-Pourie“ singen will, macht der das auch. *grins*